R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
Wirtschaftsrecht
14.12.2023
Wirtschaftsrecht
BGH: Terra Greca – Erfolgreiche Nichtzulassungsbeschwerde wegen Verletzung des Verfahrensgrundrechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs

BGH, Beschluss vom 13.7.2023 – I ZR 206/22

ECLI:DE:BGH:2023:130723BIZR206.22.0

Volltext: BB-Online BBL2023-2946-1

Redaktionelle Leitsätze

1. Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Damit in engem Zusammenhang steht das ebenfalls aus Art. 103 Abs. 1 GG folgende Verbot von "Überraschungsentscheidungen". Von einer solchen ist auszugehen, wenn sich eine Entscheidung ohne vorherigen Hinweis des Gerichts auf einen Gesichtspunkt stützt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nicht zu rechnen brauchte (BVerfG, 13.02.2019 – 2 BvR 633/16, juris Rn. 24 m. w. N.). Die grundrechtliche Gewährleistung des rechtlichen Gehörs vor Gericht schützt dabei auch das Vertrauen der in erster Instanz siegreichen Partei darauf, vom Berufungsgericht rechtzeitig einen Hinweis zu erhalten, wenn dieses in einem entscheidungserheblichen Punkt der Vorinstanz nicht folgen will und aufgrund seiner abweichenden Ansicht eine Ergänzung des Sachvortrags erforderlich sein kann (vgl. BGH, 23.04.2009 – IX ZR 95/06, WRP 2009, 845 m. w. N.).

2. Hinweise hat das Gericht gem. § 139 Abs. 4 S. 1 ZPO so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann gemäß § 139 Abs. 4 S. 2 ZPO nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Erteilt das Berufungsgericht den Hinweis entgegen § 139 Abs. 4 S. 1 ZPO erst in der mündlichen Verhandlung, so muss es der betroffenen Partei genügend Gelegenheit zur Reaktion hierauf geben. Ist offensichtlich, dass sich die Partei in der mündlichen Verhandlung nicht abschließend erklären kann, so muss das Gericht, wenn es nicht ins schriftliche Verfahren übergeht, die mündliche Verhandlung auch ohne einen Antrag auf Schriftsatznachlass vertagen, um Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Sofern die Akten die Erteilung des gebotenen Hinweises nicht hinreichend dokumentieren, gilt dieser als nicht erteilt.

3. Gemessen hieran hat das Berufungsgericht mit seiner von der landgerichtlichen Entscheidung abweichenden Beurteilung, es bestehe zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen der Parteien eine Verwechslungsgefahr gemäß Art. 9 Abs. 2 Buchst. b UMV, das Gehörsrecht der Klägerin in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Die Nichtzulassungsbeschwerde macht mit Erfolg geltend, dass die Klägerin maßgebliche Erwägungen des Berufungsgerichts ohne vorherigen Hinweis erst aus der schriftlichen Urteilsbegründung erfahren hat.

 

 

Aus den Gründen

1               Die Beklagte ist Inhaberin der Unions-Wort-Bild-Marke Nr. 018024381 "Terra Greca":

 

 

 

 

 

 

 

jpeg-16432.jpeg

 

 


Abb. 1

mit Priorität vom 18. Februar 2019, die unter anderem für folgende Waren der Klasse 29 eingetragen ist: Fleisch; Molkereiprodukte; Meeresfrüchte; Speiseöle und -fette; Suppen und Brühen, Fleischextrakte; Verarbeitetes Obst und Gemüse.

 

2          Die in Griechenland ansässige Klägerin stellt Nudelprodukte her, die sie nach Deutschland exportiert. Einer ihrer Importeure in Deutschland ist die K.     GmbH & Co. KG in Lehrte. Die Klägerin ist Inhaberin der Unions-Wort-BildMarke Nr. 018236425 "Terra Greca"

 

 

 

 

 

 

 

 

 

jpeg-16434.jpeg

 


Abb. 2

 

mit Priorität vom 8. Mai 2020, die unter anderem für Nudeln und andere Teigwaren (Waren der Klasse 30) eingetragen ist.

 

3          In einem Netto-Supermarkt wurden Nudelpackungen vertrieben, die auf der Vorder- und Rückseite mit der Marke der Klägerin gekennzeichnet waren. Die Beklagte mahnte deshalb am 5. November 2020 die K.     GmbH & Co. KG wegen Verletzung ihrer älteren Marke ab.

 

4          Die Klägerin hält die Abnehmerverwarnung für unberechtigt. Sie verlangt von der Beklagten Unterlassung der Verwarnung ihrer Abnehmer wegen angeblicher Verletzung der Unionsmarke der Beklagten und/oder wegen angeblich wettbewerbswidriger vermeidbarer Herkunftstäuschung, unangemessener Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder gezielter Behinderung. Außerdem begehrt sie Auskunft über den Umfang der versandten Verwarnungsschreiben und Ersatz außergerichtlicher Anwaltskosten.

 

5          Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen (OLG Frankfurt, GRUR-RR 2023, 78 = WRP 2023, 219).

 

6          Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, erstrebt die Klägerin eine Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

 

7          II. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stünden gegen die Beklagte keine Ansprüche wegen unberechtigter Abnehmerverwarnung aus §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB oder einem anderen Rechtsgrund zu. Die Abmahnung der Beklagten sei wegen einer begangenen Markenverletzung berechtigt gewesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

 

8          Das auf der beanstandeten Nudel-Verpackung angebrachte Zeichen "Terra Greca" sei geschäftlich verwendet und markenmäßig benutzt worden. Zwischen der Unions-Wort-Bild-Marke der Beklagten und dem von der Abnehmerin der Klägerin verwendeten Zeichen bestehe Verwechslungsgefahr gemäß Art. 9 Abs. 2 Buchst. b UMV. Es sei zumindest eine geringe Warenähnlichkeit gegeben. Von absoluter Warenunähnlichkeit könne nicht ausgegangen werden. Die ältere Marke der Beklagten verfüge über durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Die einander gegenüberstehenden Zeichen seien in klanglicher Hinsicht identisch, sie würden phonetisch vom Wortbestandteil dominiert. Unterschiede in den Bildbestandteilen spielten keine entscheidende Rolle. Daher bestehe eine überdurchschnittliche Zeichenähnlichkeit.

 

9          Auf die von der Beklagten lediglich hilfsweise geltend gemachten wettbewerbsrechtlichen Ansprüche komme es nicht an, weil die in erster Linie geltend gemachte Markenverletzung gegeben sei.

 

10        III. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Sie führt gemäß § 544 Abs. 9 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht hat das Verfahrensgrundrecht der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise verletzt.

 

11        1. Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Damit in engem Zusammenhang steht das ebenfalls aus Art. 103 Abs. 1 GG folgende Verbot von "Überraschungsentscheidungen". Von einer solchen ist auszugehen, wenn sich eine Entscheidung ohne vorherigen Hinweis des Gerichts auf einen Gesichtspunkt stützt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nicht zu rechnen brauchte (BVerfG, Beschluss vom 13. Februar 2019 - 2 BvR 633/16, juris Rn. 24 mwN). Die grundrechtliche Gewährleistung des rechtlichen Gehörs vor Gericht schützt dabei auch das Vertrauen der in erster Instanz siegreichen Partei darauf, vom Berufungsgericht rechtzeitig einen Hinweis zu erhalten, wenn dieses in einem entscheidungserheblichen Punkt der Vorinstanz nicht folgen will und aufgrund seiner abweichenden Ansicht eine Ergänzung des Sachvortrags erforderlich sein kann (vgl. BGH, Beschluss vom 23. April 2009 - IX ZR 95/06, NJW-RR 2010, 70 [juris Rn. 5] mwN).

 

12        Hinweise hat das Gericht gemäß § 139 Abs. 4 Satz 1 ZPO so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann gemäß § 139 Abs. 4 Satz 2 ZPO nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Erteilt das Berufungsgericht den Hinweis entgegen § 139 Abs. 4 Satz 1 ZPO erst in der mündlichen Verhandlung, so muss es der betroffenen Partei genügend Gelegenheit zur Reaktion hierauf geben. Ist offensichtlich, dass sich die Partei in der mündlichen Verhandlung nicht abschließend erklären kann, so muss das Gericht, wenn es nicht ins schriftliche Verfahren übergeht, die mündliche Verhandlung auch ohne einen Antrag auf Schriftsatznachlass vertagen, um Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (BGH, Beschluss vom 4. Juli 2013 - VII ZR 192/11, NJW-RR 2013, 1358 [juris Rn. 79]; Beschluss vom 11. April 2018 - VII ZR 177/17, NJW 2018, 2202 [juris Rn. 8]; Beschluss vom 21. Januar 2020 - VI ZR 346/18, NJW-RR 2020, 574 [juris Rn. 9]). Sofern die Akten die Erteilung des gebotenen Hinweises nicht hinreichend dokumentieren, gilt dieser als nicht erteilt (BGH, Beschluss vom 30. Juni 2011 - IX ZR 35/10, NJW-RR 2011, 1556 [juris Rn. 5]; Beschluss vom 3. Juli 2014 - IX ZR 285/13, ZinsO 2014, 1679 [juris Rn. 14]).

 

13        2. Hieran gemessen hat das Berufungsgericht mit seiner von der landgerichtlichen Entscheidung abweichenden Beurteilung, es bestehe zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen der Parteien eine Verwechslungsgefahr gemäß Art. 9 Abs. 2 Buchst. b UMV, das Gehörsrecht der Klägerin verletzt. Die Nichtzulassungsbeschwerde macht mit Erfolg geltend, dass die Klägerin maßgebliche Erwägungen des Berufungsgerichts ohne vorherigen Hinweis erst aus der schriftlichen Urteilsbegründung erfahren hat.

 

14        a) Das Berufungsgericht hat angenommen, entgegen der Ansicht des Landgerichts könne nicht von absoluter Warenunähnlichkeit ausgegangen werden. Für die Beurteilung der Warenähnlichkeit komme es - anders als im amtlichen Widerspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren - nicht auf einen Registervergleich an. Es sei auf der einen Seite zu berücksichtigen, für welche Waren die ältere Marke der Beklagten eingetragen sei (hier unter anderem Speiseöle und -fette; Suppen und Brühen), auf der anderen Seite, für welche Waren das jüngere Zeichen in der konkreten Verletzungsform verwendet worden sei (hier Nudeln). Eine Ähnlichkeit werde allerdings nicht schon dadurch begründet, dass sich die gegenüberstehenden Waren unter den weiten Warenoberbegriff der "Lebensmittel" fassen ließen. Andererseits gebe es keine strikte Trennung zwischen jedem einzelnen Nahrungsmittel. Es bestünden vielfach Überschneidungen von Lebensmittelarten, die nach den Erfahrungen des Verkehrs aus demselben Unternehmen stammen könnten. Nicht entscheidend sei, ob sich die gegenüberstehenden Waren unter den gemeinsamen Oberbegriff der "mediterranen Produkte" fassen ließen. Es entspreche den Erfahrungen des Durchschnittsverbrauchers, der regelmäßig in Supermärkten einkaufe, dass Teigwaren wie Nudeln auch von Unternehmen vertrieben würden, die gleichzeitig Zutaten für Nudelgerichte wie Speiseöle oder Suppen, für die die ältere Marke eingetragen sei, im Angebot hätten (z. B. Barilla, Knorr, Maggi, etc.). Es handele sich um einander ergänzende Waren. Insbesondere im Bereich der Konserven und Fertiggerichte seien Überschneidungen zwischen diesen Produkten gang und gäbe. Zudem hätten einige namhafte Herstellungsbetriebe unter derselben Marke sowohl Teigwaren als auch Soßen dazu im Angebot. Der Verkehr schließe daher nicht aus, dass auch Speiseöle und Suppen einerseits und Nudeln andererseits von demselben Unternehmen stammen könnten. Es sei deshalb zumindest von einer geringen Warenähnlichkeit auszugehen.

 

15        b) Damit hat das Berufungsgericht sich auf Erwägungen gestützt, die keine der beiden Parteien vorgetragen hat. Die Beklagte, die sich für ihre Verwarnung von Abnehmern der Klägerin auf eine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken der Parteien berufen hat, hat im Rechtsstreit die Warenähnlichkeit allein damit begründet, dass sich die einander gegenüberstehenden Waren unter den Oberbegriff der mediterranen Produkte fassen ließen. Sie hat weder geltend gemacht, dass es sich bei den jeweiligen Waren um einander ergänzende Produkte handele, noch die vom Berufungsgericht herangezogenen Beispiele vorgetragen. Das Berufungsgericht hat die Auffassung der Beklagten nicht für richtig gehalten, sondern für die Bejahung der Warenähnlichkeit eine eigene Begründung gegeben.

 

16        c) Das Berufungsgericht hat die Klägerin zwar auf seine von der Auffassung des landgerichtlichen Urteils abweichende Beurteilung der Warenähnlichkeit hingewiesen. Das ist allerdings zum einen erst in der mündlichen Verhandlung geschehen. Diese Hinweise waren zum anderen inhaltlich nicht so hinreichend konkret, dass die Klägerin hierzu hätte Stellung nehmen können.

 

17        Welchen Inhalt die Hinweise des Berufungsgerichts hatten, lässt sich dem Protokoll der mündlichen Verhandlung nicht entnehmen. Die Nichtzulassungsbeschwerde legt dar, das Berufungsgericht habe in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass nach seinen Erfahrungen unter der Marke "Barilla" neben Nudeln auch Fertiggerichte angeboten würden. Es habe jedoch weder die Marke "Knorr" noch in diesem Zusammenhang die Marke "Maggi" erwähnt, letztere lediglich im Zusammenhang mit der im Berufungsurteil zitierten Entscheidung des Bundespatentgerichts (BPatG, Beschluss vom 31. März 2004 - 32 W [pat] 43/03, juris). Ferner seien "Suppen" nicht Gegenstand der Bemerkungen des Berufungsgerichts gewesen, sondern Fertiggerichte. Da sich hierüber hinausgehende Hinweise des Berufungsgerichts den Akten nicht entnehmen lassen, ist davon auszugehen, dass solche Hinweise nicht erteilt worden sind.

 

18        Den von der Nichtzulassungsbeschwerde wiedergegebenen Hinweisen des Berufungsgerichts ließ sich nicht entnehmen, dass das Berufungsgericht annehmen würde, Speiseöle und Suppen einerseits und Nudeln andererseits könnten von demselben Unternehmen stammen und dieser Umstand begründe eine zumindest geringe Warenähnlichkeit.

 

19        d) Da das Berufungsgericht in gehörsverletzender Weise gegen seine Hinweispflicht verstoßen hat, kann offenbleiben, ob es auch eine Gehörsverletzung darstellt, dass das Berufungsgericht am Schluss der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren durch Stuhlurteil entschieden hat, ohne der Klägerin - die einen entsprechenden Antrag nicht gestellt hat - Gelegenheit zu geben, sich zu den erteilten Hinweisen schriftsätzlich zu äußern.

 

20        3. Diese Gehörsrechtsverletzung ist entscheidungserheblich. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Berufungsgericht die Frage, ob zwischen den einander gegenüberstehenden Marken Verwechslungsgefahr besteht, abweichend beurteilt hätte, wenn es den nach einem entsprechenden Hinweis gehaltenen Vortrag der Klägerin berücksichtigt hätte.

 

21        a) Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen; hierzu gehören insbesondere die Art der Waren oder Dienstleistungen, ihr Verwendungszweck, ihre Nutzung sowie die Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen. In die Beurteilung einzubeziehen ist, ob die Waren oder Dienstleistungen regelmäßig von denselben Unternehmen oder unter ihrer Kontrolle hergestellt oder erbracht werden oder ob sie beim Vertrieb Berührungspunkte aufweisen, weil sie in denselben Verkaufsstätten angeboten werden. Von einer Unähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen kann nur ausgegangen werden, wenn trotz (unterstellter) Identität der Zeichen und erhöhter Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke die Annahme einer Verwechslungsgefahr wegen des Abstands der Waren oder Dienstleistungen von vornherein ausgeschlossen ist (BGH, Urteil vom 15. Oktober 2020 - I ZR 135/19, GRUR 2021, 724 [juris Rn. 36] = WRP 2021, 627 - PEARL/PURE PEARL, mwN). Nach diesen Grundsätzen ist der Umstand, dass die einander gegenüberstehenden Produkte von denselben Unternehmen vertrieben werden und eine entsprechende Verkehrserwartung besteht, einer von mehreren Umständen, der für die Beantwortung der Frage von Bedeutung sein kann, ob Warenähnlichkeit vorliegt oder nicht.

 

22        b) Die Nichtzulassungsbeschwerde macht geltend, die Klägerin hätte - wenn das Berufungsgericht sie in der gebotenen Weise auf seine Beurteilung der Warenähnlichkeit hingewiesen hätte - bestritten, dass Teigwaren wie Nudeln regelmäßig auch von Unternehmen vertrieben würden, die gleichzeitig Zutaten für Nudelgerichte wie Speiseöl oder Suppen, für die die ältere Marke eingetragen sei, im Angebot hätten. Sie hätte geltend gemacht, dass dies auch hinsichtlich der vom Berufungsgericht für seine Beurteilung herangezogenen Unternehmen gelte, die unter den Marken Barilla, Knorr und Maggi Produkte vertreiben. Denn unter der Marke Barilla würden weder Suppen noch Speiseöle vertrieben, sondern ausschließlich Teigwaren und Soßen. Unter den Marken Knorr und Maggi würden zwar Suppen und Fertiggerichte vertrieben, die Nudeln enthielten, aber keine unverarbeiteten Teigwaren. Hierzu verweist die Nichtzulassungsbeschwerde auf im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren vorgelegte Unterlagen. Die Nichtzulassungsbeschwerde macht außerdem geltend, die Klägerin hätte bei einem entsprechenden Hinweis vorgetragen, dass die Bejahung der Warenähnlichkeit eine regelmäßige gemeinsame betriebliche Herkunft voraussetze, von der noch nicht ausgegangen werden könne, wenn einzelne wenige Unternehmen wie die Großkonzerne, die Waren unter den Marken Barilla, Knorr und Maggi vertrieben, beide Waren in ihrem Produktportfolio vorhielten.

 

23        c) Auf diesen Umstand hat das Berufungsgericht für die Beurteilung der Warenähnlichkeit maßgeblich abgestellt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Berufungsgericht, wenn die Klägerin entsprechenden Vortrag gehalten hätte, zu einer abweichenden Beurteilung gelangt wäre.

 

24        IV. Danach ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverweisen.

stats