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Wirtschaftsrecht
02.07.2025
Wirtschaftsrecht
KG: Unbefristeter Bad Leaver Event bei Abberufung als Geschäftsführer wegen eines vorsätzlichen oder strafbaren Verhaltens

KG, Urteil vom 19.5.2025 – 2 U 15/25

ECLI:DE:KG:2025:0519.2U15.25.00

Volltext: BB-Online BBL2025-1602-4

unter www.betriebs-berater.de

Amtliche Leitsätze

1. Eine (Vorab-)Weiterleitung der später angefochtenen Entscheidung an die Mandantschaft durch Rechtsanwaltsfachangestellte oder Assessoren begründet noch keine Zustellung (und keinen Fristlauf), weil die Befugnis, elektronische Empfangsbekenntnisse abzugeben, nur dem in § 173 Abs. 2 ZPO privilegierten Adressatenkreis zusteht.

2. Zur Zulässigkeit einer Vesting-Klausel in einem Shareholder Agreement, nach der die wirksame Abberufung des Founders als Gesellschafter-Geschäftsführer und die wirksame Kündigung seines Geschäftsführer-Anstellungsvertrages zugleich und zeitlich unbefristet den Verlust der Geschäftsanteile seines Founder Vehicles bewirken soll, wenn der Abberufung ein vorsätzliches Handeln oder eine strafbare Handlung zugrunde liegt.

3. Zur Unzumutbarkeit der weiteren Tätigkeit eines Founders als Gesellschafter-Geschäftsführer der Holding und der operativen Gesellschaft und der dabei anzustellenden Gesamtabwägung in einem Einzelfall.

§ 626 BGB, § 173 ZPO, § 175 Abs 1 ZPO, § 175 Abs 3 ZPO, § 189 ZPO, § 517 ZPO

 

 

Sachverhalt

I. Die Y. GmbH, früher E. GmbH, ist im Bereich der Entwicklung, des Vertriebs und der Vermarktung von onlinebasierten Zahlungs- und Kundenbindungssystemen operativ tätig. Der Founder T., der zum Aufbau des Unternehmens maßgeblich beigetragen hatte, war unter der von ihm geführten Firma N. e.K. und mit der von ihm gehaltenen Na. GmbH & Co. KG als Reseller der von der E. GmbH angebotenen Dienste tätig.

Im Frühjahr 2021 gründeten die von T. innegehaltene Verfügungsklägerin zu 20 % und die von dem anderen Founder A. innegehaltene E. UG zu 33,5 % mit Investoren sodann die seinerzeit noch als E. Holding GmbH firmierende Verfügungsbeklagte als Besitzgesellschaft, in welche 100 % der E. GmbH eingebracht wurden. Im Zuge der Transaktion brachte T. die Na. GmbH & Co. KG in die Gruppe ein. Im April 2021 wurde die Einbringung des Einzelunternehmens N. e.K. des T. in die von der Verfügungsbeklagten gehaltene Nu. GmbH & Co. KG im Handelsregister eingetragen.

Im Mai 2021 schlossen die Gesellschafter der Verfügungsbeklagten und diese in englischer Sprache ein Shareholder Agreement (Anlage B5). Nach dessen § 15 „Vesting of Founder Shares“ sollte ein sog. Bad Leaver Event angenommen werden für den Fall, dass der Geschäftsführeranstellungsvertrag eines Founders entweder durch die Verfügungsbeklagte aus wichtigem Grund oder durch den Founder ohne wichtigen Grund gekündigt oder nicht verlängert werde (§ 15.2.1 und 2 SHA). Ebenso sollte es einen Bad Leaver Event darstellen, wenn der Founder als Geschäftsführer aus wichtigem Grund iSv. § 626 BGB abberufen werde oder als Geschäftsführer ohne wichtigen Grund zurückträte (§ 15.2.3 und 4 SHA). Aufschiebend bedingt auf den Vorfall eines solchen Bad Leaver Events gaben die Verfügungsklägerin und die E. UG (haftungsbeschränkt) Angebote auf Übertragung der von ihnen innegehaltenen Anteile an der Verfügungsbeklagten ab (sog. Bad Leaver Offer), und zwar bei einem Bad Leaver Event bis einschließlich 17.05.2024 betreffend 25 % der Geschäftsanteile. Ein Bad Leaver Event zu einem späteren Zeitpunkt sollte nur beachtlich sein oder ein Angebot betreffend sämtliche Geschäftsanteile sollte nur erfolgen

“provided such Bad Leaver Event is based on the relevant Founder's willful misconduct (Vorsatz) or a misconduct to the detriment of the Company or any of its Shareholders relevant under criminal law (excluding, however, any actions in connection with the current non-compliance of a Group Company with (i) the German Payment Services Supervision Act (ZAG) and/or (ii) the declaration and/or payment of foreign VAT and other non-compliance as disclosed in the CLA)”

Für den Fall der Annahme des Bad Leaver Offers sollte die Verfügungsbeklagte verpflichtet sein, dem jeweiligen Founder Vehicle „a consideration of EUR 1.00 for the Shares so acquired“ zu zahlen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage B5 verwiesen. T. war in der Folge als Geschäftsführer sowohl der E. GmbH als auch der Verfügungsbeklagten tätig.

Ab ca. April 2024 kam es zwischen den Foundern T. und A. zu Unstimmigkeiten über die weitere Geschäftsentwicklung. Ende Mai 2025 legte die Kanzlei K. einen Untersuchungsbericht betreffend das Verhalten des T. als Geschäftsführer vor. Unter Bezug hierauf stellte die Verfügungsbeklagte den T. unter Sperrung u.a. der Online- und Kalenderzugänge als Geschäftsführer frei und forderte ihn auf, innerhalb von wenigen Tagen zu etwa 300 Fragen betreffend seine Geschäftsführung Stellung zu nehmen. Am 14.6.2024 beschloss die Gesellschafterversammlung der Verfügungsbeklagten gegen die Stimmen der Verfügungsklägerin die Abberufung des T. wegen „diverser vorsätzlicher und teils möglicherweise sogar strafbarer Verstöße gegen seine Pflichten als Geschäftsführer“, konkret wegen Vermögensschädigungen, Verstößen gegen die Geschäftsordnung und missbräuchlicher Nutzung von Geschäftschancen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage B9 Bezug genommen.

In dem vorliegenden Verfügungsverfahren hat die Verfügungsklägerin zunächst zu I. begehrt, der Verfügungsbeklagten die Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste zu untersagen, hilfsweise zu II. ihr die Einreichung einer wiederum geänderten Gesellschafterliste aufzugeben und höchst hilfsweise III. die Verfügungsbeklagte zu verpflichten, die Verfügungsklägerin einstweilen weiter als Gesellschafterin weiter zu behandeln. Sie habe die Anteile an der Verfügungsbeklagten im Gegenzug gegen die Einbringung der zuvor von T. gehaltenen Reseller-KGs übertragen erhalten, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des SHA ausweislich eines Bewertungsgutachters der H. GmbH mind. EUR 2,0 Mio. wert gewesen seien. Hierzu stehe die vorgesehene Entschädigung in einem groben Missverhältnis. Eine Einziehung ohne angemessene Abfindung sei sittenwidrig. Im Übrigen liege schon kein wichtiger Grund für eine Abberufung des T. vor, jedenfalls fehle es an vorsätzlichem oder gar strafbarem Handeln.

Am 14.11.2024 hat eine weitere Gesellschafterversammlung der Verfügungsbeklagten gegen die Stimmen der Verfügungsklägerin die Ergänzung der Abberufung des T. um den wichtigen Grund ergänzt, dass er private Steuerschulden von etwa TEUR 445 ohne Rechtsgrund durch Abbuchung von einem Konto der Nu. GmbH & Co. KG habe begleichen lassen. Zugleich beschloss die Gesellschafterversammlung gegen die Stimmen der Verfügungsklägerin, die angesichts des Bad Leaver Events bestehende Vesting Call Option auszuüben. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage B34 Bezug genommen. In der Folge hat die Verfügungsbeklagte eine Gesellschafterliste bei dem Handelsregister eingereicht, welche die Verfügungsklägerin nicht mehr als Gesellschafterin ausweist. Die Verfügungsklägerin hat hierauf ihr Verfügungsbegehren zu I. für in der Hauptsache erledigt erklärt.

Die Verfügungsbeklagte hat sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen und in der Sache u.a. geltend gemacht, die fragliche Klausel sei wirksam, insbesondere keine in das Belieben der Mitgesellschafter gestellte Hinauskündigungsklausel. Der Bad Leaver Event folge hinsichtlich der Steuerproblematik aus dem Strafrechtsgutachten D., welches die Angelegenheit als vorsätzliche Untreue bewerte (Anlage B13). Zudem liege Spesenbetrug in erheblichem Umfang vor, wobei die Verfügungsklägerin private Ausgaben in Höhe von 1.415,25 EUR ausdrücklich eingeräumt habe. Zudem habe sich T. einen Vorschuss auf Spesen in Höhe von 90.000 EUR auszahlen lassen, obwohl man davon ausgehen müsse, dass tatsächlich gar keine solchen Spesen angefallen seien. Er habe gegen das Wettbewerbsverbot verstoßen und die E. GmbH durch eine nicht abgestimmte Gehaltserhöhung für den Angestellten M. geschädigt.

Das Landgericht hat mündlich verhandelt und mit seinem am 9.1.2025 verkündeten Urteil den Verfügungsantrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, der Antrag zu I. sei von Anfang an unbegründet gewesen und die Anträge zu II. und III. unbegründet, weil die Verfügungsbeklagte berechtigt gewesen sei, T. als Geschäftsführer aus wichtigem Grund abzuberufen, nachdem eine vorsätzliche Pflichtverletzung vorliege. Denn der Beirat habe es nie autorisiert, dass private Steuerverbindlichkeiten des T. von dem Konto der Nu. GmbH & Co. KG abgebucht würden. Zudem sei davon auszugehen, dass T. den fehlerhaft auf den 19.12.2020 datierten Kontokorrentvertrag zu einem späteren Zeitpunkt nachgefertigt habe, ohne dies mit dem Beirat abzustimmen.

Hiergegen wendet sich die Berufung der Verfügungsklägerin, mit welcher sie nur ihr Begehren der Weiterbehandlung als Gesellschafterin weiterverfolgt und zur Begründung u.a. geltend macht, sie habe glaubhaft gemacht, dass nach Kenntnis des T. sämtliche der abgegangenen Steuern und Vorauszahlungen auf den Einkünften aus dem Gewerbebetrieb der Reseller-Gesellschaften für die Zeit bis zur Umwandlung resultiert hätten. Der Kontokorrentvertrag sei T. von der Verfügungsbeklagten vorgelegt worden, nachdem er von dem Steuerbüro erstellt und rückdatiert worden sei. T. habe diesen ohne weitere Prüfung unterschrieben. Im Übrigen bleibe es dabei, dass die Vesting-Klausel unwirksam sei. Diese gebe der Verfügungsbeklagten die Möglichkeit, sämtliche Geschäftsanteile der Gründungsgesellschafter zum Nennwert zu erwerben. Die Regelung stehe einem Abfindungsausschluss und damit einer Enteignung gleich.

Die Verfügungsklägerin beantragt,

wie erkannt wurde.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und macht darüber hinaus u.a. geltend, die Abbuchung der Steuern habe gegen den Zustimmungskatalog des SHA und der Geschäftsordnung für die Geschäftsführung verstoßen. Ein weiterer vorsätzlicher Verstoß liege in der nun eingeräumten Unterzeichnung des vorgelegten Vertrages ohne jedwede Prüfung. Dabei sei T. bewusst gewesen, dass es an dem erforderlichen Beiratsbeschluss für beide Vorgänge gefehlt habe. Zu Recht habe das Landgericht im Parallelverfahren zu 17 O 172/24 daher die ausgesprochene Kündigung des Geschäftsführeranstellungsvertrages als wirksam angesehen (Anlage B37).

Im Termin zur Berufungsverhandlung hat die Verfügungsbeklagte geltend gemacht, es sei davon auszugehen, dass das am 9.1.2025 elektronisch versandte Urteil von den Prozessbevollmächtigten taggleich an die Verfügungsklägerin weitergeleitet worden sei. Angesichts dessen könne diese sich nicht auf das im elektronischen Empfangsbekenntnis enthaltene Datum vom 13.1.2025 berufen und sei die am 13.2.2025 eingelegte Berufung verspätet und als unzulässig zu verwerfen.

Aus den Gründen

II. Die Berufung der Verfügungsklägerin ist zulässig, also statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 511 ff. ZPO). Insbesondere ist die Frist des § 517 ZPO gewahrt.

 

Das angefochtene Urteil ist der Verfügungsklägerin am 13.1.2025 zugestellt worden. Im Falle der Zustellung eines elektronischen Dokuments an einen Rechtsanwalt durch Empfangsbekenntnis (§ 173 ZPO) ist die Zustellung nämlich erst dann als bewirkt anzusehen, wenn der Rechtsanwalt das ihm zugestellte Dokument mit dem Willen entgegengenommen hat, es als zugestellt gegen sich geltend zu lassen, und dies durch Erteilung des Empfangsbekenntnisses bekundet. Zustellungsdatum ist dabei der Tag, an dem der Rechtsanwalt als Zustellungsadressat das Dokument empfangsbereit entgegengenommen hat. Ein Empfangsbekenntnis erbringt bei alledem Beweis nicht nur für die Entgegennahme des darin bezeichneten Dokuments als zugestellt, sondern auch für den Zeitpunkt der Entgegennahme durch den Unterzeichner (vgl. BGH, Beschluss vom 24. März 2021 – LwZB 1/20, BeckRS 2021, 10258 Rn. 9; BGH, Beschluss vom 19. April 2012 - IX ZB 303/11, NJW 2012, 2117 Rn. 6; BGH, Beschluss vom 12. September 2012 - XII ZB 642/11, NJW 2012, 3378 Rn. 13; BGH, Beschluss vom 11. September 2018 - XI ZB 4/17, NJW-RR 2018, 1400 Rn. 5). Diese für die Zustellung von Schriftstücken gegen Empfangsbekenntnis entwickelten Grundsätze gelten für die Zustellung von elektronischen Dokumenten gegen elektronisches Empfangsbekenntnis entsprechend (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Januar 2024 – VII ZB 22/23, NJW 2024, 1120 Rn. 10; BGH, Urteil vom 11. Februar 2022 – V ZR 15/21, NJW 2022, 1816 Rn. 22; MüKo-ZPO/Häublein/Müller, 7. Aufl. 2025, ZPO § 173 Rn. 12).

 

Soweit der Gegenbeweis der Unrichtigkeit der im Empfangsbekenntnis enthaltenen Angaben zulässig ist, setzt er voraus, dass die Beweiswirkung der §§ 173 Abs. 3, 175 Abs. 1 und 3 ZPO vollständig entkräftet und jede Möglichkeit ausgeschlossen ist, dass die Angaben des Empfangsbekenntnisses richtig sein können; dabei ist dieser Gegenbeweis nicht schon dann geführt, wenn lediglich die Möglichkeit der Unrichtigkeit besteht, die Richtigkeit der Angaben also nur erschüttert ist (vgl. BGH, Beschluss vom 24. März 2021 – LwZB 1/20, BeckRS 2021, 10258 Rn. 9; BGH, Beschluss vom 19. April 2012 - IX ZB 303/11, NJW 2012, 2117 Rn. 6 mwN, Beschluss vom 12. September 2012 - XII ZB 642/11, NJW 2012, 3378 Rn. 13 mwN). Nach diesem Maßstab ist das elektronische Empfangsbekenntnis nicht entkräftet, denn die im Termin anwesend gewesenen Prozessbevollmächtigten der Verfügungsklägerin haben auf Befragen jeweils erklärt, die Entscheidung nicht vor dem Datum des Empfangsbekenntnisses an den Geschäftsführer der Verfügungsklägerin weitergeleitet zu haben. Der Prozessbevollmächtigte Z. hat dabei bekräftigt, die Zustellung am Montag, dem 13.1.2025 erhalten und zu diesem Zeitpunkt seinen Empfangswillen betätigt zu haben. Dies entspricht dem Inhalt des Empfangsbekenntnisses. Die Verfügungsbeklagte kann auch nicht anführen, das so anwaltlich geschilderte Geschehen sei angesichts der Bedeutung der Angelegenheit für den Geschäftsführer der Verfügungsklägerin und der Dringlichkeit der Sache unglaubhaft (§ 286 ZPO). Soweit es naheliegen könnte, dass das Büro der klägerischen Prozessbevollmächtigten den Geschäftsführer der Verfügungsklägerin schon vor dem anstehenden Wochenende über das Ergebnis des Verkündungstermins informiert hat, konnte eine Vorabinformation der Verfügungsklägerin durch Kanzleibedienstete auch ohne Betätigung des anwaltlichen Empfangswillens erfolgen. Weil die Befugnis, Empfangsbekenntnisse zu unterschreiben, nur dem privilegierten Adressatenkreis (§ 173 Abs. 2 ZPO) zusteht, begründet ein Tätigwerden durch Rechtsanwaltsfachangestellte oder Assessoren keine Zustellung (vgl. BSG, Beschluss vom 23. April 2009 – B 9 VG 22/08 B, SozR 4-1750 § 174 Nr 1 = NJW 2010, 317; OLG Stuttgart, Beschluss vom 17. Mai 2010 – 2 Ws 48/10, OLGSt StPO § 37 Nr 17 = NJW 2010, 2532 Rn. 9 nach juris; MüKo-ZPO/Häublein/Müller, 7. Aufl. 2025, ZPO § 175 Rn. 12; Musielak/Voit/Wittschier, 22. Aufl. 2025, ZPO § 175 Rn. 4).

 

Bei dieser Sachlage folgt auch nichts anderes aus der von der Verfügungsbeklagten angeführten Regelung, dass ein Schriftstück in dem Zeitpunkt als zugestellt gilt, in dem das Dokument der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte, tatsächlich zugegangen ist, wenn sich die formgerechte Zustellung des Dokuments nicht nachweisen lässt oder es unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen ist (§ 189 ZPO). Eine Heilung nach dieser Norm kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil sich die formgerechte Zustellung des Urteils – wie gesehen – hier nach § 173 Abs. 3 ZPO nachweisen lässt und es auch nicht unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen ist. Vorsorglich sei darauf hingewiesen, dass die Heilung einer Zustellung gegen Empfangsbekenntnis nur dann in Betracht kommt, wenn die Empfangsbereitschaft festgestellt werden könnte, mithin die zumindest konkludente Äußerung des Willens, das zur Empfangnahme angebotene Schriftstück oder elektronische Dokument dem Angebot entsprechend als zugestellt entgegenzunehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Januar 2015 – VIII ZB 55/14, NJW-RR 2015, 953 Rn. 12; BGH, Urteil vom 22. November 1988 – VI ZR 226/87, NJW 1989, 1154 Ls. 2 nach juris; MüKo-ZPO/ Häublein/Müller, 7. Aufl. 2025, ZPO § 189 Rn. 2). Nachdem es sich bei dem Willen um eine innere Tatsache handelt, müssten zumindest Gesamtumstände feststellbar sein, die hinreichend zuverlässig auf die Empfangsbereitschaft des Adressaten schließen ließen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Januar 2015 – VIII ZB 55/14, NJW-RR 2015, 953 Rn. 12). Eine solche konkludente Willensäußerung des in der beA-Sendung als Adressaten benannten klägerischen Prozessbevollmächtigten ist aber nicht erkennbar und auch auf die Befragung im Termin nicht hervorgetreten. Insoweit kann auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen werden.

 

III. Die Berufung der Verfügungsklägerin ist – soweit die Verfügungsklägerin die Klageabweisung unter Erhebung ihres früheren Hilfsantrags zu III. zum Hauptbegehren angreift – auch begründet, denn die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 Var. 2 ZPO). Die Verfügungsklägerin kann die geltend gemachte Weiterbehandlung als Gesellschafterin der Verfügungsbeklagten im einstweiligen Rechtsschutz verlangen, weil sie unstreitig Gesellschafterin geworden ist und im Ergebnis der summarischen Prüfung im einstweiligen Verfügungsverfahren nicht davon auszugehen ist, dass sie ihre Geschäftsanteile der in Anwendung der sog. Bad Leaver-Klausel verloren hätte. Viel spricht dafür, dass die Klausel in der hier verwendeten konkreten Form unwirksam ist (dazu 1.). Selbst wenn die Klausel wirksam wäre, wäre zudem der von den Parteien vereinbarte Tatbestand für ein Bad Leaver Offer nicht erfüllt (dazu 2.). Das Vorgehen ist auch von einem Verfügungsgrund gedeckt (dazu 3.).

 

1. Viel spricht dafür, dass die Klausel in § 15.1 SHA in der hier verwendeten konkreten Form bereits unwirksam ist. Ungeachtet des Konzentrationsgebotes in § 3 Abs. 2 GmbHG ist es nach dem Prinzip der Vertragsfreiheit zwar grundsätzlich zulässig, wenn Gesellschafter neben dem Gesellschaftsvertrag das Gesellschaftsverhältnis betreffende sog. schuldrechtliche Nebenabreden treffen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Februar 1993 – II ZR 24/92, NJW-RR 1993, 607 Rn. 13 nach juris; BeckOK-GmbHG/Jaeger, 1.2.2025, § 3 Rn. 16; HK-GmbHG/Wiese/Pfisterer, 5. Aufl. 2024, GmbHG § 3 Rn. 45). Solche Klauseln unterliegen aber einer Inhaltskontrolle, insbesondere auf das Vorliegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten nach § 138 Abs. 1 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 19. September 2005 – II ZR 173/04, BGHZ 164, 98 Rn. 10 mwN.).

 

Zwar handelt es sich bei der fraglichen Klausel nicht um eine vertragliche Vereinbarung, die den übrigen Gesellschaftern einer GmbH das Recht einräumen soll, einen Mitgesellschafter ohne sachlichen Grund aus der Gesellschaft auszuschließen (sog. Hinauskündigungsklausel, vgl. BGH, Urteil vom 19. September 2005 – II ZR 173/04, BGHZ 164, 98). Die Klausel unterliegt aber Wirksamkeitsbedenken aufgrund des vorgesehenen Verlustes der Gesellschafterstellung, der einer besonderen Rechtfertigung bedarf und grundsätzlich nur zeitlich befristet vereinbart werden kann (vgl. Senat, Beschluss vom 12. August 2024 – 2 U 94/21, NZG 2025, 173).

 

Mit der hier vorgesehenen unbefristeten Anknüpfung an die Abberufung als Geschäftsführer trägt die Klausel dem Umstand nicht ausreichend Rechnung, dass die Ausschließung eines Gesellschafters gegen dessen Willen auch bei einer GmbH als Kapitalgesellschaft stets ultima ratio bleiben muss, weil sie den Kernbereich seiner Mitgliedschaft betrifft (vgl. BGH, Urteil vom 17. Februar 1955 – II ZR 316/53, BGHZ 16, 317; Senat, Urteil vom 9. März 2020 – 2 U 80/19, NZG 2020, 460 Rn. 10). Der unfreiwillige Verlust der Gesellschafterstellung ist daher grundsätzlich nur bei Vorliegen eines hinreichenden sachlichen Grundes zulässig (vgl. BGH, Urteil vom 19. September 2005 – II ZR 173/04, BGHZ 164, 98, 107), etwa bei einer nachhaltigen und groben Verletzung von Gesellschafterpflichten (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1995 – II ZR 46/94, ZIP 1995, 835, 836 Rn. 13 nach juris), einem schweren Verstoß gegen ein gesellschaftsvertragliches Wettbewerbsverbot (vgl. OLG Nürnberg, Urteil vom 19. März 1992 – 12 U 3500/91, GmbHR 1994, 252) oder einem tiefgreifenden Zerwürfnis der Gesellschafter, das von dem auszuschließenden Gesellschafter zumindest überwiegend verursacht worden ist, ohne Vorliegen eines Ausschlussgrundes bei den das Ausschlussverfahren betreibenden Gesellschaftern (vgl. BGH, Urteil vom 24. September 2013 – II ZR 216/11, MDR 2014, 43 Rn. 17 nach juris; BGH, Urteil vom 24. Februar 2003 - II ZR 243/02, WM 2003, 832; BGH, Urteil vom 25. Januar 1960 – II ZR 22/59, BGHZ 32, 17, 31 = NJW 1960, 866; Altmeppen/Altmeppen, 11. Aufl. 2023, GmbHG § 34 Rn. 44).

 

Diesem Anforderungsrahmen läuft es jedoch zuwider, wenn nach der hier in § 15.1 SHA getroffenen schuldrechtlichen Nebenabrede die für eine bloße Abberufung als Gesellschafter-Geschäftsführer und die Kündigung seines Geschäftsführer-Anstellungsvertrages geltenden Kriterien für den Verlust der Mitgliedschaft als solcher ausreichen sollen, was die weitere Teilhabe an den geschaffenen Werten ausschließt. Einen wichtiger Grund für die Abberufung wie auch für die Kündigung des Geschäftsführer-Anstellungsvertrages liegt nämlich schon dann vor, wenn die weitere Tätigkeit des Geschäftsführers im Ergebnis einer Abwägung der betroffenen Interessen aufgrund aller Umstände des Einzelfalls für die Gesellschaft unzumutbar geworden ist (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 2017 – II ZR 77/16, NJW-RR 2017, 808 Rn. 17; Beschluss vom 10. Dezember 2007 – II ZR 289/06, ZIP 2008, 694 Rn. 2; BGH, Urteil vom 19. Oktober 1987 – II ZR 97/87, ZIP 1988, 47, 48; BGH, Urteil vom 28. Januar 1985 – II ZR 79/84, GmbHR 1985, 256, 258).

 

Vor diesem Hintergrund kann es im Interesse einer Verhältnismäßigkeit der getroffenen Maßnahmen als ausreichendes milderes Mittel angesehen werden, einem Gesellschafter-Geschäftsführer die Geschäftsführung zu entziehen, bevor eine Anteilseinziehung wirksam beschlossen werden kann (vgl. etwa OLG Köln, Urteil vom 28. Mai 2015 – 18 U 181/14, BeckRS 2015, 114230 Rn. 40 nach juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 19. Dezember 2012 – 14 U 10/12, GmbHR 2013, 414 Rn. 158 nach juris). Nach der fraglichen Klausel fallen beide Vorgänge jedoch zusammen. Die Gleichstellung von Abberufung und Einziehung erscheint auch nicht unter dem Gesichtspunkt gerechtfertigt, dass zusätzlich das Kriterium einer vorsätzlichen oder strafbaren Handlung eingeführt ist. Denn es käme nach dem Wortlaut der Klausel in § 15.1.1 SHA eine unbefristete Anteilseinziehung bereits bei einer Abberufung des Gesellschafter-Geschäftsführers aufgrund einer einzigen vorsätzlichen Pflichtverletzung in Betracht, was nach allgemeinen Grundsätzen bedingten Vorsatz im Sinne eines Inkaufnehmens einschlösse. Damit wäre aber die Einziehung gerade nicht ultima ratio, sondern die einzig denkbare Maßnahme. Gleichzeitig entfiele die Möglichkeit, den Founder durch einen Entfall der Geschäftsführungsbefugnis vor weiterem Fehlverhalten zu warnen. Ein verhältnismäßiges Vorgehen der Gesellschaftermehrheit wäre nicht mehr möglich.

 

2. Die Verfügungsklägerin hätte ihre Geschäftsanteile an der Verfügungsbeklagten aber auch dann nicht verloren, wenn die Regelung in § 15.1 SHA entgegen den vorstehenden Erwägungen wirksam zwischen den Parteien des Rechtsstreits vereinbart worden sein sollte.

 

Denn die weitere Tätigkeit des Geschäftsführers der Verfügungsklägerin müsste – nach dem vorstehend zu 1. angeführten Maßstab – im Ergebnis einer Abwägung der betroffenen Interessen aufgrund aller Umstände des Einzelfalls für die Verfügungsbeklagte unzumutbar geworden sein. In eine solche Beurteilung einzustellen sind dabei neben der Schwere der dem Geschäftsführer zur Last fallenden Verfehlungen, deren Folgen für die Gesellschaft und dem durch sie verursachten Vertrauensverlust auch das Ausmaß des beiderseitigen Verschuldens und die Größe der Wiederholungsgefahr von pflichtwidrigem Verhalten, die Dauer der Tätigkeit des Geschäftsführers für die Gesellschaft und dessen besondere Verdienste um das Unternehmen (vgl. KG, Urteil vom 26. August 2014 – 14 U 124/12, ZIP 2015, 481 Rn. 44 nach juris; OLG Stuttgart, Beschluss vom 13. Mai 2013 – 14 U 12/13, NZG 2013, 1146 Rn. 4; OLG Karlsruhe, Urteil vom 4. Mai 1999 – 8 U 153/97, NZG 2000, 264 Rn. 397 nach juris). Zugleich müsste – nachdem die Willensbildungen vom 14.6.2024 und 14.11.2024 jeweils jenseits der von den Parteien vereinbarten Vesting Period liegen – diese Abberufung aufgrund von Umständen gerechtfertigt sein, die ihre Grundlage in einem vorsätzlichen oder strafrechtlich relevanten Handeln des Founders haben (§ 15.1.1 SHA).

 

Nach diesem Maßstab hat die für die in § 15.1.1 SHA vereinbarten tatsächlichen Anforderungen nach allgemeinen Grundsätzen vollumfänglich darlegungs- und glaubhaftmachungsbelastete Verfügungsbeklagte (§§ 920 Abs. 2, 936, 294 ZPO) keine konkreten tatsächlichen Umstände glaubhaft gemacht, die zum Vorliegen eines Bad Leaver Offer führten. Dies gilt sowohl betreffend die Steuerangelegenheit (dazu a.) als auch hinsichtlich der Spesenabrechnung (dazu b.), des Wettbewerbsverbots (dazu c.) und der vermeintlich eigenmächtigen Gehaltserhöhung (dazu d.). Auch im Ergebnis der Gesamtabwägung liegt kein ein Bad Leaver Offer der Verfügungsklägerin hervorrufendes Bad Leaver Event nach § 15.1.1 SHA vor (dazu e.).

 

a) Entgegen der Auffassung des Landgerichts und der Berufungserwiderung sind konkrete tatsächliche Umstände, die den Vorwurf des vorsätzlichen oder gar strafrechtlichen Verschuldens des Geschäftsführers der Verfügungsklägerin in der Steuerangelegenheit rechtfertigen, weder glaubhaft gemacht noch sonst ersichtlich.

 

Im Ausgangspunkt könnte allenfalls von einem Unterlassen die Rede sein, weil die fragliche Einzugsermächtigung rechtmäßig erteilt worden war, so dass der Geschäftsführer der Verfügungsklägerin es versäumt hätte, diese zu widerrufen, nachdem die Kontoverbindung mit der Einbringung seines früheren einzelkaufmännischen Unternehmens in die Nu. GmbH & Co. KG in den Konzern der Verfügungsbeklagten eingebracht worden war. Aber auch ein solches Unterlassungsverschulden ist nicht zu erkennen. Der tatsächlichen Schilderung der Geschehnisse in dem Privatgutachten der Strafrechtskanzlei D. (Anlage AS12) hat die Verfügungsbeklagte im Wesentlichen nicht entgegentreten können. Danach konnte der Geschäftsführer aber ohne Verschulden davon ausgehen, die aufgrund seiner früheren selbstständigen Tätigkeit für die Verfügungsbeklagte entstandenen Steuerbelastungen seien aufgrund § 19.7 des Convertible Loan Agreements vom 17.5.2021 möglicherweise durch die Verfügungsbeklagte zu übernehmen. Diese Annahme war durch die Fassung der Klausel gerechtfertigt, die ausdrücklich den Tatbestand der Einkommensteuer erwähnt (Anlage B26 Page 51/63).

 

Weiter hat die Verfügungsklägerin durch Vorlage der E-Mail Anlage AS16 und der eidesstattlichen Versicherung Ü. (Anlage AS17) glaubhaft gemacht, dass auf Seiten der Verfügungsbeklagten nicht nur die Steuerberatung, sondern auch der Finanzverantwortliche G. davon ausgegangen sind, dass ein solcher Anspruch des Geschäftsführers gegen die Verfügungsbeklagte grundsätzlich besteht und hierzu weitere Abklärungen vorzunehmen sind. Dem entspricht es, dass der infolge der Steuerzahlung entstandene Erstattungsanspruch gegen den Geschäftsführer der Verfügungsklägerin per Ende 2021 bilanziert, aber nicht von dem Geschäftsführer der Verfügungsklägerin eingefordert worden ist. Stattdessen hat man den Geschäftsführer im Rahmen der Abschlussarbeiten aufgefordert, den Erstattungsanspruch durch den fraglichen Kontokorrentvertrag zu regulieren. Damit hat auch die Beklagtenseite zu erkennen gegeben, dass sie die Bemühungen der Steuerberater um die sachliche Klärung abwarten wolle. Wenn aber die Beklagtenseite die Dinge so handhabte wie geschehen, war es nicht Aufgabe des Geschäftsführers der Verfügungsklägerin, selbst auf eine Erstattung der fraglichen Zahlungen durch ihn oder durch die E. GmbH an die Nu. GmbH & Co. KG hinzuwirken.

 

Auf die privatgutachterlichen Ausführungen des Strafrechtlers D. (Anlage B13) kann sich die Verfügungsbeklagte nach alledem schon deswegen nicht stützen, weil diese im Ergebnis des hiesigen Verfahrens erkennbar darauf beruhen, dass dem dortigen Bearbeiter ein in wesentlichen Punkten unvollständiger Sachverhalt mitgeteilt worden ist. Die plakative Darstellung, dass der Geschäftsführer der Verfügungsklägerin sich seine privaten Steuern von der Nu. GmbH & Co. KG habe zahlen lassen, erweist sich gleich in mehrfacher Hinsicht als unzutreffend. Zum einen ist außer Streit, dass die Abbuchungen allein die Jahre betrafen, in denen das Reseller-Geschäft der E. GmbH einkommensteuerwirksam bei dem Geschäftsführer der Verfügungsklägerin geführt wurde. Zum anderen sind die Abbuchungen bei der Nu. GmbH & Co. KG zur Erstattung durch den Geschäftsführer der Verfügungsklägerin gebucht worden, was das Entstehen eines entsprechenden Anspruchs abbildete. Insofern war allenfalls ein Liquiditätsvorteil des Geschäftsführers der Verfügungsklägerin zu verzeichnen, mit dessen Entstehen die Verfügungsbeklagte einverstanden war.

 

Ohne Erfolg macht die Verfügungsbeklagte schließlich geltend, der Geschäftsführer habe einen vorsätzlichen Pflichtverstoß eingeräumt, weil er den zur Regulierung des Außenstandes vorgesehenen Kontokorrentvertrag als Insichvertrag mit unzutreffender Rückdatierung (Anlage B24) eingereicht habe. Der Vorwurf ist treuwidrig, weil es die von der Verfügungsbeklagten selbst beauftragten Steuerberater waren, die dem Geschäftsführer im Rahmen der Erstellung eines Jahresabschlusses die rückdatierte Unterlage zur Unterschrift vorlegten. Aus Sicht des Geschäftsführers ging es erkennbar darum, die allseits so gehandhabte Situation des Stehenlassens des Erstattungsanspruchs mit entsprechenden Unterlagen zu unterlegen, auf dass der Prüfvermerk erteilt werden könne. Unter welchem Gesichtspunkt es hätte sachdienlich sein sollen, den Beirat um Zustimmung zu einer zurückdatierten Unterlage zu bitten, erschließt sich ebenfalls nicht.

 

b) Auch hinsichtlich der Spesenfragen ist eine vorsätzliche Pflichtverletzung des Geschäftsführers, welche seine Abberufung rechtfertigte, nicht glaubhaft gemacht, schon gar nicht der von der Verfügungsbeklagten mehrfach so rubrizierte „Spesenbetrug“.

 

Dies gilt zunächst, soweit im Zuge des Verfahrens unstreitig geworden ist, dass in den ungeordneten Spesenangelegenheiten erheblichen Umfangs letztlich 1.415,25 EUR private Ausgaben enthalten waren. Ein solcher Betrag, der sich zudem erst nach subtiler Prüfung umfänglicher Auslagen ergab, rechtfertigt nach den Umständen des hiesigen Einzelfalls offensichtlich keine Abberufung eines Gesellschafter-Geschäftsführers in einem Unternehmen dieser Bedeutung. Aus der angeführten Rechtsprechung (OLG Celle, Urteil vom 27. Januar 2010 – 9 U 38/09, NZG 2010, 673) folgt nichts anderes, diese betrifft die Kündigung eines Fremdgeschäftsführers.

 

Als unzutreffend hat sich dagegen die Darstellung der Verfügungsbeklagten in erster Instanz erwiesen, von dem iHv. 90.000 EUR durch den Geschäftsführer der Verfügungsklägerin bezogenen Spesenvorschuss seien immer noch 64.316,46 EUR unbelegt offen (Schriftsatz vom 25.11.2024, Seite 11 = Bl. 187 der landgerichtlichen Akten). Denn die Verfügungsklägerin hat mit der eidesstattlichen Versicherung der Mitarbeiterin Ü. der Verfügungsbeklagten glaubhaft gemacht, dass ihr tatsächlich bereits im März/April 2024 entsprechende Belege über mehr als 90.000 EUR vorlagen (Anlage AS17). Deren Angaben werden durch ihre Korrespondenz mit dem Finanzverantwortlichen G. der Verfügungsbeklagten gestützt (Anlage AS20). Dem ist die Verfügungsbeklagte nicht mehr entgegengetreten.

 

c) Eine die Abberufung rechtfertigende, vorsätzliche Pflichtverletzung des Geschäftsführers der Verfügungsklägerin ist auch nicht hinsichtlich der Zwischenschaltung der Nm. GmbH & Co. KG bei der Anmeldung der Influencer Ke. und S. auf der Plattform der Verfügungsbeklagten erkennbar geworden.

 

Insbesondere hat die Verfügungsbeklagte der klägerischen Darstellung, die Zwischenschaltung habe dazu gedient, diese wichtigen Kunden schnell an die Plattform der Verfügungsbeklagten anbinden zu können, nichts entgegenzusetzen vermocht. Sie hat nicht infrage gestellt, dass durch eine Vorgehensweise ohne Nutzung der Registrierung der Nm. GmbH & Co. KG der Verfügungsbeklagten erhebliche Umsätze in fünfstelliger Höhe entgangen wären. Ein Konkurrenzgeschehen, insbesondere eine wirtschaftliche Besserstellung der Nm. GmbH & Co. KG gegenüber der Verfügungsbeklagten, ist nicht konkret erkennbar geworden, was zu Lasten der Verfügungsbeklagten geht.

 

Ohne durchgreifenden Erfolg macht die Verfügungsbeklagte geltend, die entsprechende Geschäftsbeziehung habe der Genehmigung durch den Beirat bedurft. Eine die Abberufung rechtfertigende Pflichtverletzung vorsätzlicher oder gar strafbarer Art ist nicht erkennbar. Fern liegt die Betrachtung der Verfügungsbeklagten, die Schädigungsabsicht des Geschäftsführers ergebe sich daraus, dass er die Kundin S. auf eine Konkurrenzplattform überführte, denn dies geschah erst, nachdem die Verfügungsbeklagte gegen ihn vorgegangen war.

 

d) Schließlich ist auch keine eine Abberufung als Gesellschafter-Geschäftsführer rechtfertigende, vorsätzliche Pflichtverletzung glaubhaft gemacht, soweit der Geschäftsführer im Januar 2024 an einer Gehaltserhöhung betreffend den Mitarbeiter M. mitwirkte (Anlage B22).

 

Die Darstellung der Verfügungsbeklagten, dieser Erhöhungsvorgang sei ohne Gehaltsverhandlungen und ohne Beteiligung irgendeines weiteren Mitglieds der Führungsgremien der Unternehmensgruppe erfolgt (Schutzschrift vom ...), hat die Verfügungsklägerin widerlegt. Der Geschäftsführer hatte eine Gehaltserhöhung auf 160.000 EUR per Chat mit dem Geschäftsführer A. abgestimmt, der mit „Ja können wir machen“ geantwortet und den „Salary Increase“ ausdrücklich genehmigt hatte (Anlage AS11). Die gegenteilige Darstellung in der eidesstattlichen Versicherung des A. (Anlage B33 Nr. 5) ist angesichts des eindeutigen Wortlautes des Chats nicht nachvollziehbar. Dass A. zugleich vorschlug, statt des vorgeschlagenen festen Bonuses von 20.000 EUR einen VSOP (Virtual Stock Option Plan) zu vereinbaren, hat damit nichts zu tun. Boni hat der Geschäftsführer mit dem Mitarbeiter M. nicht vereinbart (Anlage B22). Von daher entsprach die vorgenommene vertraglichen Vereinbarung in jeder Hinsicht der Abstimmung mit dem anderen Geschäftsführer.

 

Angesichts der nachgewiesenen Zustimmung des A. zu der Erhöhung des Festgehaltes spricht nichts dafür, dass der Geschäftsführer der Verfügungsklägerin hier in bewusster, also vorsätzlicher Umgehung des Beirates gehandelt hätte. Im Übrigen lag die Zuständigkeit für das Personal gemäß der internen Verteilung der Aufgaben bei A., wie die Verfügungsbeklagte selbst geltend macht, so dass es allenfalls diesem, nach Zustimmung zu der Gehaltserhöhung per Chat, zugekommen wäre, den Beirat nötigenfalls zu informieren.

 

Eine Begünstigung des M. hat sich nicht erhärten lassen. Vielmehr ist die darlegungs- und glaubhaftmachungsbelastete Verfügungsbeklagte dem Vorbringen der Verfügungsklägerin, die Gehaltserhöhung sei wegen der Leistungen des Angestellten nötig und geboten gewesen, nicht in der Sache entgegengetreten. Mutmaßungen über kick backs ersetzen keinen Vortrag.

 

e) Im Ergebnis der Gesamtabwägung liegt kein ein Bad Leaver Offer der Verfügungsklägerin hervorrufendes Bad Leaver Event nach § 15.1.1 SHA vor. Auch in der Gesamtabwägung tragen die angeführten Umstände – selbst wenn das Vorsatzerfordernis erfüllt wäre, was schon nicht der Fall ist – die Annahme nicht, dass die weitere Tätigkeit des Geschäftsführers der Verfügungsklägerin als Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten und der operativen Gesellschaft unzumutbar geworden wäre. Erhebliche Verfehlungen sind nicht glaubhaft gemacht; allenfalls zeigen sich nach der Erfahrung des Senats für Phasen schnellen Wachstums typische, etwas ungeordnete Verhältnisse. Schwere Folgen des Verhaltens des klägerischen Geschäftsführers für die Verfügungsbeklagte sind nicht erkennbar. Im Gegenzug ist zu berücksichtigen, dass der klägerische Geschäftsführer das Unternehmen der Verfügungsbeklagten mit aufgebaut hat und dass es ohne ihn nicht das wäre, was es heute ist.

 

3. Der – von der Verfügungsbeklagten auch nicht in Zweifel gezogene – Verfügungsgrund (§§ 935, 940 ZPO) ergibt sich aus dem Umstand, dass der von einer möglicherweise fehlerhaften Einziehung betroffene Gesellschafter davor geschützt werden muss, dass während der Dauer des Anfechtungsrechtsstreits die übrigen Gesellschafter das Unternehmen nach ihrem Belieben umgestalten (vgl. BGH, Urteil vom 2. Juli 2019 – II ZR 406/17, BGHZ 222, 323 Rn. 38; OLG München, Beschluss vom 22. Februar 2022 – 7 W 186/22, NZG 2022, 564 Rn. 25 nach juris).

 

IV. Die Kostenentscheidung für die Eingangsinstanz beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO, diejenige für die Berufungsinstanz auf § 91 ZPO.

 

Ein Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ist nicht veranlasst. In einstweiligen Verfügungsverfahren sind Urteile der Berufungsgerichte, weil rechtskräftig (§ 542 Abs. 2 ZPO), sogleich endgültig vollstreckbar (OLG Frankfurt, Urteil vom 6. Februar 2025 – 16 U 8/24, Rn. 138 nach juris).

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