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Wirtschaftsrecht
15.09.2011
Wirtschaftsrecht
OLG Koblenz: Unerlaubte Auszahlungen aus geschütztem Gesellschaftsvermögen (§ 30 GmbHG)

OLG Koblenz, Urteil vom 31.03.2011 - 2 U 330/06

leitsätze

1. Für den von der Gesellschaft bzw. deren Insolvenzverwalter geltend gemachten Primäranspruch wegen angeblich unzulässiger Entnahmen aus dem Gesellschaftsvermögen (§§ 30, 31 GmbHG) kommt es - anders als für den Tatbestand einer Krise im Sinne des Eigenkapitalersatzrechts - weder auf eine Überschuldung im Sinne von § 19 InsO noch darauf an, ob die Gesellschafterdarlehen Eigenkapitalersatzcharakter hatten und wegen fehlendem Rangrücktritt der Gesellschafter in einem Überschuldungsstatus der Schuldnerin zu passivieren sind. Das gemäß § 30 GmbHG gebundene Gesellschaftsvermögen ist nach den allgemeinen für die Jahresbilanz geltenden Grundsätzen festzustellen (in Anknüpfung an BGHZ 146, 264).

2. Der Geschäftsführer einer GmbH ist für die Buchhaltungsunterlagen, d.h. vollständige Buchführung, Aufbewahrung, Führung eines Kassenbuchs, Durchführung einer körperlichen Bestandsaufnahme selbst verantwortlich.

3. Die fünfjährige Verjährungsfrist nach § 31 Abs. 5 GmbHG a.F. findet keine Anwendung, wenn dem Verpflichteten eine bösliche Handlungsweise zur Last gelegt wird. Der Gesellschafter handelt böslich, wenn er die Auszahlung in Kenntnis ihrer Unzulässigkeit entgegennimmt, also weiß, dass bereits eine Überschuldung oder eine Unterbilanz besteht oder dass infolge der Auszahlung das zur Deckung des Stammkapitals erforderliche Vermögen nunmehr angegriffen wird. Ein bösliches Handeln setzt kein arglistiges oder betrügerisches Verhalten voraus. Der Geschäftsführer einer GmbH kann diese Dinge nicht gänzlich auf Dritte delegieren. Es bestehen stets Überwachungspflichten (vgl. Senatsbeschluss vom 28. Dezember 2010, 2 U 203/09, ZInsO 2011, 335, 338).

sachverhalt

I. Der Kläger ist Insolvenzverwalter der ...[A] GmbH (nachfolgend Schuldnerin), deren Gesellschafter-Geschäftsführer der Beklagte zu 1) war. Weitere Gesellschafterin war seine Ehefrau, die Beklagte zu 2). Beide hatten im Oktober 1997 ein privates Darlehen in Höhe von ca. 550.000,00 DM bei ihrer Bank aufgenommen. Zur Rückführung dieses Darlehens zahlte die Schuldnerin in der Zeit von November 1997 bis Juni 2000 insgesamt 260.000,00 DM (132.935,89 €) auf das Bankkonto der Beklagten. Der - erst im Oktober 2001 erstellte - Jahresabschluss der Schuldnerin per 31. Dezember 1996 wies einen durch Eigenkapital nicht gedeckten Fehlbetrag in Höhe von circa 485.000,00 DM auf, wobei Gesellschafterdarlehen in Höhe von circa 963.000,00 DM passiviert waren (BGHZ 171, 46 Tz. 1). Im September 2003 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Er beantragte am 30. Dezember 2004 den Erlass eines Mahnbescheids gegen beide Beklagte wegen einer Hauptforderung von 132.935,89 € unter der Bezeichnung "private Darlehenstilgung aus Vermögen der ...[A] GmbH vom 1.1.1997 bis 31.12.2003". Gleichzeitig beantragte er einen Mahnbescheid mit derselben Forderungsbezeichnung gegen den Beklagten zu 1) wegen einer Hauptforderung von 129.663,93 €. Beide Mahnbescheide wurden anschließend zugestellt.

Mit seiner Klage hat der Kläger von den Beklagten als Gesamtschuldner Rückzahlung der auf ihr Privatkonto geflossenen 132.935,89 € mit der Behauptung verlangt, die Schuldnerin habe den Betrag entweder als Darlehen an die Beklagten oder ohne Rechtsgrund geleistet. Die Beklagten haben dies mit der Maßgabe bestritten, dass es sich im Verhältnis zu ihnen um die Rückzahlung eines der Schuldnerin gewährten Gesellschafterdarlehens gehandelt habe. Weiter haben die Beklagten die Einrede der Verjährung erhoben.

Das Landgericht hat die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 15.338,76 € und den Beklagten zu 1) zu einer weiteren Zahlung von 117.597,13 €, jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.03.2005, verurteilt (GA 133). Die Berufung der Beklagten zu 2) gegen dieses Urteil ist als unzulässig verworfen worden. Die Berufung des Beklagten zu 2)  blieb im Wesentlichen erfolglos. Hinsichtlich des Zinsanspruchs sind Zinsen erst ab 20.04.2005 zugesprochen worden. Insoweit ist eine Abänderung des angefochtenen Urteils erfolgt. Die Anschlussberufung des Klägers, soweit sie sich gegen den Beklagten zu 1) richtete, ist zurückgewiesen worden.

Auf die Revision des Beklagten zu 1) ist das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 30.11.2006 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben worden, als zum Nachteil des Beklagten zu 1) erkannt worden ist. Der BGH hat die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens an den 2. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen. Die Zurückweisung der Anschlussberufung des Klägers, mit der weitere Zinsen ab 14.01.2005 gegen den Beklagten zu 1) geltend gemacht wurden, ist in Rechtskraft erwachsen und nicht mehr Gegenstand des Verfahrens vor dem erkennenden Senat.

Der Beklagte zu 1) beantragt nunmehr,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung gegen das angefochtene Urteil zurückzuweisen.

Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angegriffenen Urteil sowie die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsniederschrift vom 03.03.2011 (GA 529) Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).

aus den gründen

II. Die Berufung des Beklagten zu 1) ist nicht begründet.

Dem Kläger steht gemäß §§ 30, 31 GmbHG ein Anspruch gegen den Beklagten zu 1) wegen unzulässiger Entnahmen aus dem Gesellschaftsvermögen durch Tilgung von Gesellschafterschulden mit Gesellschaftsmitteln zu.

1) Der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat dahinstehen lassen, ob die Anspruchsgrundlage für die geltend gemachte Forderung in § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB, in § 31 Abs. 1 GmbHG oder in § 812 BGB zu sehen sei. Die Zahlungen der Schuldnerin auf das Privatkonto der Beklagten hätten gegen § 30 Abs. 1 GmbHG verstoßen. Wie in einem gegen den Beklagten zu 1) ergangenen Urteil des Berufungsgerichts vom 28. Juli 2005 (dazu BGHZ 171, 46) festgestellt, sei die Schuldnerin seit Ende 1996 insolvenzreif gewesen. Die Gesellschafterdarlehen von circa 963.000,00 DM hätten Eigenkapital ersetzt und seien in der vorgelegten Überschuldungsbilanz per 31. Dezember 1996, die einen Fehlbetrag von circa 287.000,00 DM ausweise, mangels einer Rangrücktrittserklärung der Beklagten zu Recht passiviert worden. Rückzahlungsansprüche des Klägers aus § 31 GmbHG seien allerdings bis auf einen Teilbetrag von 5.112,92 € (wegen der von der Schuldnerin im Mai und Juni 2000 geleisteten Zahlungen von je 5.000,00 DM) verjährt. Die fünfjährige Verjährungsfrist des § 31 Abs. 5 Satz 1 a.F. GmbHG sei durch die von dem Kläger im Dezember 2004 beantragten Mahnbescheide wegen Unklarheit der Anspruchsbezeichnung (§ 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO) noch nicht gehemmt worden. Dies sei erst durch Zustellung der Anspruchsbegründung des Klägers am 19. April 2005 geschehen. Ungeachtet dessen und unabhängig von den Voraussetzungen einer "längeren Verjährungsfrist" gemäß § 31 Abs. 5 Satz 2 a.F. GmbHG hafte der Beklagte zu 1) jedoch gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG für die Uneinbringlichkeit der verjährten Ansprüche, weil er als Geschäftsführer der Schuldnerin verpflichtet gewesen sei, ihre Ansprüche gegen ihn und seine Ehefrau aus §§ 31 GmbHG, 812 BGB rechtzeitig vor Verjährungseintritt geltend zu machen oder den Kläger als Insolvenzverwalter dazu zu veranlassen. Der Schadensersatzanspruch aus § 43 Abs. 2 GmbHG sei von dem Ersatzanspruch aus § 31 Abs. 1 GmbHG zu unterscheiden und verjähre erst fünf Jahre später als der letztere.

2) Die Ausführungen des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz haben einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht standgehalten. Der BGH hat hierzu ausgeführt, dass die Feststellungen des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz schon die Annahme der Voraussetzungen eines Primäranspruchs der Schuldnerin bzw. des Klägers gegen den Beklagten zu 1) aus § 31 Abs. 1 GmbHG nicht zu tragen vermögen.

Das angefochtene Urteil lasse nicht klar erkennen, von welchem Sachverhalt es ausgehe. Nach dem - prozessual maßgeblichen - Vortrag des Klägers sollten die Zahlungen der Schuldnerin auf das Bankkonto der Beklagten im Verhältnis zu ihnen "darlehensweise oder ohne Rechtsgrund erfolgt" sein. Beides hätten aber die Beklagten mit der Maßgabe bestritten, dass mit den Zahlungen eines der Darlehen zurückgeführt worden sei, welche die Beklagten der Schuldnerin gewährt hätten. Feststellungen dazu fehlten. Aus den vorinstanzlichen Urteilen sei auch nicht ersichtlich, dass sich der Kläger den Vortrag der Beklagten hilfsweise zu Eigen gemacht habe (BGH, Urt. v. 14. Februar 2000 - II ZR 155/98, ZIP 2000, 716) und er den Beklagten zu 1) wegen unzulässiger Rückgewähr eigenkapitalersetzender Darlehen gemäß §§ 30, 31 GmbHG analog (vgl. BGHZ 90, 370) in Anspruch nehmen wolle.

Soweit der Kläger Zahlungen der Schuldnerin "ohne Rechtsgrund" behaupte, handele es sich der Sache nach um Entnahmen aus dem Gesellschaftsvermögen, die bei hier gegebener Einigkeit der Gesellschafter nur unter den Voraussetzungen des § 30 GmbHG unzulässig, aber nicht rechtsgrundlos im Sinne von § 812 BGB gewesen seien (unter Bezug auf BGHZ 148, 167, 171; 173, 1, 14 Tz. 30).Voraussetzung für etwaige Erstattungsansprüche der Schuldnerin bzw. des Klägers aus § 31 GmbHG wegen unzulässiger Entnahmen, die auch bei der Tilgung von Gesellschafterschulden mit Gesellschaftsmitteln vorliegen könnten (unter Bezug auf BGHZ 60, 330; Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG 18. Aufl. § 30 Rdn. 17), wäre jedoch der Nachweis, dass die Schuldnerin in den jeweiligen Zahlungszeitpunkten eine Unterbilanz aufgewiesen habe. In diesem Fall wäre auch die von dem Kläger alternativ behauptete Darlehensgewährung der Schuldnerin entsprechend § 30 GmbHG unzulässig gewesen und ein sofort fälliger Rückforderungsanspruch gemäß § 31 GmbHG entstanden (unter Bezug auf  BGHZ 157, 72).

Eine bilanzielle sogar insolvenzrechtliche Überschuldung der Schuldnerin "seit Ende 1996" habe der Kläger zwar unter Hinweis auf das in einem Rechtsstreit zwischen dem Beklagten zu 1) und seiner Bank ergangene Urteil des Berufungsgerichts vom 20. Juli 2005 behauptet. Darauf und auf eine in jenem Rechtsstreit vorgelegte "Überschuldungsbilanz" (mit einem Fehlbetrag von circa 287.000,00 DM) habe sich das Berufungsgericht auch in der vorliegenden Sache gestützt. Das genannte Urteil sei jedoch durch Urteil des 2. Zivilsenats des BGH  vom 5. Februar 2007 (II ZR 234/05, BGHZ 171, 46) - u.a. wegen unzureichender Feststellungen zum Überschuldungszeitraum (aaO Tz. 8 f.) - aufgehoben worden.

Der BGH hat ferner unter Bezugnahme auf das Urteil des BGH  vom 5. Februar 2007 (aaO Tz. 9) dargelegt, dass aus der Überschuldungsbilanz per Ende 1996 nicht gefolgert werden könne, die - immerhin bis September 2003 weiter existierende - Schuldnerin sei im gesamten Zahlungszeitraum von November 1997 bis Juni 2000 überschuldet gewesen. Die Beklagten hätten dies ausweislich der Gründe des angefochtenen Urteils bestritten. Die Darlegungs- und Beweislast obliege dem Kläger.

Für den vom Kläger geltend gemachten Primäranspruch wegen angeblich unzulässiger Entnahmen aus dem Gesellschaftsvermögen (§§ 30, 31 GmbHG) komme es - anders als für den Tatbestand einer Krise im Sinne des Eigenkapitalersatzrechts (unter Bezug auf BGH, Urteil vom 3.4.2006 - II ZR 332/05, ZIP 2006, 996) - weder auf eine Überschuldung im Sinne  von § 19 InsO noch darauf an, ob die Gesellschafterdarlehen der Beklagten von circa 963.000,00 DM Eigenkapitalersatzcharakter hatten und - wegen fehlendem Rangrücktritt der Beklagten - in einem Überschuldungsstatus der Schuldnerin zu passivieren seien (BGHZ 146, 264). Das gemäß § 30 GmbHG gebundene Gesellschaftsvermögen sei vielmehr nach den allgemeinen für die Jahresbilanz geltenden Grundsätzen festzustellen (unter Bezug auf Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG aaO § 30 Rdn. 11 m.w.N.). Dabei seien Gesellschafterdarlehen nicht nur bei fehlendem Rangrücktritt (BGH Urteil vom 6.12.1993 - II ZR 103/93, BGHZ 124, 282, 284 m.w.N.), sondern stets zu passivieren (unter Bezug auf Scholz/Westermann, GmbHG 10. Aufl. § 30 Rdn. 24 f.; Baumbach/Hueck/Fastrich aaO § 30 Rdn. 10). Das habe auch schon in der Zeit vor Erlass des - ohnehin nur den Überschuldungsstatus betreffenden - Urteils des BGH vom 8.1.2001 (BGHZ 146, 264) ganz herrschender Meinung selbst für den Fall eines Rangrücktritts entsprochen (unter Bezug auf  BFH BStBI. II 1993, 502; Kleindiek in v. Gerkan/Hommelhoff, Handbuch des Kapitalersatzrechts Rn. 7.20 m.w.N.).

Vorliegend habe es an hinreichenden Feststellungen zum Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 30, 31 Abs. 1 GmbHG gefehlt, weil aus der Bilanz per Ende 1996 nicht ohne weiteres gefolgert werden könne, die Schuldnerin habe im gesamten Zahlungszeitraum eine Unterbilanz aufgewiesen. Dazu bedürfe es "dichterer" Feststellungen zu den jeweiligen Bilanzjahren. Die Sache sei insoweit nicht entscheidungsreif, weil den Parteien gemäß § 139 Abs. 2 ZPO Gelegenheit gegeben werden müsse, zu den von ihnen und dem Berufungsgericht verkannten Gesichtspunkten in tatsächlicher Hinsicht vorzutragen.

3) Der erkennende Senat hat entsprechend den Vorgaben des BGH weitere Feststellungen dazu getroffen, ob die Schuldnerin in dem gesamten Zahlungszeitraum von November 1997 bis Juni 2000 überschuldet gewesen ist. Gemäß § 30 GmbHG ist das gebundene Gesellschaftsvermögen nach den allgemeinen für die Jahresbilanz geltenden Grundsätzen festzustellen, also nicht im Sinne einer Überschuldungsbilanz (§ 64 GmbHG).  Maßgebend sind die fortgeschriebenen Buchwerte der letzten Jahresbilanz ohne Berücksichtigung stiller Reserven, es sei denn deren Auflösung entspräche ordnungsgemäßer Bilanzierung. Die bisher angewandte Bilanzierungspraxis ist fortzusetzen. Gesellschafterdarlehen sind daher stets zu passivieren, unabhängig von Rangrücktrittsvereinbarungen.

Ausweislich der vom Senat getroffenen Feststellungen ergibt sich folgende Situation:

Die Jahrsbilanz zum 31.12.1996 wies einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von mindestens 485.264,55  DM auf (K 3, GA 52).

Zum Jahresabschluss am 31.12.1997 (Anlage A 1) bestand ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag von mindestens 391.763,91  DM.

Der Jahresabschluss zum 31.12.1998 (Anlage A 2) wies einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von mindestens 837.472,52  DM auf.

Zum Jahresabschluss am 31.12.1999 (Anlage A 3) bestand ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag von mindestens 572.593,97  DM.

Der Jahresabschluss zum 31.12.2000 (Anlage A 4) wies einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von mindestens 465.000,00  DM auf.

Demnach hat in dem hier maßgeblichen Zeitraum von 1997 bis 2000 durchgängig eine Überschuldung vorgelegen.

Darüber hinaus wies aber auch der Jahresabschluss zum 31.12.2001 (Anlage A 5) einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von mindestens 569.632,78 DM auf.

Zum Jahresabschluss am 31.12.2002 (Anlage A 6) bestand ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag von mindestens 389.934,41 €. Dies deckt sich in etwa auch mit der Überschuldung bei Insolvenzeröffnung im September 2003 (GA 58) in Höhe von 318.783,09 €, die vom dem Beklagten zu 1) selbst beantragt wurde.

Es hat demnach eine durchgängige Überschuldung bis zur Insolvenzeröffnung vorgelegen. Dies gilt auch unter Einbeziehung etwaiger stiller Reserven, die nach nicht bestrittenem Vortrag des Klägers jeweils einen Betrag von 100.000,00 DM bzw. rund 50.000,00 € nicht überstiegen haben sollen, unterstellt deren Auflösung entspräche ordnungsgemäßer Bilanzierung. Ausweislich des Berichts des Insolvenzverwalters waren bei Einleitung des Insolvenzverfahrens jedoch keine stillen Reserven vorhanden (Anlage K 5, GA 64). Für die Betriebs- und Geschäftsausstattung ist lediglich ein Zerschlagungswert von 1.575,00 € netto bzw. 1.827,00 € brutto in Ansatz gebracht worden. Das Umlaufvermögen aus Warenvorräten hinsichtlich Restposten, bestehend aus Elektromaterial und Neonleuchten, ist mit 1.000,00 € in Ansatz gebracht worden. Es handelt sich hierbei nur um einen Erinnerungswert.   

Die vom Beklagten zu 1) hiergegen erhobenen Einwände (GA 448 ff.) verfangen nicht.

Der Beklagte zu 1) wendet ohne Erfolg gegen die Feststellung einer durchgängigen Unterbilanz in dem hier maßgeblichen Zeitraum von 1997 bis 2000 und auch darüber hinaus  bis zur Insolvenzeröffnung ein (GA 448 f.), es müsse berücksichtigt werden, dass die Jahresbilanz 1995 erst am 28.10.1998 und die Jahresbilanz 1996 erst am 05.10.2001 vom Steuerberater ...[B] erstellt worden sei. Die Jahresbilanz 1997 sei im Auftrag des Klägers sogar erst am 27.04.2004 erstellt worden. Schließlich datiere die Jahresbilanz 1998 erst vom 23.01.2006. Die Jahresbilanzen 1999 und 2000  seien im Auftrag des Klägers am 25.09.2006, die Jahresbilanz 2001 erst am 29.09.2006 und die Jahresbilanz 2002 sei erst am 16.11.2006 erstellt worden. Ohne Erfolg rügt der Beklagte zu 1), dass die nunmehr vorgelegten Jahresabschlüsse nicht den Nachweis einer Überschuldung erbringen könnten. Ein Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften werde lediglich vom Kläger vermutet (GA 449). Der Beklagte zu 1) vermag mit diesem Einwand nicht durchzudringen. Er kann sich nicht erfolgreich darauf berufen, dass die Jahresabschlüsse erst nachträglich erstellt worden sind, denn er hat es als Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin selbst versäumt, zeitnahe Abschlüsse erstellen zu lassen.

Soweit der Beklagte zu 1) auf das beim Senat und zuvor beim 6. Zivilsenat des OLG Koblenz geführte Parallelverfahren 2 U 225/05 verweist (GA 449) , wonach zu prüfen sei, ob er zu den dortigen Stichtagen am 27.02.2002 und 16.03.2003 insolvenzrechtlich überschuldet gewesen sei, kommt es auf diesen Gesichtspunkt nicht an, da hier nur zu prüfen ist, ob in dem Zeitraum 1997 bis 2000 auf das konkrete Jahr bezogen eine Unterbilanz vorgelegen hat, was der Fall ist. Es ist vorliegend nicht der insolvenzrechtliche Überschuldungsbegriff, sondern der jahresbilanzrechtliche Überschuldungsbegriff maßgebend. Der Senat hat im Übrigen mit rechtskräftigem Urteil vom 09.12.2010 festgestellt, dass die vom Beklagten zu 1) geführte GmbH  am 27./28.02.2002 und auch zum Zeitpunkt des Antrags auf Insolvenzeröffnung am 16.06.2003 insolvenzrechtlich überschuldet und diese Überschuldung für den Beklagten spätestens am 16.07.2002 subjektiv erkennbar war (S. 16/ 18 des Urteils). 

Der Beklagte zu 1) vermag sich auch nicht darauf zu berufen, dass ihm Buchungsunterlagen fehlten (GA 449). Als Geschäftsführer einer GmbH ist er für die Buchhaltungsunterlagen selbst gemäß § 41 GmbHG verantwortlich. Entweder hat der Beklagte zu 1) nicht für eine vollständige Buchführung gesorgt oder er hat entgegen seiner Verpflichtung  diese nicht aufbewahrt.

Das Argument, es liege für keine der hier relevanten Jahresabschlüsse eine körperliche Bestandsaufnahme vor,  greift ebenfalls nicht. Das Fehlen einer körperlichen Bestandsaufnahme (GA 449) geht zu Lasten des Beklagten zu 1) als Geschäftsführer der GmbH (§ 41 GmbHG). Es ist nicht zu beanstanden, dass der Steuerberater die Vorräte und die diesbezüglichen Wertansätze auf der Grundlage der letzten Inventur zum 31.12.1996 geschätzt und die Warenein- und -verkäufe fortgeschrieben hat. Dass Anlagenzugänge nur schätzungsweise abgeschrieben wurden, da keine Angaben zur Nutzungsdauer vorgelegen haben, ist nicht zu beanstanden. Der Beklagte zu 1) hat jedenfalls diesbezüglich keine konkreten Positionen beanstandet.

Der Vortrag, aktive Rechnungspositionen seien nicht aufgelöst worden (GA 449), da Einzelheiten über die die Art und Zusammensetzung der Posten nicht vorgelegen hätten, ist unsubstantiiert. Es kann offen bleiben, ob Rückstellungen für die Jahresabschlusskosten nicht berücksichtigt wurden, da durch etwaige weitere Rückstellungen sich die Überschuldung noch erhöht hätte.

Unzutreffend ist der Hinweis, dass Kontokorrentkonten bei der ...[C] nicht berücksichtigt worden seien (GA 449). Die Jahresabschlüsse führen die Konten bei der ...[C] auf, für 1996 bis 1997 allerdings als Verbindlichkeit /Anlage A, S. 17), in den Folgejahren als Guthaben. Ob die Kontostände bei der ...[C] für das Jahr 2001 berücksichtigt wurden, mag offen bleiben, da hier nur der Zeitraum 1997 bis 2000 maßgebend ist.     

Der Beklagte zu 1)  kann sich auch nicht darauf berufen, dass eine Barkasse der Insolvenzschuldnerin nicht beachtet worden sei (GA 449/450). Denn er hat entgegen seiner Verpflichtung als Geschäftsführer der GmbH nur bis Ende 1996 ein Kassenbuch geführt. In den Folgejahren hat der Steuerberater den Kassenbestand aus den vorliegenden Buchführungsunterlagen entnommen. Der Beklagte hat keinen konkreten Vortrag gehalten, inwiefern der Kassenbestand fehlerhaft ermittelt worden sein soll.

Soweit der Beklagte zu 1) darauf verweist, dass selbst nach Angaben des Klägers Steuerrückerstattungen in einer Größenordnung von 95.000,00 € erfolgt seien (GA 450), ist dieser Einwand unbeachtlich, da selbst die behauptete Erstattung von 95.000,00 € in keinem der Jahre ausreicht, die Überschuldung auszugleichen.  

Aufgrund der vom Senat getroffenen Feststellungen unter Berücksichtigung der vorgelegten Jahresabschlüsse ist in dem Zeitraum von 1997 bis 2000 durchgehend eine Überschuldung der GmbH zu verzeichnen. Da Gesellschafterdarlehen in einem Überschuldungsstatus der GmbH stets zu passivieren sind, durchgängig in den betreffenden Jahren eine Unterbilanz vorgelegen hat, stellt die Tilgung von Gesellschafterschulden mit Mitteln der GmbH eine unzulässige Entnahme aus dem Gesellschaftsvermögen dar, die zu einem Rückforderungsanspruch nach §§ 30, 31 GmbHG führt.

4) Der Anspruch des Klägers ist auch nicht verjährt.

Nach § 31 Abs. 5 GmbHG a.F. verjähren Ansprüche der Gesellschaft in fünf Jahren. Die Verjährung beginnt mit dem Ablauf des Tages, an welchem die Zahlung, deren Erstattung beansprucht wird, geleistet ist. Fällt dem Verpflichteten eine bösliche Handlungsweise zur Last, so findet die Bestimmung keine Anwendung. Unter dem nach früherem Recht zur Anwendung der Regelverjährung (§ 195 BGB i.V.m: Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB ) führenden Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 S. 1  GmbHG n.F. käme nach der Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 12 Abs. 2 EGBGB die nunmehr zehnjährige Verjährungsfrist gemäß § 31 Abs. 5 S. 1 n.F GmbHG zur Anwendung (Palandt/Heinrichs, BGB, Art. 229 § 12 EGBGB Rn. 4). Danach wären die etwaigen Erstattungsansprüche des Klägers aus § 31 Abs. 1 GmbHG nicht verjährt.

Nach der Rechtsprechung des BGH (BGHZ 136, 125, 131 m.w.N.) handelt ein Gesellschafter "böslich", wenn er die Auszahlung in Kenntnis ihrer Unzulässigkeit entgegennimmt, also weiß, dass bereits eine Überschuldung oder eine Unterbilanz besteht oder dass infolge der Auszahlung das zur Deckung des Stammkapitals erforderliche Vermögen nunmehr angegriffen wird. Hierzu bedarf es der Feststellungen, ob in objektiver Hinsicht eine Unterbilanz im (gesamten) Zeitraum der Zahlungen der Schuldnerin vorliegt. Der BGH hat hierzu ausgeführt, dass die Tatsache, dass der Beklagte  den Jahresabschluss der Schuldnerin für 1996 erst im Oktober 2001 und weitere Bilanzen offenbar nicht aufgestellt hat, ein bösliches Handeln nicht zwangsläufig ausschließe. Dies könne vielmehr auch dann vorliegen, wenn der Gesellschafter die Möglichkeit eines Verstoßes erkennt und sich weiterer Erkenntnismöglichkeit verschließt (unter Bezug auf Hachenburg/Goerde-ler/W. Müller, GmbHG, 8. Aufl. § 31 Rdn. 69).

Für ein bösliches Handeln spricht entscheidend, dass der Beklagte vor den ersten Zahlungen im November 1997 und auch in der Folgezeit wusste, dass eine Unterbilanz vorlag. Denn schon in der am 15.2.1997 erstellten Jahresbilanz 1994 war ein nicht gedeckter Fehlbetrag von 390.426,15 DM ausgewiesen. Der Jahresabschluss 31.12.1994 wurde mit der Unterschrift des Geschäftsführers beim zuständigen Finanzamt ...[X] eingereicht. (Anlage A 8, 8 a). Es sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass etwaige stille Reserven und deren Auflösung zu einem anderen wesentlichen Ergebnis führten.

Ausweislich der am 28.10.1998 erstellten Bilanz zum 31.12.2005 wies die Bilanz einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von immerhin 430.445,43 DM aus. Auch dieser Jahresabschluss wurde von dem Beklagten unterzeichnet und mit Stempel der Gesellschaft versehen.

Der Beklagte kannte seit Februar 1997, d.h. vor dem hier maßgeblichen Zeitraum November 1997, die Bilanz zum 31.12.1994  und vor November 1998 die Bilanz zum 31.12.1995. Der Beklagte hat entgegen seinen gesetzlichen Pflichten die Bilanzen der Folgejahre nicht zeitnah erstellen lassen und sich so weiterer Erkenntnismöglichkeiten verschlossen. Er handelte damit böslich. Der Beklagte hatte deutliche Hinweise, dass die Auszahlung gegen § 30 GmbHG verstößt.

Dem steht nicht entgegen, dass die Gesellschaft bis zum Jahr 2003 weiter bestand. Denn dies kann auf die Gesellschafterdarlehen zurückzuführen sein, die sich zuletzt auf über 1,2 Millionen DM beliefen. Wenn der Beklagte selbst vorträgt, er habe sich über Jahre kein Geschäftsführergehalt mehr auszahlen lassen (GA 451), deutet dies darauf hin, dass ihm die prekäre Situation der GmbH bekannt war.

Auch die vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 03.03.2011 (GA 530) vorgebrachten Gründe, vermögen an der Bewertung eines "böslichen" Handelns nichts zu ändern. Der Beklagte hat angegeben, dass er zunächst keine Kenntnis davon gehabt habe, dass die Tilgungen aus dem Geschäftskonto erfolgt seien. Er sei seinerzeit im gesamten Bundesgebiet zur Durchführung von Aufträgen unterwegs gewesen. Die Geschäftsführung habe faktisch in den Händen seiner zwischenzeitlich verstorbenen Ehefrau gelegen. Auf Nachfrage habe das Vorstandsmitglied ...[D] der ...[E]bank nach Rücksprache mit Steuerberater ...[B] erklärt, er könne ebenso wie seine Ehefrau die Schulden über das Girokonto tilgen. Als Geschäftsführer war er für die Vorgänge, die im Zusammenhang mit dem Girokonto standen, verantwortlich. Als Geschäftsführer konnte er diese Dinge nicht gänzlich auf seine Ehefrau delegieren. Es bestanden weiterhin Überwachungspflichten, denen der Beklagte nicht nachgekommen ist (vgl hierzu Senatsbeschluss vom 28.12.2010 - 2 U 203/09 - ZinsO 2011, 335, 338).  Ein bösliches Handeln setzt kein arglistiges oder betrügerisches Verhalten voraus.

Die Berufung des Beklagten war aus den dargelegten Gründen mit der Maßgabe der Änderung des Zinsanspruchs zurückzuweisen.

Der Zinsanspruch beruht auf §§ 286, 288 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 132. 935,89  € festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen, § 543 Abs. 1 ZPO.

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