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Wirtschaftsrecht
13.09.2012
Wirtschaftsrecht
OLG Schleswig-Holstein: Unlautere Bewerbung von Genussrechten

OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 5.9.2012 - 6 U 14/11

Leitsatz

Die Bewerbung von Genussrechten als Geldanlage mit dem Hinweis auf "maximale Sicherheit" wie bei einer Spareinlage ist irreführend und unlauter nach § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG sowie wettbewerbswidrig nach § 4 Nr. 11 UWG, weil es eine gesetzliche Einlagensicherung wie bei Bank-Sparguthaben nicht gibt. Das gleiche gilt für Aussagen zur Investition der Gelder in Sachwerte und dadurch vermittelte Sicherheit, wenn das über die Genussrechte gesammelte Kapital tatsächlich durch Darlehensvergabe angelegt wird. Irreführend und wettbewerbswidrig ist schließlich die Bewerbung mit "maximaler Flexibilität" der Einlagen, wenn eine Kündigung der Anleihe frühestens nach drei Kalenderjahren zulässig ist.

Sachverhalt

I. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassen nach seiner Auffassung unlauterer Werbung für Genussrechte in Anspruch, die bei der Beklagten erworben werden können. Die Beklagte stellt die eingeworbenen Gelder anderen Unternehmen der X - Unternehmensgruppe darlehensweise zur Verfügung. Diese wiederum investieren das Kapital in Anlagen im Bereich erneuerbarer Energien, insbesondere in Windkraftanlagen.

Der Kläger ist der Auffassung, dass die Beklagte die von ihr angebotenen Genussrechte irreführend bewirbt. Sie stelle einseitig und unzutreffend eine angebliche Sicherheit und Flexibilität der Genussrechte in den Vordergrund und verschweige die mit ihnen verbundenen Risiken. Die Beklagte stellt dies in Abrede. Das Unterlassungsbegehren des Klägers hatte vor dem Landgericht Erfolg. Mit der form- und fristgerecht eingelegten Berufung verfolgt die Beklagte weiterhin das Ziel vollumfänglicher Klagabweisung.

Von der näheren Darstellung des Sachverhaltes wird nach den §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.

Aus den Gründen

II. Die Berufung ist unbegründet.

Das Landgericht hat zu Recht auf eine Unzulässigkeit der von dem Kläger beanstandeten Werbeaussagen erkannt, sofern diese nicht mit - im Tenor des angefochtenen Urteils näher bezeichneten - klarstellenden Hinweisen verbunden werden.

1. Das Unterlassungsbegehren des Klägers ist jedenfalls in der im angefochtenen Urteil tenorierten Form hinreichend bestimmt. Den ursprünglich etwas anders formulierten Klagantrag hatte die Beklagte erstinstanzlich als zu unbestimmt beanstandet, weil er nicht nur auf Unterlassung der wörtlichen Wiederholung verschiedener Werbeaussagen, sondern auch auf Unterlassung von „im Wesentlichen" vergleichbaren Aussagen gerichtet war. Jedenfalls nach der vom Landgericht vorgenommenen Umformulierung bestehen derartige Bedenken nicht mehr. Die Beklagte hat sie in der Berufung auch nicht wiederholt.

2. Der Unterlassungsanspruch steht dem Kläger aus den §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2; 3 Abs. 1 iVm § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und § 4 Nr. 11 UWG zu.

a) Irreführend und damit nach § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG unlauter sind zunächst alle Aussagen, die die Beklagte zur vermeintlichen Sicherheit der beworbenen Anlagen trifft.

aa) Die vermeintliche Sicherheit der Geldanlage bei der Beklagten wird in mehreren Werbeaussagen hervorgehoben.

Im Einzelnen:

 „Geldanlage (....), die Ihnen Sicherheit und Stabilität bietet",

 „Sicherheit zum Anfassen",

 „Maximale Sicherheit",

 „Höchstmaß an Sicherheit",

 „Hohe Wertstabilität und Sicherheit",

 „Sicherheit auch bei steigender Inflation".

In diesen Formulierungen wird der Begriff „sicher" nicht als rein wertende Begrifflichkeit verwendet, mit der „keine bestimmte Tatsachenbehauptung" verknüpft sei, wie die Beklagte meint. Schon das Versprechen einer Sicherheit „zum Anfassen" enthält eine Tatsachenbehauptung, nämlich die Aussage, dass in irgendeiner Form ein real vorhandenes, gewissermaßen „greifbares" Sicherungsobjekt vorhanden sei. Deutlicher wiederholt und ergänzt wird diese Aussage durch weitere Werbeaussagen, die unzweifelhaft Tatsachenbehauptungen enthalten,

 „Die Alternative zur Bank oder Lebensversicherung",

 „Investieren Sie in (...) reale, zukunftssichere und rentable Sachwerte",

 „Grünes Sparbuch",

 „Wie bei einer Sparanlage".

Diese letztgenannten Aussagen verknüpft der angesprochene Verbraucher ohne Weiteres mit denjenigen zur Sicherheit. In diesem Sinne sind sie auch gemeint. Alle Aussagen, die die Beklagte zur Sicherheit ihrer Anlagen macht, erfolgen vor dem Hintergrund einer vermeintlichen Sicherheit wie bei einer Bank und einer angeblichen Sicherheit infolge der Investition des Geldes in reale Sachwerte. Die Sicherheit soll das gleiche Maß haben wie bei der Anlage des Geldes bei der Bank; Grundlage hierfür soll die Anlage des Geldes in Sachwerte sein. Beides trifft indes nicht zu.

bb) Die Aussage der Beklagten, die von ihr beworbene Geldanlage sei ebenso sicher wie die Geldanlage bei einer Bank, ist unzutreffend. Der Sicherheitsstandard für den Verbraucher ist bezogen auf die Anlage bei der Beklagten bei Weitem nicht so hoch. Der Beklagten ist zuzugestehen, dass auch Banken riskante Geldanlagen anbieten. Dass deshalb keineswegs jede Geldanlage bei einer Bank „sicher" ist, und dass die Bankenwelt durch solche Geldanlagen in den letzten Jahren massiv erschüttert wurde, ist sowohl dem Gericht als auch jedem durchschnittlich informierten Verbraucher bekannt. An diese Erfahrung knüpft die Werbung der Beklagten mit ihrer Bezugnahme auf die „Sicherheit wie bei einer Bank" (u. ä.) aber ersichtlich nicht an. Offenkundig möchte sie mit Formulierungen dieser Art die Verbraucher nicht darauf aufmerksam machen, dass der Kauf von Genussscheinen ebenso hochspekulativ ist wie manche von Banken vermittelte Anlagen. Vielmehr knüpft die Werbung an an die Vorstellung der sicheren Anlage von Geld, das „auf die Bank gebracht", m. a. W. auf ein Sparbuch eingezahlt wurde. Nur durch die gedankliche Bezugnahme auf diese traditionelle Bankanlage erhalten die auf vergleichbare „Sicherheiten" anspielenden Aussagen in der Werbung der Beklagten Sinn. Eine ebenso sichere Geldanlage wie die auf einem hergebrachten Sparbuch stellt, so vermittelt es die Werbung der Beklagten, die Anlage des Geldes in von ihr vermittelten Genussscheinen dar.

Diese Vorstellung von der Sicherheit von Sparguthaben bei einer Bank hat aufgrund der gesetzlichen Einlagensicherung für Sparguthaben auch einen realen Hintergrund. Nach dem Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz (EAEG) haben die Gläubiger einer Guthabenforderung im Fall der Insolvenz der Bank einen Anspruch auf Entschädigung für den Verlust in Höhe eines Gegenwertes von bis zu 100.000 € (§ 4 Abs. 2 Nr. 1 EAEG). Diese Sicherheit ist insbesondere für Kleinanleger von Bedeutung. Gerade sie spricht die Beklagte mit ihrer Werbung auch an, indem sie ihnen eine Anlagemöglichkeit bereits ab 2.500 €, einzahlbar in monatlichen Raten ab 100 €, anbietet. Eine vergleichbare Sicherheit wie bei einem Sparguthaben kann die Beklagte ihren Anlegern dabei aber nicht gewähren. Insofern bieten die Genussscheine keinesfalls eine Sicherheit „wie bei einer Bank".

cc) Ebenso unrichtig sind die Aussagen zur Investition der Gelder in Sachwerte und die dadurch für den Anleger bestehende Sicherheit.

aaa) Für die Entscheidung des Anlegers ist eine derartige Absicherung seines Geldes von grundlegender Bedeutung. Dass dies die Beklagte nicht anders sieht, wird außer an den zitierten Werbeaussagen auch an ihrer Außendarstellung im Übrigen deutlich. Die angebliche Absicherung der Anleger durch Anlage des Geldes in Sachwerte nimmt darin einen zentralen Platz ein. Die Beklagte hebt hervor, dass zu den Genussrechten tatsächlich real existierende Windparks mit einem hohen sachlichen Gegen- (und Sicherheits-)wert gehörten (so etwa Berufungsbegründung S. 4, Bl. 141 d. A.). In der Darstellung der Unternehmensgeschichte auf den unteren Seitenrändern des als Anl. K 7 eingereichten Kurzprospekts (Bl. 29 - 38 d.A.) wird mehrfach auf die „Errichtung von Windenergieanlagen" hingewiesen; so ab der ersten Erwähnung für das Jahr 1998 für nahezu jedes folgende Jahr. Als Erbauer - wobei unklar bleibt, ob auch als Eigentümer - wird für das Jahr 1998 die X-Unternehmensgruppe genannt. Es entsteht der Eindruck, als investiere der Erwerber von Genussrechten in derartige Anlagen. Ebenso wird im Flyer mehrfach auf die angebliche „Investition in Sachwerte", konkret in Windkraftanlagen, hingewiesen. Diese Darstellung wiederholt die Beklagte auch im Rechtsstreit (s. etwa Berufungsbegründung S. 5, Bl. 142 d. A.).

Diese Darstellung ist so jedoch nicht richtig. Ihrem Emissionsprospekt (Auszüge s. Anl. K 3, Bl. 16 - 23 d.A.) ist vielmehr zu entnehmen, dass das durch die Vergabe von Genussrechten eingesammelte Kapital keineswegs unmittelbar in den Auf- und Ausbau von Windparks gesteckt wird. In § 2 Abs. 1 des im Emissionsprospekt abgedruckten Gesellschaftsvertrages wird der Gegenstand des Unternehmens dahin definiert, dass er insbesondere in der Überlassung von Kapital an andere Unternehmen der X-Unternehmensgruppe bestehe. Dieses Geschäftsmodell wird auf S. 27 des Emissionsprospekts der Beklagten unter „Anlageziele und Anlageobjekt" näher beschrieben. Selbst wenn die Darlehen empfangenden Unternehmen diese Darlehen in Sachwerten anlegten, stünden der Beklagten an diesen Werten keine Rechte zu. Sie hat ihr Kapital durch Darlehensvergaben angelegt und dadurch lediglich verzinsliche Darlehensrückzahlungsansprüche erworben. Zwar soll, wie dem Prospekt weiter zu entnehmen ist, für die Zukunft geplant sein, dass die Beklagte die von ihr finanzierten Projekte selbst betreibe. Aber auch dies sei „zurzeit noch nicht möglich" (S. 21 ebd.). Deshalb ist auch die Darstellung der Unternehmensgeschichte der X-Unternehmensgruppe im Kurzprospekt Anl. K 7 zumindest missverständlich. Einzelne Unternehmen des Konzerns mögen Eigentümer von Windkraftanlagen sein. Es mag auch sein, dass einige Unternehmen der X-Gruppe inzwischen dazu übergegangen sind, das von ihnen eingeworbene Kapital unmittelbar in Anlagen zu investieren; dies jedenfalls hat der instruierte Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geschildert. Für die Beklagte aber trifft das nicht zu. Bei ihr handelt es sich um ein rechtlich selbstständiges Unternehmen, das selbst weder Windkraftanlagen besitzt noch betreibt.

Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat der Auffassung des Senats in der mündlichen Verhandlung entgegengehalten, dass das Versprechen einer Sicherheit durch Anlage des Geldes in reale Sachwerte im angesprochenen Verbraucher keineswegs die Vorstellung erwecke, dass er selbst Anteilseigner an Sachwerten werde. Für den Anleger verkörpere sich der erworbene Sachwert in dem Pool von Windparks, in den die Gelder aus dem Genussrechtsverkauf angelegt würden. Diese Sachwerte seien tatsächlich vorhanden. Über die genaue rechtliche Konstruktion der Geldanlage wolle der Flyer nicht informieren und dies erwarte der Verbraucher auch nicht. Ihn interessiere zunächst nur, dass er sich bei der X-Unternehmensgruppe an einem Firmenverbund beteiligen könne, der in Sachwerte investiere. Darüber unterrichte ihn der Flyer zutreffend.

An diesem Einwand ist im Ausgangspunkt richtig, dass es für die Beurteilung der Lauterkeit einer Werbung nicht auf deren objektiven Wortsinn ankommt, sondern darauf, wie die Verkehrskreise sie verstehen, an die sich die Werbung richtet (Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl. 2012, § 5 RdNr. 2.67). Wendet sich die Werbung an den Verbraucher, ist nach BGH-Rechtsprechung maßgeblich, wie der durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher, der der Werbung die situationsangemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt, sie versteht. Im Gegensatz zu früher stellt der BGH also nicht mehr auf den nur flüchtigen Betrachter ab (ebd. RdNr. 2.87). Diese Rechtsprechung hat inzwischen in § 3 Abs. 2 Satz 2 UWG Eingang gefunden.

Der Senat geht davon aus, dass es aus Sicht eines verständigen Verbrauchers durchaus einen grundlegenden Unterschied macht, ob das Unternehmen, bei dem er sein Geld anlegt, selbst in Sachwerte investiert, oder ob es das Geld Dritten als Kapital für eigene Investitionen zur Verfügung stellt. Die beiden Anlagemöglichkeiten unterscheiden sich nicht nur durch eine mehr oder weniger umständliche, den Verbraucher nur nachrangig interessierende Konstruktion. Der grundlegende Unterschied nicht nur in objektiver Hinsicht, sondern auch aus Sicht des verständigen Verbrauchers besteht in der Sicherheit des angelegten Geldes. Nicht zufällig ist es gerade die angebliche Sicherheit durch eine Anlage des Geldes in Sachwerte, die die Werbung der Beklagten so deutlich in den Vordergrund stellt.

bbb) Gerade an die Vorstellung einer Sicherheit durch Anlage des Geldes in Sachwerte knüpft die Beklagte auch mit ihrer Aussage, die Genussrechte böten „Sicherheit auch bei steigender Inflation", an. Diese Aussage erweist sich vor dem dargelegten Hintergrund als unrichtig. Der Anleger wäre nur dann vor Inflation geschützt, wenn er selbst Teil- oder Miteigentümer eines Sachwertes würde. Das ist jedoch nicht der Fall. Die Beklagte legt ihr Kapital durch Darlehensvergaben an und damit in durchaus inflationsgefährdeter Weise. Die Werthaltigkeit der Darlehensrückzahlungsansprüche nebst Verzinsung steigt und fällt mit der Geldwertstabilität. Inflationsgeschützt ist allenfalls die Bonität ihrer Schuldner, sofern diese die erhaltenen Gelder in Sachwerten angelegt haben.

Inflationssicherheit erhalten die Anleger auch nicht durch den Mechanismus, der in der Ergänzung zum Kurzprospekt unter der Überschrift „Sicherheit auch bei steigender Inflation" dargestellt ist und mit dem eine Anpassung der Verzinsung an die Inflation erreicht werden soll (Anl. K 8, Bl. 39 R). Nach der dort gegebenen Darstellung soll sich Inflationssicherheit aus einer Anhebung der Verzinsung im Falle der Inflation ergeben. Zu Recht aber weist der Kläger darauf hin, dass dies nur dann der Fall ist, wenn weitere Voraussetzungen hinzukommen. So müssen sich in den vorangegangenen Jahren Gewinne von über 10 % ergeben haben. Das war nach eigener Darstellung der Beklagten auf der letzten Seite ihres Flyers in der Vergangenheit nie der Fall (Anl. K 7, Stand wohl 2010). Aus den Überschüssen müssten ferner Rücklagen gebildet worden sein, aus denen sich der Inflationsausgleich finanzieren lassen soll, wobei ein solcher erst ab einer Inflationsrate von über 10 % vorgesehen ist. Selbst dann, wenn in einem solchen Fall Überschüsse vorhanden wären, und dies auch noch in Höhe der Inflationsrate, stünde dem Genussrechtsinhaber ein Anspruch auf Inflationsausgleich nicht zu. Die im „Zeichnungsschein für die X Genussrechte" abgedruckten Bedingungen sehen in § 5 Ziff. 4 zwar das Recht der Beklagten zu einer Erhöhung der Überschussbeteiligung vor, nicht aber ihre Verpflichtung dazu.

dd) Nach Allem zeichnet die Werbung der Beklagten in den beanstandeten Aussagen ein irreführendes Bild von der tatsächlichen Sicherheit der beworbenen Geldanlagen. Die Beklagte kann sich nicht damit entlasten, dass sich dieses Bild korrigiert, wenn der Verbraucher außer ihrem Flyer und den Kurzprospekten auch den ausführlichen Emissionsprospekt gelesen hat. Irreführende Werbung hat ihr „erstes Ziel" erreicht, wenn sich der Verbraucher aufgrund der Irreführung eingehender mit ihr beschäftigt, als er es täte, wenn die Werbung die irreführenden Angaben nicht enthielte. Führt eine irreführende Werbung zu einem Anlockeffekt, so ist deshalb grundsätzlich unerheblich, ob der Werbende sie zu einem späteren Zeitpunkt richtig stellt (Lehmler in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz, 2008, § 5 UWG Rn. 91). Infolgedessen kommt es nicht darauf an, ob der Verbraucher nach vollständiger Lektüre des Emissionsprospekts ein korrektes Bild davon erhält, welcher Art die von der Beklagten angebotenen Genussrechte sind und welche Chancen und Risiken mit ihnen verbunden sind. Schon die einseitige Darstellung in Flyer und Kurzprospekt verleitet die Verbraucher zur Befassung mit dem ausführlichen Prospekt. Damit ist der Tatbestand der irreführenden Werbung erfüllt.

b) Irreführend ist ferner die Werbung mit angeblich „maximaler Flexibilität" der Einlagen. Flexibel können Geldanlagen in verschiedener Hinsicht sein. Bei weiter Auslegung des Begriffs mögen darunter auch die von der Beklagten im Rechtsstreit hervorgehobenen Wahlmöglichkeiten hinsichtlich des Mindestanlagebetrages und der monatlichen Raten verstanden werden. Ein insoweit entscheidender Gesichtspunkt ist aber jedenfalls der der Dauer der Anlage. Es ist für jede Anlageentscheidung von grundlegender Bedeutung, wie lange sie den Anleger bindet, oder umgekehrt, wie rasch er wieder an das angelegte Geld gelangt und mit welchen finanziellen Nachteilen eine ggf. kurzfristige Rückforderung verbunden wäre. Die Zusage „maximaler Flexibilität" scheint dem Anleger entgegenzukommen. „Maximal" bedeutet „Höchstmaß", die Zusage maximaler Flexibilität also ein Höchstmaß an Flexibilität und damit nichts anderes als das Versprechen einer denkbar kurzfristigen und einfachen Möglichkeit zur Wiederauflösung der Geldanlage. Dies trifft auf die von der Beklagten ausgegebenen Genussrechte bei Weitem nicht zu. Die Kündigung der Anleihe ist grundsätzlich frühestens nach Ablauf von fünf Kalenderjahren zulässig, die Kündigungsfrist beträgt nach § 17 der Genussrechtsbestimmungen ½ Jahr. Eine zusätzliche „Rückkaufgarantie" (Anl. K 5) der Beklagten und einer weiteren Gesellschaft der X-Gruppe eröffnet zwar die Möglichkeit eines früheren Ausstiegs, aber auch dies erst nach Ablauf von mindestens drei Jahren zum 31. Dezember eines Jahres und nur unter der Bedingung, dass bei den Garantiegebern dadurch keine Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung eintritt (§ 3 der Rückkaufbedingungen). Selbst unter Berücksichtigung der Rückkaufgarantie bleibt damit eine mindestens dreijährige Bindung des Genussrechtsinhabers bestehen. Überdies besteht gerade dann, wenn sich ein Genussrechtsinhaber wegen enttäuschender wirtschaftlicher Entwicklung der X-Gruppe von seinen Anteilen lösen möchte, die Gefahr, dass die Rückkaufgarantie nicht zum Zuge kommt.

c) Die beanstandeten Werbeaussagen sind überdies wegen Verstoßes gegen verbraucherschützende Vorschriften nach § 4 Nr. 11 UWG wettbewerbswidrig. Sie erfüllen aus den oben dargelegten Gründen schon das allgemeine wettbewerbsrechtliche Lauterkeitsgebot nicht, weil sie irreführend i. S. d. § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG sind. Noch viel weniger genügen sie damit den strengen Vorschriften nach den §§ 31 Abs. 2 WpHG, 4 Abs. 1 und 2 WpDVerOV und § 15 Abs. 3 WpPG, wonach die Werbung für Wertpapierdienstleistungen aussagekräftig, redlich und eindeutig sein muss und (s. § 4 Abs. 2 WpDVerOV) die mit den Vorteilen verbundenen Risiken eindeutig und nicht in abgeschwächter Form dargestellt werden müssen. Die Werbung der Beklagten muss sich an diesen Vorschriften messen lassen. Die Genussscheine sind Wertpapiere im Sinne des Wertpapierrechts (§ 2 Abs. 1 Nr. 3a WpHG), die Beklagte somit durch ihr Angebot zum Verkauf derselben Wertpapierdienstleisterin. Ein Ausnahmetatbestand nach § 2a Abs. 1 Nr. 1 - 3 WpHG - den auch aus Sicht der Beklagten allenfalls in Betracht kommenden Ausnahmetatbeständen - liegt nicht vor, weil die Beklagte die Genussscheine nicht „ausschließlich" innerhalb ihres Konzerns zum Kauf anbietet. Der Verkauf von Genussscheinen dient im Gegenteil dazu, dem Konzern Geld von außen zuzuführen. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut fallen aber nur Unternehmen, die ausschließlich konzernintern Wertpapierdienstleistungen erbringen, nicht in den Anwendungsbereich des WpHG.

2. Wiederholungsgefahr besteht aus den im angefochtenen Urteil unter Ziff. 3 (UA S. 17 f) genannten Gründen unverändert fort, auch wenn die Beklagte ihre Werbung geändert hat. Die Wiederholungsgefahr wäre auch dann nicht beseitigt, wenn die jetzige Werbung der Beklagten wettbewerbsrechtlich nicht mehr zu beanstanden wäre. Bei einmal erfolgtem Wettbewerbsverstoß wird die Wiederholungsgefahr grundsätzlich nur durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung beseitigt, die die Beklagte jedoch verweigert. Die Beklagte hält im Gegenteil noch in der Berufung ihre frühere Werbung für zulässig, so dass weiterhin die Gefahr besteht, dass sie zu dieser zurückkehrt.

3. Der Tenor des angefochtenen Urteils ist in vollem Umfang zu bestätigen. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geltend gemacht, dass das Verbot der streitgegenständlichen Werbeaussagen „in Flyern und Prospekten" enger gefasst werden müsse, wenn der Senat den Emissionsprospekt selbst nicht beanstande. Dabei wird aber übersehen, dass zumindest mit dem als Anl. K 8 eingereichten Kurzprospekt ein Prospekt vorliegt, der einige der beanstandeten Werbeaussagen enthält. Es besteht deshalb Wiederholungsgefahr sowohl für eine Werbung in Flyern als auch in Prospekten; der Unterlassungstenor ist entsprechend weit zu fassen. Ob der Emissionsprospekt tatsächlich für sich genommen wettbewerbsgerecht ist, braucht nicht entschieden zu werden.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

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