R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
Wirtschaftsrecht
25.07.2024
Wirtschaftsrecht
BGH: Teakbäume in Costa Rica – Zum Widerrufsrecht eines in Deutschland wohnhaften Verbrauchers mit einem in der Schweiz ansässigen Unternehmen über Fernkommunikationsmittel ohne Widerrufsbelehrung

BGH, Urteil vom 15.5.2024 – VIII ZR 226/22

ECLI:DE:BGH:2024:150524UVIIIZR226.22.0

Volltext: BB-Online BBL2024-1730-1

unter www.betriebs-berater.de

 

Amtliche Leitsätze

a) Zum Verbrauchergerichtsstand nach Art. 15 Abs. 1 Buchst. c, Art. 16 Abs. 1 Alt. 2 Lugano-Übk II (im Anschluss an EuGH, Urteil vom 7. Dezember 2010 – C-585/08 und C-144/09, NJW 2011, 505 Rn. 75 f., 92 – Pammer und Hotel Alpenhof; BGH, Urteile vom 28. Februar 2012 – XI ZR 9/11, NJW 2012, 1817 Rn. 39; vom 15. Januar 2015 – I ZR 88/14, NJW 2015, 2339 Rn. 14; vom 9. Februar 2017 ­ IX ZR 9/16, NJW 2017, 123 Rn. 12 ff.).

b) Die Länge der in der Ausnahmevorschrift des § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB aF genannten Widerrufsfrist zur Beurteilung des Vorliegens eines möglichen Spekulationsgeschäfts richtet sich nach dem vom Gesetz für den Regelfall der ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung vorgesehenen Widerrufsfrist von 14 Tagen (§ 355 Abs. 2 Satz 1 BGB aF); das gilt auch dann, wenn der Verbraucher im konkreten Fall nicht ordnungsgemäß belehrt wurde und den Vertrag deshalb länger widerrufen kann.

c) Der Begriff der Finanzdienstleistung in § 312b Abs. 1 Satz 2 BGB aF ist nicht einschränkend dahingehend auszulegen, dass eine Geldanlage nur vorliegt, wenn Anlageobjekt ausschließlich Finanzinstrumente sind.

d) Jedenfalls in Fällen eines sogenannten Teakinvestments, in denen der Verbraucher den Sachwert der von ihm erworbenen, in Costa Rica belegenen Bäume bei lebensnaher Betrachtung ohne die vom Unternehmer angebotenen Dienstleistungen nicht realisieren kann und der Unternehmer ein Konzept verfolgt, das einem Sachwertefonds ähnelt, liegen hinreichende, über den reinen Verkauf von Sachgütern zu Anlagezwecken hinausgehende Umstände vor, welche die Annahme einer Finanzdienstleistung im Sinne des § 312b Abs. 1 Satz 2 BGB aF rechtfertigen.

 

Sachverhalt

Die Beklagte, ein in der Schweiz ansässiges Unternehmen, bot über ihre Internet-Homepage Interessenten den Ankauf von Teakbäumen auf Plantagen in Costa Rica an, um nach Jahren mit dem Verkauf des Holzes dieser Bäume eine Rendite zu erzielen. Zusätzlich offerierte die Beklagte ihren Kunden, die erworbenen Bäume während der Laufzeit des Vertrages zu bewirtschaften, zu verwalten, zu schlagen, auszuforsten, zu ernten und zu verkaufen. Das Gesamtprodukt bewarb die Beklagte durch eine zum Download bereitgestellte Informationsbroschüre mit dem Titel "Teakinvestment - Das natürliche Kraftpaket für ihr Portfolio".

Der in Deutschland wohnhafte Kläger schloss in den Jahren 2010 und 2013 mit der Beklagten über Fernkommunikationsmittel jeweils einen "Kauf- und Dienstleistungsvertrag" über 800 beziehungsweise 600 Teakbäume für 37.200 € beziehungsweise 44.000 €; die Laufzeit betrug im ersten Fall 17, im zweiten Fall 14 Jahre. Eine Belehrung des Klägers über etwaige Widerrufsrechte erfolgte nicht.

Die Verträge enthalten einen Hinweis auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten. Deren Ziffer 27.1 lautet:

"Das Vertragswerk untersteht Schweizerischem Recht. Streitigkeiten aus dem Vertragswerk unterstehen einzig der ordentlichen Gerichtsbarkeit am Sitz [der Beklagten] in der Schweiz. Die Anwendung des Wiener Kaufrechts wird ausdrücklich ausgeschlossen."

Jedenfalls mit der Klageschrift vom 10. August 2020 hat der Kläger seine auf die beiden Vertragsabschlüsse gerichteten Willenserklärungen widerrufen und die Rückzahlung der jeweiligen Entgelte abzüglich der bereits erhaltenen Holzerlöse in Höhe von 1.604,86 € beziehungsweise 2.467,07 € nebst Zinsen, insgesamt 35.595,14 € beziehungsweise 41.532,93 €, Zug um Zug gegen Abtretung sämtlicher Rechte aus den "Kauf- und Dienstleistungsverträgen", die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten und die Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen begehrt.

Das Landgericht hat der Klage mit Ausnahme der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Aus den Gründen

7          Die Revision hat keinen Erfolg.

 

I.

8          Das Berufungsgericht (Urteil vom 22. September 2022 - 24 U 2/22, juris) hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt:

 

9          Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte folge aus Art. 15 Abs. 1 Buchst. c, Art. 16 Abs. 1 Alt. 2 LugÜ II. Der Kläger habe in Bezug auf die zwischen den Parteien geschlossenen Kauf- und Dienstleistungsverträge als Verbraucher gehandelt. Die Beklagte habe ihre gewerbliche Tätigkeit auf die Bundesrepublik Deutschland ausgerichtet, das heißt vor Vertragsschluss ihren Willen zum Ausdruck gebracht, Geschäftsbeziehungen zu Verbrauchern eines oder mehrerer anderer Mitgliedstaaten, darunter des Wohnsitzmitgliedstaats des Verbrauchers herzustellen. Zwar sei die Verwendung der deutschen Sprache auf der Internetseite und in den Verträgen für ein in der deutschsprachigen Schweiz ansässiges Unternehmen für sich genommen noch kein entsprechendes Indiz. Vorliegend habe die Beklagte ihre Leistungen jedoch unter einer internationalen Domäne (.com) im Internet angeboten, habe "im übermittelten Kaufvertrag" Kaufpreiszahlungen in Euro gestattet und für die zu leistenden Zahlungen eine Kontoverbindung in Deutschland angegeben. Letztlich spreche der Hinweis der Beklagten auf dem Kauf- und Dienstleistungsvertragsformular, dass für jeden verkauften Baum 10 €/ct (nicht Schweizer Franken) an UNICEF gespendet werde, dafür, dass die Beklagte eine Vielzahl ihrer Kunden in Deutschland gesucht habe. Soweit Ziffer 27 der AGB der Beklagten die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte am Sitz der Beklagten in der Schweiz vorsehe, sei dies nach Art. 17 LugÜ II unwirksam.

 

10        Die Kauf- und Dienstleistungsverträge unterlägen nach Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO deutschem Recht. Der dort verwendete Begriff des Ausrichtens sei ebenso zu verstehen wie bei Art. 15 Abs. 1 Buchst. c LugÜ II.

 

11        Die Anwendbarkeit von Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO sei nicht nach Art. 6 Abs. 4 Rom I-VO ausgeschlossen.

 

12        Die Parteien hätten auch nicht - wie in Ziffer 27 der AGB der Beklagten geschehen - eine von Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO abweichende Rechtswahl treffen können. Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Rom I-VO dürfe eine Rechtswahl nicht dazu führen, dass dem Verbraucher der Schutz entzogen werde, den ihm das nach Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO anzuwendende Recht zwingend gewähre. Vorliegend habe die Anwendbarkeit Schweizer materiellen Rechts zur Folge, dass der Kläger das dem Verbraucherschutz dienende Widerrufsrecht für Fernabsatzverträge verlöre, von dem nach deutschem Recht nur zugunsten des Verbrauchers abgewichen werden dürfe.

 

13        Dem Kläger stehe nach §§ 355, 312b, 312d Abs. 1 Satz 1 BGB aF ein Widerrufsrecht zu, welches er wirksam ausgeübt habe.

 

14        Das Widerrufsrecht sei insbesondere nicht nach § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB aF ausgeschlossen, der verhindern solle, dass der Verbraucher risikolos auf Kosten des Unternehmers spekuliere. Vorliegend gehe es um eine langfristige Investition, der nur mittelbar ein spekulativer Charakter zukomme.

 

15        Das Widerrufsrecht sei zum Zeitpunkt der Ausübung in der Klageschrift auch noch nicht erloschen gewesen. Die - grundsätzlich nur 14 Tage betragende - Widerrufsfrist beginne gemäß § 355 BGB aF erst bei einer ordnungsgemäßen Belehrung des Verbrauchers über sein Widerrufsrecht zu laufen. Hieran fehle es vorliegend, weshalb auch § 355 Abs. 4 Satz 1 BGB aF nicht zur Anwendung komme (§ 355 Abs. 4 Satz 3 BGB aF).

 

16        Das Widerrufsrecht sei ferner nicht nach Art. 229 § 32 Abs. 2 EGBGB erloschen gewesen, der gemäß Art. 229 § 32 Abs. 4 Satz 1 EGBGB auf Verträge über Finanzdienstleistungen nicht anwendbar sei. Bei den streitgegenständlichen Verträgen handele es sich indes um Verträge über Finanzdienstleistungen.

 

17        Unter Finanzdienstleistungen im Sinne der vorgenannten Vorschrift seien Vertragsverhältnisse über Bankdienstleistungen sowie Dienstleistungen im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung, Versicherung, Altersversorgung von Einzelpersonen, Geldanlage oder Zahlung zu verstehen (§ 312b Abs. 1 Satz 2 BGB aF). Soweit das OLG Koblenz in seiner Entscheidung vom 8. Oktober 2020 (6 U 1582/19) der Auffassung sei, aus der Entstehungsgeschichte von Art. 2 Buchst. b der Finanzdienstleistungsfernabsatz-Richtlinie - den der deutsche Gesetzgeber mit seiner Legaldefinition übernommen habe - ergebe sich, dass nach dem Willen des Unionsgesetzgebers als Anlageobjekt einer Geldanlage ausschließlich Finanzinstrumente erfasst seien, überzeuge dies nicht. Zwar habe der erste Vorschlag der Kommission beziehungsweise deren als Anhang beigefügte Auflistung lediglich Finanzinstrumente benannt. Im weiteren Gesetzgebungsverfahren sei die Liste mit den klassischen Finanzdienstleistungen jedoch durch die wesentlich weitere Definition ersetzt worden. Dem "Käufer" gehe es bei Abschluss der hier in Rede stehenden Kauf- und Dienstleistungsverträge allein darum, mit seinem gezahlten Kapital eine Rendite zu erzielen.

 

18        Schließlich seien auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Kläger sein Widerrufsrecht verwirkt haben könne. Der Einwand der Beklagten, der Kläger habe bereits im Jahr 2010 Kenntnis von der "konkreten Sachlage" gehabt, bleibe ohne Erfolg.

 

II.

19        Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand; die Revision ist daher zurückzuweisen. Die vorsorglich eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist gegenstandslos, weil das Berufungsgericht die Revision unbeschränkt zugelassen hat.

 

20        Das Berufungsgericht hat zu Recht einen Anspruch des Klägers auf Rückzahlung der von ihm gezahlten Entgelte unter Abzug bereits erhaltener Erlöse, Zug um Zug gegen Rückübertragung der Rechte aus den Kauf- und Dienstleistungsverträgen, aus § 312b Abs. 1 Satz 1, § 312d Abs. 1 Satz 1, § 355 Abs. 1, § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB in der Fassung vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung vom 20. September 2013 (BGBl. I S. 3642; im Folgenden: aF) in Verbindung mit § 346 Abs. 1, § 348 Satz 1 BGB bejaht und das landgerichtliche Urteil auch insoweit nicht beanstandet, als dieses dem Kläger Rechtshängigkeitszinsen zugesprochen und den Annahmeverzug der Beklagten festgestellt hat.

 

21        1. Zutreffend hat das Berufungsgericht zunächst die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte bejaht. Die in jeder Lage des Verfahrens und damit auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfende (BGH, Urteile vom 14. Juli 2022 - I ZR 121/21, GRUR 2022, 1675 Rn. 29; vom 2. März 2010 - VI ZR 23/09, BGHZ 184, 313 Rn. 7 mwN) - und hier von der Revision auch gerügte - internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte folgt aus Art. 15 Abs. 1 Buchst. c, Art. 16 Abs. 1 Alt. 2 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, geschlossen in Lugano am 30. Oktober 2007 (ABl. L 339 S. 3; im Folgenden: LugÜ II). Danach kann ein Verbraucher eine Klage vor den Gerichten des Vertragsstaates erheben, in dessen Hoheitsgebiet er seinen Wohnsitz hat, wenn der andere Vertragspartner im Wohnsitzstaat des Verbrauchers eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf irgendeinem Wege auf diesen Staat ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt.

 

22        a) Das LugÜ II ist nach seinen Art. 63 Abs. 1, Art. 64 Abs. 2 Buchst. a, Art. 60 Abs. 1 Buchst. a vorliegend anwendbar, da die Klage im Februar 2021 und damit nach dem Inkrafttreten des LugÜ II sowohl für die Europäische Union (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 14/11, WM 2012, 852 Rn. 15) als auch für die Schweizerische Eidgenossenschaft (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Mai 2020 - XI ZR 371/18, WM 2020, 1305 Rn. 7; EuGH, C-467/16, FamRZ 2018, 286 Rn. 37 - Schlömp; C-296/20, WM 2021, 2140 Rn. 31 - Commerzbank AG) erhoben worden ist und die Beklagte in diesem Zeitpunkt ihren Sitz in der Schweiz gehabt hat.

 

23        b) Für die Auslegung des LugÜ II gelten dieselben Auslegungsgrundsätze wie für die Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. L 12 S. 1; im Folgenden: Brüssel I-VO), da sich die Unterzeichnerstaaten zu einer möglichst einheitlichen Auslegung der Bestimmungen verpflichtet haben (vgl. Art. 1 Protokoll 2 nach Art. 75 LugÜ II über die einheitliche Auslegung des Übereinkommens und den ständigen Ausschuss; BGH, Urteil vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 14/11, WM 2012, 852 Rn. 17; zu Art. 15 Abs. 1 Buchst. c LugÜ II vgl. auch BGH, Urteil vom 9. Februar 2017 - IX ZR 9/16, IPRax 2020, 442 Rn. 13). Dabei ist zu beachten, dass die im Übereinkommen verwendeten Begriffe grundsätzlich autonom auszulegen sind, um die einheitliche Anwendung des Übereinkommens in allen Vertragsstaaten zu gewährleisten (BGH, Urteil vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 14/11, aaO mwN).

 

24        c) Verbraucher im Sinne des Art. 15 Abs. 1 LugÜ II ist jede natürliche Person, die den konkreten Vertrag ohne Bezug zu einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit oder Zielsetzung und unabhängig von einer solchen allein zu dem Zweck schließt, ihren Eigenbedarf beim privaten Verbrauch zu decken (vgl. zu Art. 15 bis 17 Brüssel I-VO EuGH, C-774/19, IPRax 2022, 499 Rn. 28 ff. - Personal Exchange International; C-498/16, NJW 2018, 1003 Rn. 29 ff. - Schrems). Auf die Höhe von nicht im Rahmen einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit erfolgten Geldanlagen kommt es dabei nicht an (vgl. EuGH, C-694/17, juris Rn. 42 f. - Pillar Securitisation). Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei und von der Revision nicht angegriffen davon ausgegangen, dass der Kläger mit der von ihm vorgenommenen Kapitalanlage vorliegend als Verbraucher gehandelt hat.

 

25        d) Das Berufungsgericht hat entgegen der Ansicht der Revision auch zu Recht angenommen, dass die Beklagte ihre gewerbliche Tätigkeit im Sinne des Art. 15 Abs. 1 Buchst. c LugÜ II auf die Bundesrepublik Deutschland ausgerichtet hat.

 

26        aa) Entscheidend hierfür ist, dass der Gewerbetreibende bereits vor dem eigentlichen Vertragsschluss seinen Willen zum Ausdruck gebracht hat, Geschäftsbeziehungen zu Verbrauchern eines Mitgliedstaats oder mehrerer anderer Mitgliedstaaten, darunter des Wohnsitzmitgliedstaats des Verbrauchers herzustellen. Deshalb ist im Fall eines Vertrags zwischen einem Gewerbetreibenden und einem bestimmten Verbraucher zu ermitteln, ob vor dem Vertragsschluss mit diesem Verbraucher Anhaltspunkte dafür vorgelegen haben, dass der Gewerbetreibende Geschäfte mit Verbrauchern in dem Wohnsitzstaat des betreffenden Verbrauchers tätigen wollte (vgl. zu Art. 15 Abs. 1 Buchst. c Brüssel I-VO EuGH, C-585/08 und C-144/09, NJW 2011, 505 Rn. 75 f., 92 - Pammer und Hotel Alpenhof; BGH, Urteile vom 28. Februar 2012 - XI ZR 9/11, NJW 2012, 1817 Rn. 39; vom 15. Januar 2015 - I ZR 88/14, NJW 2015, 2339 Rn. 14; zur Übertragung auf Art. 15 Abs. 1 Buchst. c LugÜ II BGH, Urteil vom 9. Februar 2017 - IX ZR 9/16, IPRax 2020, 442 Rn. 12 ff.).

 

27        bb) Das Berufungsgericht ist zutreffend von diesen rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen und hat ihr Vorliegen in revisionsgerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer tatrichterlicher Würdigung des Sachverhalts (vgl. zu Art. 15 Abs. 1 Buchst. c Brüssel I-VO BGH, Urteile vom 15. Januar 2015 - I ZR 88/14, aaO Rn. 22; vom 10. März 2016 - III ZR 255/12, NJW 2016, 2888 Rn. 16; zu Art. 15 Abs. 1 Buchst. c LugÜ II BGH, Urteil vom 9. Februar 2017 - IX ZR 9/16, aaO Rn. 15 f.) rechtsfehlerfrei festgestellt. Dabei hat es nicht nur den Umstand berücksichtigt, dass die Beklagte im Internet unter der internationalen Domäne ".com" aufgetreten ist (vgl. zu diesem Kriterium im Rahmen des Art. 15 Abs. 1 Buchst. c Brüssel I-VO EuGH, C-585/08 und C-144/09, aaO Rn. 83 - Pammer und Hotel Alpenhof; zu Art. 15 Abs. 1 Buchst. c LugÜ II BGH, Urteil vom 9. Februar 2017 - IX ZR 9/16, aaO Rn. 24), sondern auch auf weitere Indizien abgestellt, die sich aus den von ihm in Bezug genommenen Anlagen K 2 und K 7 ergeben, so auf die dort erfolgte Angabe des Kaufpreises in Euro und den aufgedruckten Hinweis, dass die Beklagte für jeden verkauften Baum "10 €/ct" an UNICEF spenden werde (zur Maßgeblichkeit der Währung im Rahmen des Art. 15 Abs. 1 Buchst. c Brüssel I-VO vgl. EuGH, C-585/08 und C-144/09, aaO Rn. 84 - Pammer und Hotel Alpenhof; BGH, Urteile vom 15. Januar 2015 - I ZR 88/14, aaO Rn. 15; vom 10. März 2016 - III ZR 255/12, aaO Rn. 17). Ferner hat es in seine Würdigung einbezogen, dass in den von der Beklagten übersandten Rechnungen für die zu leistenden Zahlungen eine Kontoverbindung in Deutschland angegeben sei.

 

28        (1) Die Revision meint, aus der vom Berufungsgericht verwendeten Formulierung, "im übermittelten Kaufvertrag" seien Kaufpreiszahlungen in Euro angegeben worden, ergebe sich, dass nach der Auffassung des Berufungsgerichts der Vertrag im Zeitpunkt der Übersendung der Anlagen K 2 und K 7 jeweils bereits geschlossen gewesen sei, weswegen das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft Umstände herangezogen habe, welche nicht bereits vor dem Vertragsschluss vorgelegen hätten.

 

29        Dies trifft nicht zu. Bereits die tatbestandliche - und von der Beklagten nicht mit einem Tatbestandsberichtigungsantrag angegriffene - Feststellung des Berufungsgerichts, bei den Anlagen K 2 und K 7 handele es sich um die "Vertragsdokumente", sowie der der beanstandeten Formulierung nachfolgende Satz, in dem die Anlagen K 2 und K 7 als "Kauf- und Dienstleistungsvertragsformular" beschrieben werden, belegen, dass das Berufungsgericht die genannten Anlagen nicht als nachträgliche Bestätigungen bereits vorher anderweitig geschlossener Verträge angesehen hat, sondern als die - ausweislich der Datumsangaben jeweils sukzessive zunächst als Angebot von der Beklagten in der Schweiz und dann als Annahme vom Kläger in Deutschland unterschriebenen - Vertragsurkunden. Deshalb war das von der Beklagten dem Kläger zum Zwecke der Unterschrift nach Deutschland übersandte Vertragsformular als zunächst bloßes Angebot Ausdruck des bei der Beklagten bereits vor dem Vertragsschluss vorhandenen Willens.

 

30        Gleiches gilt, soweit das Berufungsgericht auf die in den Rechnungen der Beklagten erfolgte Angabe einer deutschen Kontoverbindung für die "zu leistenden Zahlungen" abgestellt hat. Anders als die Revision meint, ist davon auszugehen, dass im Zeitpunkt der Ausstellung der Rechnungen die Verträge noch nicht abgeschlossen waren. Das Berufungsgericht hat vielmehr ersichtlich angenommen, dass diese - von der Beklagten datumsgleich mit den vorgenannten Kauf- und Dienstleistungsvertragsformularen unterschriebenen - Rechnungen im Vorfeld der den Vertragsabschluss begründenden Unterschriften des Klägers zur Vermeidung weiterer Versandvorgänge und zur Beschleunigung der Abwicklung an diesen übersandt worden sind.

 

31        (2) Die von der Revision hinsichtlich der Annahme des Berufungsgerichts, bei den Anlagen K 2 und K 7 sowie den Rechnungen handele es sich um vor dem Vertragsschluss ausgestellte Dokumente, hilfsweise erhobenen Verfahrensrügen nach § 286 ZPO beziehungsweise Art. 103 Abs. 1 GG hat der Senat geprüft und nicht für durchgreifend erachtet. Von einer näheren Begründung wird gemäß § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.

 

32        e) Ebenfalls zu Recht hat das Berufungsgericht ausgeführt, die Anwendung von Art. 15 Abs. 1 Buchst. c, Art. 16 Abs. 1 Alt. 2 LugÜ II sei vorliegend nicht dadurch ausgeschlossen, dass nach Ziffer 27 der AGB der Beklagten, von deren Einbeziehung in die geschlossenen Verträge das Berufungsgericht unausgesprochen und von den Parteien nicht angegriffen ausgegangen ist, "Streitigkeiten aus dem Vertragswerk […] einzig der ordentlichen Gerichtsbarkeit am Sitz [der Beklagten] in der Schweiz" unterliegen. Denn gemäß Art. 17 LugÜ II kann von den Vorschriften über die Zuständigkeit bei Verbrauchersachen im Wege der Vereinbarung nur abgewichen werden, wenn die Vereinbarung nach der Entstehung der Streitigkeit getroffen wird, dem Verbraucher eine weitere Klagemöglichkeit eröffnet wird oder die Gerichte des Staates für zuständig erklärt werden, in dem beide Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, sofern das Recht dieses Staates eine solche Vereinbarung zulässt. Keine der genannten Fallkonstellationen ist vorliegend gegeben.

 

33        2. Das Berufungsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass auf den vorliegenden Fall deutsches Recht unter Ausschluss des Übereinkommens der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf vom 11. April 1980 (BGBl. 1989 II S. 588; im Folgenden: CISG) anzuwenden ist.

 

34        a) Zutreffend ist das Berufungsgericht - unausgesprochen - davon ausgegangen, dass das nach Art. 25 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (ABl. L 177 S. 6; im Folgenden: Rom I-VO) gegenüber dieser Verordnung vorrangige CISG vorliegend nicht anwendbar ist. Dabei kann dahinstehen, ob die Vorschriften des CISG auf die hier abgeschlossenen Verträge im Hinblick auf die von der Beklagten geschuldeten Dienstleistungen überhaupt zur Anwendung kommen (Art. 3 Abs. 2 CISG; vgl. hierzu BGH, Urteil vom 7. Dezember 2017 - VII ZR 101/14, BGHZ 217, 103 Rn. 43 f.) oder ob ein Verbrauchergeschäft im Sinne des Art. 2 Buchst. a CISG vorliegt (Magnus, IHR 2021, 133, 140). Denn die Parteien haben jedenfalls in Ziffer 27 der AGB die Anwendung des CISG wirksam ausgeschlossen (Art. 6 CISG, vgl. hierzu BeckOGK-CISG/Wagner, Stand: 1. Mai 2024, Art. 6 Rn. 9; Ferrari in Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Kommentar zum UN-Kaufrecht (CISG), 7. Aufl., Art. 6 Rn. 17; BeckOK-BGB/Saenger, Stand: 1. Februar 2024, Art. 6 CISG Rn. 2).

 

35        b) Die streitgegenständlichen Verträge unterliegen gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. b Rom I-VO, welche nach Art. 2 dieser Verordnung universell anwendbar ist, dem materiellen deutschen Recht. Die Auslegung des auch an dieser Stelle maßgeblichen Kriteriums, dass die Beklagte ihre Tätigkeit auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ausgerichtet hat, orientiert sich nach dem Erwägungsgrund 24 der Verordnung, welcher das allgemeine Kohärenzgebot des Erwägungsgrundes 7 der Verordnung konkretisiert, an dem Begriffsverständnis des Art. 15 Brüssel I-VO (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 14. September 2018 - 5 U 98/17, juris Rn. 124 f.; Staudinger/Magnus, BGB, Neubearb. 2021, ROM I Art. 6 Rn. 37; Erman/Stürner, BGB, 17. Aufl., Art. 6 EGV 593/2008 Rn. 27; jurisPK-BGB/Limbach, Stand: 1. Juli 2023, Art. 6 Rom I-VO Rn. 49; Hüßtege/Mansel/Leible, BGB, Rom-Verordnungen - EuErbVO - HUP, 3. Aufl., Art. 6 Rom I-VO Rn. 53), welcher seinerseits Art. 15 LugÜ II entspricht. Das Berufungsgericht hat demnach zu Recht an dieser Stelle auf seine Ausführungen zu Art. 15 Abs.  1 Buchst. c LugÜ II verwiesen. Für die von der Revision im Hinblick auf die Annahme des Ausrichtens der Tätigkeit der Beklagten auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erhobenen Rügen gelten die obigen Ausführungen entsprechend.

 

36        c) Der Anwendbarkeit von Art. 6 Abs. 1 Buchst. b Rom I-VO steht - wie das Berufungsgericht zutreffend und von der Revision unbeanstandet erkannt hat - eine der in Art. 6 Abs. 4 Rom I-VO enthaltenen Ausnahmebestimmungen nicht entgegen.

 

37        aa) Dies gilt zunächst für Art. 6 Abs. 4 Buchst. a Rom I-VO. Danach gilt Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO nicht für Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen, wenn die dem Verbraucher geschuldeten Dienstleistungen ausschließlich in einem anderen als dem Staat erbracht werden müssen, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

 

38        Es kann an dieser Stelle dahinstehen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die Ausnahmevorschrift auf typengemischte Verträge, die sich nicht auf die Erbringung von Dienstleistungen beschränken, sondern - wie vorliegend - auch andere geschuldete Leistungen umfassen, anwendbar ist (vgl. hierzu Staudinger/Magnus, BGB, aaO Rn. 71; BeckOGK-Rom I-VO/Rühl, Stand: 1. Februar 2023, Art. 6 Rn. 123; MünchKommBGB/Martiny, 8. Aufl., Art. 6 Rom I-VO Rn. 25).

 

39        Die Anwendung der Ausnahmevorschrift scheitert hier jedenfalls daran, dass die dem Verbraucher geschuldeten Dienstleistungen nicht ausschließlich außerhalb seines Aufenthaltsstaates erbracht werden. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (im Folgenden: Gerichtshof) ist in den Fällen, in denen der Ort der körperlichen Erbringung der Dienstleistung in einem anderen Staat als in demjenigen liegt, in welchem der Verbraucher in ihren Genuss kommt, davon auszugehen, dass Dienstleistungen nur dann ausschließlich außerhalb des Mitgliedstaats erbracht werden, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn er keine Möglichkeit hat, sie in seinem Aufenthaltsstaat in Anspruch zu nehmen, und sich zu diesem Zweck ins Ausland begeben muss (EuGH, C-272/18, WM 2019, 2258 Rn. 52 - Verein für Konsumenteninformation / TVP). Das Berufungsgericht hat in Anwendung der vom Gerichtshof aufgestellten Kriterien, die gegen eine Ausschließlichkeit im vorgenannten Sinne sprechen (EuGH, C-272/18, aaO Rn. 53 - Verein für Konsumenteninformation / TVP), und von der Revision nicht angegriffen darauf abgestellt, dass die Beklagte nach Ziffer 12.3 der AGB jährliche Berichte über die Aktivitäten auf den Plantagen sowie gemäß Ziffer 12.1 der AGB nach jeder kommerziellen Ausforstung eine detaillierte Auflistung über die Anzahl der ausgeforsteten Bäume, das daraus resultierende Holzvolumen, die Höhe des erzielten Bruttoverkaufspreises und die Ausbezahlung an den Kunden schuldet und dass diese Leistungen am Wohnort des Klägers in Deutschland erbracht werden.

 

40        bb) Auch Art. 6 Abs. 4 Buchst. c Rom I-VO ist im Streitfall nicht einschlägig. Danach gilt Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO (grundsätzlich) nicht für Verträge, die ein dingliches Recht an unbeweglichen Sachen oder die Miete oder Pacht unbeweglicher Sachen zum Gegenstand haben. Der Gerichtshof hat mit Urteil vom 10. Februar 2022 entschieden, dass Verträge über Bäume, die auf einem Grundstück - wie vorliegend vom Berufungsgericht unangegriffen festgestellt - ausschließlich mit dem Ziel gepflanzt wurden, sie zu ernten und das so gewonnene Holz zu verkaufen, nicht in den Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 4 Buchst. c Rom I-VO fallen (C-595/20, NJW 2022, 1157 Rn. 23 ff. - ShareWood Switzerland).

 

41        d) Die Anwendbarkeit des deutschen Rechts auf den vorliegenden Fall scheitert auch nicht an der von den Parteien in Ziffer 27 der AGB gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Rom I-VO getroffenen Wahl des Schweizer Rechts. Dabei kann dahinstehen, ob diese Rechtswahlklausel überhaupt wirksam ist, denn die Anwendbarkeit des deutschen Rechts auf sämtliche im vorliegenden Fall maßgeblichen rechtlichen Fragestellungen ergibt sich unter den hier gegebenen Umständen bereits aus dem in Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Rom I-VO verankerten Günstigkeitsprinzip.

 

42        aa) Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Rom I-VO können die Parteien das auf einen die Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO erfüllenden Vertrag anzuwendende Recht nach Art. 3 Rom I-VO wählen, wobei nach Art. 3 Abs. 1 Rom I-VO die Rechtswahl ausdrücklich erfolgen oder sich eindeutig aus den Bestimmungen des Vertrags oder aus den Umständen des Falles ergeben muss. Die Rechtswahl darf gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Rom I-VO jedoch nicht dazu führen, dass dem Verbraucher der Schutz entzogen wird, der ihm durch diejenigen Bestimmungen gewährt wird, von denen nach dem Recht, das nach Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO mangels einer Rechtswahl anzuwenden wäre, nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf (sog. Günstigkeitsprinzip; vgl. EuGH, C-595/20, NJW 2022, 1157 Rn. 15 f. - ShareWood Switzerland; C-632/21, NJW-RR 2023, 1473 Rn. 68, 71 - Diamond Resorts Europe u.a.; C-821/21, NJW 2024, 569 Rn. 70, 73 - Club La Costa u.a.).

 

43        bb) Es kann offenbleiben, ob die vorliegende Rechtswahlklausel, die den Verbraucher nicht darüber unterrichtet, dass er nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Rom I-VO jedenfalls den Schutz der zwingenden Bestimmungen des Rechts des Landes genießt, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, wirksam ist.

 

44        Der Gerichtshof hat Rechtswahlklauseln ohne die entsprechende Information des Verbrauchers mehrfach wegen Irreführung desselben als missbräuchlich im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. L 95 S. 29; Klauselrichtlinie) angesehen (EuGH, C-821/21, NJW 2024, 569 Rn. 70 ff. - Club La Costa u.a.; C-272/18, WM 2019, 2258 Rn. 58 f. - Verein für Konsumenteninformation / TVP, C-191/15, NJW 2016, 2727 Rn. 71 - Verein für Konsumenteninformation / Amazon EU).

 

45        Die Beurteilung der Wirksamkeit der vorliegenden Rechtswahlklausel hängt davon ab, ob Rechtswahlklauseln im Sinne des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Rom I-VO (zumindest) einer Transparenzkontrolle nach dem gewählten (hier: Schweizer) Recht unter Einbeziehung eines Günstigkeitsvergleichs mit der das Transparenzgebot - unter Einschluss des Verbots der irreführenden Darstellung oder Verschleierung der Rechtslage (vgl. Senatsurteile vom 5. Oktober 2005 - VIII ZR 382/04, NJW 2006, 211 Rn. 23; vom 27. September 2000 - VIII ZR 155/99, BGHZ 145, 203, 220 [zu § 9 Abs. 1 AGBGB aF]) - im deutschen Recht enthaltenden Norm des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unterliegen (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juli 2012 - I ZR 40/11, GRUR 2013, 421 Rn. 33 ff.; OLG Naumburg, BeckRS 2021, 35435 Rn. 70 f.; OLG Hamm, Urteil vom 29. Juni 2021 - 34 U 128/20, juris Rn. 60 f.; Staudinger in Ferrari/Kieninger/Mankowski, Internationales Vertragsrecht, 3. Aufl., Art. 6 VO (EG) 593/2008 Rn. 74d; Roth, IPRax 2013, 515, 522 f.; kritisch Staudinger/Hausmann, BGB, Neubearb. 2021, ROM I Art. 10 Rn. 98 ff.; MünchKommBGB/Spellenberg, 8. Aufl., Art. 10 Rom I-VO Rn. 198, 205; Rauscher/Freitag, Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht, Stand: 1/2023, Art. 10 Rom I-VO Rn. 21 f., 28; Pfeiffer, LMK 2013, 343552) oder ob den Bestimmungen des Art. 6 Abs. 2 Satz 2, Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Rom I-VO ein autonomes, kollisionsrechtliches Transparenzgebot zu entnehmen ist (vgl. Kaufhold, EuZW 2016, 247, 250) oder ob insoweit Art. 23 Rom I-VO in Verbindung mit Art. 46b Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 1 EGBGB zur Anwendung kommt (vgl. BeckOGK-Rom I-VO/Weller, Stand: 1. September 2023, Art. 10 Rn. 60 f., 58).

 

46        cc) Diese Frage kann jedoch mangels Entscheidungserheblichkeit dahinstehen, denn selbst bei Wirksamkeit der Rechtswahlklausel ergibt sich über das Günstigkeitsprinzip nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Rom I-VO jedenfalls unter den hier gegebenen Umständen die Anwendung des deutschen Rechts auf alle maßgeblichen rechtlichen Fragestellungen des Falles.

 

47        Nach den - für das Revisionsgericht bindenden (vgl. Musielak/Voit/Ball, ZPO, 21. Aufl., § 545 Rn. 7 ff. mwN) - Ausführungen des Berufungsgerichts kennt das Schweizer Obligationenrecht kein Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen. Im Hinblick auf den halbzwingenden Charakter der - den Kern des Rechtsstreits bildenden - Vorschriften zum Widerrufsrecht für Verbraucher bei Fernabsatzverträgen nach deutschem Recht (§ 361 Abs. 2 Satz 1 BGB beziehungsweise - für den Zeitpunkt des Abschlusses der hier in Rede stehenden Verträge der beiden Parteien - § 312g Satz 1 BGB in der bis zum 3. August 2011 geltenden Fassung und § 312i Satz 1 BGB in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung) hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei die Voraussetzungen für die Anwendung des Günstigkeitsprinzips des Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Rom I-VO bejaht.

 

48        Dabei ist das Berufungsgericht - entgegen der Ansicht der Revision - auch zu Recht davon ausgegangen, dass das Günstigkeitsprinzip nicht nur zu einer isolierten Anwendung der deutschen Vorschriften zum Bestehen des Widerrufsrechts für Verbraucher bei Fernabsatzverträgen sowie zu Ausübung und Rechtsfolgen des Widerrufs führt, sondern sich die Anwendung deutschen Rechts auf den geltend gemachten Rückzahlungsanspruch insgesamt einschließlich der Annexfragen der Verzinsung dieses Anspruchs sowie der Feststellung des Verzugs der Beklagten mit der - ihr Zug um Zug zur Rückzahlung angebotenen - Annahme der Abtretung sämtlicher Rechte aus den Kauf- und Dienstleistungsverträgen erstreckt (vgl. Hüßtege/Mansel/Leible, BGB, Rom-Verordnungen - EuErbVO - HUP, 3. Aufl., Art. 6 Rom I-VO Rn. 71 f.; BeckOK-BGB/Spickhoff, Stand: 1. Februar 2024, Art. 6 VO (EG) 593/2008 Rn. 34; BeckOGK-Rom I-VO/Rühl, Stand: 1. Februar 2023, Art. 6 Rn. 263 f.).

 

49        3. Frei von Rechtsfehlern ist das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dem Kläger stehe infolge eines wirksamen Widerrufs ein Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Entgelte unter Abzug bereits erhaltener Erlöse, Zug um Zug gegen Rückübertragung der Rechte aus den Kauf- und Dienstleistungsverträgen, gemäß § 312b Abs. 1 Satz 1, § 312d Abs. 1 Satz 1, § 355 Abs. 1, § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB aF in Verbindung mit § 346 Abs. 1, § 348 Satz 1 BGB zu.

 

50        a) Auf das Vertragsverhältnis der Parteien finden gemäß Art. 229 § 32 Abs. 1 EGBGB die Vorschriften des BGB in der bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung (BGBl. I 2013 S. 3642) am 13. Juni 2014 geltenden Fassung Anwendung.

 

51        b) Nach § 312b Abs. 1 Satz 1 BGB aF sind Fernabsatzverträge Verträge über die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich Finanzdienstleistungen, die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen werden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt. Diese Voraussetzungen sind nach den von der Revision insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts erfüllt.

 

52        c) Nach § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB aF steht dem Verbraucher bei einem Fernabsatzvertrag grundsätzlich ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB zu. Ein Widerrufsrecht besteht gemäß § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB aF allerdings nicht bei Fernabsatzverträgen, welche die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Finanzdienstleistungen zum Gegenstand haben, deren Preis auf dem Finanzmarkt Schwankungen unterliegt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat und die innerhalb der Widerrufsfrist auftreten können (vgl. § 312g Abs. 2 Nr. 8 BGB). Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die zwischen den Parteien abgeschlossenen Verträge die Voraussetzungen des § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB aF nicht erfüllen (vgl. auch OLG Dresden, BeckRS 2021, 35451 Rn. 60 f. [5. Zivilsenat], und BeckRS 2021, 61968 Rn. 72 f. [8. Zivilsenat]; OLG Naumburg BeckRS 2021, 35435 Rn. 92 ff. [zu § 312g Abs. 2 Nr. 8 BGB]).

 

53        aa) Die vorbezeichnete Ausnahmevorschrift wurde durch das Gesetz zur Änderung der Vorschriften über Fernabsatzverträge und Finanzdienstleistungen vom 2. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3102) geschaffen. Sie sollte ausweislich der Gesetzesbegründung Art. 6 Abs. 2 Buchst. a der mit dem Gesetz umgesetzten Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG (ABl. L 271 S. 16, im Folgenden: Finanzdienstleistungsfernabsatzrichtlinie) entsprechen und den zuvor in der Annahme fehlender praktischer Relevanz nicht umgesetzten Art. 6 Abs. 3, 2. Spiegelstrich der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (ABl. L 144 S. 19; im Folgenden: Fernabsatzrichtlinie) aufgreifen (BT-Drucks. 15/2946, S. 22; BT-Drucks. 14/2658, S. 44; vgl. auch BT-Drucks. 17/12637, S. 56).

 

54        Hintergrund der Ausnahmebestimmung war (und ist), dass bei spekulativen Geschäften beide Vertragsparteien in gleicher Weise das Risiko tragen sollen, dass sich ihre Einschätzung als fehlerhaft erweist, wohingegen ein Widerrufsrecht dieses Risiko einseitig dem Unternehmer aufbürden würde. Demgegenüber sollte der Schutzzweck der Widerrufsvorschriften zurücktreten (BT-Drucks. 15/2946, S. 22; vgl. Senatsurteil vom 17. Juni 2015 - VIII ZR 249/14, NJW 2015, 2959 Rn. 25 mwN). Dementsprechend ist für die Anwendung des § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB aF maßgeblich, dass der spekulative Charakter den Kern des Geschäfts ausmacht (BGH, Urteile vom 27. November 2012 - XI ZR 439/11, BGHZ 195, 375 Rn. 25 und XI ZR 384/11, NJW 2013, 1223 Rn. 16; vom 17. Juni 2015 - VIII ZR 249/14, aaO).

 

55        bb) Vor diesem Hintergrund hat das Berufungsgericht zu Recht die Anwendung der Ausnahmevorschrift des § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB aF mit der Begründung abgelehnt, dass es vorliegend um eine langfristige Investition gehe, der nur mittelbar spekulativer Charakter zukomme. Die Geschäfte würden gerade nicht in Erwartung kurzfristiger Preissteigerungen auf dem Holzmarkt getätigt. Ob die Anlage zum Erfolg oder Misserfolg werde, sei damit grundsätzlich nicht innerhalb der üblicherweise andauernden Widerrufsfrist von 14 Tagen erkennbar, weshalb es an einer unmittelbaren Abhängigkeit vom Finanzmarkt und dessen Schwankungen fehle.

 

56        cc) Die Revision meint, im Rahmen der Prüfung des § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB aF könne nicht in jedem Fall auf die gesetzlich vorgesehene regelmäßige Widerrufsfrist von 14 Tagen abgestellt werden. Vielmehr sei die im jeweiligen Rechtsverhältnis tatsächlich bestehende und damit im Falle einer - wie hier - fehlenden Widerrufsbelehrung längere und bei Fernabsatzverträgen über Finanzdienstleistungen sogar unbegrenzt bestehende Widerrufsmöglichkeit heranzuziehen und deshalb von einem weitergehenden Anwendungsbereich der Vorschrift auszugehen.

 

57        Diese - soweit ersichtlich bislang weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur vertretene - Ansicht trifft nicht zu. Die Länge der Widerrufsfrist, innerhalb derer bei Preisschwankungen auf dem Finanzmarkt § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB aF eine Sonderregelung vorsieht, richtet sich allein nach der vom Gesetz in § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB aF für den Regelfall der ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung vorgesehenen Widerrufsfrist und beträgt damit auch im Fall einer unterbliebenen oder fehlerhaften Belehrung 14 Tage (vgl. BGH, Urteil vom 27. November 2012 - XI ZR 384/11, NJW 2013, 1223 Rn. 22). Es besteht entgegen der Auffassung der Revision kein Anlass, die Sache gemäß Art. 267 AEUV dem Gerichtshof zur Auslegung von Art. 6 Abs. 2 der Finanzdienstleistungsfernabsatzrichtlinie beziehungsweise Art. 6 Abs. 3, 2. Spiegelstrich der Fernabsatzrichtlinie vorzulegen. Die richtige Auslegung dieser Normen ist angesichts der Regelungssystematik sowie des Regelungszwecks der Richtlinien derart offenkundig zu beantworten, dass für vernünftige Zweifel kein Raum bleibt ("acte claire"; vgl. etwa EuGH, C-72/14 und C-197/14, juris Rn. 55 mwN - van Dijk u.a.; BGH, Urteile vom 21. August 2019 - VIII ZR 263/18, WM 2019, 2078 Rn. 49; vom 28. Juli 2020 - XI ZR 288/19, BGHZ 226, 310 Rn. 31; vom 24. Februar 2021 - VIII ZR 36/20, BGHZ 229, 59 Rn. 22).

 

58        (1) Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs sind Bestimmungen, die eine Ausnahme von einem allgemeinen Grundsatz, insbesondere von gemeinschaftsrechtlichen Verbraucherschutzvorschriften darstellen, eng auszulegen (st. Rspr.; vgl. nur EuGH, C-185/10, juris Rn. 31 - Kommission / Polen; C-34/13, WM 2015, 324 Rn. 77 - Kušionová; C-681/17, NJW 2019, 1507 Rn. 34 - slewo). Um eine solche Ausnahmevorschrift von einem dem Verbraucher zu seinem Schutz gewährten Widerrufsrecht handelt es sich aber bei Art. 6 Abs. 2 Buchst. a der Finanzdienstleistungsfernabsatzrichtlinie und Art. 6 Abs. 3, 2. Spiegelstrich der Fernabsatzrichtlinie beziehungsweise § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB aF (vgl. Senatsurteil vom 17. Juni 2015 - VIII ZR 249/14, NJW 2015, 2959 Rn. 23).

 

59        (2) Hinzu kommt, dass das Abstellen auf die im jeweiligen Rechtsverhältnis - abweichend von der bei ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung geltenden Widerrufsfrist - konkret bestehende Dauer der Widerrufsmöglichkeit zu einer ungerechtfertigten Privilegierung desjenigen Unternehmers führen würde, der den Verbraucher nicht oder fehlerhaft über ein diesem zustehendes Widerrufsrecht belehrt. Die auch als Sanktion für diesen Belehrungsverstoß wirkende Konsequenz, dass sich die Widerrufsfrist von 14 Tagen für den Verbraucher verlängert (§ 355 Abs. 2 Satz 3 BGB aF) beziehungsweise nicht zu laufen beginnt (§ 355 Abs. 3 Satz 1, § 355 Abs. 4 Satz 3 BGB aF), würde für den Unternehmer zugleich die Chance erhöhen, dass wegen Preisschwankungen in der Widerrufsfrist § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB aF zur Anwendung käme und dem Verbraucher damit kein Widerrufsrecht zustünde. Dies ist ersichtlich nicht gewollt.

 

60        d) Nach § 355 Abs. 1 Satz 1 BGB aF ist der Verbraucher an seine auf den Abschluss eines Vertrages gerichtete Willenserklärung nicht mehr gebunden, wenn er sie fristgerecht widerrufen hat. Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Widerrufsfrist vorliegend im Zeitpunkt des Widerrufs durch die Klageschrift vom 10. August 2020 noch nicht abgelaufen war, weil sie mangels Belehrung des Klägers über das ihm zustehende Widerrufsrecht nicht zu laufen begonnen hatte (§ 355 Abs. 3 Satz 1, § 360 Abs. 1 BGB aF und § 312d Abs. 2 Satz 1 BGB aF in Verbindung mit Art. 246 § 2 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2, § 1 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB aF).

 

61        e) Gegen die Annahme des Berufungsgerichts, dass das Widerrufsrecht des Klägers im Zeitpunkt der Ausübung des Widerrufs schon deshalb nicht gemäß § 355 Abs. 4 Satz 1 BGB aF erloschen war, weil der Kläger nicht entsprechend den Anforderungen des § 360 Abs. 1 BGB über sein Widerrufsrecht in Textform belehrt worden ist (§ 355 Abs. 4 Satz 3 BGB aF), erhebt die Revision weder Einwände noch sind solche ersichtlich.

 

62        f) Das Berufungsgericht hat auch frei von Rechtsfehlern die vorliegenden Verträge als Finanzdienstleistungsverträge im Sinne des § 312b Abs. 1 Satz 2 BGB aF qualifiziert und deshalb ein Erlöschen des Widerrufsrechts nach Art. 229 § 32 Abs. 2 EGBGB aufgrund des Absatzes 4 dieser Bestimmung verneint.

 

63        aa) Mit der durch das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung vom 20. September 2013 eingeführten Regelung des Art. 229 § 32 Abs. 2 EGBGB hat der Gesetzgeber das zuvor für Fernabsatzverträge bei Fehlen einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung gemäß § 355 Abs. 4 Satz 3 BGB aF grundsätzlich zeitlich unbegrenzt fortbestehende Widerrufsrecht zur Erzielung von Rechtssicherheit absolut zeitlich befristet (BT-Drucks. 17/12637, S. 72) und nur Fernabsatzverträge über Finanzdienstleistungen hiervon ausgenommen (BT-Drucks. 17/12637, S. 73 unter Hinweis auf Art. 6 Abs. 1 Satz 3 2. Spiegelstrich der Finanzdienstleistungsfernabsatzrichtlinie; vgl. § 356 Abs. 3 Satz 2 und 3 BGB).

 

64        bb) Finanzdienstleistungen im Zusammenhang mit den Vorschriften über Fernabsatzverträge sind nach der Legaldefinition des § 312b Abs. 1 Satz 2 BGB aF (§ 312 Abs. 5 Satz 1 BGB) Bankdienstleistungen sowie Dienstleistungen im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung, Versicherung, Altersversorgung von Einzelpersonen, Geldanlage oder Zahlung. Da der deutsche Gesetzgeber mit der Regelung die Definition des Art. 2 Buchst. b der Finanzdienstleistungsfernabsatzrichtlinie bewusst übernommen hat (BT-Drucks. 15/2946, S. 18), ist der Begriff der Finanzdienstleistung im Kontext des Fernabsatzrechts unabhängig von dem Begriffsverständnis anderer nationaler Gesetze (wie beispielsweise des KWG) entsprechend dem unionsrechtlichen Verständnis zu bestimmen (vgl. BT-Drucks. 15/2946, S. 15, 18).

 

65        cc) Das Berufungsgericht ist frei von Rechtsfehlern davon ausgegangen, dass der Begriff der Finanzdienstleistung im Sinne des § 312b Abs. 1 Satz 2 BGB aF nicht einschränkend dahingehend auszulegen ist, dass eine Geldanlage nur vorliegt, wenn Anlageobjekt ausschließlich Finanzinstrumente sind (vgl. auch OLG Dresden, BeckRS 2021, 35451 Rn. 64; OLG Hamm, Urteil vom 29. Juni 2021 - 34 U 128/20, juris Rn. 73 ff.; OLG Frankfurt am Main, Urteile vom 14. September 2021 - 9 U 89/20, juris Rn. 41, und 9 U 77/19, juris Rn. 38; OLG Naumburg, BeckRS 2021, 35435 Rn. 89 f. [zu § 312 Abs. 5 Satz 1 BGB]). Soweit der reine Verkauf von Sachgütern zum Zwecke der Geldanlage nicht ausreichen sollte, um eine Dienstleistung im Zusammenhang mit einer Geldanlage im Sinne des § 312b Abs. 1 Satz 2 BGB aF zu begründen, hat das Berufungsgericht jedenfalls im Ergebnis rechtsfehlerfrei aufgrund der vorliegend gegebenen besonderen, über einen reinen Verkauf hinausgehenden Umstände dennoch eine Finanzdienstleistung in der Form einer Geldanlage bejaht. Der von der Revision geforderten Vorlage an den Gerichtshof zur Vorabentscheidung gemäß Art. 267 AEUV bedarf es auch insoweit nicht ("acte claire", vgl. oben unter II 3 c cc).

 

66        (1) Die Revision meint im Anschluss an ein Urteil des OLG Koblenz (vom Oktober 2020 - 6 U 1582/19, juris Rn. 35) sowie Stimmen in der Literatur (MünchKommBGB/Wendehorst, 9. Aufl., § 312 Rn. 129, 142; Staudinger/Thüsing, BGB, Neubearb. 2021, § 312 Rn. 68, 78), aus der Entstehungsgeschichte der Finanzdienstleistungsfernabsatzrichtlinie ergebe sich, dass der Wortlaut des Art. 2 Buchst. b dieser Richtlinie zu weit gefasst sei und der Unionsgesetzgeber im Bereich der Geldanlagen eine Beschränkung auf Finanzinstrumente als Anlageobjekte gewollt habe. Dies trifft nicht zu.

 

67        (a) Zwar hat die Kommission in ihrem ersten Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG (KOM/98/0468 endg.) vom 19. November 1998 (ABl. C 385 S. 10) den Begriff der Finanzdienstleistung definiert als jede Dienstleistung der Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und Investmentunternehmen gemäß den Richtlinien 89/646/EWG (Zweite Richtlinie des Rates vom 15. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute und zur Änderung der Richtlinie 77/780/EWG, ABl. L 386 S. 1), 93/22/EWG (Richtlinie des Rates vom 10. Mai 1993 über Wertpapierdienstleistungen, ABl. L 141 S. 27), 73/239/EWG (Erste Richtlinie des Rates vom 24. Juli 1973 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Direktversicherung mit Ausnahme der Lebensversicherung, ABl. L 228 S. 3) und 79/267/EWG (Erste Richtlinie des Rates vom 5. März 1979 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Direktversicherung [Lebensversicherung], ABl. L 63 S. 1) und auf eine - nicht erschöpfende - Liste im Anhang verwiesen, in welcher Direktinvestitionen in Sachgüter nicht genannt waren.

 

68        Auch hat das Europäische Parlament in seiner ersten Lesung am 5. Mai 1999 als Änderung 46 lediglich beschlossen, zu der von der Kommission formulierten Definition der Finanzdienstleistung in Art. 2 Buchst. b des Entwurfs die Richtlinie 85/611/EWG (Richtlinie des Rates vom 20. Dezember 1985 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren [OGAW], ABl. L 375 S. 3) hinzuzufügen und ergänzend auf die Änderungen der Richtlinien zu verweisen (ABl. C 279 S. 197, 200).

 

69        (b) Die Kommission hat allerdings daraufhin einen geänderten Vorschlag vom 23. Juli 1999 (KOM/99/385 endg., ABl. C 177 E vom 27. Juni 2000 S. 21) vorgelegt, nach dessen Art. 2 Buchst. b eine Finanzdienstleistung jede Bank-, Versicherungs-, Investment- und Zahlungsdienstleistung sein sollte. Die im Amtsblatt nicht mit abgedruckte Begründung der Kommission für diese Änderung lautet: "Gegenüber dem ursprünglichen Vorschlag wurde die Definition der "Finanzdienstleistung" vereinfacht. Ausgenommen wurden sämtliche Verweisungen auf bestehende Richtlinien, um zum einen sicherzustellen, dass jede Art von Finanzdienstleistung, die einem Verbraucher angeboten werden kann, von der Richtlinie erfasst wird, und zum anderen etwaige Lücken auszuschließen, die sich aus der vorausgegangenen Definition ergeben hätten. Mit dieser Änderung wird dem in der Änderung 46 des Parlaments zum Ausdruck gebrachten Anliegen entsprochen. Gestrichen wurde im Übrigen der Anhang mit der nicht erschöpfenden Liste der Finanzdienstleistungen, und zwar ebenfalls, um Auslegungsschwierigkeiten vorzubeugen. Die Angaben in dem bisherigen Anhang sind in der jetzigen Fassung direkt in den verfügenden Teil einbezogen."

 

70        Aus dieser Begründung geht hervor, dass sich die Kommission mit ihrem geänderten Vorschlag von dem ursprünglichen Konzept, den Begriff der Finanzdienstleistung als Dienstleistung bestimmter Anbieter nach einzeln aufgezählten Richtlinien zu definieren, gelöst hat, und mit ihrer bewusst weiten Definition über die Ergänzung Nr. 46 des Europäischen Parlaments, von der sie lediglich den dieser zu Grunde liegenden Gedanken der Lückenfüllung aufgegriffen hat, hinausgegangen ist. Anders als die Revision meint, ist die ursprüngliche Liste der Finanzdienstleistungen nicht lediglich ohne inhaltliche Abstandnahme rein sprachlich entfallen, sondern wurde durch eine weiterreichende Definition ersetzt.

 

71        Gegenteiliges ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision auch nicht daraus, dass der Rat in seinem Gemeinsamen Standpunkt (EG) Nr. 16/2002 vom 19. Dezember 2001 (ABl. C 58 E S. 32) die letztlich in Kraft getretene Fassung des Art. 2 Buchst. b der Finanzdienstleistungsfernabsatzrichtlinie mit der Begründung beschlossen hat "Modifiziert im Sinne der Abänderung des Europäischen Parlaments". Die genannte Begründung befindet sich in dem Dokument nicht in dem Abschnitt der vom Rat übernommenen Abänderungen des Europäischen Parlaments (Begründung III. A. 1.), sondern in dem Abschnitt der neuen vom Rat eingeführten Bestimmungen oder Elemente (Begründung III. B.), was ebenfalls belegt, dass es sich um eine im Vergleich zu der ursprünglichen Fassung geänderte Definition des Begriffs der Finanzdienstleistung handelt.

 

72        (c) Dass die in der Gesetzgebungsgeschichte ursprünglich vorgesehene Liste bei der Bestimmung des Begriffs der Finanzdienstleistung im Sinne des Art. 2 Buchst. b der Finanzdienstleistungsfernabsatzrichtlinie keine maßgebliche Rolle mehr spielt, ergibt sich auch eindeutig aus der aktuellen Rechtsprechung des Gerichtshofs. Dieser hat in seinem Urteil vom 21. Dezember 2023 zur Beantwortung der Frage, ob ein Kilometerleasingvertrag eine Finanzdienstleistung im Sinne der genannten Bestimmung darstellt, die dort enthaltene Definition herangezogen, ohne auf die ursprüngliche Liste zurückzugreifen (EuGH, C-38/21, C-47/21, C-232/21, NJW 2024, 809 Rn. 139 ff. - BMW Bank). In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof ferner zur Bestimmung des Begriffs der Kreditgewährung im Sinne des Art. 2 Buchst. b der Finanzdienstleistungsfernabsatzrichtlinie nicht auf Beispiele der ursprünglichen Liste, sondern auf den gewöhnlichen juristischen Sprachgebrauch abgestellt (EuGH, C-38/21, C-47/21, C-232/21, aaO Rn. 144 - BMW Bank).

 

73        (d) Letztlich erlaubt - wie der Prozessbevollmächtigte des Revisionsbeklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat betont hat - der Umstand, dass der europäische Gesetzgeber in Art. 3 Abs. 1 Ziff. 2 Buchst. c der Finanzdienstleistungsfernabsatzrichtlinie den Begriff des Finanzinstruments verwendet hat, den Rückschluss darauf, dass dessen fehlende Heranziehung im Rahmen der Bestimmung des Begriffs der Finanzdienstleistung in Art. 2 Buchst. b der Richtlinie bewusst erfolgt ist.

 

74        (2) Im Ansatz zutreffend verweist die Revision allerdings darauf, dass nach dem allgemeinen Sprachgebrauch unter den Begriff der Geldanlage auch der Erwerb von Sachgütern fallen kann, so dass viele Verträge eine "Dienstleistung im Zusammenhang mit einer Geldanlage" zum Gegenstand haben können (vgl. Art. 2 Buchst. b der Finanzdienstleistungsfernabsatzrichtlinie in der englischen Sprachfassung: "any service of a […] investment […] nature"; in der französischen Sprachfassung: "tout service ayant trait […] aux investissements"; zur Einbeziehung verschiedener Sprachfassung vgl. EuGH, C-561/19, NJW 2021, 3303 Rn. 39 ff. mwN - Consorzio Italian Management e Catania Multiservizi). Da zu den Dienstleistungen im Zusammenhang mit Geldanlagen der Anlagenhandel selbst gezählt wird (vgl. MünchKommBGB/Wendehorst, 9. Aufl., § 312 Rn. 143), entsteht bei einem im Fernabsatz erfolgten reinen Verkauf von Sachgütern, die aus der Sicht des Vertragspartners nicht dem Konsum, sondern der Geldanlage dienen, Abgrenzungsbedarf zwischen einem einfachen Fernabsatzgeschäft und einer Fernabsatzfinanzdienstleistung.

 

75        (a) Ein Anhaltspunkt dafür, dass der reine Verkauf von Sachgütern zum Zwecke der Geldanlage nach dem Verständnis des Unionsgesetzgebers nicht ausreicht, um eine Finanzdienstleistung zu begründen, ergibt sich aus dem Erwägungsgrund 9 der Richtlinie 2023/2673 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. November 2023 zur Änderung der Richtlinie 2011/83/EU in Bezug auf im Fernabsatz geschlossene Finanzdienstleistungsverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 2002/65/EG (ABl. L 2023/2673). Dieser lautet: "In der Richtlinie 2011/83/EU ist ähnlich wie in der Richtlinie 2002/65/EG für bestimmte im Fernabsatz geschlossene Verbraucherverträge ein Recht auf vorvertragliche Information und ein Recht auf Widerruf vorgesehen. Die Komplementarität zwischen diesen Richtlinien ist jedoch begrenzt, da Finanzdienstleistungen, die in der Richtlinie 2011/83/EU als Bankdienstleistungen sowie Dienstleistungen im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung, Versicherung, Altersversorgung von Einzelpersonen, Geldanlage oder Zahlung definiert werden, nicht unter die genannte Richtlinie fallen. In diesem Zusammenhang sollen Bausparverträge und Verbraucherkreditverträge als Finanzdienstleistungen gelten. Der Verkauf von Waren wie Edelmetallen, Diamanten, Wein oder Whisky sollte nicht für sich genommen als Finanzdienstleistung betrachtet werden."

 

76        Dabei wird aus dem Zusatz "für sich genommen" (in der englischen Sprachfassung: "a financial service per se"; in der französischen Sprachfassung: "un service financier en tant que tel") hinreichend deutlich, dass umgekehrt ein Verkauf von Sachgütern nicht zwangsläufig die Annahme einer Finanzdienstleistung ausschließen soll. Eine Finanzdienstleistung kann demnach jedenfalls dann vorliegen, wenn über den reinen Verkauf von Sachgütern im Fernabsatz hinaus weitere spezifische Umstände hinzukommen, die dem Vertrag ein anderes Gepräge geben.

 

77        (b) Ob vor diesem Hintergrund der reine Verkauf von Sachgütern zum Zweck der Geldanlage eine Finanzdienstleistung im Sinne des Art. 2 Buchst. b der Finanzdienstleistungsfernabsatzrichtlinie beziehungsweise des § 312b Abs. 1 Satz 2 BGB aF darstellt, erscheint zweifelhaft, bedarf vorliegend jedoch keiner Entscheidung, denn die hier durch die Kauf- und Dienstleistungsverträge begründeten Pflichten der Beklagten sowie die zu Grunde liegende Interessenlage der Parteien unterscheiden sich wesentlich von denjenigen eines reinen Verkaufs von Sachgütern und rechtfertigen die Qualifikation des Gesamtvertrags als Finanzdienstleistung.

 

78        Zum einen besteht - wie auch das Berufungsgericht erkannt hat und die Revisionserwiderung in den Blick nimmt - nach der Gesamtkonzeption des einheitlich angebotenen "Teakinvestments" die aus der Sicht des Verbrauchers wesentliche Leistung der Beklagten ersichtlich nicht in der für einen reinen Erwerb von Sachgütern charakteristischen Verschaffung des Eigentums an den Bäumen (vgl. OLG Celle, BeckRS 2021, 35447 Rn. 23), sondern in deren - als Dienstleistung von der Beklagten nach der sich über zehn Jahre hinweg erstreckenden Aufzucht geschuldeten - Verwertung am Ende der Vertragslaufzeit. Denn der Sachwert der in Costa Rica belegenen Bäume beziehungsweise eine Rendite aus dem Investment ist aus der Sicht des Verbrauchers bei lebensnaher Betrachtung ohne die von der Beklagten angebotenen Dienstleistungen nicht zu realisieren (vgl. auch OLG Naumburg, BeckRS 2021, 35435 Rn. 85 f.; OLG Hamm, Urteil vom 29. Juni 2021 - 34 U 128/20, juris Rn. 90 f.). Dies ist auch für die Beklagte erkennbar. Der Schwerpunkt der von der Beklagten im Rahmen des "Teakinvestments" zu erbringenden Leistungen liegt damit - unabhängig von der durch sie selbst vorgenommenen Aufteilung des vom Kläger insgesamt gezahlten Entgelts auf einen Kaufpreisanteil und die Entlohnung von Dienstleistungen - nicht auf der Eigentumsverschaffung, sondern auf den zur Realisierung einer Rendite erforderlichen Dienstleistungen der Beklagten.

 

79        Zum anderen verfolgt die Beklagte als Anbieterin des "Teakinvestments" mit der von ihr angestrebten Bündelung von Anlegerkapital und der jahrelangen Vertragslaufzeit ein Konzept, das über den reinen - auch institutionalisierten - Verkauf von Sachgütern hinaus Parallelen beispielsweise zu einem Sachwertefonds aufweist (vgl. OLG Frankfurt am Main, Urteile vom 14. September 2021 - 9 U 89/20, juris Rn. 39, und 9 U 77/19, juris Rn. 38).

 

80        g) Das Berufungsgericht hat es auch rechtsfehlerfrei abgelehnt, das Widerrufsrecht des Klägers als verwirkt anzusehen.

 

81        Die Revision rügt insoweit zu Unrecht, das Berufungsgericht habe sich unter Verletzung von § 286 ZPO und Art. 103 Abs. 1 GG nicht mit ihrem Vortrag befasst, dass der Kläger im April 2018 Erlöse aus der Verwertung der von ihm erworbenen Bäume erzielt habe, so dass die Ausübung des Widerrufsrechts durch Zustellung der Klageschrift am 22. Februar 2021 im Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten stehe. Der aufgezeigte Beklagtenvortrag ist ersichtlich nicht geeignet, eine Verwirkung des klägerischen Widerrufsrechts zu begründen, und bedurfte infolgedessen keiner ausdrücklichen Befassung durch das Berufungsgericht.

 

82        Die Verwirkung als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung wegen der illoyal verspäteten Geltendmachung von Rechten setzt neben einem Zeitmoment ein Umstandsmoment voraus. Ein Recht ist verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 12. Juli 2016 - XI ZR 564/15, BGHZ 211, 123 Rn. 37; vom 28. September 2022 - VIII ZR 338/21, juris Rn. 45; jeweils mwN). Umstände, die das Vertrauen der Beklagten rechtfertigen könnten, der Kläger werde die bis 2027 laufenden Kauf- und Dienstleistungsverträge nicht widerrufen, liegen nicht vor. Sie ergeben sich insbesondere nicht daraus, dass der Kläger im April 2018 - im Verhältnis zur investierten Gesamtsumme zudem geringfügige - Erlöse aus der vertraglich vorgesehenen vorzeitigen Verwertung eines Teils der von ihm erworbenen Bäume erhalten hat, und auch nicht daraus, dass der Kläger - worauf der Prozessbevollmächtigte der Revisionsklägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ergänzend abgestellt hat - die Bewirtschaftungsleistung der Beklagten hingenommen hat. Allein aufgrund eines laufend vertragstreuen Verhaltens des Verbrauchers kann der Unternehmer ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, der Verbraucher werde seine auf Abschluss eines Vertrages gerichtete Willenserklärung nicht widerrufen, nicht bilden (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 - XI ZR 564/15, aaO Rn. 39 mwN).

 

83        4. Dass das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil insoweit nicht beanstandet hat, als dieses dem Kläger Rechtshängigkeitszinsen zugesprochen und den Verzug der Beklagten mit der Annahme der Abtretung der Rechte des Klägers aus den Kauf- und Dienstleistungsverträgen festgestellt hat, lässt Rechtsfehler nicht erkennen und wird - jenseits der auch insoweit (erfolglos) gerügten Anwendbarkeit des deutschen Rechts (dazu oben unter II 2) - von der Revision auch nicht beanstandet.

stats