OLG Braunschweig: Teilweise öffentliche Bekanntmachung einer Musterfeststellungsklage
OLG Braunschweig, Beschluss vom 23.11.2018 – 4 MK 1/18
ECLI:DE:OLGBS:2018:1123.4MK1.18.00
Volltext: BB-ONLINE BBL2019-66-4
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Amtliche Leitsätze
1. Eine Musterfeststellungsklage wird nicht bereits durch Einreichung bei Gericht, sondern erst durch Zustellung an den Musterbeklagten erhoben im Sinne des § 607 Abs. 2 ZPO; erst damit beginnt die dort genannte 14-Tages-Frist zu laufen.
2. Zur Veranlassung der öffentlichen Bekanntmachung ist es gemäß §§ 607 Abs. 2, 606 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO erforderlich, dass für jedes bekanntzumachende Feststellungsziel das Quorum von zehn betroffenen Verbrauchern erfüllt ist.
3. Soweit innerhalb eines Feststellungsziels tatsächliche Differenzierungen gemacht werden, an die der Musterkläger keine separaten Rechtsfolgen geknüpft wissen will, ist zur Veranlassung der öffentlichen Bekanntmachung nicht erforderlich, dass für jede Konstellation das Quorum von zehn betroffenen Verbrauchern erfüllt wird.
4. Die Tatsache, dass nicht bezüglich aller Feststellungsziele die Voraussetzungen des § 607 Abs. 2 ZPO für die öffentliche Bekanntmachung vorliegen, steht einer Teilbekanntmachung der übrigen Feststellungsziele jedenfalls dann nicht entgegen, wenn lediglich hilfsweise beantragte Feststellungsziele betroffen sind und die übrigen Feststellungsziele auch ohne diese Hilfs-Feststellungsziele verständlich und einer Entscheidung zugänglich sind.
§ 574 Abs 1 S 1 Nr 2 ZPO, § 574 Abs 3 S 1 ZPO, § 606 Abs 2 S 1 Nr 2 ZPO, § 607 Abs 2 ZPO
Sachverhalt
I.
Die Musterfeststellungsklage ist der Musterbeklagten am 12. November 2018 zugestellt worden. Die Musterbeklagte hat zur Frage der öffentlichen Bekanntmachung mit Schriftsätzen vom 19. und 22 November 2018 Stellung genommen, der Musterkläger mit Schriftsatz vom 20. November 2018.
Aus den Gründen
II.
Die Musterfeststellungsklage ist gemäß § 607 Abs. 1 ZPO in der Form des § 2 MFKRegV - in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang - öffentlich bekanntzumachen; sie ist durch Zustellung an die Musterbeklagte am 12. November 2018 gemäß § 607 Abs. 2 ZPO erhoben worden (1) und die Klageschrift erfüllt - in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang - die über § 253 Abs. 2 ZPO hinausgehenden Anforderungen des § 606 Abs. 2 Satz 1 ZPO (2); eine teilweise öffentliche Bekanntmachung ist hier möglich (3); zudem enthält die Klageschrift eine kurze Darstellung des vorgetragenen Lebenssachverhaltes im Sinne des § 606 Abs. 2 Satz 2 ZPO (4).
1. Die Musterfeststellungsklage ist durch Zustellung an die Musterbeklagte erhoben worden im Sinne des § 607 Abs. 2 ZPO. Gemäß § 253 Abs. 1 ZPO wird eine Klage durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift) erhoben - was nach § 610 Abs. 5 ZPO auch für die Musterfeststellungsklage gilt (so auch Lutz, in: BeckOK ZPO, 30. Edition, Stand: 1. November 2018, § 607, Rn. 10, 39; Röthemeyer, Musterfeststellungsklage, § 607 ZPO, Rn. 5; vgl. auch Regierungsentwurf, BT-Drs. 19/2439, S. 22 [„Rechtshängigkeit“]; a.A. Schneider, BB 2018, S. 1986 [1991 f.]).
2. Die Klageschrift erfüllt - in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang - die über § 253 Abs. 2 ZPO hinausgehenden Anforderungen des § 606 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO: Der Musterkläger ist klagebefugt (a) und von den Feststellungszielen hängen - in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang - die Ansprüche oder Rechtsverhältnisse von mindestens zehn Verbrauchern ab (b).
a) Der Musterkläger ist klagebefugt, denn er ist eine qualifizierte Einrichtung im Sinne des § 606 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ZPO.
Gemäß § 606 Abs. 1 Satz 4 ZPO wird unwiderleglich vermutet, dass Verbraucherzentralen und andere Verbraucherverbände, die überwiegend mit öffentlichen Mitteln gefördert werden, die Voraussetzungen des Satzes 2 erfüllen.
Der Musterkläger ist die bundesweite Dachorganisation der 16 Verbraucherzentralen und weiterer 25 verbraucherorientierter Verbände; er ist Mitglied des europäischen Verbraucherverbandes BEUC und von Consumers International (CI) und vertritt die Interessen der Verbraucher gegenüber Politik, Wirtschaft und Verwaltung (vgl. Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Auflage 2018, Einleitung Rn. 2.48; Micklitz/Rott, in: MüKo-ZPO, 5. Auflage 2017, § 4 UKlaG, Rn. 23 f.). Der Musterkläger fällt unter die unwiderlegliche Vermutung des § 606 Abs. 1 Satz 4 ZPO (Röthemeyer, Musterfeststellungsklage, § 606 ZPO, Rn. 44).
Der Musterkläger hat auch dargelegt, dass er überwiegend mit öffentlichen Mitteln gefördert wird, namentlich, dass er fast ausschließlich vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) gefördert wird und keine Zuwendungen von Unternehmen bezieht - was er durch Vorlage seines Jahresberichts 2017/2018 glaubhaft gemacht hat (Anlage MK 1). Daneben ist allgemein bekannt, dass der Musterkläger sich - neben der genannten Förderung mit öffentlichen Mitteln - auch aus Projektmitteln und Mitgliedsbeiträgen finanziert (vgl. Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Auflage 2018, Einleitung Rn. 2.48; Micklitz/Rott, in: MüKo-ZPO,5. Auflage 2017, § 4 UKlaG, Rn. 23 f).
Der Musterkläger ist auch in die Liste der qualifizierten Einrichtungen gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG eingetragen (vgl. Bundesamt für Justiz, Liste qualifizierter Einrichtungen gemäß § 4 des Unterlassungsklagengesetzes [UKlaG], https://www.bundesjustizamt.de/DE/SharedDocs/Publikationen/Verbraucherschutz/Liste_qualifizierter_Einrichtungen.pdf?__blob=publicationFile&v=64 [Stand 19. Oktober 2018], zuletzt abgerufen am 16. November 2018 = Anlage MK 21, jeweils Lfd. Nr. 67; Lutz, in: BeckOK ZPO, 30. Edition, Stand: 1. November 2018, § 606, Rn. 29) - soweit dieses Erfordernis des § 606 Abs. 1 Satz 2 ZPO auch im Falle der unwiderleglichen Vermutung gemäß § 606 Abs. 1 Satz 4 ZPO besteht (so Lutz, in: BeckOK ZPO, 30. Edition, Stand: 1. November 2018, § 606, Rn. 36; a.A. Merkt/Zimmermann, in: VuR 2018, S. 363 [366]).
b) Der Musterkläger hat glaubhaft gemacht, dass von den Feststellungszielen - in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang - die Ansprüche oder Rechtsverhältnisse von mindestens zehn Verbrauchern abhängen.
aa) Der Musterkläger hat substantiiert zu dem Lebenssachverhalt vorgetragen, aus dem sich möglicherweise Ansprüche für Verbraucher ergeben können, namentlich zu dem von der Musterbeklagten - was allgemein bekannt ist - in weiten Teilen gegenüber US-Behörden eingeräumten „VW-Abgasskandal“. Er hat zu dessen Entwicklung, technischen Details, Kenntnis der Musterbeklagten und ihrer Mitarbeiter, dem Rückruf durch das Kraftfahrt-Bundesamt und dem bei den betroffenen Fahrzeugen durchgeführten Softwareupdate vorgetragen, sowie zu der Frage, ob darin eine erfolgreiche und nebenfolgenlose Nachbesserung liege und ob sich für die betroffenen Fahrzeuge ein merkantiler Minderwert ergebe.
bb) Der Musterkläger hat ferner - in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang -dargelegt, dass die Ansprüche oder Rechtsverhältnisse der genannten Verbraucher von den Feststellungszielen abhängen. Rechtsschutzziel der Verbraucher ist es, von der Musterbeklagten Schadensersatz zu erlangen - namentlich auf Basis der Anspruchsgrundlagen § 826 BGB (S. 175 ff. der Klageschrift), §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB (S. 187 ff. der Klageschrift), § 831 BGB (S. 200 ff. der Klageschrift) und §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 443, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. dem europäischen Typengenehmigungsrecht (S. 203 ff. der Klageschrift) - und feststellen zu lassen, dass die Kaufverträge über die betroffenen Fahrzeuge gemäß § 134 BGB nichtig sind (S. 225 ff. der Klageschrift). Zur Begründung dieser Anspruchsgrundlagen hat der Musterkläger umfangreich vorgetragen; die beantragten Feststellungen sind auf das Vorliegen oder Nicht-Vorliegen von Voraussetzungen oder der hierunter zu subsumierenden Tatsachen eben dieser Anspruchsgrundlagen gerichtet.
cc) Der Musterkläger hat - in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang - auch die Aktivlegitimation von mindestens zehn Verbrauchern für mögliche Ansprüche dargelegt; dabei ist es ausreichend, dass sich aus einer zusammenhängenden Darstellung des individuellen Lebenssachverhalts die jeweilige Betroffenheit von zehn Verbrauchern ergibt (Lutz, in: BeckOK ZPO, 30. Edition, Stand: 1. November 2018, § 606, Rn. 41). Der Musterkläger hat dargelegt, dass es sich bei den in der Klageschrift (dort Ziff. II, S. 27-45) aufgeführten 76 Personen um Verbraucher im Sinne des § 606 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO handelt. Der Begriff „Verbraucher“ in dieser Vorschrift bezieht sich auf den in § 29c Abs. 2 ZPO neu geschaffenen eigenständigen prozessrechtlichen Verbraucherbegriff, der von dem materiell-rechtlichen Verbraucherbegriff des § 13 BGB insoweit abweicht, als es nicht auf den Zweck eines Vertragsabschlusses, sondern - rein objektiv - auf das nicht überwiegende Handeln im Rahmen einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit ankommt (Toussaint, in: BeckOK ZPO, 30. Edition, Stand: 1. November 2018, § 29c, Rn. 12). Der Musterkläger hat zudem dargelegt, dass es sich jeweils um den Erwerb eines von der Musterbeklagten oder einem ihrer Tochterunternehmen produzierten Fahrzeugs mit einem Dieselmotor der Baureihe EA189 handelt, und dass das jeweilige Fahrzeug einem Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamtes unterliegt, da die Motorsteuersoftware eine unerlaubte Abschalteinrichtung enthält. Er hat für diesen Vortrag durch Vorlage von u.a. Ablichtungen der Fahrzeugbestellungen, der Kaufverträge, der Rechnungen, der Rückrufschreiben und eidesstattlicher Versicherungen (Anlagenkonvolute MK 26-101) Nachweise erbracht.
(1) Soweit die Musterbeklagte dagegen bezüglich der Feststellungsziele 1, 1 a, 1 b, 1 c, 1 d, 1 e, 1 f, 2, 3, 3 „hilfsweise“, 4 und 4 „hilfsweise“ einwendet, der Musterkläger habe keine Angaben dazu gemacht und Nachweise dafür vorgelegt, dass von den genannten Feststellungszielen in Bezug auf EURO-6-Fahrzeuge „die Ansprüche oder Rechtsverhältnisse von mehr als zehn Verbrauchern“ abhingen, greift dies nicht durch.
Zunächst reicht es aus, wenn entsprechende Angaben und Nachweise bezüglich „mindestens zehn Verbrauchern“ (§ 606 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO) vorliegen. Es ist zur Veranlassung der öffentlichen Bekanntmachung gemäß §§ 607 Abs. 2, 606 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO zwar erforderlich, dass für jedes bekanntzumachende Feststellungsziel das Quorum von zehn betroffenen Verbrauchern erfüllt ist (so auch Waßmuth/Asmus, ZIP 2018, S. 657 [659]). Eine solche Konstellation liegt hier bezüglich der Frage „EURO-5- oder EURO-6-Norm“ aber nicht vor: Das Feststellungsziel 1 lässt sich auf folgenden Kern reduzieren: „Es wird festgestellt, dass Käufern von Fahrzeugen [des Volkswagenkonzerns], die mit einem Motor der Baureihe (…) EA189 (…) ausgeliefert wurden und die eine (…) als unerlaubt eingestufte Abschalteinrichtung verbaut haben und deshalb einem amtlichen Rückruf unterliegen, (…) dem Grunde nach ein Anspruch auf Schadensersatz zusteht.“ Dabei kommt es dem Musterkläger ersichtlich nicht auf eine Differenzierung zwischen Fahrzeugen mit der Klassifizierung nach der Abgasnorm EURO-5 oder EURO-6 an; dies hat der Musterkläger mit Schriftsatz vom 20. November 2018 auch ausdrücklich klargestellt. Die Mitteilung der beiden Klassifizierungen stellt vielmehr eine - an sich unnötige - genauere Umschreibung der Fahrzeuge dar, die alle entweder die EURO-5-Norm oder die EURO-6-Norm erfüllen; separate Rechtsfolgen will der Musterkläger an die Abgasnorm nicht geknüpft wissen. Das Feststellungsziel ist so zu verstehen, dass es die durch die übrigen Kriterien näher bezeichneten Fahrzeuge betrifft, zu denen (zusätzlich) mitgeteilt wird, dass sie allesamt „mit der Klassifizierung EURO 5- oder EURO 6-Norm ausgeliefert“ worden sind. Es könnte auch lauten, dass sie „mindestens mit der Klassifizierung EURO 5-Norm ausgeliefert“ worden sind. Die anhand der übrigen Kriterien eindeutig beschriebenen Fahrzeuge, die von diesen Formulierungen umfasst sind, sind jeweils dieselben.
Für die weiteren oben genannten Feststellungsziele gilt dies entsprechend. Insoweit ist es nicht erforderlich, dass der Musterkläger separat Angaben dazu macht und Nachweise dafür vorgelegt, dass von den genannten Feststellungszielen die Ansprüche oder Rechtsverhältnisse von mindestens zehn Verbrauchern abhängen, die ein EURO-6-Fahrzeug gekauft haben.
(2) Soweit die Musterbeklagte bezüglich des Feststellungszieles 1 b dd einwendet, es fehlten Angaben und Nachweise dazu, ob und inwieweit die vom Musterkläger benannten 76 Verbraucher einem Irrtum im Sinne des § 263 StGB unterlegen hätten, greift dies ebenfalls nicht durch.
Es ist allgemein bekannt, dass der „VW-Abgasskandal“ erst ab September 2015 in der breiten Öffentlichkeit bekannt geworden ist. Jedenfalls 66 der 76 vom Musterkläger benannten Verbraucher haben ihr Fahrzeug vor September 2015 gekauft; sie haben es bereits vor dem Jahr 2015 gekauft. Bei lebensnaher Betrachtung kann davon ausgegangen werden, dass jedenfalls Kunden, die vor September 2015 ein Fahrzeug einer Marke der Musterbeklagten gekauft haben, davon ausgegangen sind, dass dieses Fahrzeug den Zulassungsvorschriften entspricht. Dies gilt auch für die 66 genannten Verbraucher. Ob die Fahrzeuge nicht den Zulassungsvorschriften entsprochen haben und insbesondere ob eine diesbezügliche Fehlvorstellung einen Irrtum im Sinne des § 263 StGB darstellt, ist eine Frage der Begründetheit und im derzeitigen Verfahrensstadium nicht zu prüfen. Eine vollständige Schlüssigkeitsprüfung ist vor der öffentlichen Bekanntmachung der Musterfeststellungsklage nicht erforderlich (so auch Röthemeyer, Musterfeststellungsklage, § 606 ZPO, Rn. 68) - und im Verfahrensstadium der öffentlichen Bekanntmachung regelmäßig kaum zu leisten (vgl. Schneider, BB 2018, S. 1986 [1991]).
(3) Soweit die Musterbeklagte bezüglich der Feststellungsziele 1 d aa bis 1 d cc einwendet, es fehle an dem Nachweis der Abhängigkeit der Verbraucheransprüche und -rechtsverhältnisse von den Feststellungszielen im Zusammenhang mit der EG-Übereinstimmungsbescheinigung gemäß § 6 EG-FGV, greift dies nicht durch.
Naturgemäß existiert für jedes der von den 76 genannten Verbrauchern gekaufte Fahrzeug eine EG-Übereinstimmungsbescheinigung, denn gemäß § 6 EG-FGV hat der Inhaber der EG-Typgenehmigung (hier: die Musterbeklagte oder eine ihrer Tochtergesellschaften) für jedes dem genehmigten Typ entsprechende Fahrzeug eine Übereinstimmungsbescheinigung auszustellen und dem Fahrzeug beizufügen. Gesonderte Angaben oder Nachweise hierzu sind nicht erforderlich. Ob sich aus dieser EG-Übereinstimmungsbescheinigung in Verbindung mit anderen Rechtsvorschriften ein Schadensersatzanspruch ergeben kann, ist eine Rechtsfrage, die im Rahmen des § 607 Abs. 2 ZPO nicht zu prüfen ist.
(4) Aus denselben Gründen greift auch der Einwand der Musterbeklagten bezüglich des Feststellungsziels 1 e, es fehle auch an Angaben und Nachweisen hinsichtlich angeblicher Garantieansprüche, nicht durch.
Der Musterkläger zielt mit diesem Feststellungsziel nicht darauf ab, dass es zwischen den 76 genannten Verbrauchern und der Musterbeklagten eine gesonderte Garantievereinbarung gegeben habe; er stützt sich nicht auf tatsächliche Vorgänge, die gegebenenfalls darzulegen und nachzuweisen wären; vielmehr ist er lediglich der (Rechts-) Ansicht, dass sich aus dem europäischen Typengenehmigungsrecht ein Garantieanspruch im Sinne des § 443 BGB gegen Fahrzeughersteller ergebe. Dabei handelt es sich um eine Rechtsfrage, die das Gericht zu prüfen haben wird.
(5) Das Feststellungsziel 9 „äußerst hilfsweise“ ist allerdings - jedenfalls derzeit - nicht öffentlich bekanntzumachen.
Der diesbezügliche Einwand der Musterbeklagten greift durch: Die Klageschrift und auch der Schriftsatz des Musterklägers vom 20. November 2018 enthält keine Angaben und Nachweise darüber, dass von dem Feststellungsziel die Ansprüche oder Rechtsverhältnisse von mindestens zehn Verbrauchern abhängen; es ist nicht dargelegt, dass einer der 76 genannten Verbraucher sein Fahrzeug nach Rechtshängigkeit der Klage verkauft hätte. Einer abstrakten Feststellung für zukünftig eventuell eintretende Fälle dient das Musterfeststellungsverfahren nicht.
(6) Soweit die Musterbeklagte bezüglich des Feststellungsziels 10 einwendet, es fehlten Angaben und Nachweise zu etwaigen Rechtsnachfolgesachverhalten, greift dies demgegenüber nicht durch.
Der Musterkläger hat die Fälle von 14 Verbrauchern dargelegt, die mittlerweile nicht mehr Eigentümer des jeweils betroffenen Fahrzeugs sind; jedenfalls in diesen - in ausreichender Anzahl im Sinne des § 606 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO dargelegten - Fällen kann die Frage einer Rechtsnachfolge bezüglich etwaiger Schadensersatzansprüche relevant sein. Inhaltlich wird das Gericht die Frage später zu prüfen haben.
(7) Soweit die Musterbeklagte bezüglich des Feststellungsziels 11 a einwendet, es fehlten Angaben und Nachweise dazu, dass mindestens zehn Verbraucher betroffen seien, greift dies nicht durch. Etwas anderes gilt jedoch hinsichtlich der Feststellungsziele 11 b und 11 b „äußerst hilfsweise“. Es ist - jedenfalls derzeit - nicht öffentlich bekanntzumachen.
Das Feststellungsziel 11 a zielt darauf ab, feststellen zu lassen, dass etwaige Schadensersatzansprüche nicht deshalb entfallen, weil Verbraucher, die ein betroffenes Fahrzeug (ohne Softwareupdate) erworben haben, das Softwareupdate haben durchführen lassen - etwa weil das Softwareupdate als erfolgreiche Nachbesserung zu bewerten sei. Dabei spielt es nach der Formulierung des Feststellungsziels keine Rolle, ob es sich bei diesen Verbrauchern um Erst- oder Zweiteigentümer des jeweils betroffenen Fahrzeugs handelt; entscheidend ist, dass die Verbraucher jeweils bei einem Fahrzeug ohne Softwareupdate ein solches haben durchführen lassen. Diese Konstellation trifft auf 51 der 76 vom Musterkläger benannten Verbraucher zu. Insoweit liegen Angaben und Nachweise in ausreichender Anzahl vor.
Dies gilt jedoch nicht für die Feststellungsziele 11 b und 11 b „äußerst hilfsweise“. Diese zielen darauf ab, feststellen zu lassen, dass etwaige Schadensersatzansprüche von Verbrauchern, die ein Fahrzeug erworben haben, auf dem das Softwareupdate bereits installiert war, nicht entfallen.
In allen 29 Fällen, in denen der Musterkläger den Zeitpunkt des Softwareupdates dargelegt hat, liegt der Erwerbszeitpunkt (meist Jahre) vor dem Zeitpunkt des Softwareupdates. In den 22 Fällen, in denen nur dargelegt ist, dass das Softwareupdate durchgeführt worden ist, fehlt es an der Darlegung des Zeitpunkts, um beurteilen zu können, ob das Update vor dem Erwerb durchgeführt worden ist. Zudem betreffen von den genannten 22 Fällen (Update ohne Datumsnennung) nur zwei Fälle solche Fahrzeuge, die im Jahr 2015 erworben worden sind. Fälle von Fahrzeugen, die nach dem Jahr 2015 erworben worden sind, sind nicht dargelegt. Es ist aber allgemein bekannt, dass Rückrufe und Softwareupdates erst nach Bekanntwerden des „VW-Abgasskandals“ im September 2015 stattgefunden haben, so dass zuvor erworbene Fahrzeuge beim Erwerb noch kein solches Softwareupdate erhalten gehabt haben können. Insoweit fehlen Angaben und Nachweise dazu, dass mindestens zehn Verbraucher betroffen sind, die ein Fahrzeug erworben haben, auf dem bereits ein von der Musterbeklagten angebotenes Softwareupdate installiert war.
3. Die Tatsache, dass nicht bezüglich aller Feststellungsziele die Voraussetzungen des § 607 Abs. 2 ZPO für die öffentliche Bekanntmachung vorliegen, steht einer Teilbekanntmachung der übrigen Feststellungsziele jedenfalls dann nicht entgegen, wenn - wie hier - lediglich hilfsweise beantragte Feststellungsziele betroffen sind und die übrigen Feststellungsziele auch ohne diese Hilfs-Feststellungsziele verständlich und einer Entscheidung zugänglich sind.
4. Die Klageschrift enthält auf Seite 45 f. unter Ziffer III eine kurze Darstellung des vorgetragenen Lebenssachverhaltes für den Zweck der Bekanntmachung im Klageregister im Sinne des § 606 Abs. 2 Satz 2 ZPO; diese ist oben (Tenor, Buchstabe A Ziffer V) wörtlich wiedergegeben.
III.
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 1 ZPO. Ein Rechtsbehelf gegen die öffentliche Bekanntgabe - soweit sie erfolgt ist - besteht nicht (so auch Röthemeyer, Musterfeststellungsklage, § 607 ZPO, Rn. 10).