OLG Nürnberg: Unerfülltes Nachsicherungsverlangen berechtigt Bank nicht zur fristlosen Kündigung des Darlehensvertrages
OLG Nürnberg, Urteil vom 31.7.2012 - 14 U 1737/11
Leitsatz
Ein unerfülltes Nachsicherungsverlangen, das lediglich auf den bereits bei Abschluss des Darlehensvertrages bekannten Wegfall einer Bürgschaft gestützt wird, berechtigt die Bank unabhängig davon, ob sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kunden verschlechtert haben, nicht zur fristlosen Kündigung des Darlehensvertrages.
Sachverhalt
I. Die Kläger wenden sich gegen die von der Beklagten betriebene Zwangsvollstreckung aus notariellen Urkunden.
Der Kläger zu 1) betreibt ein kunststoffverarbeitendes Unternehmen.
Im August 2009 schlossen die Parteien zur Neuordnung des Kreditengagements der Beklagten gegenüber den Klägern den Darlehensvertrag Nr. 6... zum Nennbetrag von 426.942 €, Tilgungsbeiträge sollten erstmals am 30.8.2010 zu zahlen sein (Anlage K 1).
Als Sicherheiten sollten die Grundschulden und abstrakten Schuldversprechen dienen, die die Kläger der Beklagten mit den Urkunden Nr. ... des Notars Dr. R. vom 18.4.2000, Nr. ... des Notars Prof. Dr. B. vom 31.3.2005 und Nr. ... des Notars Dr. F. vom 18.8.2006 unter Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung bestellt bzw. abgegeben hatten. Weitere Sicherheit sollte die bis 11.5.2010 befristete Bürgschaft des Vaters der Klägerin zu 2) S. H. über 50.000 € (Anlage K 6) sein.
Mit Schreiben vom 16.3.2010 an die Kläger (Anlage K 8) führte die Beklagte Folgendes aus:
„Bürgschaft von Herrn S. H. über EUR 50.000 für Darlehen Nr. 6... über derzeit EUR 426.942,00 Restschuld lautend auf S. und D. G.
Sehr geehrte Frau G.,
sehr geehrter Herr G.,
die oben genannte Bürgschaft ist bis 11.5.2010 befristet.
Da das oben genannte Darlehen jedoch bis 11.5.2010 noch nicht zurückgezahlt ist, machen wir gemäß Nr. 22 Abs. 1 unserer Allgemeinen Geschäftsbedingungen von unserem Nachsicherungsrecht Gebrauch.
Bitte teilen Sie uns daher bis spätestens 6.4.2010 mit, welche Sicherheit im Wert von EUR 50.000 Sie uns zukünftig bis zur vollständigen Rückzahlung des Darlehens zur Verfügung stellen. Dabei kann sowohl der bisherige Drittsicherungsgeber einer Verlängerung der Bürgschaft zustimmen oder sie können uns auch eine andere werthaltige Sicherheit anbieten.
Sollten Sie uns keine entsprechende werthaltige Sicherheit zur Verfügung stellen, sind wir gezwungen, das oben genannte Darlehen zu kündigen.
Mit freundlichen Grüßen
... SPARKASSE ..."
Mit E-Mail vom 31.3.2010 an die Beklagte (Anlage K 10) wies der Berater der Kläger G. H. darauf hin, dass zur Besicherung der Umfinanzierung im August 2009 die bis 11.5.2010 befristete Bürgschaft von S. H. herangezogen worden sei und dass vereinbarungsgemäß während der Laufzeit dieser Bürgschaft keinerlei Rückzahlung auf das besicherte Darlehen fällig und somit auch nicht zu erwarten gewesen sei. Der mit Schreiben vom 16.3.2010 geltend gemachte Nachbesicherungsanspruch sei somit unbegründet.
Die Kläger stellten der Beklagten keine weitere Sicherheit. Mit Schreiben an die Kläger vom 7.4.2010 (Anlage K 11) nahm die Beklagte hierauf Bezug, kündigte gemäß Nr. 26 Abs. 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen einen Teilbetrag von 50.000 € des Darlehens Nr. 6... mit sofortiger Wirkung und forderte zur Zahlung von 50.000 € bis spätestens 30.4.2010 auf. Wenn Herr H. innerhalb dieser Frist einer Verlängerung seiner Bürgschaft zustimme oder eine andere werthaltige Sicherheit über 50.000 € gestellt werde, sei die Teilkündigung gegenstandslos. Nachdem weder Zahlung geleistet noch die geforderte Sicherheit nun gestellt wurde, leitete die Beklagte die Zwangsvollstreckung aus den genannten notariellen Urkunden ein.
Wegen des weiteren erstinstanzlichen Parteivorbringens sowie der dortigen Anträge wird auf den Tatbestand des Endurteils des Landgerichts Nürnberg - Fürth vom 22.7.2011 Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Vollstreckungsgegenklage der Kläger abgewiesen, da das Nachsicherungsverlangen der Beklagten wegen zumindest drohender Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Kläger berechtigt und damit die Teilkündigung des Darlehens vom 7.4.2010 wirksam gewesen sei. Gegen das Urteil haben die Kläger Berufung eingelegt.
Die Kläger meinen, dass die Kündigung der Beklagten im Schreiben vom 7.4.2010 ausschließlich auf die Befristung der Bürgschaft und nicht auf eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Kläger gestützt worden sei. Sie verweisen darauf, dass - unstreitig - diese Befristung der Beklagten bei Abschluss des Darlehensvertrags bereits bekannt war. Außerdem sei die mit Schreiben vom 16.3.2010 gesetzte Frist zur Nachsicherung zu kurz gewesen. Die Kläger machen geltend, dass eine wesentliche Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse im März/April 2010 nicht vorgelegen habe. Für die Beklagte sei eine unveränderte Fortsetzung der Geschäftsbeziehung auch zumutbar gewesen, da im August 2009 ein Sanierungskredit gewährt worden sei und die Beklagte die unbefriedigende wirtschaftliche Entwicklung auf Klägerseite sechs Monate lang zuwartend begleitet habe. Die Beklagte sei auch nicht zu einer Teilkündigung berechtigt gewesen, zumal sie im Schreiben vom 16.3.2010 eine vollständige Kündigung angedroht habe.
Die Kläger beantragen:
In Abänderung des am 22.7.2011 verkündeten Endurteils des Landgerichts Nürnberg-Fürth, Az: 10 O 4775/10 wird
1. die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde Nr.: ... des Notars Dr. R. vom 18.4.2000
2. die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde Nr.: ... des Notars Prof. Dr. B. vom 31.3.2005
3. die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde Nr.: ... des Notars Dr. F. vom 18.8.2006
für unzulässig erklärt, soweit sie auf der streitgegenständlichen Kündigung vom 7.4.2010 beruht.
Die Beklagte beantragt:
Die Berufung der Klagepartei gemäß Schriftsatz vom 26.8.2011 gegen die erstinstanzliche Entscheidung des LG Nürnberg-Fürth zu dem Az. 10 O 4775/10 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte bringt vor, dass die Umsatzentwicklung auf Klägerseite im Zeitraum von September 2009 bis Januar 2010 hinter den vor Abschluss des Darlehensvertrages eingereichten Plänen zurückgeblieben sei. Im März 2010 hätten erhebliche Liquiditätsprobleme zumindest bis zur drohenden Zahlungsunfähigkeit bestanden, eine Ausweitung der Kreditmittel sei durch die Beklagte abgelehnt worden. Das Nachsicherungsverlangen vom 16.3.2010, das sich auf die Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation durch Bezugnahme auf Nr. 22 Abs. 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausreichend stütze, sei daher berechtigt gewesen. Ein Sanierungskredit liege nicht vor. Die gesetzte Nachsicherungsfrist, die im Kündigungsschreiben vom 7.4.2010 sogar noch einmal ausgeweitet worden sei, sei angemessen gewesen. Die Beklagte habe die die Kläger schonende Teilkündigung aussprechen dürfen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens in der Berufungsinstanz wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Der Senat hat im Verhandlungstermin vom 19.6.2012 einen Hinweis zur Rechtslage erteilt. Zu seinem Inhalt wird auf S. 2 der Sitzungsniederschrift (Bl. 281 d. A.) Bezug genommen.
Aus den Gründen
II. Die Berufung der Kläger ist zulässig und begründet. Auf die gemäß §§ 767, 794 Abs. 1 Nr. 5, 797 Abs. 4 zulässige Vollstreckungsgegenklage ist die Zwangsvollstreckung im tenorierten Umfang für unzulässig zu erklären, da die von der Beklagten unter dem 7.4.2010 ausgesprochene Teilkündigung des Darlehensvertrages unwirksam ist.
Das Schreiben der Beklagten vom 16.3.2010 (Anlage K 8) ist nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) so zu verstehen, dass die Stellung einer Ersatzsicherheit deshalb verlangt werde, weil trotz Wegfalls der Bürgschaft aufgrund der Befristung das Darlehen bis dahin nicht zurückgezahlt worden sein wird. Hierbei handelt es sich, was auch die Beklagte nicht in Zweifel zieht, nicht um nachträglich eingetretene oder bekannt gewordene Umstände im Sinne von Nr. 22 Abs. 1 AGB-Sparkassen. Auf diese Klausel wird zwar in dem genannten Schreiben Bezug genommen. Daraus mussten die Kläger aber nicht herleiten, dass sich die Beklagte auf die Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse stützen wolle. Dies gilt umso mehr, als der Berater der Kläger G. H. mit E-Mail vom 31.3.2010 an die Beklagte (Anlage K 10) das Nachsicherungsverlangen als unbegründet zurückwies, weil der Wegfall der Bürgschaft und die erst spätere Rückzahlung des Darlehens den getroffenen Vereinbarungen entsprachen. Hierauf hat die Beklagte nicht etwa klarstellend reagiert, sondern ohne weiteres die Kündigung vom 7.4.2010 ausgesprochen. Unter diesen Umständen waren die Kläger nicht verpflichtet, der Beklagten eine weitere Sicherheit zu stellen. Sie durften vielmehr das Verlangen vom 16.3.2010 für unberechtigt halten. Selbst wenn ein Nachsicherungsbegehren einer Bank grundsätzlich keiner Begründung bedürfen sollte, berührt dies nicht den hier vorliegenden Fall der falschen Begründung. Zudem kann der Kunde von der Bank jedenfalls auf Nachfrage die Erläuterung der Gründe verlangen.
Aus der von der Beklagten ins Feld geführten Rechtsprechung ergibt sich nichts anderes. Die Urteile des BGH vom 19.9.1979, Az. III ZR 93/76, WM 1979, 1176 ff. (vgl. insbes. Rn. 50 nach juris) und des BGH vom 18.12.1980, Az. III ZR 157/78, WM 1981, 150 ff. (vgl. insbes. Rn. 37 nach juris) hatten eine Vertragslage zum Gegenstand, nach der die Bank eine Verstärkung bzw. eine Bestellung neuer Sicherheiten grundsätzlich ohne besonderen Anlass verlangen konnte. Das OLG Hamm hat mit Urteil vom 7.5.2001, Az: 31 U 196/00, WM 2001, 2438 ff. (vgl. insbes. Rn. 23/24 nach juris) in einem unberechtigten Nachbesicherungsverlangen zwar keine Pflichtverletzung der Bank gesehen, aber auch ausdrücklich dargelegt, dass eine darauf gestützte Kündigung unwirksam ist.
Ob eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Kläger vorlag, kann hier also offen bleiben. Die Beklagte hat sich hierauf gegenüber den Klägern erst nach Ausspruch der Kündigung berufen. Eine Nachsicherungsverpflichtung der Kläger für die Zeit bis zur Kündigung konnte dadurch nicht mehr entstehen.
Die Kläger mussten der Beklagten keine weitere Sicherheit stellen. Dass sie dem entsprechenden Verlangen der Beklagten nicht entsprachen, kann also auch keinen zur Kündigung berechtigenden wichtigen Grund gemäß Nr. 26 Abs. 2 AGB-Sparkassen darstellen. Eine unveränderte Fortsetzung der Geschäftsbeziehung konnte der Beklagten unter Berücksichtigung der berechtigten Belange der Kläger insoweit zugemutet werden.
Ein Kündigungsgrund gemäß § 26 Abs. 2 a) AGB-Sparkassen liegt ebenfalls nicht vor. Die Beklagte ist selbst nicht davon ausgegangen, dass ihr bereits aufgrund der wirtschaftlichen Situation der Kläger allein eine Fortsetzung der Kreditbeziehung teilweise nicht mehr zugemutet werden kann, da sie lediglich die Stellung einer weiteren Sicherheit im Wert von 50.000 € verlangte. Zumindest hätte die Beklagte die Kläger zur Wahrung ihrer berechtigten Belange über eine andere Einschätzung vor der Kündigung informieren müssen.
III. 1. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.
2. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 709 S. 2, § 711 ZPO.
3. Die Revision wird nicht zugelassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 543 Abs. 2 ZPO). Der vorliegende Einzelfall ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Der Senat weicht von obergerichtlicher Rechtsprechung nicht ab.