BGH: Streitwert bei Verbandsprozessen nach §§ 1, 4 UKlG – keine maßgebliche Bedeutung des Klauselwerks
BGH, Beschluss vom 13.10.2020 – VIII ZR 25/19
ECLI:DE:BGH:2020:131020BVIIIZR25.19.0
Volltext: BB-Online BBL2020-2625-2
Amtliche Leitsätze
a) Da sich bei Verbandsprozessen nach §§ 1, 4 UKlaG der Streitwert und die Beschwer der Parteien regelmäßig nach dem Interesse der Allgemeinheit an der Beseitigung der beanstandeten AGB-Bestimmung richtet, kommt weder der wirtschaftlichen Bedeutung eines Klauselwerks oder der betroffenen Klauseln ein maßgebliches Gewicht zu noch dem Zugang zum Revisionsgericht (im Anschluss an BGH, Beschlüsse vom 26. September 2012 - IV ZR 208/11, NJW 2013, 875 Rn. 20; vom 24. März 2020 - XI ZR 516/18, NJW-RR 2020, 1055 Rn. 5).
b) Eine von dem Regelbeschwerdewert (2.500 € pro beanstandeter Klausel) ab-weichende Bemessung der Beschwer folgt daher nicht schon daraus, dass ein Zulassungsgrund geltend gemacht wird, der - wäre die Nichtzulassungsbeschwerde zulässig - zu der Zulassung der Revision führen könnte.
ZPO § 3; UKlaG § 1
Sachverhalt
I.
Der in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragene Kläger nimmt die Beklagte (noch) auf Unterlassung der Verwendung von acht von ihr als Allgemeine Geschäftsbedingungen bewertete Klauseln in der "A. Datenschutzrichtlinie" in Anspruch. Die Beklagte betrieb bis zum Jahr 2012 im Internet eine Verkaufsplattform für Produkte des Unternehmens A. Inc., den so genannten "A. Online Store". Seit 2012 wird der Online-Handel von einer anderen irischen Gesellschaft des A. -Konzerns weitergeführt.
Die Webseite des "A. Online Store" enthielt im Jahr 2011 eine in den Bestellprozess eingebundene und mit einem voreingestellten Häkchen versehene Zustimmung zur laufenden Übermittlung von "A. Infos" sowie einen Hinweis auf die "Datenschutz-Vereinbarung von A. ". Auf der Webseite waren daneben die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten und die so genannte "A. Datenschutzrichtlinie" abrufbar.
Der Kläger hat von der Beklagten die Unterlassung der Verwendung von acht Passagen über die Nutzung personenbezogener Daten verlangt, welche Bestandteil der sogenannten "A. Datenschutzrichtlinie" sind und die die Datenverarbeitungspraxis der Beklagten betreffen.
Das Landgericht hat die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zur Unterlassung der Nutzung dieser acht Passagen verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil dahin abgeändert, dass es die Klage bezüglich der Passage Nr. 4 abgewiesen hat. Im Übrigen hat es die ausgesprochene Verurteilung bestätigt. Es hat die von ihm beanstandeten Klauseln als Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB eingestuft, die gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam seien, weil sie vom wesentlichen Grundgedanken des Art. 6 Abs. 1 Buchst. a DS-GVO abwichen. Nach dieser Vorschrift sei der Beklagten die Verarbeitung von Daten nur dann erlaubt, wenn die betroffene Person ihre Einwilligung zu der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten gegeben habe. Die Beklagte nehme mit den Klauseln für sich das Recht in Anspruch, einwilligungsbedürftige Datenverarbeitungsvorgänge auch ohne Einwilligung vorzunehmen.
Den Streitwert hat das Berufungsgericht auf 20.000 € festgesetzt und dabei jeder der acht Klauseln einen Wert von 2.500 € beigemessen. Die Revision hat es nicht zugelassen. Mit der beabsichtigten Revision, deren Zulassung sie mit der Nichtzulassungsbeschwerde begehrt, möchte die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiterverfolgen. Sie meint, ihre Beschwer betrage jedenfalls mehr als 20.000 €.
Der Senat hat mit Hinweisbeschluss vom 5. August 2020 die Beklagte darauf hingewiesen, dass er beabsichtigt, die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen. Hiergegen hat die Beklagte Einwendungen erhoben.
Aus den Gründen
II.
7 Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht ist als unzulässig zu verwerfen, da der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 € nicht übersteigt (§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), sondern lediglich 17.500 € (2.500 € pro Klausel) beträgt.
8 1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs richtet sich der Streitwert und die Beschwer in Verfahren nach dem Unterlassungsklagen-gesetz (UKlaG) regelmäßig nach dem Interesse der Allgemeinheit an der Beseitigung einer gesetzwidrigen AGB-Bestimmung, nicht hingegen nach der wirtschaftlichen Bedeutung eines Klauselverbots (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 5. Februar 2019 - VIII ZR 277/17, NJW 2019, 1531 Rn. 9; vom 10. April 2018 - VIII ZR 247/17, NJW 2018, 1880 Rn. 34; vom 27. Februar 2018 - VIII ZR 147/17, RdE 2018, 251 Rn. 5; vom 7. Mai 2015 - I ZR 108/14, juris Rn. 6; vom 5. Februar 2015 - I ZR 106/14, juris Rn. 5; vom 28. September 2006 - III ZR 33/06, WM 2006, 635 Rn. 2; vom 19. Januar 2017 - III ZR 296/16, juris Rn. 4; vom 26. September 2012 - IV ZR 208/11, NJW 2013, 875 Rn. 20). Auf diese Weise sollen Verbraucherschutzverbände bei der Wahrnehmung der ihnen im Allgemeininteresse eingeräumten Befugnis, den Rechtsverkehr von unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu befreien, vor unangemessenen Kostenrisiken geschützt werden (BGH, Beschlüsse vom 5. Februar 2019 - VIII ZR 277/17, aaO; vom 19. Januar 2017 - III ZR 296/16, aaO; vom 5. Februar 2015 - I ZR 106/14, aaO; jeweils mwN). Diese Erwägungen gelten nicht nur für die Beschwer des unterliegenden Verbraucherschutzverbands, sondern auch für die Beschwer des unterliegenden Klauselverwenders (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 5. Februar 2019 - VIII ZR 277/17, aaO Rn. 10; vom 19. Januar 2017 - III ZR 296/16, aaO; jeweils mwN).
9 Bei einer gegen die Verwendung von AGB-Bestimmungen gerichteten Verbandsklage ist regelmäßig von einem Streitwert und einer Beschwer von 2.500 € je angegriffener Teilklausel auszugehen (st. Rspr.; vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 21. August 2019 - VIII ZR 263/18, juris Rn. 4; vom 27. Februar 2018 - VIII ZR 147/17, aaO Rn. 6; jeweils mwN).
10 Diese Grundsätze schließen es zwar nicht von vornherein aus, der herausragenden wirtschaftlichen Bedeutung einer Klausel für die betroffenen Verkehrskreise im Einzelfall ausnahmsweise Rechnung zu tragen, wenn die Entscheidung über die Wirksamkeit einer bestimmten Klausel nicht nur für deren Verwender und die Vertragspartner, sondern für die gesamte Branche von wesentlicher Bedeutung ist, etwa weil es dabei um äußerst umstrittene verallgemeinerungsfähige Rechtsfragen von großer wirtschaftlicher Tragweite geht, über deren Beantwortung bereits vielfältig und mit kontroversen Ergebnissen gestritten wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. Februar 2019 - VIII ZR 277/17, aaO Rn. 14; vom 10. April 2018 - VIII ZR 247/17, aaO Rn. 36; vom 27. Februar 2018 - VIII ZR 147/17, aaO; vom 7. Mai 2015 - I ZR 108/14, aaO Rn. 7; vom 5. Februar 2015 - I ZR 106/14, aaO Rn. 6; vom 19. Januar 2017 - III ZR 296/16, aaO Rn. 5; vom 10. Dezember 2013 - XI ZR 405/12, NZM 2014, 255 Rn. 6 f.).
11 2. Gemessen an diesen Maßstäben ist die sich aus ihrer Verurteilung ergebende Beschwer der Beklagten, die angegriffenen sieben Klauseln nicht verwenden zu dürfen, mit nicht mehr als 2.500 € pro Klausel zu bemessen.
12 a) Die Nichtzulassungsbeschwerde verkennt bereits im Ansatz, dass eine von dem Regelbeschwerdewert abweichende Bemessung nicht schon daraus folgt, dass ein Zulassungsgrund geltend gemacht wird, der - wäre die Nichtzulassungsbeschwerde zulässig - zu der Zulassung der Revision führen könnte. Da sich bei Verbandsprozessen nach §§ 1, 4 UKlaG der Streitwert und die Beschwer der Parteien regelmäßig nach dem Interesse der Allgemeinheit an der Beseitigung der beanstandeten AGB-Bestimmung richtet, kommt weder der wirtschaftlichen Bedeutung eines Klauselwerks oder der betroffenen Klauseln ein maßgebliches Gewicht zu noch dem Zugang zum Revisionsgericht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. September 2012 - IV ZR 208/11, aaO; vom 24. März 2020 - XI ZR 516/18, NJW-RR 2020, 1055 Rn. 5). Insoweit gilt nichts anderes als bei der Bestimmung des Beschwerdewerts in sonstigen Fällen. Die Bemessung des nach § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderlichen Beschwerdewerts richtet sich nicht danach, ob die Nichtzulassungsbeschwerde in der Sache Aussicht auf Erfolg hat. Das ergibt sich bereits daraus, dass die Prüfung der Zulassungsvoraussetzungen zwingend ein zulässiges Rechtsmittel voraussetzt, was im Falle der Nichtzulassungsbeschwerde neben der Einhaltung der Frist- und Formvorschriften auch erfordert, dass der gesetzlich angeordnete Beschwerdewert erreicht wird.
13 aa) Vor diesem Hintergrund sind die Ausführungen der Nichtzulassungsbeschwerde unbeachtlich, wonach die Zulassung der Revision aus unions- und verfassungsrechtlichen Gründen geboten sei, weil die aufgeworfenen Fragestellungen, "insbesondere im Hinblick auf die Auslegung und Heranziehung der Datenschutz-Grundverordnung im Rahmen einer AGB-Kontrolle nach nationalem Recht […] dem Auslegungsmonopol des Europäischen Gerichtshofs (Art. 267 AEUV)" unterlägen und eine Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig europarechtliche Fragestellungen einer unionsrechtlichen Prüfung durch den Senat und den Gerichtshof der Europäischen Union entziehen und damit auch gegen den gesetzlichen Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen würde.
14 bb) Entsprechendes gilt, soweit die Nichtzulassungsbeschwerde rügt, das Berufungsgericht habe den Anspruch der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt. Die darin liegende Geltendmachung eines Zulassungsgrunds ist für die - der Prüfung der Zulassungsvoraussetzungen vorgeschaltete - Frage, ob der gesetzliche Beschwerdewert erreicht und damit das Rechtsmittel zulässig ist, nicht von Bedeutung.
15 b) Entgegen der Annahme der Nichtzulassungsbeschwerde liegt auch nicht eine Fallgestaltung vor, in der nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ausnahmsweise eine höhere Bemessung der Beschwer angezeigt ist.
16 aa) Anders als die Nichtzulassungsbeschwerde meint, reicht allein der Umstand, dass die Sache ungeklärte Rechtsfragen aufwirft, die möglicherweise auch für andere Verfahren bedeutsam sein können, nicht aus. Vielmehr setzt eine höhere Wertbemessung voraus, dass die Sache eine "herausragende wirtschaftliche Bedeutung für die beteiligten Verkehrskreise" hat, die wiederum dann anzunehmen ist, wenn die Entscheidung über die Wirksamkeit einer bestimmten Klausel nicht nur für deren Verwender und die Vertragspartner, sondern für die gesamte Branche von wesentlicher Bedeutung ist. Dies wiederum ist etwa dann der Fall, wenn es um äußerst umstrittene verallgemeinerungsfähige Rechtsfragen von großer wirtschaftlicher Tragweite geht, über deren Beantwortung bereits vielfältig und mit kontroversen Ergebnissen gestritten wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. Februar 2019 - VIII ZR 277/17, aaO; vom 10. April 2018 - VIII ZR 247/17, aaO; vom 27. Februar 2018 - VIII ZR 147/17, aaO; vom 7. Mai 2015 - I ZR 108/14, aaO; vom 5. Februar 2015 - I ZR 106/14, aaO; vom 19. Januar 2017 - III ZR 296/16, aaO; vom 10. Dezember 2013 - XI ZR 405/12, aaO).
17 Entgegen der Auffassung der Nichtzulassungsbeschwerde hat auch der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in der letztgenannten Entscheidung diesen Maßstab zugrunde gelegt. Soweit sie darauf abstellt, der XI. Zivilsenat habe bei seinen weiteren Ausführungen eine "erhebliche wirtschaftliche Bedeutung" für die Branche genügen lassen, verkennt sie, dass damit nichts anderes gemeint ist, als mit dem vom Senat und von anderen Zivilsenaten des Bundesgerichtshofs verwendeten Passus "Entscheidung muss für die gesamte Branche von wesentlicher Bedeutung sein".
18 bb) Eine herausragende wirtschaftliche Bedeutung in dem genannten Sinne hat die Nichtzulassungsbeschwerde in ihrer Beschwerdebegründung zwar für sich in Anspruch genommen, jedoch nicht ausreichend dargelegt. Sie setzt den Umstand, dass das Verfahren höchstrichterlich noch nicht in allen Einzelheiten geklärte Rechtsfragen aufwirft, die auch für andere Rechtsstreitigkeiten von Bedeutung sein könnten, mit einer herausragenden wirtschaftlichen Bedeutung für die gesamte Branche gleich. Dabei blendet sie aus, dass die von ihr angeführten Rechtsfragen (ausweislich ihrer Stellungnahme zum Hinweisbeschluss des Senats geht es dabei vorwiegend um die Frage der Auslegung und Heranziehung der Datenschutz-Grundverordnung im Rahmen einer AGB-rechtlichen Kontrolle nach nationalem Recht) nicht losgelöst von der konkreten Gestaltung und Verwendung der Klauseln durch die Beklagte zu beurteilen, also nicht ohne Weiteres auf Datenschutzregelungen anderer Unternehmen zu übertragen sind, so dass einer höchstrichterlichen Entscheidung im vorliegenden Fall nicht schon wegen möglicherweise klärungsfähiger Fragen eine herausragende wirtschaftliche Bedeutung für die gesamte Branche im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zukommt. Eine solche ergibt sich ferner nicht aus der nicht belegten Behauptung der Nichtzulassungsbeschwerde, auch anderen Unternehmen drohten aufgrund der Gestaltung ihrer Datenschutzregelungen ohne eine Entscheidung im vorliegenden Verfahren erhebliche Sanktionen.
19 (1) Die Nichtzulassungsbeschwerde macht zunächst geltend, die Frage der Zulässigkeit informatorischer Datenschutzrichtlinien und deren Überprüfbarkeit am Maßstab des AGB-Rechts habe nicht nur für die Beklagte herausragende wirtschaftliche Bedeutung, sondern auch für andere Unternehmen verschiedenster Branchen. Dies stützt sie darauf, dass das Verhältnis von AGB-Recht und (europäischem) Datenschutzrecht und die Durchsetzbarkeit der Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung über das Unterlassungsklagengesetz (UKlaG) noch völlig ungeklärt sei, und dass die Bedeutung der Frage, ob eine informatorische Datenschutzrichtlinie einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB unterliege, weit über den konkreten Fall hinausreiche.
20 Daraus ergibt sich aber allenfalls eine mögliche rechtliche Bedeutung der aufgeworfenen Fragen für weitere Fälle, nicht aber, dass einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs über die vom Berufungsgericht beanstandeten Klauseln für die gesamte Branche die erforderliche herausragende wirtschaftliche Bedeutung zukäme. Dies gilt auch, soweit die Nichtzulassungsbeschwerde auf das Auslegungsmonopol des Gerichtshofs der Europäischen Union verweist. Anders als die Nichtzulassungsbeschwerde in ihrer ergänzenden Stellungnahme anführt, begründet eine "rechtliche Unsicherheit" allein eine solche wirtschaftliche Bedeutung für andere Unternehmen noch nicht, zumal die Nichtzulassungsbeschwerde nicht hinreichend dargelegt hat, dass diese ebenfalls die vom Berufungsgericht beanstandeten Klauseln in der von der Beklagten gewählten Art und Weise verwenden.
21 (2) Die von der Nichtzulassungsbeschwerde zur Begründung einer grundsätzlichen Klärungsbedürftigkeit weiterer Fragen angeführten Vorlageersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union in den Verfahren C-673/17 und C-40/17 sind aus den vorgenannten Gründen und auch deswegen nicht geeignet, eine herausragende wirtschaftliche Bedeutung der Entscheidung des Senats im hiesigen Verfahren für die gesamte Branche zu begründen, weil es insoweit im Hinblick auf die bereits anhängigen Verfahren aus Sicht der Branche eines weiteren Vorlageersuchen nicht bedurfte.
22 (3) Allenfalls soweit die Nichtzulassungsbeschwerde geltend macht, bei Verstößen gegen die Informationspflichten über die Verarbeitung personenbezogener Daten drohten der Beklagten und anderen Unternehmen "empfindliche" Sanktionen, ist eine wirtschaftliche Betroffenheit ersichtlich. Dass sich hieraus eine herausragende wirtschaftliche Bedeutung der vorliegenden Sache für die gesamte Branche ergäbe, ist jedoch weder dargelegt noch erkennbar.
23 (a) Die Nichtzulassungsbeschwerde berücksichtigt bei ihrer gegenteiligen Einschätzung nicht hinreichend, dass das Berufungsgericht bei der Bewertung der beanstandeten Passagen als Allgemeine Geschäftsbedingungen auf die im konkreten Einzelfall gewählte Gestaltung (Überschrift, Einleitungssatz etc.) abgestellt hat. Dass die Überschrift "Datenschutzrichtlinie" auch von anderen Unternehmen verwendet wird, führt entgegen ihrer Auffassung nicht dazu, dass die in Frage stehende Auslegung der von der Beklagten verwendeten Klauseln auch für die Handhabung der Regelungswerke anderer Unternehmen maßgebend ist. Denn das Berufungsgericht hat für die Beurteilung, ob es sich bei den von der Beklagten verwendeten Klauseln um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, auch maßgeblich den Wortlaut der Erklärungen (Einleitungssatz und weiterer Text der Klauseln) herangezogen. Dass die gesamte Branche oder wenigstens eine Vielzahl von Unternehmen ihre "Datenschutzrichtlinien" entsprechend formuliert haben, legt die Nichtzulassungsbeschwerde, die sich nur mit einem pauschalen Vergleich verschiedener "Datenschutzrichtlinien" begnügt, nicht dar und ist auch sonst nicht ersichtlich.
24 (b) Der von der Nichtzulassungsbeschwerde weiter angeführte Umstand, dass das Bundeskartellamt in einem Konditionenmissbrauchsverfahren den vom Berufungsgericht aufgestellten rechtlichen Maßstab, wonach der Datenschutz-Grundverordnung im Rahmen einer AGB-rechtlichen Kontrolle Leitbildcharakter zukomme, auf die Vorschrift des § 19 Abs. 1 GWB übertragen hat, führt ebenfalls nicht dazu, dass eine Entscheidung des Senats im hiesigen Fall für die gesamte Branche von herausragender wirtschaftlicher Bedeutung wäre. Denn es ist nicht hinreichend dargelegt, dass andere Unternehmen ihre Datenschutzmitteilungen als Allgemeine Geschäftsbedingungen und nicht nur als reine Informationen ausgestaltet haben. Gerade die von der Nichtzulassungsbeschwerde angeführte Entscheidung des 5. Zivilsenats des Kammergerichts zeigt, dass es letztlich von einer Auslegung der konkreten "Datenschutzrichtlinie" abhängt, ob den dort enthaltenen Passagen lediglich informatorischer Charakter zukommt, oder ob sie Regelungen im Sinne des § 305 BGB treffen.
25 (c) Weiter misst die Nichtzulassungsbeschwerde zu Unrecht dem Umstand keine Bedeutung zu, dass das Berufungsgericht nicht jegliche Regelungen über die Verwendung personenbezogener Daten für unzulässig erklärt, sondern die in Rede stehenden Klauseln nur deswegen beanstandet hat, weil sie nicht zum Ausdruck bringen, dass von den darin geregelten Befugnissen nur bei Vorliegen eines (freiwilligen) Einverständnisses des jeweiligen Kunden (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a DS-GVO) Gebrauch gemacht wird. Damit ist es der Beklagten (und anderen datenschutzrechtlich Verantwortlichen) nicht etwa - wie die Nichtzulassungsbeschwerde meint - generell unmöglich, den in Art. 12 ff. DS-GVO statuierten Informationspflichten durch entsprechende rechtliche Vorkehrungen (Umgestaltung der Datenschutzrichtlinie bzw. Einholung der Einwilligung des jeweiligen Kunden) nachzukommen und damit einer Sanktion zu entgehen.
26 Soweit die Nichtzulassungsbeschwerde sich in ihrer ergänzenden Stellungnahme auf den Standpunkt stellt, ohne eine höchstrichterliche Entscheidung könnten weder die Beklagte noch andere Unternehmen entsprechende Vorkehrungen gegen eine Verletzung der Informationspflichten treffen, verkennt sie, dass die Beklagte und andere Unternehmen nicht daran gehindert sind, aus Gründen rechtlicher Vorsicht die freiwillige Einwilligung des jeweiligen Kunden einzuholen oder die Datenschutzrichtlinie in ihren Formulierungen den Vorgaben der obergerichtlichen Rechtsprechung anzupassen. Der Beklagten geht es letztlich allein darum, solche Maßnahmen in der Hoffnung, der Senat werde das Berufungsurteil aufheben, nicht ergreifen zu müssen. Dass ihr und anderen Unternehmen solche Maßnahmen unmöglich und sie aus diesem Grunde erheblichen Sanktionen ausgesetzt wären, folgt daraus aber gerade nicht.
27 (4) Auch die vom Berufungsgericht angenommene und von der Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig beanstandete rückwirkende Anwendung der DS-GVO auf Fälle vor dem 25. Mai 2018 betrifft allein die rechtliche Bewertung des Falles, erhöht aber aus den genannten Gründen nicht die Beschwer der Beklagten.
28 (5) Aus dem von der Nichtzulassungsbeschwerde angeführten besonderen Interesse der Verbraucher an einer transparenten und umfassenden Darstellung der Datenverarbeitungsvorgänge von Unternehmen folgt ebenfalls nur eine rechtliche, nicht aber eine besondere wirtschaftliche Bedeutung der in Streit stehenden Passagen.
29 (6) Soweit die Beklagte schließlich meint, das Urteil des Berufungsgerichts begründe für sie selbst im Hinblick auf die Unternehmensphilosophie und das Ansehen von A. eine bedeutende individuelle Beschwer, kann sie auch hiermit eine höhere Bemessung des Werts der geltend gemachten Beschwer nicht erreichen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kommt es für eine Erhöhung der Regelbeschwer auf die wirtschaftliche Bedeutung einer AGB-Klausel für die gesamte Branche und nicht auf die Auswirkungen für das konkret betroffene Unternehmen an (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. April 2018 - VIII ZR 247/17, aaO Rn. 37; vom 23. Februar 2017 - III ZR 390/16, juris Rn. 6; vom 10. Dezember 2013 - XI ZR 405/12, aaO Rn. 7). Davon abgesehen wären unter diesem Gesichtspunkt allein die - nicht im Einzelnen dargelegten - Auswirkungen für die Beklagte und nicht mögliche Beeinträchtigungen des gesamten A. -Konzerns maßgebend.