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Wirtschaftsrecht
03.07.2008
Wirtschaftsrecht
: Strukturkündigung von Kfz-Vertragshändlerverträgen ist unwirksam

OLG Köln, Urteil vom 7.12.2007 - 19 U 59/07

Sachverhalt

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der von der Beklagten ausgesprochenen Kündigung eines Vertragshändlervertrages zum 31.1.2007 sowie um eine Schadensersatzverpflichtung der Beklagten aus Anlass dieser Kündigung.

Die Klägerin betreibt ein Autohaus in Stolberg. Auf der Grundlage des mit der Beklagten geschlossenen Vertragshändlervertrages vom 22./30.10.2003 wurde die Klägerin mit dem Vertrieb von Nissan-Neufahrzeugen und -Originalersatzteilen sowie der Durchführung von Wartungs- und Instandsetzungsleistungen betraut. Mit Schreiben vom 11.1.2006 kündigte die Beklagte unter Hinweis auf Artikel XVII Ziffer 1 b) den Vertragshändlervertrag „zum nächst möglichen Zeitpunkt". Dies sei wegen der notwendigen Umstrukturierung ihres Vertriebsnetzes der 31.1.2007.

Wegen des übrigen unstreitigen Sachverhalts und des Vorbringens der Parteien in erster Instanz wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug auf das angefochtene Urteil (BI. 98 ff. GA) genommen.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil vom 15.3.2007, auf das wegen aller Einzelheiten Bezug genommen wird, festgestellt, dass der zwischen den Parteien geschlossene Vertragshändlervertrag nicht durch die Kündigung der Beklagten zum 31.1.2007 sein Ende gefunden hat, die Beklagte vielmehr verpflichtet ist, die Klägerin bis zum 31.1.2008 vertragsgemäß weiter mit Nissan-Vertragswaren zu beliefern. Ferner hat das Landgericht festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den durch die Kündigung vom 11.1.2006 entstandenen und noch entstehenden Schaden zu ersetzen.

Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, die Kündigung vom 11.1.2006 zum 31.1.2007 sei zwar in formeller Hinsicht hinreichend ausführlich und transparent begründet und beziehe sich auch mangels der Möglichkeit einer Teilkündigung nach dem Vertrag auf das gesamte Vertragsverhältnis. Es lägen aber unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH nicht die Voraussetzungen für eine Kündigung mit der verkürzten Kündigungsfrist von einem Jahr nach Artikel XVII Nr.1 b) des Vertragshändlervertrages vor, so dass dieser bis zum 31.1.2008 fortbestehe. Fraglich sei bereits, ob eine Umstrukturierung des Vertriebsnetzes insgesamt oder zu einem wesentlichen Teil anzunehmen sei. Jedenfalls habe die Beklagte die Notwendigkeit einer Umstrukturierung ihres Vertriebsnetzes nicht plausibel gemacht. Mit Rücksicht darauf, dass danach die Kündigung der Beklagten zum 31.1.2007 vertragswidrig erfolgt sei, habe sie sich gegenüber der Klägerin schadensersatzpflichtig gemacht.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren erstinstanzlichen Antrag auf Abweisung der Klage weiterverfolgt.

Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens führt sie aus, einer der wesentlichen Gründe für die Kündigung sei die Änderung der bisherigen Vertriebsstruktur, die nach den Ergebnissen der eingeholten Studie nicht den Anforderungen an einen modernen Vertrieb von Kraftfahrzeugen entsprochen habe. Es habe sich bei den bisherigen Nissanhändlern im Wesentlichen um kleine Händler gehandelt, die über wenig Wirtschaftkraft verfügten und nicht in der Lage seien, Autohäuser zu unterhalten, die die Anforderungen an einen modernen Kfz-Betrieb erfüllten („Glaspaläste"). Der Plan für einen radikalen Neuanfang habe daher beinhaltet:

-              weniger Händler

-              Einsatz größerer und finanziell stärkerer Händler

-                Einrichtung moderner und zeitgemäßer Autohäuser

-              höhere Verkaufsleistungen durch besseren Marktauftritt

-                Expansion der Händler durch Eröffnung eigener Filialen.

Gegenüber den vorhandenen 638 Händlern - davon ca. 350 Vertragshändler, 80 Filialen und 215 Sekundärhändler- sei ein „ideales Händlernetz" entworfen worden, das aus 141 CSA-Gebieten (Customer Shopping Area) mit 535 Ideal-Standorten bestehen würde. Von den vorhandenen 638 Händlern passten indes nur 286 Händler mit Filialen und Sekundärhändler nach Standort und Qualität in das entwickelte ideale Händlernetz. Für 249 Standorte müsse sie neue Händler suchen. Dabei sei nicht nur der Sitz des Händlers ausschlaggebend, denn eine Vielzahl der Händler sei gar nicht in der Lage gewesen, die sich aus seiner Gebietszuordnung, die ebenfalls neu entwickelt worden sei (rural, urban, metro), ergebenen Anforderungen an den neuen Markenauftritt zu erfüllen.

Als weiteren wesentlichen Grund für die Kündigung bezeichnet die Beklagte die Abschaffung des zweistufigen Händlernetzes, aufgrund dessen sie auf die Sekundär-Händler keine rechtlichen Einflussmöglichkeiten habe, falls diese sich vertragswidrig verhielten. Sie habe sich deshalb im Zuge der Umsetzung des konzipierten idealen Händlernetzes entschlossen, das bisherige zweistufige Händlernetz abzuschaffen und nur noch Vertriebspartner einzusetzen. Ergänzend verweist sie darauf, dass von den 350 Primärhändlern insgesamt 47 Händler 215 Sekundär-Händler eingesetzt hätten. Entgegen der Ansicht des Landgerichts stellten diese unternehmerischen Entscheidungen eine Umstrukturierung des gesamten Vertriebsnetzes dar und gerade nicht einen bloßen Austausch einzelner Händler und eine Anhebung der bisherigen Vertriebsstandards. Die qualitativen Veränderungen hätten auch nicht einvernehmlich gemäß Artikel I. Nr. 2 des Nissan-Muster-Händlervertrages umgesetzt werden können. Auch habe die Änderung des zweistufigen in ein einstufiges Vertriebsnetz nicht durch Kündigung der 47 Händler, die Sekundär-Händlerverträge abgeschlossen hätten, erreicht werden können. Denn allen Vertragshändlern, so behauptet die Beklagte, sei vertraglich die Möglichkeit zur Unterhaltung eines Sekundär-Händlernetzes eingeräumt worden. Daher habe sie zur Erreichung ihrer Strukturreform allen Vertragshändlern das Recht zur Unterhaltung eines Sekundär-Händlernetzes nehmen müssen.

Zu Unrecht habe das Landgericht ferner die Auffassung vertreten, die Beklagte habe die Notwendigkeit einer Umstrukturierung nicht plausibel gemacht.

Schon im Ansatz verfehlt habe das Landgericht zur Begründung seines Urteils die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 7.9.2006 herangezogen. Im Streitfall gehe es nämlich nicht um die Auslegung der EG-Verordnung 1400/2002, sondern um die Kündigungsklausel im Vertragshändlervertrag. Unabhängig hiervon komme es allein darauf an, ob zum Zeitpunkt der Kündigung im Januar 2006 die Netzumstrukturierung durch plausible Gründe der Effizienz des Vertriebssystems gerechtfertigt gewesen sei. Entscheidend sei, ob die Netzumstrukturierung nach einer von ihr - der Beklagten - zu treffenden Prognose plausibel mit erheblichen wirtschaftlichen Vorteilen gegenüber einem Abwarten bei zweijähriger Kündigungsfrist begründet sei. Da die für ihren Entschluss zur Umstrukturierung des Vertriebsnetzes maßgeblichen wirtschaftlichen und geschäftlichen Überlegungen einer Kontrolle durch die Gerichte entzogen sei, sei lediglich zu prüfen, ob die Kündigung nicht vorgeschoben sei, um willkürliche, sittenwidrige oder wettbewerbsschädliche Motivationen zu vertuschen bzw. ob die von ihr angestellte Prognose über die mit der Netzumstrukturierung beabsichtigte Effizienzsteigerung auf sachfremden oder denkgesetzlich falschen Erwägungen beruhe. Zu berücksichtigen sei, dass das Sonderkündigungsrecht mit der verkürzten Kündigungsfrist zur Umgestaltung des Vertriebsnetzes sicherstellen solle, dass Entwicklungen anpassungs- und leistungsfähiger Strukturen nicht gehemmt würden. Die Einführung einer Regelkündigungsfrist von zwei Jahren habe ausschließlich wettbewerbsrechtliche Gründe gehabt und nicht dem Schutz der Händler dienen sollen. Es habe daher für die Urteilsfindung nur noch um die Frage gehen können, ob die Beklagte Gründe dafür habe darlegen können, dass ein Zuwarten von einem weiteren Jahr aus dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Effizienz Nachteile bedeutet hätte. Derartige wirtschaftliche Nachteile, so behauptet die Beklagte, seien darin zu sehen, dass nach ihren empirischen Erfahrungen die Verkaufsleistung der Händler insbesondere im zweiten Jahr nach Ausspruch der Kündigung rückläufig sei, für die 2007 geplante Verkaufsoffensive mit neuen Modellen nicht effektiv durchführbar gewesen wäre und die Verlängerung der Kündigungsfrist auf zwei Jahre zu vermehrten Reibungsverlusten infolge des zweistufigen Vertriebsnetzes geführt hätte. Darüber hinaus sei eine verstärkte Verunsicherung durch mögliche Abwerbungsversuche von Konkurrenten zu erwarten gewesen und seien Investoren nicht bereit, eine Wartezeit von zwei Jahren in Kauf zu nehmen. Diese Gründe zusammengenommen hätten dazu geführt, dass der Wert der Umstrukturierung im Falle einer Verlängerung der Kündigungsfrist auf zwei Jahre um 43 % niedriger ausgefallen wäre, als dies bei einer verkürzten Kündigungsfrist von einem Jahr der Fall sei.

Mit Rücksicht hierauf, stehe der Klägerin auch kein Schadensersatzanspruch zu. Außerdem, so behauptet die Beklagte, sei die Klägerin nach Erlass der einstweiligen Verfügung im Verfahren 86 O 15/07 LG Köln aus ihrer Sicht ordnungsgemäß beliefert worden.

Schließlich meint die Beklagte unter Hinweis darauf, dass sie unstreitig den Geschäftsbereich Nissan mit Ausgliederungs- und Übernahmevertrag vom 13.7.2007 an die Nissan Center Europe GmbH übertragen habe und die Eintragung im Handelregister am 31.7.2007 erfolgt sei, dass die Klägerin ab diesem Zeitpunkt ohnehin keine Ansprüche aus dem Vertragshändlervertrag und keine Schadensersatzansprüche mehr gegen sie geltend machen könne.

Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 15.3.2007 - 86 O 79/06- die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie tritt den Ausführungen der Beklagten entgegen und macht geltend, die Beklagte habe die Notwendigkeit einer Strukturkündigung mit einjähriger Frist weiterhin nicht plausibel dargelegt. Auch die finanziellen Nachteile, die sich durch die Kündigung mit zweijähriger Frist ergeben hätten, seien nicht dargelegt. Die Beklagte sei mit ihrer Netzstrukturkündigung auch wirtschaftlich gescheitert, da der Marktanteil der Beklagten seit Ende 2006 um 30 % eingebrochen sei. Dies belege, dass die Strukturkündigungen gerade nicht notwendig gewesen seien.

Hinsichtlich des Feststellungsantrages meint die Klägerin, ihr stehe ein Schadensersatzanspruch gemäß § 280 BGB und § 823 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt des Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gegen die Beklagte zu. Diese habe nach dem 31.1.2007 die Belieferung und Betreuung der Klägerin zunächst eingestellt und diese erst nach Erlass der einstweiligen Verfügung im Verfahren 86 O 15/07 LG Köln - zumindest teilweise wieder aufgenommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Berufungsrechtszug wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Aus den Gründen

II. Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Die Übertragung des Geschäftsbereichs Nissan auf die Nissan Center Europe GmbH mit dem Ausgliederungs- und Übernahmevertrag vom 13.7.2007 hat das Vertragsverhältnis der Parteien nicht beeinflusst. Durch die Ausgliederung ist keine Gesamtrechtsnachfolge eingetreten. Zwar ist die Frage der prozessualen Auswirkungen der Spaltung einer Gesellschaft in Form der Ausgliederung auf einen noch anhängigen Rechtsstreit des übertragenden Rechtsträgers nicht in allen Einzelheiten geklärt. In einem Passivprozess der übertragenden Gesellschaft kommt ein ipso-iure-Eintreten des übernehmenden Rechtsträgers in den Prozess im Wege der Rechtsnachfolge aber nicht in Betracht, da es sich bei der Ausgliederung gemäß § 123 UmwG nicht um den Übergang des gesamten Vermögens eines untergegangenen Rechtsträgers, sondern um eine besondere Übertragungsart für eine Summe von Vermögensgegenständen handelt. Anzusehen ist diese Konstellation bei der Übernahme einer bereits eingeklagten Verbindlichkeit wie eine Schuldübernahme; diese führt nicht zu einer Rechtsnachfolge der übernehmenden Gesellschaft (vgl. BGH, Urteil vom 6.12.2000, - XII ZR 219/98 -, NJW 2001, S.1217, BB 2001, 385 Ls.; BFH, Urteil vom 26.9.2006, - X R 21/04 -, BFH/NV 2007, S.186).

Die Beklagte ist auch weiterhin Anspruchsgegnerin der Klägerin und damit passivlegitimiert. § 133 Abs.1 UmwG sieht vor, dass die an der Spaltung beteiligten Rechtsträger für die Verbindlichkeiten des übertragenden Rechtsträgers, die vor dem Wirksamwerden der Spaltung begründet worden sind, als Gesamtschuldner haften. Die Haftung der Beklagten gegenüber der Klägerin ist daher nicht entfallen; die Nissan Center Europe GmbH ist lediglich als weitere Schuldnerin hinzugetreten.

2. Zu Recht und mit im Wesentlichen zutreffender Begründung ist das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung davon ausgegangen, dass die von der Beklagten mit Schreiben vom 11.1.2006 ausgesprochene Kündigung den zwischen den Parteien bestehenden Vertragshändlervertrag vom 22./30.10.2003 nicht mit Jahresfrist zum 31.1.2007 beendet hat, die Beklagte vielmehr verpflichtet ist, den Vertragshändlervertrag bis zum 31.1.2008 fortzuführen. Ferner bleibt der Berufung auch insoweit der Erfolg versagt, als das Landgericht festgestellt hat, dass die Beklagte der Klägerin den Schaden zu ersetzen hat, der ihr aus der fristlosen Kündigung des Vertragshändlervertrages vom 11.1.2006 entstanden ist und noch entsteht.

Das Vorbringen der Beklagten genügt nicht den Anforderungen, die nach der Rechtsprechung an die Wirksamkeit einer Netzstrukturkündigung unter Einhaltung einer einjährigen Kündigungsfrist i.S.d. Artikels XVII Ziffer 1. 2. Abs. b) des Vertragshändlervertrages zu stellen sind.

a) Der Wirksamkeit der Kündigung vom 11.1.2006 stehen allerdings formelle und inhaltliche Bedenken nicht entgegen. Nach Artikel XVII Ziffer 1 Satz 2 des Vertragshändlervertrages, der der Regelung in Artikel 3 Abs. 4 der GVO 1400/2002 entspricht, muss die schriftliche Kündigung eine ausführliche Begründung enthalten, die objektiv und transparent ist. Damit soll nach dem Wortlaut des Artikels 3 Abs. 4 der GVO 1400/2002 verhindert werden, dass eine vertikale Vereinbarung mit einem Vertragshändler wegen Verhaltensweisen beendet wird, die nach der GVO nicht eingeschränkt werden dürfen. Diesen Anforderungen genügt das Kündigungsschreiben der Beklagten vom 11.1.2006 (Anlage K 2), wie schon das Landgericht zutreffend ausgeführt hat. Die Beklagte hat im Einzelnen dargelegt, welche Gründe für sie Anlass waren, das bislang bestehende ' zweistufige Händlernetz abzuschaffen und welche auf einzelne Regionen abgestimmte Qualitätsstandards zukünftig gelten sollten, um den Anforderungen an einen modernen KFZ-Vertrieb gerecht zu werden. Die Beklagte hat damit ihre Beweggründe für die fristlose Kündigung des Vertragshändlervertrages auf eine Weise eindeutig und klar beschrieben, dass sich die Klägerin ein lückenloses Bild über die Gründe machen konnte, die die Beklagte zur Kündigung veranlasst hat. Bedenken gegen die Wirksamkeit der Kündigung in formeller und inhaltlicher Hinsicht werden denn auch von der Klägerin im Berufungsverfahren nicht mehr geltend gemacht.

b) Jedoch ist die Kündigung des Vertragshändlervertrages durch die Beklagte zum 31.1.2007 in materiell-rechtlicher Hinsicht unwirksam, weil die Voraussetzungen des Artikels XVII Ziffer 1, 2. Abs. b) des Vertrages nicht vorliegen. Danach kann der Vertragshändlervertrag mit einer Frist von 12 Monaten unter der Voraussetzung beendet werden, dass sich für die Beklagte die Notwendigkeit ergibt, das Vertriebsnetz insgesamt oder zu einem wesentlichen Teil umzustrukturieren. Das vorgesehene Kündigungsrecht ist somit von zwei Voraussetzungen abhängig, nämlich zum einen vom Vorliegen einer Umstrukturierung des gesamten Vertriebsnetzes des Lieferanten oder eines wesentlichen Teils davon und zum anderen von der Notwendigkeit dieser Umstrukturierung.

aa) Diese Tatbestandsmerkmale beschreibt und konkretisiert die Rechtsprechung 'des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (im Folgenden: EuGH). Nach der zu Artikel 5 Abs. 3 Unterabschnitt 1 erster Gedankenstrich der GVO Nr. 1475/95 ergangenen Rechtsprechung des EuGH setzt das Vorliegen eines außerordentlichen Kündigungsrechts eine bedeutsame Änderung der Vertriebsstrukturen des betroffenen Lieferanten sowohl in finanzieller als auch in räumlicher Hinsicht voraus, die auf plausible Weise durch Gründe der wirtschaftlichen Effizienz gerechtfertigt sein muss, welche sich auf interne oder externe objektive Umstände des Unternehmens des Lieferanten stützen, die ohne eine schnelle Umstrukturierung des Vertriebsnetzes in Anbetracht des Wettbewerbsumfelds, in dem der Lieferant agiert, die Effizienz der bestehenden Strukturen des Vertriebsnetzes beeinträchtigen könnten. Mögliche wirtschaftlich nachteilige Folgen, die der Lieferant im Fall einer Kündigung der Vertriebsvereinbarung mit einer Frist von 2 Jahren erleiden könnte, sind in dieser Hinsicht erheblich. Dabei ist es Sache der nationalen Gerichte, unter Berücksichtigung aller konkreten Gegebenheiten der Streitigkeit zu beurteilen, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind. Jedoch ist es nicht Sache der nationalen Gerichte, die wirtschaftlichen und geschäftlichen Überlegungen in Frage zu stellen, aufgrund deren ein Lieferant die Entscheidung getroffen hat, sein Vertriebsnetz umzustrukturieren. Unter Berücksichtigung des Ausnahmecharakters einer außerordentlichen Kündigung ist es Sache des Lieferanten, der von seinem eng auszulegenden Recht zur Kündigung mit einer Frist von einem Jahr Gebrauch machen will, die Voraussetzungen dieses Kündigungsrecht darzulegen und zu beweisen (EuGH Urteil vom 7.9.2006 - C-125/05-; EuGH Urteil vom 30.11.2006 - C-376/05).

Nach diesen Grundsätzen des EuGH ist auch der vorliegende Streitfall zu beurteilen. Dem steht -anders als es die Beklagte meint- nicht entgegen, dass sich der EuGH in den genannten Entscheidungen mit der Auslegung der GVO 1475/95 befasst hat. Denn der Verordnungstext der GVO 1475/95 und derjenige in Artikel 3 Absatz 5 b), ü) der GVO 1400/2002, auf der die hier zu beurteilende Kündigungsklausel in Artikel XVII Ziffer 1 2. Absatz b) des Händlervertrages basiert, stimmen inhaltlich überein, sodass keine Gründe bestehen, die Auslegungsgrundsätze des EuGH im konkreten Fall nicht heranzuziehen (vgl. auch BGH im Vorlagebeschluss vom 26.7.2005 - KZR 14/04-, BB 2005, 2208 ff.).

bb) Nach Maßgabe der Auslegungsgrundsätze des EuGH fehlt es zur Annahme der Wirksamkeit der Kündigung mit Jahresfrist bereits am Merkmal der Umstrukturierung des gesamten Vertriebsnetzes oder eines wesentlichen Teils davon.

Zwar stellen die Änderung der bestehenden Vertragskonstruktion durch die vorgesehene Abschaffung des zweistufigen Händlernetzes, die Schaffung regional unterschiedlicher Qualitätsstandards (Metro-, Urban- sowie Rural-Regionen) sowie auch die Reduzierung der Händlerstandorte unter Einsatz finanzkräftigerer Händler objektiv durchaus eine Umstrukturierung des Vertriebsnetzes dar, weil diese Maßnahmen im Sinne der Rechtsprechung des EuGH die Organisation der Vertriebsstruktur der Beklagten unmittelbar beeinflussen (EuGH a.a.0. Rn. 29). Jedoch hat die Beklagte nicht darzulegen vermocht, dass diese Umstrukturierungsmaßnahmen ihr Vertriebsnetz insgesamt oder auch nur zu einem wesentlichen Teil betreffen. Davon kann nur dann ausgegangen werden, wenn eine bedeutsame Änderung der Vertriebsstrukturen der Beklagten anzunehmen ist, die sowohl in finanzieller als auch in räumlicher Hinsicht Gewicht hat (EuGH a.a.0.).

Zu dem finanziellen Aspekt fehlt jeglicher Sachvortrag. Die Beklagte hat trotz der wiederholten Hinweise des Senats zu der wirtschaftlichen Größenordnung der beabsichtigten Umstrukturierung ihres Vertriebsnetzes insgesamt keine konkreten Tatsachen vorgetragen.

Im Hinblick auf den räumlichen Aspekt macht die Beklagte eine Reduzierung des Händlernetzes um 103 Standorte von derzeit 638 auf zukünftig 535 geltend. Das bedeutet, dass gut 5/6 der bisherigen Standorte beibehalten werden. Eine bedeutsame Änderung der Vertriebsstruktur lässt sich daraus noch nicht herleiten.

Inwieweit der Einsatz größerer und finanziell stärkerer Händler und die Einrichtung moderner und zeitgemäßer Autohäuser eine bedeutsame Änderung in finanzieller und räumlicher Hinsicht darstellt, ist dem Vortrag der Beklagten ebenfalls nicht zu entnehmen. Die Beklagte hat zwar vorgetragen, dass es sich bei den vorhandenen Nissan-Händlern im Wesentlichen um „kleine Händler" handele, „die über wenig Wirtschaftskraft verfügten", in „überwiegender Zahl" von „umgebauten Tankstellen und Hinterhofwerkstätten heraus" agierten und die insbesondere in großstädtischen Regionen üblichen „Glaspaläste" durch die ganz überwiegende Zahl der vorhandenen Händler nicht unterhalten werden könnten. Diese Darstellung ist unsubstantüert und überdies nicht nachvollziehbar. Denn nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten sollen von den bisherigen 638 Standorten für die einzurichtenden neuen 535 Standorte immerhin 286 Standorte (= ca. 53 %) beibehalten werden. Ferner sollen von den 350 bisher tätigen Primärhändlern erneut 223 dieser Primärhändler (= gut 63 %) neue Verträge und von 213 Sekundärhändler immerhin 63 Händler (ca. 30 %) neue Verträge erhalten. Mit diesem Vorbringen widerspricht die Beklagte ihrer vagen Behauptung, dass die „überwiegende" Zahl der Händler, ob Primärhändler, Filialen oder Sekundärhändler, nicht in der Lage seien, den „Shift" von Hinterhofwerkstätten zu „Glaspalästen" mitzumachen. Dem widerspricht auch die allgemeinkundige und der Beklagten vorgehaltene Aussage des Markenvorstands der Beklagten, der in einem Interview im September 2006 unstreitig angegeben hatte, dass sich 2/3 der künftigen Nissan-Vertriebspartner aus dem bisherigen Nissan-Händlernetz rekrutierten. Das von der Beklagten angeführte Beispiel zu den Berliner Standorten berechtigt ebenfalls nicht zu der Annahme einer bedeutsamen Änderung der Vertriebsstrukturen in räumlicher Hinsicht. Hierzu hat die Beklagte zwar dargelegt, dass unter Wegfall von sechs bisherigen Standorten fünf Standorte mangels finanzieller Ausstattung der bisherigen Händler neu besetzt werden mussten. Die mitgeteilten Zahlen erschließen sich jedoch bereits nicht aus den überreichten Karten (Anlage 6 und 7 der Berufungsbegründung) und sind daher nicht nachvollziehbar. Auch bleibt nach dem Vortrag der Beklagten völlig offen, in welchem Umfang tatsächlich im Rahmen der Strukturreform moderne und zeitgemäße Autohäuser etabliert werden sollten. Dies ist zahlenmäßig wiederum nur für Berlin ausgeführt, wonach ein Autohaus bestehen und fünf weitere Autohäuser eingerichtet werden sollten. Für die Standorte in Berlin mag dies eine überwiegende Zahl sein; Rückschlüsse auf das gesamte Vertriebsnetz der Beklagten lassen diese Zahlen jedoch wiederum nicht zu. Gleiches gilt für die tabellarisch vorgelegten Zahlen zu den sieben größten „Metrogebieten" (Anlage B 6).

Die Beklagte hat auch nicht schlüssig dargelegt, dass die Abschaffung des Sekundärhändlernetzes eine bedeutsame Änderung in räumlicher Hinsicht darstellt. Der Beklagten ist zwar darin beizutreten, dass zur Abschaffung des Sekundärhändlernetzes nicht nur den Vertragshändlern gekündigt werden musste, die tatsächlich die vertraglich eingeräumte Option der Einrichtung eines Sekundärhändlernetzes wahrgenommen hatten. Denn für die Abschaffung dieses Netzes war die Beseitigung der Option -bei der Klägerin in Artikel VIII des Vertragshändlervertrages geregelt- selbst erforderlich, um die Möglichkeit der Einrichtung eines Sekundärhändlers wirksam zu unterbinden. Gleichfalls war es der Beklagten nicht zumutbar, den Versuch zu unternehmen, die Abschaffung der Sekundärhändler in jedem Einzelfall einvernehmlich zu regeln.

Gleichwohl ist das Vorbringen der Beklagten nicht schlüssig, weil wiederum nicht erkennbar ist, wie viele Händler und Verträge tatsächlich von dieser strukturellen Änderung betroffen sind. Es hatten unstreitig nur 47 der insgesamt 350 Primärhändler von der Option der Einrichtung von Sekundärhändlern Gebrauch gemacht. Ca. 83 % der Primärhändler war danach von der Umstrukturierungsmaßnahme nicht betroffen. Entgegen der Behauptung der Beklagten sahen auch nicht alle bestehenden NISSAN Händlerverträge die Erlaubnis für die Primärnetzpartner vor, ein Sekundärnetz unterhalten zu können. Der Senat hat aus Verfahren, mit denen er bislang aus diesem Komplex befasst war, die Erkenntnis gewonnen, dass nicht in sämtlichen Vertragshändlerverträgen die Option zur Einrichtung von Sekundärhändlern enthalten war (z.B. Vertrag mit der Schneider Gruppe GmbH).

Schließlich ist auch aufgrund der geplanten Neueinteilung in 141 Kundeneinkaufs-/ oder CSA-Gebiete (sog. Customer Shopping Area) und in die Gebiete „rural", „urban" und „metro" nach dem Vorbringen der Beklagten nicht ersichtlich, dass es sich um eine bedeutsame Änderung des Vertriebsnetzes handelt.

Auf die Aufteilung in 141 CSA-Gebiete kommt es nicht an, weil sich unter Berücksichtigung aller Standorte, die diesen 141 Gebieten jeweils zugeordnet waren, ausweislich des in erster Instanz vorgelegten Kartenmaterials keine wesentliche Änderung des Vertriebsnetzes ergibt. Eine solche ist auch den im Berufungsverfahren als Anlage B 6 und B 7 vorgelegten weiteren Karten nicht zu entnehmen, in denen jeweils die alten und neuen Standorte eingezeichnet sind. Es bleibt die Feststellung, dass nur ca. 1/5 der ursprünglichen Standorte weggefallen sind; wesentliche Unterschiede zwischen der geplanten und der bisherigen Standortwahl ergeben sich weder aus dem vorgelegten Kartenmaterial noch sind diese sonst von der Beklagten nachvollziehbar dargelegt.

Ferner ist nicht erkennbar, welche Auswirkungen auf die Vertriebsstruktur die Aufteilung in die Gebiete „rural", „urban" und „metro" hat. Dem Kartenmaterial lassen sich dazu Abweichungen gegenüber dem früheren Zustand wiederum nicht entnehmen. Die Beklagte hat auch - mit Ausnahme des Standorts Berlin- nichts dazu vorgetragen, in welchem Umfang aufgrund dieser Neueinteilung ein „Upgrade" oder möglicherweise eine Rückstufung vorgesehen war. Nach allgemeiner Erfahrung dürfte außerdem eher davon auszugehen sein, dass die jeweiligen Autohäuser des alten Vertriebsnetzes durchweg ihren Umgebungen angepasst waren. Für eine bedeutsame Änderung des Vertriebsnetzes spricht auch insoweit also wiederum nichts.

Da die einzelnen von der Beklagten genannten Aspekte der Umstrukturierung nichts dafür hergeben, dass das gesamte oder wenigstens ein wesentlicher Teil des Vertriebsnetzes betroffen ist, reicht auch bei einer Gesamtbetrachtung die von der Beklagten angeführte Kombination von räumlichen und qualitativen Änderungen nicht für die Annahme einer schlüssigen Darlegung der Umstrukturierung ihres gesamten Händlernetzes oder eines wesentlichen Teils davon aus.

Demnach hat die Beklagte schon das Vorliegen der ersten Voraussetzung für eine wirksame Kündigung, nämlich dass eine Umstrukturierung des gesamten Vertriebsnetzes oder eines wesentlichen Teils davon objektiv vorliegt, nicht schlüssig dargelegt.

cc) Abgesehen davon hat die Beklagte auch nicht in hinreichendem Maße dargelegt, dass sich im Sinne des Artikels XVII Ziffer 1., 2. Absatz b) des Vertragshändlervertrages die Notwendigkeit einer Umstrukturierung ihres Vertriebsnetzes ergeben hatte.

Der Senat legt auch insoweit der Auslegung von Artikel XVII Ziffer 1., 2. Absatz b) des Vertragshändlervertrages die vom EuGH zu Artikel 5 Absatz 3 Unterabsatz 1 erster Gedankenstrich der GVO 1475/95 aufgestellten Grundsätzen zugrunde.

Insbesondere respektiert der Senat die Vorgabe, dass es nicht Sache der Gerichte ist, die wirtschaftlichen und geschäftlichen Überlegungen, aufgrund deren ein Lieferant die Entscheidung zur Umstrukturierung seines Vertriebsnetzes getroffen hat, in Frage zu stellen (vgl. EuGH, Urteil vom 7.9.2006 - C 125/05 - (VW), Rn. 35).

Andererseits reicht aber allein die subjektive Beurteilung des Lieferanten, hier der Beklagten, nicht aus, um die Notwendigkeit einer Umstrukturierung im Sinne des Artikels 5 Absatz 3 Unterabsatz 1 erster Gedankenstrich der GVO 1475/95 bzw. dem gleich lautenden Artikel 3 Abs. 5 b) ü) der GVO 1400/2002 - und damit im Sinne des Artikels XVII Ziffer 1., 2. Absatz b) des Vertragshändlervertrages - darzutun (vgl. EuGH, Urteil vom 7.9.2006 - C 125/05 - (VW), Rn. 38; EuGH, Urteil vom 30.11.2006 - C 376/05 u.a. - (BMW), NJW 2007, 201 ff., Rn.37). Unter Berücksichtigung des Zwecks als auch des Ausnahmecharakters der Norm muss vielmehr die Notwendigkeit einer Umstrukturierung für die Ausübung des Kündigungsrechts mit Ein-Jahres-Frist plausibel mit Gründen der wirtschaftlichen Effizienz gerechtfertigt werden können (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 37 (VW) bzw. Rn. 36 (BMW). Diese Gründe müssen sich auf interne oder externe Umstände des Unternehmens des Lieferanten stützen, die ohne eine schnelle Umstrukturierung des Vertriebsnetzes in Anbetracht des Wettbewerbsumfelds, in dem der Lieferant agiert, die Effizienz der bestehenden Strukturen des Vertriebsnetzes beeinträchtigen könnten (vgl. EuGH, a.a.O.). Zu den rechtserheblichen Beeinträchtigungen gehören auch mögliche wirtschaftlich nachteiligen Folgen, die der Lieferant im Falle einer Kündigung der Vertriebsvereinbarung mit einer Frist von zwei Jahren erleiden könnte (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 38 (VW) bzw. 37 (BMW). Ob in diesem Sinne die objektive Notwendigkeit der Umstrukturierung eines Vertriebsnetzes bestand, hat das mit der Sache befasste Gericht unter Berücksichtigung aller konkreten Gegebenheiten der Streitigkeit zu beurteilen (EuGH, Urteil vom 7.9.2006 - C 125/05 - (VW), Rn.39).

Entgegen der Auffassung der Beklagten sind die Überprüfungsmöglichkeiten der Gerichte nicht auf eine reine Willkür- und Sittenwidrigkeitskontrolle beschränkt. Der EuGH lässt es in den genannten Entscheidungen nämlich nicht ausreichen, dass überhaupt Gründe wirtschaftlicher Effizienz angeführt werden, die nicht „bar jeder Vernunft" sind, sondern verlangt ausdrücklich Gründe, die sich auf interne oder externe objektive Umstände des Unternehmens stützen (EuGH, a.a.O., Rn. 37 (VW) bzw. Rn. 36 (BMW). Dies erfordert, dass der Lieferant konkret darlegt, inwieweit objektive Umstände die Effizienz des Vertriebsnetzes ohne schnelle Umstrukturierung zu beeinträchtigen drohen und welche wirtschaftlich nachteiligen Folgen im Fall einer Kündigung mit einer Frist von zwei Jahren eintreten könnten. Ohne einen in diesem Sinne substantiierten Sachvortrag ist dem Gericht die Prüfung, ob die Ausübung der Kündigung mit Ein-Jahres-Frist auf plausible Weise gerechtfertigt werden kann, nicht möglich.

Den Begriff „plausibel" versteht der Senat im allgemeinen Wortsinn von „überzeugend" oder „einleuchtend" (vgl. Duden Band 10, Bedeutungswörterbuch, zum Stichwort „plausibel"). Dass der EuGH - wie die Beklagte meint - von einem engeren Sinn des Begriffs ausgegangen ist, lässt sich weder der deutschen Fassung der Urteils vom 7.9.2006 - C 125/05 - (VW) entnehmen noch kommt dies - wie der Senat aus eigener Sachkunde zu beurteilen vermag - in den von der Beklagten zitierten englischen, französischen und italienischen Ausfertigungen des Urteilstextes zum Ausdruck. Die französischen und italienischen Formulierungen „pouvoir etre justifiee d'une maniere plausible par des motifs d'efficacitä öconimique" bzw. „poter essere giustificata in maniera plausibile con motivi di efficacia economica" stimmen in ihrem Bedeutungsgehalt mit der deutschen Fassung ohne Abstriche überein. Die englische Fassung „convincingly justified on grounds of economic effectiveness" lässt sich ebenfalls nicht in der Weise verstehen, dass nach der Rechtsauffassung des EuGH allein eine vernünftige und nachvollziehbare Darlegung der Überlegungen des kündigenden Herstellers/Lieferanten zur Begründung der Notwendigkeit einer Umstrukturierung ausreicht, sondern legt im Vergleich zu den anderen Fassungen eher sogar einen strengeren Maßstab nahe.

Soweit die Beklagte sich ferner auf die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 17.05.2005 - I-6 U 80/04 - stützt, sind die dort aufgestellten Prüfungskriterien der Willkürlichkeit, Sittenwidrigkeit und Wettbewerbsschädlichkeit überholt durch die genannten Entscheidungen des EuGH, in denen die Anforderungen an eine Netzstrukturkündigung im Sinne des Artikels 5 Absatz 3 Unterabsatz 1 erster Gedankenstrich der GVO 1475/95 und damit im Sinne des gleichlautenden Artikels XVII Ziffer 1., 2. Abs. b) des Vertragshändlervertrages konkretisiert und präzisiert worden sind.

Die Gründe, die die Beklagte für die Notwendigkeit einer Kündigung mit einer Frist von einem statt zwei Jahren anführt, sind nicht geeignet, die Kündigung im Sinne der nach Artikel XVII Ziffer 1., 2. Absatz b) des Vertragshändlervertrages vom Senat vorzunehmenden Plausibilitätskontrolle zu rechtfertigen.

Soweit die Beklagte als wirtschaftlich nachteilige Folge, die sie bei einer Kündigung mit einer Frist von zwei Jahren erwartet, auf ein „erfahrungsgemäßes Sinken" des Fahrzeugabsatzes eines gekündigten Händlers abstellt, ist dieser Einwand schon deshalb nicht geeignet, die Notwendigkeit einer schnelleren Umstrukturierung plausibel zu begründen, weil die Gruppe der gekündigten Händler, auf die die Beklagte ihre Erfahrung stützt, mit den hier gekündigten Händlern nicht vergleichbar ist. Denn bei den statistisch erfassten Kündigungen handelt es sich um individuelle Kündigungen einzelner Händler, die nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten aus ganz unterschiedlichen Gründen erfolgten. Da individuelle Gründe im Rahmen der Netzstrukturkündigungen, die ohne Ansehen des einzelnen Händlers ausgesprochen wurden, keine Rolle spielten, kann aus früherer Erfahrungen nicht ohne weiteres auf ein gleichartiges Verhalten der jetzt gekündigten Händler geschlossen werden. Das gilt insbesondere für die Händler, die die Beklagte als „Zukunftshändler" angesehen hat und mit denen sie den Abschluss von Neuverträgen anstrebte.

Darüber hinaus spricht auch die über den Händlerverband vereinbarte Ausgleichszahlung nicht für ein generell abnehmendes Engagement der gekündigten Händler. Eher lässt das für den Ausgleichsanspruch vereinbarte Bonussystem, nach dem - wie aus allgemein zugänglichen Pressemitteilungen bekannt ist - die Höhe des Ausgleichsanspruchs von der Anzahl der zuletzt verkauften Fahrzeuge abhängt, erwarten, dass die Händler bis zuletzt um einen guten Absatz bemüht sein werden.

Zudem hat die Beklagte keine brauchbaren Angaben zu den negativen Folgen einer nachlassenden Absatztätigkeit vorgelegt, da sie in diesem wie auch in weiteren Verfahren, die beim Senat anhängig waren, den entgangenen Gewinn mit 70 Mio. € bis 80 Mio. € beziffert, in dem vom Senat zu dem Verfahren OLG Köln 19 U 48/07 beigezogenen Verfahren LG Köln 86 O 16/07 dagegen mit 60 Mio. € bis 70 Mio. €. Dieser unterschiedliche Vortrag zu dem Gewinn, deren Verlust sie befürchtet, deutet darauf hin, dass die Beklagte hierzu Zahlen ins Blaue hinein vorgetragen hat, ohne einen realistischen bzw. verifizierbaren objektiven Hintergrund. Damit sind ihre Angaben nicht „plausibel" im Sinne der EuGH-Entscheidungen.

Soweit die Beklagte darüber hinaus angeführt hat, dass eine zweijährige Kündigungsfrist den von ihr geplanten „Werteffekt um ca. 39 Millionen € schmälern" und die Amortisationszeit sich auf vier Jahre verdoppeln würde, bleibt dies auch unter Heranziehung der dazu als Anlage B 9 überreichten Tabelle ohne Substanz.

Die Annahme der Beklagten, ein etwaiges Absinken der Verkaufsleistung der endgültig gekündigten Händler könne nicht durch neu eingesetzte Händler ausgeglichen werden, stellt eine durch keinerlei objektive Anhaltspunkte gestützte bloße Mutmaßung dar.

Die Aussagekraft der von der Beklagten angeführten Zahlen ist schließlich auch deshalb begrenzt, weil sie nicht gleichzeitig dargelegt hat, welcher Absatzrückgang im Falle der Kündigung mit einjähriger Kündigungsfrist während der dann noch einjährigen Vertragsdauer nach Ausspruch der Kündigung zu erwarten ist. Nur wenn im Vergleich der beiden Szenarien zu erwarten wäre, dass die Beklagte sich bei einer Kündigung mit zweijähriger Kündigungsfrist insgesamt schlechter stünde, könnte überhaupt von einem relevanten wirtschaftlichen Nachteil die Rede sein.

Auch der Hinweis auf eine mit der Ein-Jahres-Frist in zeitlichem Zusammenhang stehende Verkaufsoffensive mit neuen Modellen trägt die Notwendigkeit einer Kündigung mit Ein-Jahres-Frist nicht.

Denn auch hierzu ist der Vortrag der Beklagten uneinheitlich und damit nicht plausibel. Während nach ihrem erstinstanzlichen Vorbringen in diesem Verfahren sowie beispielsweise im ebenfalls beim Senat anhängig gewesenen Hauptsacheverfahren 19 U 37/07 Verkaufoffensiven mit den neuen Modelle Quasquai, Nissan X-Trail sowie Tüda (im Berufungsverfahren wird der Tüda nicht mehr genannt) geplant waren, bezog sich die geplante Verkaufoffensive nach dem Vorbringen im Verfahren LG Köln 86 0 16/07 auf die Modelle Quasquai, Murano und 350 Z. Es erscheint deshalb bereits zweifelhaft, ob zum Zeitpunkt der Kündigung bei der Beklagten überhaupt schon eine klare Planung der künftigen Produktstrategie vorlag, die die Umsetzung der geplanten Umstrukturierung binnen Jahresfrist notwendig machte, um wirtschaftliche Nachteile abzuwenden. Darüber hinaus hat die Beklagte trotz Nachfrage die von ihr vorgetragenen widersprüchlichen Zahlen zur Höhe des zu erwartenden Verlustes nicht näher substantiiert.

Ferner bestand bei der von der Beklagten geplanten Durchführung der Umstrukturierung innerhalb eines Jahres die objektive Gefahr, dass zu dem Stichtag, zu dem die alten Vertragsbeziehungen enden sollten, möglicherweise noch nicht alle Händlerstellen wieder neu besetzt waren. Dieses Risiko, das sich ausweislich der vorliegenden Presseveröffentlichungen auch tatsächlich realisiert hat, war bereits zum Zeitpunkt der Kündigung gegeben, zumal nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten auch andere Marken eine Ausweitung ihrer Händlernetze vorantrieben und mit der Beklagten um die Anwerbung von Investoren konkurrierten. Dass aber ein potentiell unvollständiges und erst im Aufbau begriffenes Händlernetz bei einer Produktoffensive bessere wirtschaftliche Ergebnisse erwarten lässt als ein zwar gekündigtes, aber erfahrenes Händlernetz, ist weder ersichtlich noch von der Beklagten vorgetragen.

Nicht nachvollziehbar ist auch der weitere Einwand der Beklagten, sie werde dadurch Nachteile erleiden, dass sich in der Struktur des zweistufigen Vertriebssystems begründete Reibungsverluste bei einer zweijährigen Kündigungsfrist verlängerten.

Der Einwand der Beklagten ist schon deshalb ohne hinreichende Substanz, weil sie auch ohne unmittelbare vertragliche Beziehungen durchaus die Möglichkeit hat, auf das Sekundärhändlernetz Einfluss zu nehmen. Nach Artikel VIII des Vertragshändlervertrages kann sie nämlich nicht nur einem Vertragshändler aus sachlich gerechtfertigten Gründen den Abschluss eines Sekundärhändlervertrages untersagen (Artikel VIII Ziffer 2.2), sondern hat gemäß Artikel VIII Ziffer 2.4 auch während laufender Sekundarhändlerverträge eine Reihe von Möglichkeiten, über die Primärhändler auf das ordnungsgemäße Funktionieren des Sekundärhändlernetzes hinzuwirken.

Offen bleibt auch, worin die von der Beklagten als nicht länger erträglich erachteten Reibungsverluste konkret bestehen. Zwar hat die Beklagte durchweg die Sekundärhändler beanstandet und beklagt, dass sie auf sie keine unmittelbaren Einwirkungsmöglichkeiten habe. Konkrete Fälle, in denen sich Nachteile gerade durch die zweistufige Vertriebsstruktur ergeben haben, hat die Beklagte jedoch nicht dargelegt. Der Senat vermag deshalb nicht zu beurteilen, ob faktisch tatsächlich „Reibungsverluste" bestanden und ob diese - auch unter Berücksichtigung der sich für die Beklagte aus der Zweistufigkeit ergebenden Vorteile - ohne schnelle Umstrukturierung die Effizienz der bestehenden Strukturen des Vertriebsnetzes beeinträchtigen könnten (vgl. EuGH, EuGH, Urteil vom 30.11.2006 - C 376/05 u.a. - (BMW), NJW 2007, 201 ff., Rn. 36 a.E.). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass längst nicht alle hierzu berechtigten Vertragshändler Sekundärhändlerverträge abgeschlossen hatten. Ferner will die Beklagte immerhin 63 der 215 Sekundärhändler wieder in ihr Vertriebsnetz aufnehmen, so dass ihre Kritik an diesen Händlern in der von der Beklagten vorgetragenen Allgemeinheit nicht einleuchtet.

Soweit die Beklagte weiter die Gesichtspunkte der Abwerbung gekündigter Händler und Schwierigkeiten bei der Investorengewinnung anführt, vermögen diese die Notwendigkeit einer Kündigung mit Ein-Jahres-Frist ebenfalls nicht zu rechtfertigen.

Dem Problem der Abwerbung hätte die Beklagte dadurch begegnen können, dass sie - wie es in einigen Fällen durch entsprechende „letters of intent" geschehen ist - allen „Zukunftshändlern" bereits mit oder unmittelbar nach der Kündigung den kurzfristigen Abschluss neuer Verträge anbot. Dadurch hätte sie nicht nur ein „Abspringen" der Händler während der Kündigungsfrist verhindern, sondern gleichzeitig auch für sich selbst zügig Klarheit über den Fortbestand von Vertragsbeziehungen mit den betreffenden Händlern gewinnen können. Bei der gebotenen engen Auslegung der Ausnahmeregelung des Artikel XVII Ziffer 1., 2. Abs. b) ist im Rahmen der Plausibilitätskontrolle davon auszugehen, dass der kündigende Lieferant sich wirtschaftlich vernünftig und sachgerecht verhält und geeigneten Maßnahmen zur Minimierung der mit einer Kündigung mit Zwei-Jahres-Frist ggf. verbundenen Nachteile trifft.

Dem Senat erschließt sich ferner nicht, dass für die Beklagte in Bezug auf die Gewinnung neuer Investoren bei einer Kündigung mit einer Frist von zwei Jahren relevante Nachteile zu erwarten waren. Zwar mag manchen Investoren der zeitliche Horizont von zwei Jahren bis zur Einstellung des Geschäftsbetriebs durch die endgültig gekündigten Händler zu lang erscheinen. Andererseits aber hatte die Beklagte bis Februar 2007 nach ihrem eigenen Vorbringen im Verfahren 19 U 57/07 OLG Köln (dort Schriftsatz der Beklagten vom 12.2.2007, BI. 119 ff., 166 d.A.) erst 55 neue Handelspartner - und damit nur einen Bruchteil der erforderlichen Zahl - werben und einsetzen können. Dies deutet darauf hin, dass der Zeitraum für die Neubesetzung der Händlerstandorte von vornherein zu knapp bemessen !war. Da dies im Hinblick darauf, dass auch andere Marken gleichzeitig um die Ausweitung ihrer Vertriebsnetze bemüht waren, zumindest als konkrete Möglichkeit bereits im Zeitpunkt der Kündigung absehbar gewesen sein dürfte, lässt sich die Kündigung mit EinJahres-Frist mit dem Argument der Investorengewinnung nicht plausibel rechtfertigen.

Insgesamt ist festzuhalten, dass die Beklagte die Voraussetzungen für eine Kündigung gemäß Artikel XVII Ziffer 1., 2. Abs. b) des Vertragshändlervertrages nicht in der erforderlichen Weise plausibel dargelegt hat. Der Vertragshändlervertrag ist deshalb durch die Kündigung nicht zum 31.1.2007 beendet worden.

3. Ohne Erfolg wendet sich die Beklagte schließlich gegen die im angefochtenen Urteil festgestellte Schadensersatzverpflichtung.

Der Schadensersatzanspruch der Klägerin folgt jedenfalls aus den §§ 280 Abs. 1 und 3, 281, 249, 252 BGB (EG 229 § 5 Satz 1). Durch die unstreitig jedenfalls bis zum Erlass der einstweiligen Verfügung im Verfahren 86 O 15/07 LG Köln am 28.2.2007 andauernde Einstellung der Belieferung der Klägerin verletzte die Beklagte ihre infolge der Unwirksamkeit ihrer Kündigung zum 31.1.2007 fortwährenden Vertragspflichten i.S.d. Artikel IV und V des Vertragshändlervertrages. Hierdurch ist der Klägerin jegliche Absatzmöglichkeit von Fahrzeugen der Beklagten und damit Gewinn ergangen. Eine Fristsetzung nach § 281 Abs. 2 BGB war entbehrlich, da die Beklagte durch die fristlose Kündigung zum Ausdruck gebracht hat, dass sie zur Leistung an die Klägerin nach dem 31.1.2007 nicht mehr bereit ist. Dafür, dass die Beklagte diese Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat, ergeben sich weder aus ihrem Sachvortrag noch sonst hinreichende Anhaltspunkte.

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