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Wirtschaftsrecht
01.02.2024
Wirtschaftsrecht
EuGH: Unionsmarke Audi –Automobilhersteller kann Benutzung eines Zeichens, das mit der Marke, deren Inhaber er ist, identisch oder ihr ähnlich ist, für Ersatzteile verbieten

EuGH, Urteil vom 25.1.2024 – C-334/22, Audi AG gegen GQ

ECLI:EU:C:2024:76

Volltext: BB-Online BBL2024-257-1

unter www.betriebs-berater.de

Tenor

1. Art. 9 Abs. 2 und Abs. 3 Buchst. a bis c der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke ist dahin auszulegen, dass der Dritte, der ohne Zustimmung des Automobilherstellers, der Inhaber einer Unionsmarke ist, Ersatzteile, und zwar Kühlergrills für diese Fahrzeuge, einführt und zum Kauf anbietet, die ein Element enthalten, das für die Anbringung des Emblems, das diese Marke wiedergibt, gedacht ist und dessen Form mit dieser Marke identisch oder ihr ähnlich ist, ein Zeichen im geschäftlichen Verkehr in einer Weise benutzt, die eine oder mehrere Funktionen dieser Marke beeinträchtigen kann, was das nationale Gericht prüfen muss.

2. Art. 14 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2017/1001 ist dahin auszulegen, dass er den Automobilhersteller, der Inhaber einer Unionsmarke ist, nicht daran hindert, einem Dritten die Benutzung eines mit dieser Marke identischen oder ihr ähnlichen Zeichens für Autoersatzteile, und zwar Kühlergrills, zu verbieten, wenn dieses Zeichen in der Form eines Elements des Kühlergrills besteht, das für die Anbringung des diese Marke wiedergebenden Emblems auf diesem Kühlergrill gedacht ist, ohne dass es insoweit von Bedeutung ist, ob es technisch möglich ist, dieses Emblem auf dem Kühlergrill zu befestigen, ohne das Zeichen auf ihm anzubringen.

 

 

Aus den Gründen

1          Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 9 Abs. 2 und Abs. 3 Buchst. a sowie Art. 14 Abs. 1 Buchst. c und Abs. 2 der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. 2017, L 154, S. 1).

 

2          Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Audi AG und GQ wegen einer angeblichen Verletzung des Rechts aus einer Unionsmarke, deren Inhaber Audi ist.

 

Rechtlicher Rahmen

Verordnung 2017/1001

3          Art. 9 („Rechte aus der Unionsmarke“) Abs. 1 bis 3 der Verordnung 2017/1001 sieht vor:

„(1) Mit der Eintragung einer Unionsmarke erwirbt ihr Inhaber ein ausschließliches Recht an ihr.

(2) Der Inhaber dieser Unionsmarke hat unbeschadet der von Inhabern vor dem Zeitpunkt der Anmeldung oder dem Prioritätstag der Unionsmarke erworbenen Rechte das Recht, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr ein Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, wenn

a) das Zeichen mit der Unionsmarke identisch ist und für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die mit denjenigen identisch sind, für die die Unionsmarke eingetragen ist;

b) das Zeichen mit der Marke identisch oder ihr ähnlich ist und für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die mit denjenigen identisch oder ihnen ähnlich sind, für die die Marke eingetragen ist, und für das Publikum die Gefahr einer Verwechslung besteht, die die Gefahr einschließt, dass das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird;

c) das Zeichen mit der Unionsmarke identisch oder ihr ähnlich ist, unabhängig davon, ob es für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die mit denjenigen identisch sind oder denjenigen ähnlich oder nicht ähnlich sind, für die die Unionsmarke eingetragen ist, wenn diese in der Union bekannt ist und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Unionsmarke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.

(3) Sind die Voraussetzungen des Absatzes 2 erfüllt, so kann insbesondere verboten werden,

a) das Zeichen auf Waren oder deren Aufmachung anzubringen;

b) unter dem Zeichen Waren anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen oder unter dem Zeichen Dienstleistungen anzubieten oder zu erbringen;

c) Waren unter dem Zeichen einzuführen oder auszuführen;

d) das Zeichen als Handelsnamen oder Unternehmensbezeichnung oder als Teil eines Handelsnamens oder einer Unternehmensbezeichnung zu benutzen;

e) das Zeichen in den Geschäftspapieren und in der Werbung zu benutzen;

f) das Zeichen in der vergleichenden Werbung in einer der Richtlinie 2006/114/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über irreführende und vergleichende Werbung (ABl. 2006, L 376, S. 21)] zuwiderlaufenden Weise zu benutzen.“

 

4In Art. 14 („Beschränkung der Wirkungen der Unionsmarke“) dieser Verordnung heißt es:

„(1) Die Unionsmarke gewährt ihrem Inhaber nicht das Recht, einem Dritten zu verbieten, Folgendes im geschäftlichen Verkehr zu benutzen:

c) die Unionsmarke zu Zwecken der Identifizierung oder zum Verweis auf Waren oder Dienstleistungen als die des Inhabers dieser Marke, insbesondere wenn die Benutzung der Marke als Hinweis auf die Bestimmung einer Ware, insbesondere als Zubehör oder Ersatzteil, oder einer Dienstleistung erforderlich ist.

(2) Absatz 1 findet nur dann Anwendung, wenn die Benutzung durch den Dritten den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel entspricht.“

 

Verordnung (EG) Nr. 6/2002

5          Art. 19 („Rechte aus dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster“) Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates vom 12. Dezember 2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster (ABl. 2002, L 3, S. 1) bestimmt:

„Das eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster gewährt seinem Inhaber das ausschließliche Recht, es zu benutzen und Dritten zu verbieten, es ohne seine Zustimmung zu benutzen. Die erwähnte Benutzung schließt insbesondere die Herstellung, das Anbieten, das Inverkehrbringen, die Einfuhr, die Ausfuhr oder die Benutzung eines Erzeugnisses, in das das Muster aufgenommen oder bei dem es verwendet wird, oder den Besitz des Erzeugnisses zu den genannten Zwecken ein.“

 

6          Art. 110 („Übergangsbestimmungen“) Abs. 1 dieser Verordnung sieht vor:

„Bis zu dem Zeitpunkt, zu dem auf Vorschlag der Kommission Änderungen zu dieser Verordnung in Kraft treten, besteht für ein Muster, das als Bauelement eines komplexen Erzeugnisses im Sinne des Artikels 19 Absatz 1 mit dem Ziel verwendet wird, die Reparatur dieses komplexen Erzeugnisses zu ermöglichen, um diesem wieder sein ursprüngliches Erscheinungsbild zu verleihen, kein Schutz als Gemeinschaftsgeschmacksmuster.“

 

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

7          Audi ist ein Automobilhersteller, der Inhaber der nachfolgend abgebildeten Unionsbildmarke ist, die unter der Nr. 000018762 u. a. für „Land‑, Luft- und Wasserfahrzeuge, Teile dieser Waren (soweit in Klasse 12 enthalten), einschließlich Motoren für Kraftfahrzeuge“ der Klasse 12 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung eingetragen ist (im Folgenden: Marke AUDI).

 

 

 

 

 


Abb.

 

8          GQ ist eine natürliche Person, die über eine Webseite Autoersatzteile hauptsächlich an Händler solcher Ersatzteile verkauft. Im Rahmen dieser Tätigkeit machte GQ Werbung für Kühlergrills, die für ältere Fahrzeugmodelle von Audi der 1980er und 1990er Jahre gestaltet und gedacht waren, und bot sie zum Kauf an. Diese Kühlergrills enthielten ein Element, das für die Anbringung eines Emblems der Marke des Automobilherstellers Audi gedacht war (im Folgenden: Audi-Emblem).

 

9          Seit 2017 ging Audi gerichtlich gegen GQ vor, um das Angebot zum Kauf von nachgebauten Ersatzteilen zu unterbinden, bei denen die Form bestimmter Elemente der Marke AUDI teilweise oder vollständig entsprach.

 

10        Insbesondere erhob Audi am 5. Mai 2020 beim Sąd Okręgowy w Warszawie (Regionalgericht Warschau, Polen), dem vorlegenden Gericht, Klage, um dem Beklagten zu verbieten, nachgebaute Kühlergrills mit einem Zeichen, das mit der Marke AUDI identisch oder ihr ähnlich ist, zu bewerben, zu importieren, anzubieten oder zu vermarkten. Audi beantragte auch die Vernichtung von 70 dieser Kühlergrills, die von den polnischen Zollbehörden beschlagnahmt worden waren und angeblich das ausschließliche Recht aus der Marke AUDI beeinträchtigten.

 

11        GQ tritt diesen Anträgen entgegen und beruft sich dabei auf eine Praxis der Automobilhersteller, wonach sie sich dem Verkauf von nachgebauten Kühlergrills, die ein Element für die Anbringung des ihre Marke darstellenden Emblems enthielten, nicht widersetzten.

 

12        Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts muss es für eine Entscheidung des Rechtsstreits, mit dem es befasst ist, klären, ob sich der Schutzumfang der Marke AUDI – die dem Gericht zufolge eine hohe Unterscheidungskraft besitzt, in Polen allgemein bekannt ist und eindeutig mit Audi in Verbindung gebracht wird – auch auf die Teile erstreckt, die dazu gedacht sind, das Audi-Emblem auf Kühlergrills anzubringen, und die in ihrem Erscheinungsbild, insbesondere ihrer Form, mit der Marke AUDI identisch sind, ihr zum Verwechseln ähnlich sehen oder ihr bloß ähnlich sehen.

 

13        Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts muss als Erstes geprüft werden, welche Folgen es hat, dass es im Markenrecht keine Bestimmung gibt, die der in Art. 110 Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002 vorgesehenen sogenannten „Reparaturklausel“ entspricht.

 

14        Das vorlegende Gericht hebt die Notwendigkeit hervor, einen unverfälschten Wettbewerb und das Interesse der Verbraucher zu schützen, zwischen dem Kauf eines Originalautoersatzteils und einem nachgebauten Teil wählen zu können. Obwohl es im vorliegenden Fall nicht um den Schutz eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters gehe, beruhe der Verweis auf die sogenannte „Reparaturklausel“ auf dem Gedanken, dass das Recht aus einer Unionsmarke dem Inhaber dieser Marke keinen weiter gehenden Schutz gewähren könne als den, der sich aus den Rechten sowohl aus einer solchen Marke als auch aus einem Gemeinschaftsgeschmacksmuster ergebe. Aus dem Beschluss vom 6. Oktober 2015, Ford Motor Company (C‑500/14, EU:C:2015:680, Rn. 39 und 42), gehe hervor, dass diese Klausel im Markenrecht nicht analog angewendet werden könne. Es fragt sich allerdings, ob dieser Beschluss aufgrund des Urteils vom 20. Dezember 2017, Acacia und D’Amato (C‑397/16 und C‑435/16, EU:C:2017:992), nicht anders zu verstehen ist, um eine Situation zu vermeiden, in der Dritte weder dazu berechtigt wären, eine Marke eines Automobilherstellers zu benutzen, um Autoersatzteile dieses Herstellers zu produzieren und zum Kauf anzubieten, noch dazu berechtigt wären, diese Marke nicht zu einem solchen Zweck zu benutzen. Selbst wenn es nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ausgeschlossen sei, die sogenannte „Reparaturklausel“ im Markenrecht analog anzuwenden, schließe dies nicht aus, dass die Möglichkeit, den Schutz der Marken zu begrenzen, vom Unionsgesetzgeber ins Auge gefasst worden sei oder sich aus dem Beschluss vom 6. Oktober 2015, Ford Motor Company (C‑500/14, EU:C:2015:680), ergebe.

 

15        Das vorlegende Gericht fragt sich daher, ob unter den Umständen des Falles, mit dem es befasst ist, eine Marke die Funktion der Angabe der Herkunft eines Ersatzteils erfüllt, wenn sie ein Element dieses Teils ist. Es fragt sich auch, ob, wenn ein Element eines Autoersatzteils, und zwar eines Kühlergrills, es ermöglicht, das Emblem des Herstellers dieses Fahrzeugs auf diesem Teil anzubringen, und die Form einer Marke dieses Herstellers darstellt oder dieser Marke zum Verwechseln ähnlich sieht, dieses Element als Marke angesehen werden kann, die eine Herkunftsangabenfunktion erfüllt.

 

16        Als Zweites fragt sich das vorlegende Gericht, ob Art. 14 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2017/1001 dahin auszulegen ist, dass er den Inhaber einer Unionsmarke daran hindert, einem Dritten die Benutzung eines Zeichens, das mit dieser Marke identisch ist oder ihr zum Verwechseln ähnlich sieht, im geschäftlichen Verkehr für Autoersatzteile, und zwar Kühlergrills, zu verbieten, wenn dieses Zeichen ein Element dieser Teile darstellt, das für die Anbringung des Emblems des Herstellers dieser Fahrzeuge auf ihnen gedacht ist. Es unterscheidet dabei zwei Situationen je nachdem, ob es technisch möglich ist oder nicht, ein solches Emblem anzubringen, ohne auf diesen Teilen ein mit dieser Marke identisches oder ihr zum Verwechseln ähnliches Zeichen wiederzugeben. Es stellt allerdings klar, dass ein solches Kriterium technischer Art kein einfach anzuwendendes Beurteilungskriterium darstellen würde.

 

17        Als Drittes fragt sich das vorlegende Gericht, welche Beurteilungskriterien gegebenenfalls zur Klärung der Frage anzuwenden sind, ob die Benutzung der Unionsmarke mit den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel in Einklang steht, wie es von Art. 14 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 verlangt wird.

 

18        Unter diesen Umständen hat der Sąd Okręgowy w Warszawie (Regionalgericht Warschau) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Ist Art. 14 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2017/1001 dahin auszulegen, dass er dem entgegensteht, dass ein Inhaber einer Marke bzw. ein Gericht einem Dritten verbietet, im geschäftlichen Verkehr ein mit einer Unionsmarke identisches oder zum Verwechseln ähnliches Zeichen bei Kraftfahrzeugersatzteilen (Kühlerabdeckungen/Kühlergrills) zu benutzen, wenn es sich um die Anbringung für ein Autozubehör (ein die Unionsmarke wiedergebendes Emblem) handelt und wenn

–   es technisch möglich ist, das Originalemblem, das die Unionsmarke wiedergibt, auf dem Autoersatzteil (Kühlerabdeckung/Kühlergrill) anzubringen, ohne auf diesem Teil ein mit der Unionsmarke identisches oder zum Verwechseln ähnliches Zeichen abzubilden,

oder

–   wenn es technisch nicht möglich ist, ein Originalemblem, das eine Unionsmarke wiedergibt, auf einem Autoersatzteil (Kühlerabdeckung/Kühlergrill) anzubringen, ohne auf diesem Teil ein mit der Unionsmarke identisches oder zum Verwechseln ähnliches Zeichen abzubilden?

Falls die Frage 1, erster oder zweiter Gedankenstrich bejaht wird:

2. Welche Beurteilungskriterien müssen in derartigen Fällen angewandt werden, um feststellen zu können, ob die Benutzung der Marke den anständigen Gepflogenheiten in Handel und Gewerbe entspricht?

3. Sind Art. 9 Abs. 2 und Art. 9 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 dahin gehend auszulegen, dass die Marke keine Kennzeichnungsfunktion erfüllt, wenn es sich bei der Marke um ein Element der Form eines Autoteils handelt und eine der Reparaturklausel von Art. 110 Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002 entsprechende Regelung in der Verordnung 2017/1001 fehlt?

4. Sind Art. 9 Abs. 2 und Art. 9 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 dahin gehend auszulegen, dass das Befestigungselement, selbst wenn es identisch mit einer Marke oder ihr zum Verwechseln ähnlich ist, nicht wie eine Marke behandelt werden kann, die eine Kennzeichnungsfunktion erfüllt, wenn es sich bei dem Befestigungselement für die Marke, das durch seine Form die Marke abbildet oder ihr zum Verwechseln ähnlich ist, um ein Element der Form eines Autoteils handelt und eine der Reparaturklausel von Art. 110 Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002 entsprechende Regelung in der Verordnung 2017/1001 fehlt?

 

Zu den Vorlagefragen

Zur dritten und zur vierten Frage

19        Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Unionsmarke gemäß Art. 9 Abs. 1 und 2 der Verordnung 2017/1001 ihrem Inhaber das ausschließliche Recht gewährt, Dritten zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr ein mit der Unionsmarke identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die sie eingetragen ist. Ferner darf er verbieten, ein Zeichen zu benutzen, wenn wegen der Identität oder Ähnlichkeit des Zeichens mit der Unionsmarke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die Unionsmarke und das Zeichen erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, oder ein mit der Unionsmarke identisches oder ihr ähnliches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die nicht denen ähnlich sind, für die die Unionsmarke eingetragen ist, wenn diese in der Union bekannt ist und die Benutzung dieses Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Unionsmarke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. April 2020, Coty Germany, C‑567/18, EU:C:2020:267, Rn. 31).

 

20        Hierzu geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass das vorlegende Gericht mit seiner dritten und seiner vierten Frage, die zusammen zu prüfen sind, in Wirklichkeit wissen möchte, ob die Einfuhr und das Anbieten zum Kauf eines Autoersatzteils, im vorliegenden Fall eines Kühlergrills, das ein Element enthält, dessen Form mit einer Marke, deren Inhaber der Hersteller dieses Fahrzeugs ist, identisch ist oder ihr ähnlich sieht, und das dazu gedacht ist, auf diesem Teil das Emblem dieses Herstellers, das diese Marke wiedergibt, anzubringen, eine „Benutzung eines Zeichens im geschäftlichen Verkehr“ im Sinne von Art. 9 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 darstellt.

 

21        Trotz der Formulierung der dritten Frage fragt sich dieses Gericht allerdings nicht, ob ein Zeichen als Unionsmarke eingetragen werden kann. Die wesentliche Funktion einer eingetragenen Unionsindividualmarke, wie im vorliegenden Fall der Marke AUDI, besteht darin, den Verbrauchern die Herkunft der durch sie bezeichneten Waren oder Dienstleistungen zu garantieren (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Juni 2017, W. F. Gözze Frottierweberei und Gözze, C‑689/15, EU:C:2017:434, Rn. 40 und 41 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Bei einer solchen Marke wird daher angenommen, dass sie es ermöglicht, für sich allein und ohne irgendwelche sonstigen Anhaltspunkte die Herkunft dieser Waren oder Dienstleistungen anzugeben. Aus der Vorlageentscheidung geht indes nicht hervor, dass das vorlegende Gericht Zweifel daran hat, dass die Marke AUDI zutreffend als Unionsmarke eingetragen wurde und fähig ist, auf die Herkunft der Waren, für die sie eingetragen wurde, hinzuweisen.

 

22        Ebenfalls ist hervorzuheben, dass die Voraussetzung für die Anwendung von Art. 9 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 in Form der „Benutzung eines Zeichens im geschäftlichen Verkehr“ zu prüfen ist, bevor eventuell untersucht wird, ob eine Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 9 Abs. 2 Buchst. b dieser Verordnung vorliegt. Das Bestehen einer solchen Gefahr stellt nämlich keine Prämisse für die Prüfung der Frage dar, ob ein Zeichen im geschäftlichen Verkehr benutzt wird.

 

23        Ferner ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 9 Abs. 3 Buchst. b und c dieser Verordnung verboten werden kann, unter diesem Zeichen Waren anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen bzw. Waren unter diesem Zeichen einzuführen oder auszuführen. In Anbetracht des Sachverhalts des Ausgangsrechtsstreits, wie er in der Vorlageentscheidung dargestellt wird, können diese Bestimmungen für die Entscheidung dieses Rechtsstreits ebenfalls relevant sein.

 

24        Daher sind die dritte und die vierte Frage dahin umzuformulieren, dass das vorlegende Gericht mit ihnen im Wesentlichen wissen möchte, ob in Ermangelung einer der sogenannten „Reparaturklausel“ von Art. 110 Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002 entsprechenden Bestimmung in der Verordnung 2017/1001 Art. 9 Abs. 2 und 3 Buchst. a bis c der Verordnung 2017/1001 dahin auszulegen ist, dass der Dritte, der ohne Zustimmung des Automobilherstellers, der Inhaber einer Unionsmarke ist, Ersatzteile, und zwar Kühlergrills für diese Fahrzeuge, einführt und zum Kauf anbietet, die ein Element enthalten, das für die Anbringung des Emblems, das diese Marke wiedergibt, gedacht ist und dessen Form mit dieser Marke identisch oder ähnlich ist, ein Zeichen im geschäftlichen Verkehr in einer Weise benutzt, die eine oder mehrere Funktionen dieser Marke beeinträchtigen kann.

 

25        Als Erstes ist festzustellen, dass ein als Unionsmarke geschütztes Zeichen unter bestimmten Bedingungen zwar auch als Gemeinschaftsgeschmacksmuster geschützt werden kann, aus der Vorlageentscheidung aber hervorgeht, dass der Ausgangsrechtsstreit nur den Schutz aus einer Unionsmarke und nicht auch den aus einem Gemeinschaftsgeschmacksmuster betrifft.

 

26        Mit dem vorlegenden Gericht ist festzustellen, dass eine sogenannte „Reparaturklausel“, wie sie im Geschmacksmusterrecht in Art. 110 der Verordnung Nr. 6/2002 besteht, vom Unionsgesetzgeber in der Verordnung 2017/1001 nicht vorgesehen worden ist.

 

27        Außerdem hat der Gerichtshof die Tragweite von Art. 110 der Verordnung Nr. 6/2002 bereits dahin gehend präzisiert, dass er nur dem Schutz von Mustern und Modellen bestimmte Beschränkungen auferlegt und das Unionsmarkenrecht unberührt lässt. Diese Bestimmung enthält also keine Abweichung von den unionsmarkenrechtlichen Vorschriften (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 6. Oktober 2015, Ford Motor Company, C‑500/14, EU:C:2015:680, Rn. 39, 41 und 42).

 

28        Des Weiteren wurde das Ziel der Wahrung eines unverfälschten Wettbewerbs vom Unionsgesetzgeber im Rahmen der Verordnung 2017/1001 berücksichtigt, da Art. 14 dieser Verordnung die Rechtswirkungen beschränkt, die dem Inhaber einer Unionsmarke aus Art. 9 dieser Verordnung zustehen. Dieser Art. 14 zielt darauf ab, die grundlegenden Belange des von einer solchen Marke verliehenen Schutzes einerseits und des freien Warenverkehrs im Binnenmarkt andererseits in der Weise in Einklang zu bringen, dass das Markenrecht seine Rolle als wesentlicher Teil eines Systems unverfälschten Wettbewerbs spielen kann, das der AEU-Vertrag errichten und aufrechterhalten will (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 6. Oktober 2015, Ford Motor Company, C‑500/14, EU:C:2015:680, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

29        Folglich kann Art. 9 der Verordnung 2017/1001 nicht in einer Weise ausgelegt werden, die dazu führen würde – um ein Ziel der Wahrung eines unverfälschten Wettbewerbs zwischen Automobilherstellern und Verkäufern von nachgebauten Ersatzteilen zu berücksichtigen –, Art. 110 der Verordnung Nr. 6/2002 analog anzuwenden und auf der Grundlage dieser Bestimmung das Recht zu beschränken, das dem Inhaber einer Unionsmarke von diesem Art. 9 verliehen wird.

 

30        Als Zweites ist festzustellen, dass der Begriff „benutzen“ im Sinne von Art. 9 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 in dieser Verordnung nicht definiert wird (Urteil vom 22. Dezember 2022, Louboutin [Benutzung eines markenverletzenden Zeichens auf einem Online-Marktplatz], C‑148/21 und C‑184/21, EU:C:2022:1016, Rn. 25).

 

31        Aus der Rechtsprechung ergibt sich, dass der Inhaber einer Unionsmarke nach Art. 9 Abs. 2 Buchst. a und b dieser Verordnung das Recht hat, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr ein mit der Marke identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die sie eingetragen ist, oder ein Zeichen zu benutzen, wenn wegen der Identität oder der Ähnlichkeit des Zeichens mit der Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die Marke oder das Zeichen erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird. Die Ausübung dieses Rechts muss jedoch auf Fälle beschränkt bleiben, in denen die Benutzung des Zeichens durch einen Dritten die Funktionen der Marke beeinträchtigt oder beeinträchtigen kann, zu denen nicht nur die Hauptfunktion der Marke, d. h. die Gewährleistung der Herkunft der Ware oder Dienstleistung gegenüber den Verbrauchern, sondern auch ihre anderen Funktionen wie insbesondere die Gewährleistung der Qualität dieser Ware oder dieser Dienstleistung oder die Kommunikations‑, Investitions- oder Werbefunktion gehören (Urteil vom 25. Juli 2018, Mitsubishi Shoji Kaisha und Mitsubishi Caterpillar Forklift Europe, C‑129/17, EU:C:2018:594, Rn. 33 und 34 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

 

32        Des Weiteren ergibt sich aus Art. 9 Abs. 2 Buchst. c dieser Verordnung, dass der Inhaber einer bekannten Unionsmarke das Recht hat, die Benutzung eines mit dieser Marke identischen oder ihr ähnlichen Zeichens durch einen Dritten im geschäftlichen Verkehr zu verbieten, unabhängig davon, ob es für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die mit denjenigen identisch sind oder denjenigen ähnlich oder nicht ähnlich sind, für die die Marke eingetragen ist, wenn diese Benutzung die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung dieser Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.

 

33        In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof in Bezug auf den Begriff „Benutzung“ bereits festgestellt, dass er sich ausschließlich auf aktive Handlungen Dritter bezieht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Juli 2018, Mitsubishi Shoji Kaisha und Mitsubishi Caterpillar Forklift Europe, C‑129/17, EU:C:2018:594, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung) und dass die in Art. 9 Abs. 3 der Verordnung 2017/1001 enthaltene Aufzählung von Benutzungsformen, die der Unionsmarkeninhaber verbieten kann, nicht erschöpfend ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. April 2020, Coty Germany, C‑567/18, EU:C:2020:267, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

34        Ein mit der Unionsmarke identisches oder ihr ähnliches Zeichen wird „im geschäftlichen Verkehr“ benutzt, wenn die Benutzung im Zusammenhang mit einer auf das Erlangen eines wirtschaftlichen Vorteils gerichteten kommerziellen Tätigkeit und nicht im privaten Bereich erfolgt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. November 2002, Arsenal Football Club, C‑206/01, EU:C:2002:651, Rn. 40, und vom 23. März 2010, Google France und Google, C‑236/08 bis C‑238/08, EU:C:2010:159, Rn. 50).

 

35        Was die Funktionen der Unionsmarke betrifft, dient die in den Rn. 21 und 31 des vorliegenden Urteils genannte Hauptfunktion, die darin besteht, die Ursprungsidentität zu garantieren, insbesondere dem Ausweis dessen, dass die mit ihr versehenen Waren unter der Kontrolle eines einzigen Unternehmens, dem sich die Verantwortung für ihre Qualität zuordnen lässt, hergestellt oder geliefert worden sind, damit sie ihre Aufgabe als wesentlicher Bestandteil des Systems eines unverfälschten Wettbewerbs erfüllen kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. November 2002, Arsenal Football Club, C‑206/01, EU:C:2002:651, Rn. 48, und vom 25. Juli 2018, Mitsubishi Shoji Kaisha und Mitsubishi Caterpillar Forklift Europe, C‑129/17, EU:C:2018:594, Rn. 35).

 

36        Was die anderen Funktionen der Unionsmarke betrifft, bedeutet die Investitionsfunktion, dass der Markeninhaber die Möglichkeit hat, die Marke einzusetzen, um einen Ruf zu erwerben oder zu wahren, der geeignet ist, durch verschiedene Geschäftsmethoden Verbraucher anzuziehen und zu binden. Benutzt also ein Dritter, etwa ein Mitbewerber des Unionsmarkeninhabers, ein mit dieser identisches oder ihr ähnliches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen, die mit denjenigen identisch oder ihnen ähnlich sind oder sich von denen unterscheiden, für die sie eingetragen ist, und wird es dadurch dem Markeninhaber wesentlich erschwert, seine Marke zum Erwerb oder zur Wahrung eines Rufs einzusetzen, der geeignet ist, Verbraucher anzuziehen oder zu binden, wird durch diese Benutzung die Investitionsfunktion der Marke beeinträchtigt. Der Markeninhaber darf eine solche Benutzung daher nach Art. 9 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 verbieten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Juli 2018, Mitsubishi Shoji Kaisha und Mitsubishi Caterpillar Forklift Europe, C‑129/17, EU:C:2018:594, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

37        Im vorliegenden Fall beruhen die dritte und die vierte Frage auf der Prämisse, dass die eingeführten und von GQ zum Kauf angebotenen Kühlergrills keine Waren sind, die vom Inhaber der Marke AUDI stammen oder mit seiner Zustimmung auf den Markt gebracht wurden.

 

38        Außerdem geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass die Form des Elements dieser Kühlergrills, das für die Anbringung des Audi- Emblems gedacht ist, vom vorlegenden Gericht als mit der Marke AUDI identisch oder ihr ähnlich angesehen wird. Diese Form stellt somit ein Zeichen im Sinne von Art. 9 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 dar, wobei die Tatsache, dass es sich um ein Element eines Ersatzteils für ein Kraftfahrzeug, und zwar eines Kühlergrills, handelt, nichts an dieser Feststellung ändern kann.

 

39        Aus der Vorlageentscheidung geht ebenfalls hervor, dass dieses Zeichen für die Vermarktung der Kühlergrills auf diesen angebracht oder in diese eingebaut wird, was eine Benutzung darstellt, die unter Art. 9 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 fällt. Soweit GQ Kühlergrills mit diesem Zeichen einführt und zum Kauf anbietet, vollzieht er darüber hinaus Formen der Benutzung, die unter Art. 9 Abs. 3 Buchst. b und c dieser Verordnung fallen.

 

40        Dies gilt umso mehr, wenn, wie im vorliegenden Fall, dieses Element auf dem Ersatzteil, und zwar dem Kühlergrill, derart angebracht ist, dass, solange das die Marke des Fahrzeugherstellers darstellende Emblem nicht befestigt ist, das mit dieser Marke identische oder ihr ähnliche Zeichen für die maßgeblichen Verkehrskreise sichtbar ist, wenn sie dieses Teil sehen, wobei die maßgeblichen Verkehrskreise diejenigen sind, die ein solches Teil kaufen wollen, um ein Kraftfahrzeug zu reparieren oder reparieren zu lassen. Eine solche Tatsache ist geeignet, das Bestehen eines sachlichen Zusammenhangs zwischen diesem Teil, das ein Dritter einführt, für das er Werbung macht und das er zum Kauf anbietet, und dem Inhaber der Marke AUDI zu konkretisieren.

 

41        Als Drittes ist festzustellen, dass eine solche Benutzung gegebenenfalls eine oder mehrere Funktionen der Marke beeinträchtigen kann.

 

42        In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Art. 9 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 den sogenannten Fall der „doppelten Identität“ betrifft, d. h. die Benutzung eines mit der Unionsmarke identischen Zeichens durch einen Dritten für Waren oder Dienstleistungen, die mit denen identisch sind, für die diese Marke eingetragen ist. In diesem Fall kann die Benutzung des Zeichens durch einen Dritten im Sinne von Art. 9 Abs. 2 dieser Verordnung vom Inhaber dieser Marke gemäß Art. 9 Abs. 2 Buchst. a dieser Verordnung verboten werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. September 2011, Interflora und Interflora British Unit, C‑323/09, EU:C:2011:604, Rn. 33), wenn diese Benutzung die Funktionen der Marke beeinträchtigt oder beeinträchtigen kann, zu denen nicht nur die Hauptfunktion der Marke, die Gewährleistung der Herkunft der Ware oder Dienstleistung gegenüber den Verbrauchern, sondern auch ihre anderen Funktionen wie u. a. die Gewährleistung der Qualität dieser Ware oder Dienstleistung oder die Kommunikations‑, Investitions- oder Werbefunktionen gehören (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. März 2016, Daimler, C‑179/15, EU:C:2016:134, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

43        Wenn eine doppelte Identität zwischen dem von dem Dritten benutzten Zeichen und der Unionsmarke sowie zwischen den betreffenden Waren nicht vorliegt, insbesondere wenn das von dem Dritten benutzte Zeichen und die Unionsmarke ähnlich, aber nicht identisch sind, und die betreffenden Waren und Dienstleistungen identisch oder ähnlich sind, muss das nationale Gericht prüfen, ob die Benutzung dieses Zeichens eine Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 9 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 herbeiführt. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs liegt eine Verwechslungsgefahr dann vor, wenn die Öffentlichkeit glauben könnte, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder gegebenenfalls aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (Urteile vom 22. Juni 1999, Lloyd Schuhfabrik Meyer, C‑342/97, EU:C:1999:323, Rn. 17, und vom 8. Juli 2010, Portakabin, C‑558/08, EU:C:2010:416, Rn. 51). Gemäß dieser Bestimmung kann der Inhaber der Marke die Benutzung des mit dieser Marke identischen und ihr ähnlichen Zeichens nur dann verbieten, wenn sie wegen der Gefahr von Verwechslungen diese „Hauptfunktion“ beeinträchtigt oder beeinträchtigen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. März 2016, Daimler, C‑179/15, EU:C:2016:134, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

44        Wenn im Sinne von Art. 9 Abs. 2 Buchst. c der Verordnung 2017/1001 die Marke in der Union bekannt ist, hat der Inhaber dieser Marke darüber hinaus das Recht, die Benutzung eines mit dieser Marke identischen oder ihr ähnlichen Zeichens durch einen Dritten im Geschäftsverkehr unter den in Rn. 32 des vorliegenden Urteils genannten Voraussetzungen zu verbieten. Die Ausübung dieses Rechts durch den Inhaber der bekannten Marke setzt nicht voraus, dass für die beteiligten Verkehrskreise eine Verwechslungsgefahr besteht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. September 2011, Interflora und Interflora British Unit, C‑323/09, EU:C:2011:604, Rn. 70 und 71 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

 

45        Im vorliegenden Fall muss das nationale Gericht zunächst zum einen klären, ob das von GQ benutzte Zeichen, das in der Form des Elements des Kühlergrills besteht, das für die Anbringung des Audi-Emblems gedacht ist, mit der Marke AUDI identisch oder ihr ähnlich ist, und zum anderen, ob ein Kühlergrill mit einer oder mehreren in Rn. 7 des vorliegenden Urteils genannten Waren, für die diese Marke eingetragen ist, identisch oder ihnen ähnlich ist.

 

46        Wenn das nationale Gericht feststellt, dass diese Form ein mit der Marke AUDI identisches Zeichen ist und dass diese Kühlergrills als Ersatzteile mit den Waren identisch sind, für die diese Marke eingetragen ist, muss es Art. 9 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 anwenden.

 

47        Wenn es hingegen feststellt, dass GQ ein der Marke AUDI ähnliches, aber nicht mit ihr identisches Zeichen benutzt und seine Kühlergrills als Ersatzteile mit den Waren, für die diese Marke eingetragen ist, identisch oder ihnen ähnlich sind, dann muss es prüfen, ob eine Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 9 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 vorliegt, und dabei alle maßgeblichen Faktoren berücksichtigen, insbesondere den Grad der Ähnlichkeit der Zeichen und der der Waren, die Wahrnehmung durch den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der maßgeblichen Verkehrskreise, wenn er die Waren sieht, für die der Dritte das Zeichen benutzt, sowie den Aufmerksamkeitsgrad dieser Verkehrskreise, die Unterscheidungskraft der Unionsmarke oder auch die Bedingungen, unter denen die Waren vermarktet werden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. November 1997, SABEL, C‑251/95, EU:C:1997:528, Rn. 22, und vom 4. März 2020, EUIPO/Equivalenza Manufactory, C‑328/18 P, EU:C:2020:156, Rn. 57 und 70).

 

48        Des Weiteren geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass die Marke AUDI in Polen allgemein bekannt ist und über eine hohe Unterscheidungskraft verfügt. Wenn das nationale Gericht der Auffassung ist, dass diese Marke bekannt ist und die Form des Elements des Kühlergrills, das für die Anbringung des Emblems von Audi gedacht ist, mit dieser Marke identisch oder ihr ähnlich ist, dann muss sie aufgrund dessen Schutz genießen, wobei unerheblich ist, ob die eingeführten und von GQ zum Kauf angebotenen Kühlergrills und die Waren, für die diese Marke eingetragen ist, identisch, ähnlich oder verschieden sind. Die Benutzung des Zeichens durch GQ könnte also gemäß Art. 9 Abs. 2 Buchst. c der Verordnung 2017/1001 verboten werden, wenn das nationale Gericht feststellt, dass diese Benutzung die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke AUDI ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt. In diesem Fall muss es nicht prüfen, ob eine Verwechslungsgefahr besteht, denn in diesem Kontext ist die Tatsache, dass der Durchschnittsverbraucher die Kühlergrills nicht als Originale wahrnimmt, ohne Belang.

 

49        Nach alledem ist auf die dritte und die vierte Frage zu antworten, dass Art. 9 Abs. 2 und Abs. 3 Buchst. a bis c der Verordnung 2017/1001 dahin auszulegen ist, dass der Dritte, der ohne Zustimmung des Automobilherstellers, der Inhaber einer Unionsmarke ist, Ersatzteile, und zwar Kühlergrills für diese Fahrzeuge, einführt und zum Kauf anbietet, die ein Element enthalten, das für die Anbringung des Emblems, das diese Marke wiedergibt, gedacht ist und dessen Form mit dieser Marke identisch oder ihr ähnlich ist, ein Zeichen im geschäftlichen Verkehr in einer Weise benutzt, die eine oder mehrere Funktionen dieser Marke beeinträchtigen kann, was das nationale Gericht prüfen muss.

 

Zur ersten Frage

50        Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 14 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2017/1001 dahin auszulegen ist, dass er den Automobilhersteller, der Inhaber einer Unionsmarke ist, daran hindert, einem Dritten die Benutzung eines mit dieser Marke identischen oder ihr ähnlichen Zeichens für Autoersatzteile, und zwar Kühlergrills, zu verbieten, wenn dieses Zeichen in der Form eines Elements des Kühlergrills besteht, das für die Anbringung des diese Marke darstellenden Emblems auf dem Kühlergrill gedacht ist, und zwar je nachdem, ob es technisch möglich ist oder nicht, dieses Emblem auf dem Kühlergrill zu befestigen, ohne das Zeichen auf ihm anzubringen.

 

51        Zunächst ist festzustellen, dass die Benutzung eines mit einer Unionsmarke identischen oder ihr ähnlichen Zeichens durch einen Dritten von ihrem Inhaber nach Art. 9 der Verordnung 2017/1001 zwar verboten werden kann, Art. 14 dieser Verordnung aber in den Fällen, die dort genannt werden, das Recht dieses Inhabers beschränkt, sich dieser Benutzung zu widersetzen.

 

52        So gewährt eine Unionsmarke ihrem Inhaber nach Art. 14 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2017/1001 nicht das Recht, einem Dritten zu verbieten, diese Marke im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken der Identifizierung oder zum Verweis auf Waren oder Dienstleistungen als die dieses Inhabers zu benutzen, insbesondere wenn die Benutzung der Marke als Hinweis auf die Bestimmung einer Ware, insbesondere als Zubehör oder Ersatzteil, oder einer Dienstleistung erforderlich ist.

 

53        Obwohl beachtliche Unterschiede bestehen zwischen dieser Bestimmung, die Art. 14 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie (EU) 2015/2436 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 2015, L 336, S. 1) entspricht, und der Vorgängervorschrift im Unionsrecht, das vorher in Kraft war, blieb es dabei, dass der Inhaber einer Marke einem Dritten die Benutzung dieser Marke nicht verbieten kann, falls diese Benutzung notwendig ist, um auf die Bestimmung einer Ware, insbesondere als Zubehör oder Ersatzteil, oder einer Dienstleistung hinzuweisen, und den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel entspricht, und handelt es sich dabei jetzt um einen der Fälle, in denen dem Dritten das ausschließliche Recht aus der Marke nicht entgegengehalten werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Januar 2024, Inditex, C‑361/22, EU:C:2024:17, Rn. 44 bis 46).

 

54        Das Ziel der in diesem Fall angestrebten Begrenzung des ausschließlichen Rechts aus der Marke besteht darin, es den Anbietern von Waren oder Dienstleistungen, die die vom Markeninhaber angebotenen Waren oder Dienstleistungen ergänzen, zu erlauben, diese Marke zu benutzen, um das Publikum über die Bestimmung der von ihnen vertriebenen Ware oder angebotenen Dienstleistung, also über den Sachzusammenhang zwischen ihren eigenen Waren und Dienstleistungen und denen des Markeninhabers verständlich und umfassend zu unterrichten (vgl. entsprechend Urteile vom 17. März 2005, Gillette Company und Gillette Group Finland, C‑228/03, EU:C:2005:177, Rn. 33 und 34, und vom 11. Januar 2024, Inditex, C‑361/22, EU:C:2024:17, Rn. 51).

 

55        Somit fällt die Benutzung einer Marke durch einen Dritten zu Zwecken der Identifizierung oder zum Verweis auf Waren oder Dienstleistungen als die des Inhabers dieser Marke, wenn diese Benutzung erforderlich ist, um auf die Bestimmung einer von diesem Dritten vermarkteten Ware oder einer von diesem angebotenen Dienstleistung hinzuweisen, nach Art. 14 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2017/1001 unter einen der Fälle, in denen die Benutzung der Marke von ihrem Inhaber nicht verboten werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Januar 2024, Inditex, C‑361/22, EU:C:2024:17, Rn. 52). Diese Beschränkung des dem Markeninhaber von Art. 9 dieser Verordnung verliehenen ausschließlichen Rechts gilt allerdings nur, wenn die Benutzung der Marke durch den Dritten den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel im Sinne von Art. 14 Abs. 2 dieser Verordnung entspricht.

 

56        Im vorliegenden Fall geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass das Element des Kühlergrills, dessen Form mit der Marke AUDI identisch oder ihr ähnlich ist, es ermöglicht, das diese Marke wiedergebende Emblem auf dem Kühlergrill anzubringen. Wie ebenfalls aus der Vorlageentscheidung und den Erklärungen der Parteien hervorgeht, wird die Wahl der Form dieses Elements von dem Willen geleitet, einen Kühlergrill zu vermarkten, der dem Originalkühlergrill des in Rede stehenden Automobilherstellers so getreu wie möglich ähnelt.

 

57        Eine solche Situation, in der ein Unternehmen, das mit dem Inhaber der Marke nicht wirtschaftlich verbunden ist, ein mit dieser Marke identisches oder ihr ähnliches Zeichen auf Ersatzteilen anbringt, die von diesem Unternehmen vermarktet werden und dazu bestimmt sind, in die Waren dieses Inhabers eingebaut zu werden, ist von der Situation zu unterscheiden, in der ein solches Unternehmen, ohne ein mit der Marke identisches oder ihr ähnliches Zeichen auf diesen Ersatzteilen anzubringen, diese Marke benutzt, um darauf hinzuweisen, dass diese Ersatzteile dazu bestimmt sind, in die Waren des Inhabers dieser Marke eingebaut zu werden. Die zweite Situation fällt unter den in Rn. 55 des vorliegenden Urteils genannten Fall, die erste jedoch nicht. Die Anbringung eines mit der Marke identischen oder ihr ähnlichen Zeichens auf der vom Dritten vermarkteten Ware überschreitet, wie die Generalanwältin in Nr. 57 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, die in Art. 14 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2017/1001 genannte referenzielle Benutzung und fällt daher unter keinen der von dieser Bestimmung erfassten Fälle.

 

58        Wenn ein Zeichen, das mit einer Unionsmarke identisch oder ihr ähnlich ist, ein Element eines Autoersatzteils darstellt, das für die Anbringung des Emblems des Herstellers dieser Fahrzeuge auf diesem Ersatzteil gedacht ist und nicht zu Zwecken der Identifizierung oder zum Verweis auf Waren oder Dienstleistungen als die des Inhabers dieser Marke verwendet wird, sondern um so getreu wie möglich eine Ware dieses Inhabers darzustellen, fällt eine solche Benutzung dieser Marke folglich nicht unter Art. 14 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2017/1001.

 

59        Unter diesen Umständen ist es unerheblich, ob es technisch möglich ist, das die Marke des Automobilherstellers darstellende Emblem auf dem Kühlergrill anzubringen, ohne dass die Form des Elements des Kühlergrills, das für diese Anbringung gedacht ist, ein mit der Marke identisches oder ihr ähnliches Zeichen darstellt. Die Benutzung dieser Form durch GQ, die im vorliegenden Fall vom vorlegenden Gericht als mit der Marke identisches oder ihr ähnliches Zeichen angesehen wird, muss unter dem Blickwinkel der in Art. 9 der Verordnung 2017/1001 genannten Regeln beurteilt werden, wie sie vom Gerichtshof in der oben in den Rn. 42 bis 48 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ausgelegt werden.

 

60        Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 14 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2017/1001 dahin auszulegen ist, dass er den Automobilhersteller, der Inhaber einer Unionsmarke ist, nicht daran hindert, einem Dritten die Benutzung eines mit dieser Marke identischen oder ihr ähnlichen Zeichens für Autoersatzteile, und zwar Kühlergrills, zu verbieten, wenn dieses Zeichen in der Form eines Elements des Kühlergrills besteht, das für die Anbringung des diese Marke wiedergebenden Emblems auf diesem Kühlergrill gedacht ist, ohne dass es insoweit von Bedeutung ist, ob es technisch möglich ist, dieses Emblem auf dem Kühlergrill zu befestigen, ohne das Zeichen auf ihm anzubringen.

 

Zur zweiten Frage:

61        In Anbetracht der Antwort auf die erste Frage ist die zweite Frage nicht zu beantworten.

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