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Wirtschaftsrecht
21.09.2017
Wirtschaftsrecht
EuGH: Unangemessene Preise einer Verwertungsgesellschaft für Urheberrechte – marktbeherrschende Stellung

EuGH, Urteil vom 14.9.2017 – C-177/16, Autortiesību un komunicēšanās konsultāciju aģentūra / Latvijas Autoru apvienība gegen Konkurences padome

ECLI:EU:C:2017:689

Volltext: BB-Online BBL2017-2241-1 unter www.betriebs-berater.de

Tenor

1. Der Handel zwischen Mitgliedstaaten kann durch die Höhe der Gebühren einer Monopol-Verwertungsgesellschaft für Urheberrechte, die auch Rechte ausländischer Rechteinhaber verwertet, beeinträchtigt werden, so dass Art. 102 AEUV Anwendung findet.

2.  Für die Prüfung, ob eine Verwertungsgesellschaft für Urheberrechte unangemessene Preise im Sinne von Art. 102 Abs. 2 Buchst. a AEUV berechnet, ist ein Vergleich ihrer Tarife mit den Tarifen in den Nachbarstaaten sowie den mittels des Kaufkraftparitätsindexes bereinigten Tarifen in anderen Mitgliedstaaten zweckmäßig, sofern die Referenzstaaten nach objektiven, geeigneten und überprüfbaren Kriterien ausgewählt wurden und die Vergleiche auf einer einheitlichen Grundlage beruhen. Dabei ist es zulässig, die Tarife für ein oder mehrere spezifische Nutzersegmente zu vergleichen, wenn Anzeichen dafür vorliegen, dass in diesen Segmenten möglicherweise übertrieben hohe Gebühren verlangt werden.

3. Der Unterschied zwischen den verglichenen Tarifen ist als erheblich anzusehen, wenn er signifikant und anhaltend ist. Ein solcher Unterschied ist ein Anzeichen für den Missbrauch einer beherrschenden Stellung, und es ist Sache der die beherrschende Stellung einnehmenden Verwertungsgesellschaft für Urheberrechte, die Angemessenheit ihrer Preise durch objektive Umstände zu belegen, die die Verwaltungskosten oder die Vergütung der Rechteinhaber beeinflussen.

4. Wenn nachweislich gegen Art. 102 Abs. 2 Buchst. a AEUV verstoßen wurde, sind für die Berechnung der Geldbuße die für die Rechteinhaber bestimmten Vergütungen in den Gesamtumsatz der betroffenen Verwertungsgesellschaft für Urheberrechte einzuberechnen, sofern diese Vergütungen Teil des Wertes der von der Verwertungsgesellschaft erbrachten Dienstleistungen sind und ihre Einberechnung notwendig ist, um zu gewährleisten, dass die verhängte Geldbuße wirksam, verhältnismäßig und abschreckend ist. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, mit Blick auf die Gesamtumstände des konkreten Falles zu prüfen, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind.

Aus den Gründen

1          Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 102 Abs. 2 Buchst. a AEUV.

2          Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Autortiesību un komunicēšanās konsultāciju aģentūra / Latvijas Autoru apvienība (Beratungsagentur für Urheberrechte und Kommunikation / lettische Autorenvereinigung, Lettland) (im Folgenden: AKKA/LAA) und dem Konkurences padome (Wettbewerbsrat, Lettland) über eine vom Wettbewerbsrat gegen die AKKA/LAA verhängte Geldbuße wegen Missbrauchs einer beherrschenden Stellung.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3          Art. 3 („Verhältnis zwischen den Artikeln [101 und 102 AEUV] und dem einzelstaatlichen Wettbewerbsrecht“) der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101 und 102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) bestimmt in Abs. 1:

„… Wenden die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten oder einzelstaatliche Gerichte das einzelstaatliche Wettbewerbsrecht auf nach Artikel [102 AEUV] verbotene Missbräuche an, so wenden sie auch Artikel [102 AEUV] an.“

4          In Art. 5 („Zuständigkeit der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten“) dieser Verordnung heißt es in Abs. 1:

„Die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten sind für die Anwendung der Artikel [101 und 102 AEUV] in Einzelfällen zuständig. Sie können hierzu von Amts wegen oder aufgrund einer Beschwerde Entscheidungen erlassen, mit denen

–        Geldbußen, Zwangsgelder oder sonstige im innerstaatlichen Recht vorgesehene Sanktionen verhängt werden.

…“

5          Art. 23 („Geldbußen“) dieser Verordnung sieht in den Abs. 2 und 3 vor:

„(2)      Die Kommission kann gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung Geldbußen verhängen, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig

a) gegen Artikel [101 oder 102 AEUV] verstoßen …

Die Geldbuße für jedes an der Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen oder jede beteiligte Unternehmensvereinigung darf 10 % seines bzw. ihres jeweiligen im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes nicht übersteigen.

(3)       Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße ist sowohl die Schwere der Zuwiderhandlung als auch deren Dauer zu berücksichtigen.“

Lettisches Recht

6          Art. 13 des Konkurences likums (Wettbewerbsgesetz) vom 4. Oktober 2001 (Latvijas Vēstnesis, 2001, Nr. 151) hat die gleiche Tragweite wie Art. 102 Abs. 2 Buchst. a AEUV.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

7          Die AKKA/LAA ist eine Verwertungsgesellschaft für Urheberrechte an musikalischen Werken und in Lettland die einzige Einrichtung, die für die öffentliche Wiedergabe der von ihr verwerteten musikalischen Werke entgeltlich Lizenzen vergeben darf. Sie nimmt die Gebühren ein, mit denen lettische und – über mit ausländischen Verwertungsgesellschaften geschlossene Verträge – ausländische Urheberrechteinhaber vergütet werden. Zu ihren Lizenznehmern gehören Geschäfte und Dienstleistungszentren, die die durch Urheber- und verwandte Schutzrechte geschützten Werke nutzen.

8          Mit Beschluss vom 1. Dezember 2008 verhängte der Wettbewerbsrat wegen überhöhter Tarife aufgrund des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung eine Geldbuße gegen die AKKA/LAA. Später führte die AKKA/LAA neue, ab 2011 geltende Tarife ein. Am 31. Mai 2012 eröffnete der Wettbewerbsrat ein Prüfverfahren zu diesen neuen Tarifen.

9          Im Rahmen dieses Verfahrens verglich der Wettbewerbsrat zunächst die Tarife für die Nutzung musikalischer Werke in Geschäften und Dienstleistungszentren in Lettland mit denen in Litauen und Estland als Nachbarmitgliedstaaten und benachbarte Märkte. Er stellte fest, dass die Tarife in Lettland höher waren als in Estland und in den meisten Fällen höher als in Litauen. In diesen drei Mitgliedstaaten werden die Tarife nach der Fläche des betreffenden Geschäfts oder Dienstleistungszentrums berechnet, und der Wettbewerbsrat ermittelte, dass für Flächen zwischen 81 m² und 201–300 m² die Tarife in Lettland doppelt bis dreimal so hoch waren wie in den beiden anderen baltischen Staaten.

10        Sodann verglich der Wettbewerbsrat auf der Grundlage des Kaufkraftparitätsindex (im Folgenden: KPI) die in Lettland geltenden Gebühren mit denen aus etwa zwanzig anderen Mitgliedstaaten und stellte fest, dass die Tarife in Lettland um 50 % bis 100 % über dem Durchschnittstarif der anderen Mitgliedstaaten lagen. Insbesondere seien die Tarife für Geschäfte und Dienstleistungszentren mit einer Fläche von 85,5 m² bis ca. 140 m² nur in Rumänien höher gewesen.

11        Der Wettbewerbsrat befand, die in Lettland geltenden Gebühren seien in den Segmenten, in denen sie deutlich über denen in Estland und Litauen lagen, nicht angemessen, und verhängte mit Entscheidung vom 2. April 2013 gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 des Wettbewerbsgesetzes und Art. 102 Abs. 2 Buchst. a AEUV gegen die AKKA/LAA eine Geldbuße in Höhe von 45 645,83 lettischen Lats (LVL) (etwa 32 080 Euro) wegen Missbrauchs einer beherrschenden Stellung (im Folgenden: angefochtene Entscheidung). Zur Berechnung der Höhe dieser Geldbuße legte er den Gesamtumsatz der AKKA/LAA zugrunde; dabei ging er davon aus, dass die für Urheberrechteinhaber eingenommenen Vergütungen als integraler Bestandteil des Gesamtumsatzes der AKKA/LAA mit zu berücksichtigen seien.

12        Die AKKA/LAA erhob beim Administratīvā apgabaltiesa (regionales Verwaltungsgericht, Lettland) eine Klage auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, die im Wesentlichen auf vier Klagegründe gestützt war: Erstens habe der Wettbewerbsrat den Tarifvergleich auf die Tarife in Lettland und in den Nachbarstaaten Estland und Litauen beschränkt, obwohl im Hinblick auf das Bruttoinlandsprodukt und auf das Preisniveau die Situation Lettlands auch mit der Bulgariens, Rumäniens, Polens und Ungarns vergleichbar sei. Zweitens habe der Wettbewerbsrat nicht verständlich dargelegt, nach welcher Methode die Referenztarife berechnet worden seien. Drittens habe er zu Unrecht von der AKKA/LAA verlangt, die Höhe ihrer Tarife zu begründen. Viertens habe er für die Berechnung der Geldbuße die Einnahmen für die Urhebervergütungen nicht berücksichtigen dürfen, da diese nicht zum Vermögen der AKKA/LAA gehörten.

13        Mit Urteil vom 9. Februar 2015 hob das Administratīvā apgabaltiesa (regionales Verwaltungsgericht) die angefochtene Entscheidung teilweise auf. Dabei entschied es zwar, der Wettbewerbsrat habe zu Recht den Missbrauch einer beherrschenden Stellung durch die AKKA/LAA festgestellt. Auch sei der Vergleich der Tarife für dieselbe Art von Leistungen zwischen Lettland, Estland und Litauen gerechtfertigt gewesen, und tatsächlich habe die AKKA/LAA nicht erläutert, weshalb die Tarife in Lettland deutlich höher seien als die in Estland und Litauen. Da der Wettbewerbsrat jedoch für die Berechnung der Geldbuße zu Unrecht auch die Einnahmen für die Urhebervergütungen berücksichtigt habe, wurde ihm von diesem Gericht auferlegt, innerhalb einer Frist von zwei Monaten ab Urteilsverkündung die Höhe der Geldbuße neu zu berechnen.

14        Die AKKA/LAA legte gegen dieses Urteil, soweit damit ihrer Klage nicht stattgegeben wurde, Kassationsbeschwerde beim vorlegenden Gericht ein. Der Wettbewerbsrat legte ebenfalls ein Rechtsmittel gegen das Urteil ein, soweit darin das Administratīvā apgabaltiesa (regionales Verwaltungsgericht) den verfügenden Teil der angefochtenen Entscheidung in Bezug auf die verhängte Geldbuße aufgehoben hatte.

15        Die AKKA/LAA ist der Auffassung, das Administratīvā apgabaltiesa (regionales Verwaltungsgericht) habe keine objektiven und nachprüfbaren Kriterien zum Beleg dafür angegeben, dass die Tarife in Lettland mit denen in Estland und Litauen vergleichbar seien. Es habe statt wirtschaftlicher Kriterien solche zugrunde gelegt, die auf der diesen Staaten gemeinsamen territorialen, historischen und kulturellen Situation beruhten.

16        Die AKKA/LAA bestreitet vor allem, dass die geografische Nähe der anderen baltischen Staaten ein entscheidendes Kriterium sein könne.

17        Der Wettbewerbsrat macht seinerseits geltend, die verhängte Geldstrafe sei mit dem geltenden nationalen Recht vereinbar. Insbesondere sei im Wettbewerbsrecht unter „Gesamtumsatz“ die Summe aller Einnahmen aus der wirtschaftlichen Aktivität zu verstehen, die im vorliegenden Fall die Einnahmen der AKKA/LAA für Urhebervergütungen einschließe.

18        Der Augstākā tiesa, Administratīvo lietu departaments (Oberster Gerichtshof, Senat für Verwaltungssachen, Lettland) fragt sich, wie Art. 102 Abs. 2 Buchst. a AEUV auszulegen ist. Erstens sei unklar, ob sich die Tätigkeiten der AKKA/LAA auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten auswirken und das Ausgangsverfahren somit in den Anwendungsbereich dieses Artikels fällt. Zweitens hat er Zweifel an der Methode, die angewandt wurde, um die Unangemessenheit der Preise zu beurteilen. Drittens ist er sich über die Berechnung der Geldbuße unschlüssig, insbesondere darüber, ob die für die Urheberrechteinhaber bestimmten Vergütungen zu berücksichtigen waren.

19        Zum ersten Punkt führt das vorlegende Gericht aus, der Wettbewerbsrat habe in der angefochtenen Entscheidung angegeben, die AKKA/LAA hätte auch Gebühren für musikalische Werke anderer Mitgliedstaaten erhalten. Nicht angemessene Preise könnten daher in Lettland von der Nutzung der Werke von Urhebern anderer Mitgliedstaaten abschrecken.

20        Hinsichtlich des zweiten Punkts, also der Methode zur Beurteilung der Unangemessenheit der Preise, sei zu beachten, dass Tarife eines Mitgliedstaats, die wie in der Rechtssache, in der das Urteil vom 13. Juli 1989, Lucazeau u. a. (110/88, 241/88 und 242/88, EU:C:1989:326), ergangen sei, ein Mehrfaches der Tarife anderer Mitgliedstaaten betrügen, ein Anzeichen für den Missbrauch einer beherrschenden Stellung seien. Jedoch bestünden noch Ungewissheiten bei der Festlegung von Tarifen in Situationen, die sich von der in der Rechtssache Lucazeau unterschieden.

21        Im vorliegenden Fall sei fraglich, ob ein Vergleich der Tarife in Lettland mit denen in Estland und Litauen ausreichend sei. Ein derart beschränkter Vergleich könne sich auch als kontraproduktiv erweisen, weil die Einrichtungen der Nachbarstaaten ihre Tarife einvernehmlich anheben könnten, ohne dass sich dies bemerkbar mache. Falls diese Vergleichsmethode ungültig sei, stelle sich die Frage, ob auch die KPI-bereinigten Tarife aller Mitgliedstaaten in den Vergleich einzubeziehen seien.

22        Weiter sei zu klären, unter welchen Bedingungen im Sinne von Rn. 25 des Urteils vom 13. Juli 1989, Lucazeau u. a. (110/88, 241/88 und 242/88, EU:C:1989:326), zum einen Tarife als „erheblich höher“ anzusehen seien und zum anderen das betroffene Unternehmen „die Differenz unter Hinweis auf etwaige objektive Unterschiede zwischen den Verhältnissen in dem in Rede stehenden Mitgliedstaat und denen in allen übrigen Mitgliedstaaten zu rechtfertigen“ habe.

23        Was den dritten Punkt, die Berechnung der Höhe der Geldbuße, angehe, habe der Gerichtshof noch nie über eine Situation wie die im Ausgangsverfahren fragliche entschieden, in der eine Geldbuße gegen eine Verwertungsgesellschaft verhängt wurde. Daher sei auch klärungsbedürftig, ob Einnahmen aus Urhebervergütungen zu berücksichtigen seien.

24        Unter diesen Umständen hat der Augstākās tiesas, Administratīvo lietu departaments (Oberster Gerichtshof, Senat für Verwaltungsstreitsachen) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist Art. 102 Abs. 2 Buchst. a AEUV in einem Rechtsstreit über die von einer nationalen Organisation zur Wahrnehmung von Urheberrechten festgesetzten Tarife anwendbar, wenn diese Organisation auch Vergütungen für die Werke ausländischer Urheber einzieht und die von ihr festgesetzten Tarife von der Nutzung dieser Werke in dem betreffenden Mitgliedstaat abschrecken können?

2.      Ist es zur Bestimmung des in Art. 102 Abs. 2 Buchst. a AEUV verwendeten Begriffs der unangemessenen Preise im Bereich der Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten angebracht und ausreichend – und in welchen Fällen –, einen Vergleich der Preise (Tarife) des betreffenden Marktes und der Preise (Tarife) angrenzender Märkte durchzuführen?

3.      Ist es zur Bestimmung des in Art. 102 Abs. 2 Buchst. a AEUV verwendeten Begriffs der unangemessenen Preise im Bereich der Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten angebracht und ausreichend, den vom Bruttoinlandsprodukt abgeleiteten Kaufkraftparitätsindex anzuwenden?

4.      Ist der Tarifvergleich für jedes der verschiedenen Segmente oder bezüglich des Durchschnittsniveaus der Tarife durchzuführen?

5.      Wann ist der Unterschied zwischen den im Hinblick auf den in Art. 102 Abs. 2 Buchst. a AEUV verwendeten Begriff der unangemessenen Preise geprüften Tarifen als erheblich anzusehen, so dass es dem Wirtschaftsteilnehmer, der eine beherrschende Stellung innehat, obliegt, nachzuweisen, dass seine Tarife angemessen sind?

6.      Welche Informationen können im Rahmen der Anwendung von Art. 102 Abs. 2 Buchst. a AEUV von einem Wirtschaftsteilnehmer für den Nachweis der Angemessenheit der Tarife für urheberrechtlich geschützte Werke vernünftigerweise erwartet werden, wenn die Kosten dieser Werke nicht wie bei materiellen Erzeugnissen bestimmt werden können? Geht es dabei ausschließlich um die Verwaltungskosten der Organisation zur Wahrnehmung von Urheberrechten?

7.      Sind die von einer Organisation zur Wahrnehmung von Urheberrechten an die Urheber ausgeschütteten Vergütungen im Fall eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht bei der Festsetzung einer Geldbuße vom Umsatz dieses Wirtschaftsteilnehmers auszunehmen?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

25        Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Handel zwischen Mitgliedstaaten von der Höhe der von einer Verwertungsgesellschaft wie der AKKA/LAA festgesetzten Gebühren beeinträchtigt werden kann, so dass Art. 102 AEUV Anwendung findet.

26        Nach gefestigter Rechtsprechung des Gerichtshofs müssen Auslegung und Anwendung des Tatbestandsmerkmals der Auswirkungen auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten in den Art. 101 und 102 AEUV vom Zweck dieses Merkmals ausgehen, auf dem Gebiet der Wettbewerbsregeln den Geltungsbereich des Unionsrechts von dem des Rechts der Mitgliedstaaten abzugrenzen. In den Geltungsbereich des Unionsrechts fallen dabei alle Kartelle und alle Verhaltensweisen, die geeignet sind, die Freiheit des Handels zwischen Mitgliedstaaten in einer Weise zu gefährden, die für die Verwirklichung der Ziele eines einheitlichen Marktes zwischen den Mitgliedstaaten nachteilig sein kann, indem insbesondere die nationalen Märkte abgeschottet werden oder die Wettbewerbsstruktur im Gemeinsamen Markt verändert wird (Urteil vom 25. Januar 2007, Dalmine/Kommission, C407/04 P, EU:C:2007:53, Rn. 89 und die dort angeführte Rechtsprechung).

27        Ein Beschluss, eine Vereinbarung oder eine Verhaltensweise kann den Handel zwischen Mitgliedstaaten nur dann beeinträchtigen, wenn sich anhand einer Gesamtheit tatsächlicher und rechtlicher Umstände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit voraussehen lässt, dass sie unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell die Handelsströme zwischen Mitgliedstaaten in einer Weise beeinflussen können, die für die Verwirklichung der Ziele eines einheitlichen zwischenstaatlichen Marktes nachteilig sein kann. Außerdem darf diese Beeinträchtigung nicht nur geringfügig sein (Urteil vom 25. Januar 2007, Dalmine/Kommission, C407/04 P, EU:C:2007:53, Rn. 90 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28        Dabei hat der Gerichtshof bereits implizit anerkannt, dass sich die Tarife einer Monopol-Verwertungsgesellschaft auf den grenzüberschreitenden Handel auswirken können und Art. 102 AEUV auf eine solche Situation daher anwendbar ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. Juli 1989, Tournier, 395/87, EU:C:1989:319, vom 13. Juli 1989, und Lucazeau u. a., 110/88, 241/88 und 242/88, EU:C:1989:326, sowie vom 27. Februar 2014, OSA, C351/12, EU:C:2014:110).

29        Die Preispraktiken einer Verwertungsgesellschaft wie der AKKA/LAA, die in ihrem Mitgliedstaat ein Monopol hat und dort die Rechte sowohl lettischer als auch ausländischer Rechteinhaber verwertet, können sich somit tatsächlich auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten auswirken.

30        Somit ist auf die erste Frage zu antworten, dass der Handel zwischen Mitgliedstaaten durch die Höhe der Gebühren einer Monopol-Verwertungsgesellschaft für Urheberrechte, die auch Rechte ausländischer Rechteinhaber verwertet, beeinträchtigt werden kann, so dass Art. 102 AEUV Anwendung findet.

Zur zweiten, zur dritten und zur vierten Frage

31        Mit seiner zweiten, dritten und vierten Frage, die gemeinsam zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht zum einen wissen, ob für die Prüfung, ob eine Verwertungsgesellschaft unangemessene Preise im Sinne von Art. 102 Abs. 2 Buchst. a AEUV berechnet, deren Tarife mit den Tarifen in den Nachbarstaaten sowie den KPI-bereinigten Tarifen in anderen Mitgliedstaaten zu vergleichen sind, und zum anderen, ob der Vergleich für jedes Nutzersegment oder in Bezug auf das Durchschnittsniveau der Tarife durchzuführen ist.

32        Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Begriff „Unternehmen“ in Art. 102 AEUV jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einrichtung unabhängig von ihrem Rechtsstatus und der Art ihrer Finanzierung umfasst (vgl. u. a. Urteil vom 1. Juli 2008, MOTOE, C49/07, EU:C:2008:376, Rn. 20 und 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33        Eine wirtschaftliche Tätigkeit ist jede Tätigkeit, die darin besteht, Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten (Urteil vom 1. Juli 2008, MOTOE, C49/07, EU:C:2008:376, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung). Ausweislich der dem Gerichtshof vorliegenden Akte ist unstreitig, dass die Tätigkeit der AKKA/LAA, nämlich die Erhebung von Gebühren zur Vergütung von Urhebern musikalischer Werke, eine Dienstleistung ist.

34        Im Übrigen hat eine Einrichtung wie die AKKA/LAA, die für die Erbringung dieser Dienstleistung auf dem Gebiet eines Mitgliedstaats über ein Monopol verfügt, eine beherrschende Stellung auf einem wesentlichen Teil des Binnenmarkts im Sinne von Art. 102 AEUV inne (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Februar 2014, OSA, C351/12, EU:C:2014:110, Rn. 86 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35        Die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV könnte vorliegen, wenn ein überhöhter Preis ohne vernünftigen Zusammenhang mit dem wirtschaftlichen Wert der erbrachten Leistung verlangt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Dezember 2008, Kanal 5 und TV 4, C52/07, EU:C:2008:703, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

36        Hierfür ist zu ermitteln, ob ein übertriebenes Missverhältnis zwischen den tatsächlich entstandenen Kosten und dem tatsächlich verlangten Preis besteht, und bejahendenfalls zu prüfen, ob ein Preis erzwungen wurde, der, sei es absolut, sei es im Vergleich zu den Konkurrenzprodukten, unangemessen ist (Urteil vom 14. Februar 1978, United Brands und United Brands Continentaal/Kommission, 27/76, EU:C:1978:22, Rn. 252).

37        (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Februar 1978, United Brands und United Brands Continentaal/Kommission, 27/76, EU:C:1978:22, Rn. 253)ibt es jedoch.

38        So ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Methode, nach der die Preise des betroffenen Mitgliedstaats mit denen anderer Mitgliedstaaten verglichen werden, als gültig anzusehen. Nach dieser Rechtsprechung ist, wenn ein Unternehmen, das eine beherrschende Stellung innehat, für die von ihm erbrachten Dienstleistungen Tarife erzwingt, die nach einem auf einheitlicher Grundlage vorgenommenen Vergleich erheblich höher sind als die in den übrigen Mitgliedstaaten angewendeten Tarife, diese Differenz als Anzeichen für einen Missbrauch der beherrschenden Stellung anzusehen (Urteile vom 13. Juli 1989, Tournier, 395/87, EU:C:1989:319, Rn. 38, und Lucazeau u. a., 110/88, 241/88 und 242/88, EU:C:1989:326, Rn. 25).

39        In den Rechtssachen, in denen die oben in Rn. 38 genannten Urteile ergangen sind, waren die Tarife einer Verwertungsgesellschaft eines Mitgliedstaats jedoch mit den in allen anderen damaligen Mitgliedstaaten geltenden Tarifen verglichen worden. Daher fragt sich das vorlegende Gericht, ob ein Vergleich wie der hier vom Wettbewerbsrat zwischen den AKKA/LAA-Tarifen in Lettland und den Tarifen in Litauen und Estland vorgenommene, der durch einen Vergleich mit KPI-bereinigten Tarifen aus anderen Mitgliedstaaten untermauert wurde, repräsentativ genug ist.

40        Hierzu ist vorab klarzustellen, dass ein Vergleich nicht schon deshalb, weil er nur eine begrenzte Zahl von Mitgliedstaaten betrifft, als nicht hinreichend repräsentativ angesehen werden kann.

41        Vielmehr kann ein solcher Vergleich aussagekräftig sein, sofern, wie der Generalanwalt in Nr. 61 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, die Referenzmitgliedstaaten nach objektiven, geeigneten und überprüfbaren Kriterien ausgewählt werden. Es kann keine Mindestzahl zu vergleichender Märkte geben, und die Auswahl der angemessenen ähnlichen Märkte hängt von den besonderen Bedingungen des Einzelfalls ab.

42        Zu diesen Kriterien können u. a. die Verbrauchsgewohnheiten und andere ökonomische oder soziokulturelle Gesichtspunkte zählen wie das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf und das kulturelle und historische Erbe. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls die Aussagekraft der im Ausgangsverfahren angewandten Kriterien zu beurteilen.

43        Was den vorliegenden Fall anbelangt, so erscheint ein Vergleich zwischen den Tarifen der am Ausgangsverfahren beteiligten urheberrechtlichen Verwertungsgesellschaft und den Tarifen der Verwertungsgesellschaften in den weiteren etwa zwanzig Mitgliedstaaten neben Estland und Litauen geeignet, die bereits durch einen Vergleich mit einer eingeschränkteren Zahl von Mitgliedstaaten gewonnenen Ergebnisse zu verifizieren.

44        Weiterhin ist zu beachten, dass der Vergleich zwischen den Preisen des betreffenden Mitgliedstaats und denen anderer Mitgliedstaaten auf einer einheitlichen Grundlage vorzunehmen ist (Urteile vom 13. Juli 1989, Tournier, 395/87, EU:C:1989:319, Rn. 38, und Lucazeau u. a., 110/88, 241/88 und 242/88, EU:C:1989:326, Rn. 25).

45        Im vorliegenden Fall ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu überprüfen, ob die auf der Fläche der betreffenden Geschäfte oder Dienstleistungszentren beruhende Tarifberechnungsmethode der ausgewählten Referenzstaaten der in Lettland angewandten Berechnungsmethode entspricht. Wäre dies der Fall, so könnte das vorlegende Gericht daraus den Schluss ziehen, dass die Vergleichsgrundlage einheitlich war, sofern in den Vergleich mit den Tarifen der Mitgliedstaaten, in denen andere wirtschaftliche Bedingungen herrschen als in Lettland, der KPI einbezogen wurde.

46        Zum letztgenannten Punkt ist festzustellen, dass, wie der Generalanwalt in Nr. 85 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, im Allgemeinen zwischen den Mitgliedstaaten erhebliche Preisunterschiede für identische Dienstleistungen bestehen, die mit den durch den KPI ausgedrückten Unterschieden in der Kaufkraft der Bürger eng zusammenhängen. Der Lebensstandard und die Kaufkraft beeinflussen dabei, inwieweit sich die Betreiber von Geschäften oder Dienstleistungszentren die Dienstleistungen der Verwertungsgesellschaft leisten können. Bei einem Vergleich der Tarife für identische Dienstleistungen in mehreren Mitgliedstaaten mit unterschiedlichen Lebensstandards ist der KPI deshalb zwingend zu berücksichtigen.

47        Schließlich fragt sich das vorlegende Gericht, ob der Vergleich für die verschiedenen Nutzersegmente oder vielmehr in Bezug auf den Durchschnittstarif aller Segmente durchzuführen ist.

48        In der mündlichen Verhandlung ist bestätigt worden, dass mit dem Begriff „Nutzersegmente“ Geschäfte und Dienstleistungszentren mit einer bestimmten Fläche gemeint sind. Aus der dem Gerichtshof vorliegenden Akte und den Ausführungen in der mündlichen Verhandlung geht hervor, dass Tarifunterschiede insbesondere innerhalb eines spezifischen Segments festzustellen sind.

49        Es ist Sache der betreffenden Wettbewerbsbehörde, den Vergleich vorzunehmen und dessen Rahmen zu bestimmen, wobei sie über einen gewissen Spielraum verfügt und es nicht nur eine einzige passende Methode gibt. In den Rechtssachen, in denen die Urteile vom 13. Juli 1989, Tournier (395/87, EU:C:1989:319) und Lucazeau u. a. (110/88, 241/88 und 242/88, EU:C:1989:326) ergangen sind, wurden beispielsweise Gebühren verglichen, die in diversen Mitgliedstaaten in bestimmten Arten von Diskotheken mit festgelegten Eigenschaften, darunter die Fläche, erhoben wurden.

50        Der Vergleich kann somit in Bezug auf ein oder mehrere spezifische Segmente vorgenommen werden, wenn Anzeichen dafür vorliegen, dass in diesen Segmenten möglicherweise übertrieben hohe Gebühren verlangt werden, was zu überprüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

51        Nach alledem ist auf die zweite, dritte und vierte Frage zu antworten, dass für die Prüfung, ob eine Verwertungsgesellschaft unangemessene Preise im Sinne von Art. 102 Abs. 2 Buchst. a AEUV berechnet, ein Vergleich ihrer Tarife mit den Tarifen in den Nachbarstaaten sowie den KPI-bereinigten Tarifen in anderen Mitgliedstaaten zweckmäßig ist, sofern die Referenzstaaten nach objektiven, geeigneten und überprüfbaren Kriterien ausgewählt wurden und die Vergleiche auf einer einheitlichen Grundlage beruhen. Dabei ist es zulässig, die Tarife für ein oder mehrere spezifische Nutzersegmente zu vergleichen, wenn Anzeichen dafür vorliegen, dass in diesen Segmenten möglicherweise übertrieben hohe Gebühren verlangt werden.

Zur fünften und zur sechsten Frage

52        Mit seiner fünften und sechsten Frage möchte das vorlegende Gericht zum einen wissen, ab wann der Unterschied zwischen den verglichenen Tarifen als erheblich anzusehen ist und daher ein Anzeichen für den Missbrauch einer beherrschenden Stellung ist, und zum anderen, welche Nachweise die Verwertungsgesellschaft beibringen kann, um zu entkräften, dass ihre Tarife übertrieben hoch sind.

53        Wie bereits erwähnt, ist in Fällen, in denen ein Unternehmen, das eine beherrschende Stellung innehat, für die von ihm erbrachten Dienstleistungen Tarife erzwingt, die erheblich höher sind als die in den übrigen Mitgliedstaaten angewendeten Tarife, diese Differenz als Anzeichen für einen Missbrauch der beherrschenden Stellung anzusehen (Urteile vom 13. Juli 1989, Tournier, 395/87, EU:C:1989:319, Rn. 38, und Lucazeau u. a., 110/88, 241/88 und 242/88, EU:C:1989:326, Rn. 25).

54        Wie das vorlegende Gericht ausführt, ist indessen im vorliegenden Fall der Unterschied zwischen den Tarifen in Lettland und denen in den anderen Referenzmitgliedstaaten weniger hoch als die zwischen den Gebühren bestimmter Mitgliedstaaten festgestellten Unterschiede in den Rechtssachen, in denen die Urteile vom 13. Juli 1989, Tournier (395/87, EU:C:1989:319) und Lucazeau u. a. (110/88, 241/88 und 242/88, EU:C:1989:326), ergangen sind. Der Wettbewerbsrat habe festgestellt, dass für Flächen zwischen 81 m² und 201–300 m² die Tarife in Lettland mindestens doppelt so hoch seien wie in Estland und Litauen. Beim Vergleich mit Tarifen in den anderen in Rn. 43 des vorliegenden Urteils genannten Mitgliedstaaten hätten die Tarife in Lettland die Durchschnittstarife in der Union um 50 % bis 100 % überschritten, wobei für Räumlichkeiten mit einer Fläche von 85,5 m² bis ungefähr 140 m² einzig Rumänien höhere Gebühren erhebe als Lettland.

55        Aus den Urteilen vom 13. Juli 1989, Tournier (395/87, EU:C:1989:319) und Lucazeau u. a. (110/88, 241/88 und 242/88, EU:C:1989:326), lässt sich jedoch nicht ableiten, dass Unterschiede wie die im Ausgangsverfahren festgestellten nie als „erheblich“ bewertet werden dürften. Es gibt nämlich keine Mindestschwelle, ab der ein Tarif als „erheblich höher“ zu bewerten ist, da in dieser Hinsicht die Umstände jedes Einzelfalls entscheidend sind. So kann ein Unterschied zwischen Gebühren „erheblich“ sein, wenn er im Licht des Sachverhalts für den betreffenden Markt signifikant und anhaltend ist, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

56        Wie der Generalanwalt in Nr. 107 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, können die betreffenden Tarife nur bei einer Abweichung von einigem Gewicht als „missbräuchlich“ bewertet werden. Außerdem muss diese Abweichung eine gewisse Zeit lang – und nicht nur vorläufig oder zeitweise – vorliegen.

57        Diese Gesichtspunkte sind lediglich Anzeichen für den Missbrauch einer beherrschenden Stellung. Die Verwertungsgesellschaft kann die Differenz mit objektiven Unterschieden zwischen den Verhältnissen in dem betreffenden Mitgliedstaat und denen in den übrigen Vergleichsmitgliedstaaten rechtfertigen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. Juli 1989, Tournier, 395/87, EU:C:1989:319, Rn. 38, und Lucazeau u. a., 110/88, 241/88 und 242/88, EU:C:1989:326, Rn. 25).

58        Für eine solche Rechtfertigung lassen sich verschiedene Umstände berücksichtigen, wie z. B. das Verhältnis zwischen der Höhe der Gebühr und dem an die Rechteinhaber tatsächlich ausgekehrten Betrag. Ist nämlich der Teil des Gebührenaufkommens, der für die Kosten der Einziehung, Verwaltung und Verteilung der Gebühren aufgewendet und somit nicht an die Urheberrechteinhaber ausgekehrt wird, erheblich höher, lässt sich nicht ausschließen, dass sich die Schwerfälligkeit des Verwaltungsapparats und damit der hohe Gebührensatz gerade durch den Mangel an Wettbewerb auf dem Markt erklären lassen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. Juli 1989, Tournier, 395/87, EU:C:1989:319, Rn. 42, und Lucazeau u. a., 110/88, 241/88 und 242/88, EU:C:1989:326, Rn. 29).

59        In der mündlichen Verhandlung hat die AKKA/LAA vorgetragen, der Anteil der Einziehungs-, Verwaltungs- und Verteilungskosten betrage nicht mehr als 20 % der Gesamteinnahmen. Wenn dem so ist, was zu überprüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist, erscheinen diese Kosten auf den ersten Blick nicht unverhältnismäßig im Vergleich zu den an die Urheberrechteinhaber ausgekehrten Beträgen und wären damit kein Zeichen ineffizienter Verwaltung. Dass diese Kosten höher sind als in den Referenzmitgliedstaaten, könnte sich zudem aus kostenbeeinflussenden objektiven Faktoren erklären, wie etwa spezielle Regelungen, die das Funktionieren des Verwaltungsapparats schwerfälliger machen, oder andere Merkmale des Marktes.

60        Stellte sich hingegen heraus, dass die von der AKKA/LAA an die Rechteinhaber ausgekehrten Vergütungen höher sind als in den Referenzstaaten und dass dieser Unterschied als erheblich angesehen werden kann, wäre es Sache der AKKA/LAA, diesen Umstand zu rechtfertigen. Eine solche Rechtfertigung könnte in einer nationalen Regelung über angemessene Vergütungen liegen, die sich von der der anderen Mitgliedstaaten unterscheidet, was zu überprüfen Sache des vorlegenden Gerichts wäre.

61        Daher ist auf die fünfte und sechste Frage zu antworten, dass der Unterschied zwischen den verglichenen Tarifen als erheblich anzusehen ist, wenn er signifikant und anhaltend ist. Ein solcher Unterschied ist ein Anzeichen für den Missbrauch einer beherrschenden Stellung, und es ist Sache der die beherrschende Stellung einnehmenden Verwertungsgesellschaft, die Angemessenheit ihrer Preise durch objektive Umstände zu belegen, die die Verwaltungskosten oder die Vergütung der Rechteinhaber beeinflussen.

Zur siebten Frage

62        Mit seiner siebten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob dann, wenn nachweislich gegen Art. 102 Abs. 2 Buchst. a AEUV verstoßen wurde, für die Berechnung der Geldbuße die für die Rechteinhaber bestimmten Vergütungen in den Gesamtumsatz der betreffenden Verwertungsgesellschaft einzuberechnen sind.

63        Nach Art. 5 der Verordnung Nr. 1/2003 können die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten für die Anwendung von Art. 102 AEUV Geldbußen, Zwangsgelder oder sonstige im innerstaatlichen Recht vorgesehene Sanktionen verhängen.

64        Dabei ist für eine wirksame Anwendung von Art. 102 AEUV auf seine einheitliche Anwendung in der Union zu achten. Auch wenn Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003, der auf Geldbußen anwendbar ist, die von der Europäischen Kommission bei Verstößen gegen die Art. 101 und 102 AEUV festgesetzt werden, für die nationalen Wettbewerbsbehörden nicht bindend ist, bleibt es diesen, wenn sie für die Festsetzung des Höchstbetrags der gegen ein Unternehmen wegen Verstoßes gegen Art. 102 AEUV zu verhängenden Geldbuße dessen Gesamtumsatz prüfen, unbenommen, dabei einem Ansatz zu folgen, der mit der Auslegung des Begriffs „Gesamtumsatz“ in Art. 23 in Einklang steht.

65        Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs umfasst dieser Begriff den Wert der von dem betreffenden Unternehmen verkauften Waren oder Dienstleistungen und gibt somit die tatsächliche wirtschaftliche Situation des Unternehmens wieder (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. September 2016, Pilkington Group u. a./Kommission, C101/15 P, EU:C:2016:631, Rn. 16 bis 18 und die dort angeführte Rechtsprechung).

66        Wie oben in Rn. 33 ausgeführt, bestehen die Dienstleistungen der AKKA/LAA in der Erhebung von Gebühren, mit denen die Urheber musikalischer Werke vergütet werden. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, mit Blick auf alle relevanten Umstände des Ausgangsverfahrens zu prüfen, ob der Wert der von der AKKA/LAA erbrachten Dienstleistungen den die Vergütung dieser Urheber darstellenden Gebührenanteil umfasst.

67        Hierfür könnte das vorlegende Gericht insbesondere die gemäß dem nationalen Recht bestehenden juristischen und wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen der als Mittlerin fungierenden AKKA/LAA und den Rechteinhabern berücksichtigen, um zu ermitteln, ob sie eine wirtschaftliche Einheit bilden. Sollte dem so sein, könnte der Anteil, der den für diese Inhaber bestimmten Vergütungen entspricht, als Teil des Werts der von der AKKA/LAA erbrachten Dienstleistung betrachtet werden.

68        Im Übrigen muss eine von einer nationalen Wettbewerbsbehörde verhängte Geldbuße, wie jede von nationalen Behörden verhängte Sanktion wegen Verstoßes gegen Unionsrecht, wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Juli 1999, Nunes und de Matos, C186/98, EU:C:1999:376, Rn. 10 und die dort angeführte Rechtsprechung).

69        Insoweit ist für die Berechnung des Endbetrags der Geldbuße ebenfalls zu berücksichtigen, dass der Wettbewerbsrat im Jahr 2008 bereits eine Geldbuße gegen die AKKA/LAA verhängt hatte, weil diese unangemessene Preise verlangt habe, und dass infolge einer neuen Überprüfung im Jahr 2013 mit der angefochtenen Entscheidung gegen die AKKA/LAA erneut eine Geldbuße wegen Verstoßes gegen Art. 102 Abs. 2 Buchst. a AEUV verhängt wurde.

70        Um zu gewährleisten, dass die verhängte Geldbuße, wie in Rn. 68 des vorliegenden Urteils ausgeführt, wirksam, verhältnismäßig und abschreckend ist, sind somit die Gesamtdauer und der Wiederholungscharakter der Zuwiderhandlung sowie die Frage zu berücksichtigen, ob die erste Geldbuße abschreckend genug war.

71        Nach alledem ist auf die siebte Frage zu antworten, dass dann, wenn nachweislich gegen Art. 102 Abs. 2 Buchst. a AEUV verstoßen wurde, für die Berechnung der Geldbuße die für die Rechteinhaber bestimmten Vergütungen in den Gesamtumsatz der betroffenen Verwertungsgesellschaft für Urheberrechte einzuberechnen sind, sofern diese Vergütungen Teil des Wertes der von der Verwertungsgesellschaft erbrachten Dienstleistungen sind und ihre Einberechnung notwendig ist, um zu gewährleisten, dass die verhängte Geldbuße wirksam, verhältnismäßig und abschreckend ist. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, mit Blick auf die Gesamtumstände des konkreten Falles zu prüfen, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind.

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