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Wirtschaftsrecht
06.10.2022
Wirtschaftsrecht
LG München I: Tesla-Autopilot – Mangel bei Fahrassistenzsystem

LG München I, Endurteil vom 17.6.2022 – 4 O 3834/19

Volltext: BB-Online BBL2022-2321-1

unter www.betriebs-berater.de

 

Leitsatz der Redaktion

Wird ein Fahrzeug mit einer sog. Autopilot-Zusatzausstattung verkauft und erkennt das Fahrassistenzsystem weder Schilder noch Hindernisse im Straßenverkehr, liegt ein den Käufer zum Rücktritt berechtigender Mangel des Kfz vor.

Sachverhalt

Die Parteien streiten über Gewährleistungsansprüche im Zusammenhang mit dem Kauf eines Neufahrzeugs.

Die Klägerin erwarb mit Kaufvertrag vom 10./13.12.2016 von der Beklagten einen Tesla Model X 75D für einen Kaufpreis von 112.640 Euro brutto (Kaufvertrag Anlage K1). im Kaufpreis ist laut Rechnung vom 10.03.2017 (Anlage K3) ein Betrag von 5.500 Euro brutto für die Funktien „Autopilot“ beinhaltet. Der Kaufpreis wurde durch die Klägerin vollständig bezahlt. Die Übergabe des Fahrzeugs an die Klägerin erfolgte am 20.03.2017.

Das Fahrzeug der Klägerin befand sich auf Grund verschiedener seitens der Klägerin gerügter Punkte schon kurz nach der erstmaligen Übergabe des Fahrzeugs wiederholt in der Werkstatt der Beklagten. Am 28.03.2017 hatte sich die Tür-lnnenverkleidung leicht verschoben (“ausgeclipst“; Verweis der Klägerin auf E-Mail des Mitarbeiters der Beklagten vom 29.03.2017 Anlage K9). Das Fahrzeug befand sich am 28.04.2017 für einen ersten Werkstattaufenthalt bei der Beklagten. ln der Zeit vom 26.-28.06.2017 erfolgte eine Nachlackierung in Zusammenhang mit der nach Angabe der Klägerin scheuernden Flügeltür. Am 07.11.2017 fand ein zweiter Servicetermin in der Servicestelle der Beklagten in Feldkirchen insbesondere wegen Problemen mit dem Autopiloten statt. Nach wiederholten Problemen mit der Autopiloten-Funktion fand am 27./28.11.2017 ein dritter Servicetermin statt. lm Jahr 2018 fielen einzelne Displayanzeigen sowie auch das Zentraldisplay mehrfach aus. Das Zentraldisplay wurde durch die Beklagte am 06./07.11.2018 im Rahmen des vierten Werkstatttermins getauscht. Am 20.06.2016 überhitzte bei einem Ladevorgang die Haushaltssteckdose in der Garage des Beklagten. Vom 08.-12.02.2019 fand ein fünfter Werkstatttermin statt.

Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 27.02.2019 (Anlage K61) zur Abgabe eines Verjährungsverzichts auf. Ein Verjährungsverzicht erfolgte seitens der Beklagten nicht.

lm Verfahren erklärte die Klägerin im Schriftsatz vom 15.09.2021 S. 9 (= Bl. 156 d. A.) hilfsweise den Rücktritt. Hinsichtlich der genauen Formulierung der Bedingung wird auf den genannten Schriftsatz Bezug genommen.

Die Klägerin trägt vor, auf ausdrückliche Nachfrage ihrerseits sei ihr durch die Beklagte gesagt worden, dass es mittels des „Schuko-Adapters“ kein Problem sei, das Fahrzeug über die reguläre Haushaltssteckdose in der Garage zu laden.

Die Klägerin behauptet, die linke Flügeltür des Fahrzeugs scheuere, wodurch es zu einem Lackschaden gekommen sei. Die Tür gehe auch teilweise nicht richtig auf oder zu. Die Autopilotfunktion arbeite ebenfalls nicht ordnungsgemäß. So reklamiere das Auto fälschlich, dass der Fahrer die Hände nicht am Lenkrad habe. Außerdem erkenne der Autopilot anders als der frühere „Autopilot 1" (gezeigt bei der Probefahrt) keine Verkehrsschilder. Zudem falle der Autopilot immer wieder gänzlich aus. Die Einparkautomatik sei nicht funktionabel. Ab Mai 2017 sei es zu wiederholtem Ausfall der sog. „Connectivity“-Funktion (Internetverbindung des Fahrzeugs einschließlich der damit verbundenen Dienste) gekommen. Am 08.08.2017 habe sich das Fenster auf der Fahrerseite plötzlich nicht mehr schließen lassen. Die zum Zentraldisplay gehörende zentrale mobile Rechenheit (“MCU“) sei störungsanfällig und falle immer wieder aus. Die Überhitzung der Steckdose beim Ladevorgang am 20.08.2016 habe ihre Ursache in der Ungeeignetheit des Schuko-Adapters. Am 10.01.2019 habe sich die Klimaanlage während der Fahrt von sich aus auf „Umluft“ umgestellt, was zu einem sicherheitsgefährdenden Beschlagen der Scheiben geführt habe.

Die Klägerin bringt vor, es sei hinsichtlich der Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs von 800.00 km auszugehen (Verweis der Klägerin auf Interview von Elon Musk Anlage K 81).

Die Klägerin ist der Rechtsauffassung, das Feststellungsinteresse hinsichtlich des ursprünglich gestellten Antrags habe sich aus der drohenden Verjährung von Sachmängelgewährleistungsrechten ergeben. Es habe kein Vorrang der Leistungsklage bestanden, weil die Auswahl der Gewährleistungsrechte durch sie von der weiteren Entwicklung abhängig gewesen sei.

Die Klägerin meint weiter, sofern im Falle des Hilfsantrags (Rückzahlung des Kaufpreises) Nutzungsentschädigung abzuziehen sei, müsse Berücksichtigung finden, dass sie eine Fahrleistung von 1.479 km für die Verfolgung ihrer Nacherfüllungsansprüche habe aufwenden müssen. Zudem sei bei der Nutzungsentschädigung zu berücksichtigen, dass die gefahrenen Kilometer durch die Mängel beeinträchtigt gewesen seien.

Die Klägerin hat mit Klageschrift vom 19.03.2019 Klage zum Landgericht München I erhoben. Die am 19.03.2019 eingegangene Klageschrift ist mit der Verfügung vom 04.04.2019 (Bl. 25/26 d. A.) über die Anordnung eines schriftlichen Vorverfahrens der Beklagten am 09.04.2019 zugestellt worden. In der Klageschrift hat die Klägerin beantragt festzustellen, dass ihr hinsichtlich bestimmter im Antrag ausdrücklich genannter Sachmängel „die gesetzlichen Sachmängelgewährleistungsrechte gem. § 437 BGB zustehen". Hinsichtlich der genauen Formulierung des Klageantrags wird auf die Klageschrift S. 1-3 Bezug genommen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 31.10.2019 hat die Klägerin durch Übergabe eines Blattes mit schriftlich niedergelegten, nicht ausformulierten Hilfsanträgen (Bl. 74 d. A.) und Bezugnahme auf diese Anträge einen abgeänderten Antrag gestellt. Mit Schriftsatz vom 14.01.2020 (Bl. 75/80 d. A.) hat die Klägerin die im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 31.10.2019 gestellten Hilfsanträge geändert. Hinsichtlich der genauen Formulierung der geänderten Hilfsanträge wird auf Bli. 77/79 d. A. verwiesen. Mit Schriftsatz vom 11.06.2021 (Bl. 131/135 d. A.; nach zwischenzeitlich erfolgtem Wiedereintritt zur Durchführung einer Beweisaufnahme in Form eines schriftlichen Sachverständigengutachtens) hat die Klägerin ihre Klageanträge in der Hauptsache geändert. lm Schriftsatz vom 15.09.2021 (Bl. 148/158 d. A.) hat die Klägerin sodann einen (neuen) Hilfsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt zuletzt:

l. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin im Wege der Neulieferung einen mangelfreien Neuwagen Tvp Tesla Model X aus der aktuellen Serienproduktion mit zumindest folgenden Ausstattungsmerkmalen

- Allradantrieb

- Solid Black Lackierung

- 20-Zoll-Felgen Slipstream silber

-Hellbraun

-Ledersitze beige

-Dekor Eschenholz gemasert

-Alcantara-Dachhimmel hell

-Siebensitzer Innenraum

- Supercharger enabled

-Smart Air-Luftfederung

-Anhängerkupplung

-Autopilot Hardware 3.0 inkl. Einparkhilfe Birds-Eye-View

- MCU 2

Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs Tesla Model X 75D mit der Fahrgestellnummer XXX zu übergeben und zu übereignen.

Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit Antrag I.:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 112.640,00 E nebst Zinsen hieraus i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs Tesla Model X 75D mit der Fahrgestellnummer XXX zu zahlen.

Die Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Die Beklagte bringt vor, die Autopilot 2-Funktion sowie die Einparkhilfe seien nicht mangelhaft. Die Fehlermeldungen zum Lenkassistenten hätten ihre Ursache in einer Fehlbedienung, nicht in einem technischen Mangel. Die Tatsache, dass der Geschwindigkeitsassistent seine Daten ausschließlich aus einer GPS-Ortung, nicht von einer Schildererkennung, bezieht, stelle keinen Mangel dar. Einzelne Ausfälle des Bedien-Displays (“Hänger") stellten keinen Mangel dar.

Die Beklagte ist der Rechtsauffassung, die ursprüngliche Klage sei wegen Vorrangs der Leistungsklage unzulässig gewesen. Lieferung eines Neufahrzeugs könne die Klägerin schon deswegen nicht verlangen, weil sie sich in zulässiger Weise in der „Beschränkten Neuwagengarantie" (Anlage B7) auf S. 42 das Wahlrecht zwischen Nachbesserung und Nachlieferung vorbehalten habe. Eine Nachlieferung sei zudem unmöglich, weil es kein vergleichbares Fahrzeug mehr gäbe; das nunmehr produzierte Model X sei wegen einer Akkukapazität von 100 kWH (statt 75 kWh beim hier gegenständlichen Fahrzeug) nicht vergleichbar. Eine Nachlieferung sei auch unverhältnismäßig.

Die Klägerin repliziert, dass die seitens der Beklagten angeführte Passage die von der Beklagten hergeleitete Rechtsfolge nicht enthalte, jedoch ohnehin gemäß § 30? BGB unwirksam wäre.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch schriftliches Sachverständigengutachten des Dipl.-lng. XXX.

Hinsichtlich des Ergebnisses der Begutachtung wird Bezug genommen auf das schriftliche Sachverständigengutachten vom 08.04.2022 (Bl. 164/212 d. A.). Auf Antrag beider Parteien hat das Gericht den Sachverständigen im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 02.06.2022 mündlich angehört. In Bezug auf das Ergebnis der Anhörung wird auf das Protokoll über die mündliche Anhörung des Gutachters verwiesen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Protokolle über die mündlichen Verhandlungen vom 31.10.2019 und vom 02.06.2022.

Aus den Gründen

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

A.

Die Klageänderungen mit Schriftsatz vom 11.06.2021 und vom 15.09.2021 sind zulässig. Die Beklagte hat sich auf die Klageänderung eingelassen, ohne dieser zu widersprechen, so dass die Einwilligung zur Klageänderung als erteilt gilt (§§ 267, 263 Alt. 1 ZPO). Im Übrigen erachtet das Gericht diese Klageänderung auch für sachdienlich, da der bisherige Streitstoff eine verwertbare Entscheidungsgrundlage bleibt und die geänderten Klageanträge geeignet sind, zu einer endgültigen Erledigung des Rechtsstreits zu führen. Anstelle des bisherigen Feststellungsantrags, dass Gewährleistungsansprüche bestehen (der ungewöhnlich, aber wegen des Zwecks der Verjährungshemmung nicht unzulässig ist) tritt ein Hauptantrag auf Neulieferung und ein Hilfsantrag auf Rückgewähr nach Rücktritt.

B.

Die Klage bleibt im Hauptantrag ohne Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Neulieferung eines Neuwagens der aktuellen Serienproduktion Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des gegenständlichen Fahrzeugs.

I. Ein Anspruch auf Neulieferung aus § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB besteht schon deswegen nicht, weil zwischen den Parteien unstreitig ist, dass ein Fahrzeug aus der Baureihe und Serie des gegenständlichen Fahrzeugs von der Beklagten gar nicht mehr hergestellt wird. Voraussetzung eines Nachlieferungsanspruchs aus § 439 Abs. 1 BGB ist aber auch bei einer Gattungsschuld, dass es überhaupt noch ein Fahrzeug aus der Gattung gibt.

ll. Einen Anspruch auf Neulieferung hat die Klägerin auch aus § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB in Verbindung mit einer interessengerechten Auslegung des zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrags nicht. Zwar hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass ein Nachlieferungsanspruch auch dann in Betracht kommt, wenn zwar Fahrzeuge aus der gegenständlichen Serie nicht mehr hergestellt werden, jedoch es vergleichbare Nachfolgemodelle gibt (Bundesgerichtshof, Urteil vom 21.07.2021, Az.: Vlll ZR 254/20, Rn. 42). Gegeben[en]falls kann bei einer erheblichen Wertdifferenz ein solcher Anspruch auch nur gegen eine seitens des Käufers zu leistende Zuzahlung bestehen (Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.12.2021, Az.: VIII ZR 190/19, Rn. 49).

Der Bundesgerichtshof hat im Urteil vom 08.12.2021 allerdings bereits einen entsprechenden Nachlieferungsanspruch dahingehend eingeschränkt, dass „eine nach beiden Seiten hin interessengerechte Auslegung des Parteiwillens bei Vertragsschluss im Fall eines Verbrauchsgüterkaufs dazu [führt], dass die von einem Verkäufer übernommene Beschaffungspflicht bezüglich eines neuwertigen Nachfolgemodells zeitlich nicht uneingeschränkt, sondern nur dann besteht, wenn ein Nachlieferungsanspruch innerhalb eines als sachgerecht und angemessen zu bewertenden Zeitraums von zwei Jahren ab Vertragsabschluss geltend gemacht wird. Denn der Käufer eines Verbrauchsguts hat für die gelieferte mangelhafte Sache, die durch Nutzung fortlaufend an Wert verliert, eine Nutzungsentschädigung nicht zu zahlen [..._l" (BGH, a.a.0., Rn. 46; vgl. auch schon das Urteil vom 21.07.2021, Az.: Vlll ZR 254l20, Rn. 54 f.). Bei einem Verkauf an einen Unternehmer – die Klägerin wollte das Fahrzeug hier dem Betriebsvermögen zuordnen – kann jedoch nichts anderes gelten. Die Klägerin hat den Nachlieferungsanspruch jedoch vorliegend erst über 4 Jahre nach der Übergabe des Fahrzeugs geltend gemacht und damit weit außerhalb des vom Bundesgerichtshofs genannten Zeitraums von zwei Jahren, so dass offenbleiben kann, ob dieser Zwei-Jahres-Zeitraum taggenau zu bestimmen wäre. Am gefundenen Ergebnis ändert die Tatsache, dass die Klägerin unmittelbar vor Ablauf der Zwei-Jahres-Frist (zur Verjährungshemmung) Klage mit einem Feststellungsantrag erhoben hat, nichts. Der Feststellungsantrag sollte ihr nur allgemein die Mängelgewährleistungsrechte sichern, nachdem die Beklagte nicht bereit war, den von der Klägerin geforderten Verzicht auf die Erhebung der Einrede der Verjährung abzugeben. Der Klageantrag kann aber nicht dazu führen, dass der Klägerin auch noch nach mehr als vier Jahren ein Anspruch auf die Nachlieferung eines Neufahrzeugs ohne jegliche finanzielle Kompensation der Beklagten zugesprochen wird. Da im Rahmen des Anspruchs aus § 439 Abs. 1 BGB aber gerade kein Wertersatz für die gefahrenen Kilometer und die Alterung des Fahrzeugs zu leisten wäre, ist die Begrenzung auf einen Zeitraum von zwei Jahren, in dem der Neulieferungsanspruch geltend gemacht werden muss, auch angemessen.

C.

Allerdings hat der seitens der Klägerin zuletzt gestellte Hilfsantrag (Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Fahrzeugs) überwiegend Erfolg.

l. Da der seitens der Klägerin gestellte Hauptantrag erfolglos geblieben ist, hat das Gericht auch über den Hilfsantrag zu entscheiden.

ll. Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus §§ 346, 323, 434 Nr. 2, 433 BGB Anspruch auf Zahlung von 99.416,39 Euro Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des gegenständlichen Fahrzeugs.

1. Zwischen den Parteien bestand ein Kaufvertrag über den Tesla Model K 75 D mit der FIN: XXX.

2. Das Fahrzeug war bei Übergabe an die Klägerin am 20.03.2017 mangelhaft. Zur Anwendung kommt hier noch der Sachmangelbegriff des § 434 BGB a.F. Danach ist eine Sache auch dann mangelhaft, wenn sie bei Gefahrübergang und im Falle einer fehlenden Beschaffenheitsvereinbarung nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet oder aber nicht eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann, § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und 2 BGB a.F. Für das Vorliegen eines Sachmangels bei Gefahrübergang (hier Übergabe, vgl. § 446 S. 1 BGB) ist nicht erforderlich, dass die Sache im Zeitpunkt der Übergabe bereits den Mangel selber äußerlich erkennbar aufweist, vielmehr genügt, dass dieser – etwa auf Grund einer fehlerhaften Konstruktion – bereits angelegt ist und dann innerhalb der Gewährleistungsfrist auftritt (Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 434 Rn. 7).

a) Mangelhaft war das übereignete Fahrzeug zunächst im Hinblick auf die verbaute Steuereinheit (MCU). Angesichts der zentralen Bedeutung dieses Bauteils für die Steuerung des Fahrzeugs (Einstellen verschiedenster Fahrzeugfunktionen über das Zentraldisplay, Navigation, Nutzung angebotener Dienste im Rahmen der Connectivity-Funktion etc.) ist es erforderlich, dass dieses Bauteil ohne Probleme, Störungen und Ausfälle funktioniert. Da bei einem Ausfall der MCU / des Zentraldisplays das Fahrzeug – je nach Art der Störung / des Ausfalls – nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr benutzt werden kann (vgl. Angaben des Gerichtssachverständigen Stockhorst dazu im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 02.06.2022), bedeutet ein vollständiger Ausfall der MCU oder auch nur eine zeitweise Störung eine erhebliche Beeinträchtigung der objektiven Nutzbarkeit des Fahrzeugs. Probleme mit der MCU führen daher dazu, dass im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB a.F. sich das Fahrzeug nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Nutzung eignet. Unerheblich ist, welche Ursache der Ausfall der MCU l des Zentraldisplay hat, sofern die Ursache nicht eine Fehlbedienung durch den Benutzer ist. Es musste daher durch das Gericht insbesondere nicht durch ein weiteres Sachverständigengutachten geklärt werden, ob die Behauptung der Klägerin zutreffend ist, dass die Probleme mit der MCU ihre Ursache jedenfalls auch darin haben, dass bei jedem Vorgang im Fahrzeug dazu Daten in einen internen Speicher geschrieben werden, der dafür nicht geeignet ist.

Der Gerichtssachverständige Dipl.-lng. (FH XXX)  stellte zu diesem Punkt (Ziff. 4a nach dem Beweisbeschluss) wiederholte Ausfälle der MCU fest (vgl. Gutachten S. 41 mit S. 30 ff. und Lichtbildtafel Bild 25 und 26). Das Gericht schließt sich den Feststellungen des sachkundigen und äußerst gerichtserfahrenen Sachverständigen an. Wie der Sachverständige in seiner mündlichen Anhörung weiter bekundete, kann Ursache des Ausfalls der MCU auch nicht gewesen sein, dass weitere Geräte an diese angeschlossen waren, da solche vom Sachverständigen nicht angeschlossen wurden.

Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten stellt ein wiederholter Ausfall der MCU l des Zentraldisplays auch kein nur unerhebliches Problem ("Hänger") dar, wie es bei technisch komplexen Systemen immer wieder vorkommen kann. Zum einen lag hier nach den Feststellungen des Sachverständigen schon zeitlich kein nur kurzer Hänger vor (nach S. 34 des Gutachtens 11 Minuten erheblich eingeschränkte Funktionalität), zum anderen aber ist bei einem zentralen Bauteil für die Funktionalität eines Fahrzeugs auch ein nur kurzer Ausfall nicht hinzunehmen. Die Klägerin berichtete von einer Fahrsituation, wo sich die Lüftung des Fahrzeugs von alleine auf Umluft umgestellt habe und dies nicht (sofort) korrigiert werden konnte mit der Folge entsprechend beschlagener Scheiben und einer daraus resultierenden Sicherheitsgefährdung. Entsprechende Probleme sind auch bei einem Ausfall der MCU / der über das Zentraldisplay zu steuernden Lüftung denkbar. Für das Gericht ist ohne weiteres nachvollziehbar, dass schon aus Sicherheitsgründen bei bestimmten äußeren Bedingungen etwa ein mehrminütiger Ausfall der Lüftung bzw. der Einstellung der Lüftung zu sicherheitsrelevanten Situationen führen kann und damit kein technisch nur unerhebliches Problem darstellt.

Angesichts der Tatsache, dass die Klägerin auch schon im Jahr 2016 entsprechende Probleme gegenüber der Beklagten anzeigte, wird seitens des Gerichts auch davon ausgegangen, dass die Ausfallgeneigtheit der MCU / des Zentraldisplays bereits im Zeitpunkt der Übergabe des Fahrzeugs als Mangel angelegt war, auch wenn diese nicht sofort nach Übergabe auftrat.

b) Mangelhaft ist das Fahrzeug weiter im Hinblick auf die Connectivity-Funktion (Navigation, Spracherkennung, mobiler App-Zugriff, Musikangebot Spotify). Bei diesem Mangel kann – da die genaue Ursache nicht bekannt ist – nicht ohne weiteres beurteilt werden, ob es sich letztlich um Auswirkungen der Probleme mit der MCU handelt oder ob hier eigene / weitere Fehlerursachen vorliegen. Relevant für den Mangelbegriff des § 434 BGB a.F. ist allerdings nur, dass bestimmte Probleme auftauchen ("Svmptome“), nicht welche Ursachen diese habe – wiederum mit der Einschränkung, dass Ausfälle auf Grund einer Fehlbedienung des Benutzers regelmäßig keinen Mangel darstellen.

Der Gerichtssachverständige beschreibt auf S. 30 ff. des schriftlichen Sachverständigengutachtens, dass auch bei seinen Probefahrten (über eine Distanz von insgesamt 728 km) ein „mehrmaliger Ausfall der Systeme“ festzustellen war. Die Ursache für das Problem dürfte daher nicht etwa in einem kurzzeitigen Abbruch der Netzverbindung liegen oder dem Durchfahren eines Gebiets ohne Netzabdeckung, da dies zwar vorkommen kann, jedoch entsprechende Gebiete im Stadtverkehr und im Überlandverkehr / auf Autobahnen (welche der Sachverständige befuhr) jedoch zunehmend seltener werden, so dass sehr unwahrscheinlich ist, dass alle genannten Ausfälle auf dem (nicht von der Beklagten zu beeinflussenden) Ausfall der Netzverbindung beruhen.

Wiederum gilt, dass angesichts der Rügen der Klägerin hinsichtlich dieser Probleme am Mai 2017 von Seiten des Gerichts davon ausgegangen wird, dass entsprechende Probleme nicht erst im Begutachtungszeitpunkt aufgetreten sind, sondern schon bei Übergabe des Fahrzeugs angelegt waren.

c) Mangelhaft ist weiter die im Fahrzeug der Klägerin zum Einsatz kommende Autopilotfunktion.

Das Gericht schließt sich insoweit den technischen Feststellungen des Gerichtssachverständigen an, beurteilt die rechtliche Qualifikation insoweit aber abweichend vom Sachverständigen.

Der Sachverständige konnte bestätigen, dass die Autopilot 2-Funktion keine Schildererkennung aufweist (dies dürfte zwischen den Parteien auch unstreitig sein). Es kann offenbleiben, ob das Fehlen einer solchen Funktion bei einem im Jahr 2017 ausgelieferten Fahrzeug der Oberklasse als Mangel anzusehen ist, weil eine entsprechende Funktion bei anderen Herstellern bereits funktionabel war. Der Gerichtssachverständige stellte weiter fest, dass sowohl auf der Autobahn als auch im Stadtverkehr Hindernisse nicht zuverlässig erkannt werden und ferner dass das Fahrzeug für aus menschlicher Sicht nicht relevante Hindernisse unnötig abbremse. Der Sachverständige stellt dazu im Gutachten S. 18 dar, dass das Fahrzeug eine Verschmälerung für eine stationäre Baustelle nicht erkannt habe. Diese Situation wurde in der mündlichen Anhörung des Sachverständigen vertieft dargestellt. Ferner wird auf S. 18-21 des schriftlichen Gutachtens eine Situation im Stadtverkehr aufgezeigt, bei dem das Fahrzeug unnötigerweise abbremse, wohl wegen des am Straßenrand abgestellten LKW mit Reifen über die Parkbuchtbegrenzung hinaus.

Beide vom Sachverständigen aufgezeigten Situationen stellen trotz der Darstellung der Funktionalität „Autopilot“ (und verwandter Funktionen wie Abstandsgeschwindigkeitsregler) im Handbuch der Beklagten im Rechtssinne einen Mangel dar. Das Gericht folgt nicht der Beurteilung des Sachverständigen S. 46 des Gutachtens (in Verbindung mit S. 23), dass das bestehende Gefahrenpotential durch das Autopilot-System durch Nichtaktivierung / Deaktivierung im Stadtverkehr unterbunden werden könne, falls der Sachverständige damit auch die technische Beurteilung abgegeben haben sollte, dass wegen der Abschaltbarkeit kein Mangel vorliege. Zunächst ist festzuhalten, dass die Beklagte die Autopilot 2-Funktion an die Klägerin als Zusatzausstattung für einen Aufpreis von 5.500 Euro brutto verkaufte. Zwar ist diese technisch in der Tat abschaltbar, jedoch ist eine Zusatzausstattung, die dann wegen nur eingeschränkter Funktionalität nicht oder nur miterhöhter Aufmerksamkeit des Fahrers genutzt werden kann, im Ergebnis für den Benutzer nicht brauchbar. Der Kunde hätte mithin ein System für mehrere Tausend Euro gekauft, welches er aus Sicherheitsgründen ganz oder zumindest zeitweise deaktivieren müsste. Damit eignet sich das System aber nicht für die vertraglich vorausgesetzte Nutzung bzw. weist nicht die übliche Beschaffenheit auf. Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Autopilot-Funktion für den Stadtverkehr nach dem Betriebshandbuch nicht vorgesehen ist (Schriftsatz vom 02.05.2022 S. 2). Es ist einem durchschnittlichen Nutzer nicht zuzumuten, bei wechselnden Fahrten Autobahn / Außerortsverkehr / Stadtverkehr wiederholt den Autopiloten oder zugehörige Funktionen „händisch“ über das Zentraldisplay zu deaktivieren. Soweit hierfür jeweils anzuhalten wäre, stellt eine solche Handhabung keine bei Fahrzeugen mit Auslieferung im Jahr 2017 übliche Verwendungsweise dar. Mit dem Fahrzeug versierte Nutzer mögen ggf. auch während der laufenden Fahrt eine entsprechende Umstellung vornehmen können, wobei einer solchen Handhabung immanent ist, dass es zu einer zumindest eingeschränkten Ablenkung des Fahrers vom Verkehrsgeschehen kommt. Bleibt hingegen der Autopilot (bzw. zugehörige Funktionen)durchgehend aktiviert, stellt dies – wie vom Sachverständigen herausgestellt – eine erhebliche Gefährdung insbesondere im innerstädtischen Verkehr für den Fahrer und den nachfolgenden Verkehr dar.

Plötzliche Bremsmanöver des Fahrzeugs in einer Situation wie mit dem LKW (siehe Gutachten), in der Menschen entweder gar nicht oder nur leicht bremsen würden, stellen angesichts des dichten innerstädtischen Verkehrs eine massive Gefährdung dar, da es durch ein derartiges Verhalten schnell zu Auffahrunfällen kommt. Dabei mag dem in der Regel eine Unterschreitung des einzuhaltenden Abstands durch den nachfolgenden Verkehr zu Grunde liegen, ein als Hilfe für den Fahrer entwickeltes System darf aber nicht Situationen verursachen, bei denen (ggf. auch nicht verschuldete) Auffahrunfällen mit entsprechenden Konsequenzen auch für den Fahrer selber und das Fahrzeug zumindest häufiger auftreten. Für eine Verwendung geeignet wäre daher die Autopilotfunktion nur dann, wenn das System von sich aus erkennen würde, dass die Fahrt im innerstädtischen Verkehr fortgesetzt l begonnen wird und dies dann zur Folge hätte, dass die Funktion von alleine ganz oder in den hier relevanten Teilen abgeschaltet würde.

Auf Grund der technischen Auslegung des Systems und seiner Funktionalität ist davon auszugehen, dass dieser Mangel bereits bei Übergabe des Fahrzeugs bestand.

d) Zuletzt ist auch die Verarbeitung bzw. Steuerung der Flügeltüren mangelhaft.

Der Gerichtssachverständige hat festgestellt, dass die Flügeltüren hinten Lackbelastungsschäden aufweisen, die einer Fehljustierung der Türen zuzuordnen ist (Gutachten S. 37). Zudem wurde durch den Gutachter festgestellt, dass dann bei Regen bzw. regennasser Flügeltür beim Öffnen der Tür Wasser eindringt bzw. auf die Rücksitze tropft. Ergänzend zu den Feststellungen des Gerichtssachverständigen war seitens des Gerichts festzustellen, dass im Rahmen der in der mündlichen Verhandlung vom 02.06.2022 seitens der Klägerin vorgeführten Videos auch ein Türöffnungs- / bzw. -schließungsvorgang zu erkennen war, bei dem ohne erkennbaren Grund die Öffnung nicht vollständig erfolgte bzw. die Schließung der Flügeltür hinten abgebrochen wurde.

Entsprechende Fehljustierungen, welche zu Lackschäden an den Türen führen, stellen ebenso wie Probleme beim automatisierten Öffnen und Schließen der Flügeltüren Sachmangel dar. Eine Beschaffenheitsvereinbarung liegt insoweit nicht vor. Auch eignet sich das Fahrzeug wohl noch für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung, hinsichtlich der Öffnungs- /Schließungsproblematik jedenfalls dann, wenn bei wiederholten Versuchen diese Probleme nicht mehr bestehen. Allerdings weist das Fahrzeug insoweit eine Beschaffenheit auf, die bei vergleichbaren Fahrzeugen nicht üblich ist. Vergleichsmaßstab bilden dabei die Oberklasse-Fahrzeuge anderer Hersteller.

Der Sachverständige konnte hier angeben, dass die Konstruktion entsprechender Flügeltüren technisch sehr herausfordernd sei und auch bei anderen Fahrzeugherstellern Probleme bestehen. Allerdings konnte der Sachverständige auch ausführen, dass es der Fa. Mercedes-Benz gelungen sei, diese Probleme in den Griff zu kriegen. Es bestehen also keine unüberwindbaren technischen Probleme bei Flügeltüren. lm Übrigen gilt, dass wenn die Beklagte Fahrzeuge mit Flügeltüren nicht so konstruieren kann, dass deren Verwendung nicht zu Lackschäden führt, sie dann wieder auf herkömmliche Türen zurückgreifen muss.

Da es sich um ein bauartbedingtes Problem bzw. ein Qualitätsproblem in der Fertigung handelt, lag die Ursache für dieses Problem auch schon bei Übergabe des Fahrzeugs vor.

e) Auf weitere von der Klägerin behauptete Mängel, die der Sachverständige nicht bestätigte, sowie auf die Spezialproblematik des Schuko-Adapters war angesichts der vorhandenen Mängel, die schon für sich genommen einen Rücktritt vom Vertrag rechtfertigen, nicht mehr einzugehen.

3. Die oben bestätigten Mängel sind auch wesentlich. Der Rücktritt ist nicht wegen Unerheblichkeit der Pflichtverletzung nach § 323 Abs. 5 S. 2 BGB ausgeschlossen. Für die Beurteilung der Wesentiichkeit der Pflichtverletzung (Erheblichkeit) ist eine umfassende lnteressenabwägung vorzunehmen. Zu berücksichtigen sind insbesondere der Mängelbeseitigungsaufwand bei behebbaren Mängeln bzw. bei nicht behebbaren Mängeln die vom Mangel ausgehende funktionelle und ästhetische Beeinträchtigung. Erheblichkeit wird in der Regel bei Sicherheitsrelevanz des Mangels vorliegen (Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 323 Rn. 32).

a) Danach ist wie oben dargelegt jedenfalls der Ausfall der MCU sicherheitsrelevant und damit bereits für sich genommen so erheblich, dass er alleine die Erheblichkeit der Pflichtverletzung begründet.

b) Zu berücksichtigen ist weiter, dass hier mehrere Mängel vorliegen, hinsichtlich denen die Gesamtauswirkungen zu berücksichtigen sind (Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 323 Rn. 32). Bei Würdigung der Gesamtheit der Mängel ist danach die Erheblichkeit ohne weiteres zu bejahen. Die Funktion Autopilot mit einem Anteil am Kaufpreis von etwas unter 5 % ist faktisch nur unter unzumutbaren Umständen (manuelle Aktivierung / Deaktivierung je nach Fahrtsituation und gesteigerte Aufmerksamkeit wegen potentieller Fehler) zu nutzen. Ihre Nutzung kann im Einzelfall zu sicherheitsrelevanten Situationen führen (s.o.). Auch der wiederholte Ausfall der Connectivity-Funktionen stellt – jedenfalls in Zusammenschau mit den weiteren festgestellten Mängeln wie den Problemen mit den Flügeltüren hinten – eine wesentliche Pflichtverletzung dar.

4. Die Setzung einer ausdrücklichen Nachfrist durch die Klägerin war nach § 440 BGB entbehrlich. Das Fahrzeug befand sich schon bis zur Einreichung der Klageschrift 5x in der Werkstatt der Beklagten, wobei es allerdings um unterschiedliche Probleme ging. Allerdings betrafen sowohl der zweite als auch der dritte Werkstatttermin jeweils auch die Autopilot-Funktion, die seitdem nach Angabe der Klägerin zwar im Wesentlichen, jedoch aber nicht vollständig funktioniert. Die Nacherfüllung gilt daher insoweit auch nach § 440 S. 2 BGB als fehlgeschlagen.

5. Eine Rücktrittserklärung hat die Klägerin im Schriftsatz vom 15.09.2021 S. 9 (= Bl. 156 d. A.) abgegeben, § 349 BGB. Unschädlich ist, dass der Rücktritt – der grundsätzlich als Gestaltungsrecht bedingungsfeindlich ist – unter die Rechtsbedingung der Entscheidung über den Hauptantrag gestellt wurde. Durch diese Bedingung wird für den Rücktrittsgegner keine unzumutbare Ungewissheit über die Rechtslage geschaffen, da die Frage, ob es zum Rücktritt kommt, ausschließlich von der Entscheidung des Gerichts abhängt.

6. Nach § 346 Abs. 1 BGB haben die Parteien als Folge des wirksam erklärten Rücktritts wechselseitig die empfangenen Leistungen zurückzugewähren. Die Klägerin muss den ihr übergebenen und übereigneten Tesla an die Beklagte zurückgeben und dieser übereignen, gleichzeitig muss die Beklagte den seitens der Klägerin gezahlten Kaufpreis erstatten.

Allerdings hat die Beklagten den Kaufpreis nicht voll zurückzubezahlen, sondern nur abzüglich des Betrags, welchen die Klägerin an die Beklagte für die gezogenen Nutzungen (d.h. die Nutzung des Fahrzeugs) gemäß § 346 Abs. 2 Nr. 1 BGB zu zahlen hat. Abzustellen ist hier auf die gefahrenen Kilometer, die in Verhältnis zu setzen sind zu der zu erwartenden Laufleistung (bei einem mangelfreien Fahrzeug) als Bruchteil des Brutto-Anschaffungspreises. Die Gesamtlaufleistung kann das Gericht insoweit gemäß § 287 ZPO schätzen (Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 346 Rn. 10; Bundesgerichtshof, Urteil vom 30.07.2020, Az.: Vl ZR 354/19, NJW 2020, 2796, 2797).

Der Kilometerstand im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung betrug 43.296 km. Abzuziehen sind hiervon die vom Gerichtssachverständigen im Zuge der Gutachtenerstellung gefahrenen 728 km. Ferner sind abzuziehen 1.479 km Laufleistung, welche die Klägerin unstreitig im Zuge der verschiedenen Nachbesserungsversuche entweder selber aufgewandt hat oder die in diesem Rahmen durch Mitarbeiter der Beklagten gefahren wurden. Es ergibt sich damit eine Laufleistung von 41.089 km, hinsichtlich denen die Klägerin Nutzungsersatz zu leisten hat. Das Gericht folgt dabei nicht der Rechtsauffassung der Klägerin, dass der Nutzungsersatz noch weiter zu kürzen sei auf Grund der Komforteinbußen bzw. Nutzungseinschränkungen auf Grund der gegenständlichen Mängel. Eine derartige Berücksichtigung würde hinsichtlich der im Rahmen eines Rücktritts notwendigerweise pauschalisierenden Betrachtung für den hier vorliegenden Fall zu nicht auflösbaren Schwierigkeiten führen. Die von der Klägerin im Schriftsatz vom 15.09.2021 S. 9 (= Bl. 156 d. A.) zitierten Fundstellen verlangen dies auch nicht uneingeschränkt - der „Palandt" § 439 Rn. 25 beschäftigt sich speziell mit der Rückgewähr im Rahmen von § 439 BGB, MüKo BGB befasst sich in der dem Gericht vorliegenden 9. Aufl. am angegebenen Ort (§ 346 Rn. 35) nicht mit der Problematik des Nutzungsersatzes (dazu Rn. 107 f.). Es fehlt für den vorliegenden Fall ein eindeutiger Maßstab, wie die Beeinträchtigung des Benutzungskomforts finanziell zu bemessen ist.

Das Fahrzeug wurde seitens der Klägerin genutzt, wenngleich eingeschränkt. Zu konkreten Schäden ihrerseits oder des Fahrzeugs ist es während der Nutzung nicht gekommen. Damit verbleibt der Gebrauchswert der gefahrenen Kilometer.

Vom Gericht wird bei der Bemessung des Nutzungsersatzes ein linearer Maßstab angelegt, obwohl bei Kauf eines mangelbehafteten Fahrzeugs geradezu typisch ist, dass der Wertverlust des Fahrzeugs bei einem Verkauf zu Marktbedingungen gesteigert am Anfang eintritt. Eine Berücksichtigung dieses anfänglich größeren Wertverlustes würde aber den Käufer über Gebühr belasten, der wie hier nicht verantwortlich ist für die der Beklagten zuzurechnenden Mängel.

Hinsichtlich der Gesamtlaufleistung schätzt das Gericht diese nach § 267 ZPO auf 350.000 km.

Eine entsprechende Laufleistung ist bei Oberklasse-Elektro-Fahrzeugen wie dem hier gegenständlichen zu erwarten. Der früher übliche Ansatz von 250.000 km (bei Verbrennern) berücksichtigt hingegen nicht ausreichend die durch Verbesserungen in der Produktion eingetretene gesteigerte Lebenserwartung von Fahrzeugen.

Hingegen ist eine Aussage des Vorstandvorsitzenden des Mutterkonzerns der Beklagten, die Fahrzeuge würden 500.000 Meilen halten, entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin kein geeigneter Maßstab für die Schätzung der Gesamtlaufleistung. Zunächst ist seitens des Gerichts darauf hinzuweisen, dass in dem „lnterview", auf welches die Klägerin abstellt (Anlage K61) der Vorstandsvorsitzende Musk nicht uneingeschränkt von einer Laufleistung von 500.000 Meilen spricht. Konkret gibt der Vorstandsvorsitzende Musk eine Laufleistung von 300.000 bis 500.000 Meilen (entspricht 482.803 - 804.672 km) an. Diese Aussage erfolgte jedoch im Zusammenhang mit zukünftigen Verbesserungen in der Batterietechnik, die es ermöglichen sollen, deutlich höhere Laufleistungen zu erzielen. Der Rechtsverkehr wird einer entsprechenden Aussage des Vorstandsvorsitzenden daher nicht entnehmen, dass schon die im Jahr 2016 / 2017 hergestellten Fahrzeuge immer eine durchschnittliche Laufleistung erreichen werden. Hinzu tritt, dass der Vorstandsvorsitzende Musk in der Öffentlichkeit für großmundige Aussagen bekannt ist, die in erheblichem Maße offensichtlich als Werbemaßnahmen anzusehen sind. Ähnlich wie bei Werbeanpreisungen von Herstellern zu den Verbrauchswerten wird der Rechtsverkehr bei derartigen allgemein gehaltenen Aussagen einpreisen, dass die realen Verbrauchswerte bzw. Laufleistungen im Echteinsatz der Fahrzeuge schlechter sind als unter Laborbedingungen. Bei der seitens der Klägerin zitierten Aussage des Vorstandsvorsitzenden Musk handelt es sich auch nicht um eine öffentliche Äußerung im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 3 BGB a.F. Das LG Darmstadt, welches in seinem Urteil vom 21.02.2022, Az.: 26 O 490/20 (vorgelegt als Anlage zum Schriftsatz der Klägerin vom 17.05.2022) auf dieses Interview abstützt, begründet auch nicht näher, warum die Aussage des Vorstandsvorsitzenden Musk eine geeignete Schätzungsgrundlage sein soll - Sinn und Zweck eines Zivilprozesses ist es nicht, die Beklagte für großspurige Aussagen des Vorstandsvorsitzenden ihrer Muttergesellschaft zu „bestrafen".

Das Gericht überzeugt auch nicht das Vorbringen der Klägerin, dass wegen der technischen Konstruktionsweise von Elektrofahrzeugen, insbesondere der geringeren Vibrationen durch die Verringerung der Motorschwingungen im Vergleich zu Verbrennerfahrzeugen, mit einer höheren Laufleistung als bei Verbrennerfahrzeugen zu rechnen wäre. Die Gesamtlaufleistung eines Fahrzeugs wird durch eine Vielzahl an Parametern bestimmt, wobei bei Verbrennerfahrzeugen regelmäßig der Motor eine der limitierenden Faktoren ist. Bei den bautechnisch einfacheren Elektrofahrzeugen ist limitierende Faktor insbesondere die Fahrzeugbatterie (bzw. die -batterien). Hier werden aber Erfahrungswerte von durchaus nur 200.000 km bis zu einem nötigen Austausch aufgerufen. Es mag durchaus sein, dass es auch Elektrofahrzeuge gibt, die 500.000 km mit der Originalbatterie schaffen oder auch noch mehr, es wird aber auch Fahrzeuge geben, die schon 300.000 km nicht schaffen. Abzustellen ist auf einen Durchschnittswert, welchen das Gericht nach § 287 ZPO mit 350.000 km ansetzt. Der ADAC hat etwa in einer Langzeituntersuchung von Elektrofahrzeugen ermittelt, dass im Durchschnitt nach 200.000 km die Batterien noch eine Kapazität von 70 % hatten (Elektroauto-Batterie: Lebensdauer, Garantie, Reparatur, Beitrag vom 26.02.2022, https:www.adac.de/rund-ums-fahrzeug/elektromobilitaet/info/elektroauto-batterie/ zuletzt eingesehen am 14.06.2022). Bei einer maximalen Kapazität von 70 % ist jedoch die Nutzung des Fahrzeugs noch möglich, auch wenn gerade Langstreckenfahrten problematischer werden.

Angesichts der Möglichkeit einer Schätzung nach § 287 ZPO war zu dieser Frage entgegen des Antrags der Klägerin kein Sachverständigengutachten zu erholen.

Konkret ergibt sich ein Nutzungsersatz in Höhe von 41.069 km / 350.000 km X 112.640 Euro = 13.223,61 Euro.

lIl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem Rückzahlungsbetrag kann die Klägerin nach §§ 291, 266 Abs. 1 BGB ab der Rechtshängigkeit des Rückzahlungsanspruchs (nicht der Klage) verlangen. Der Schriftsatz ist der Beklagten am 17.09.2021 zugestellt worden, so dass Zinsen ab dem 18.09.2021 verlangt werden können.

D.

l. Die Entscheidung über die Kosten erfolgte nach § 92 Abs. 1 ZPO. Das Unterliegen der Klägerin mit dem Hauptsacheantrag ist mittels eines Unterliegensanteils, der rechnerisch über den beim Rückzahlungsbetrag abzuziehenden Nutzungsersatz geht, zu berücksichtigen. Über die vorläufige Vollstreckbarkeit war nach § 709 ZPO zu entscheiden.

ll. Bei der Streitwertbemessung für die Gerichtskosten ist auf den höchsten Streitwert abzustellen, der durch den Hilfsantrag auf Rückzahlung des Kaufpreises bestimmt wird.

 

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