OLG München: Streit über die Ernennung von Schiedsrichtern
OLG München, Beschluss vom 21.12.2011 - 34 SchH 11/11
Leitsatz:
Der Streit zwischen Parteien, ob die Ernennung von Schiedsrichtern wirksam und das
vereinbarte Verfahren hierzu eingehalten worden ist, ist auf der Grundlage von § 1035
Abs. 4 ZPO zu entscheiden.
ZPO § 1035 Abs. 4
sachverhalt
I. Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer Schiedsrichterbestellung.
Die Antragsgegnerin zu 1 ist eine Partnerschaft von Rechtsanwälten, in die der Antragsteller mit Beteiligungsvertrag vom 23.3.2006 aufgenommen wurde. Der Antragsgegner zu 2 gehört der Partnerschaft an. § 4 des Beteiligungsvertrags enthält eine Schiedsklausel. Die dort vorgesehene gesonderte Schiedsvereinbarung wurde Urkunde vom selben Tag abgeschlossen. In ihr ist, soweit hier von Bedeutung, folgendes festgelegt:
2. Im Wege der Einigung soll ein Schiedsrichter bestimmt werden. Hierzu benennen beide Parteien jeweils zwei Personen als mögliche Schiedsrichter. Hat eine Partei nach Aufforderung durch die andere Partei innerhalb einer Frist von einem Monat keinen Schiedsrichter benannt, so steht das Benennungsrecht endgültig der anderen Partei zu.
3. Kommt innerhalb eines Monats ab Benennung aller möglichen Schiedsrichter keine Einigung auf einen Schiedsrichter zustande, wird ein dreiköpfiges Schiedsgericht gebildet, wobei jede Partei einen Schiedsrichter benennen darf. Benennt eine Partei nach Aufforderung durch die andere innerhalb einer Frist von einem Monat keinen Schiedsrichter, so geht das Benennungsrecht für beide Schiedsrichter endgültig auf die andere Partei über. Die beiden auf diese Weise benannten Schiedsrichter wählen ihrerseits einen dritten Schiedsrichter, der den Vorsitz des Schiedsgerichts übernehmen soll. ...
Mit Schreiben vom 10.6.2011 hat der Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin zu 1 die Einleitung eines Schiedsverfahrens beantragt. Seine Schiedsklage stammt vom 24.8.2011. Sie lautet auf Feststellung, dass der Beschluss, mit welchem die Partnerschaft des Antragstellers gekündigt wurde, nichtig ist. Weiterhin begehrt er gegen den Antragsgegner zu 2 die Feststellung, ihm gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet zu sein, weil dieser die „Equity-Partner" wissentlich unrichtig über angebliche ihn betreffende Mandantenkritik informiert habe. Gleichzeitig benannte der Antragsteller einen Schiedsrichter. Unter dem 23.9.2011, 11.10.2011 und 26.10.2011 erweiterte der Antragsteller seine Klage auf jeweils weitere von der Antragsgegnerin zu 1 ausgesprochene fristlose Kündigungen. In der dritten Klageerweiterung benannte der Antragsteller RA Dr. P. als Schiedsrichter, da der ursprünglich von ihm bestellte Schiedsrichter seine Bereitschaft zur Amtsübernahme widerrufen hatte. Am 23.9.2011 rügten die Antragsgegner unter Hinweis auf die Schiedsvereinbarung vom 23.3.2006 die nicht ordnungsgemäße Erhebung der Schiedsklage. Höchst vorsorglich benannten die Antragsgegner RA Dr. B. als Schiedsrichter. Der Antragsteller ist der Ansicht, dass die Schiedsvereinbarung zwar vorsehe, im Wege der Einigung zunächst einen (Einzel-)Schiedsrichter zu bestimmen. Hierbei handele es sich aber nicht um einen zwingenden Verfahrensabschnitt, dessen Auslassung zu einem „schweren und nicht reparablen Mangel" bei der Bildung des Schiedsgerichts führe. Der Verfahrensabschnitt verliere seine Berechtigung, wenn eine Einigung von vorneherein ausgeschlossen sei. Dies sei der Fall, da für ihn angesichts des Verhaltens der Antragsgegner eine Verständigung auf einen Einzelschiedsrichter nicht in Frage komme. Die Berufung auf einen fehlenden Einigungsschritt sei rechtsmissbräuchlich, da sie zu einer nicht zu rechtfertigenden Verzögerung des ihm zustehenden Rechtsschutzes führe. Darüber hinaus könnten die Antragsgegner einen etwaigen Mangel des Bestellungsverfahrens gar nicht mehr geltend machen, da sie nicht unverzüglich gerügt hätten. Der Antragsteller hat deshalb am 31.10.2011 die Feststellung beantragt, dass die in seiner Schiedsklage vorgenommene Bestellung eines Schiedsrichters, nach dessen Widerruf die Bestellung des Rechtsanwalts Dr. B. als Schiedsrichter rechtswirksam und in Übereinstimmung mit den Bestimmungen der Schiedsvereinbarung vom 23.3.2006 erfolgt sei. Die Antragsgegner haben sich dem Antrag widersetzt.
aus den gründen
II. Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
1. Die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts München ergibt sich aus § 1025 Abs. 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 ZPO i.V.m. § 8 der Gerichtlichen Zuständigkeitsverordnung Justiz (GZVJu vom 16.11.2004, GVBl S. 471). Soweit die Parteien als zuständiges Gericht „für die Hinterlegung des Schiedsspruches und des sonstigen Verfahrens" das Landgericht München I vereinbart haben, ist diese Vereinbarung unwirksam, da insoweit eine derogationsfeste ausschließliche Eingangszuständigkeit des Oberlandesgerichts gegeben ist, § 1062 Abs. 1 ZPO (Zöller/Geimer ZPO 29. Aufl. § 1062 Rn. 1). Ersichtlich beruht die Klausel auf dem überholten Rechtszustand vor der seit 1.1.1998 in Kraft befindlichen Schiedsverfahrensreform durch das Gesetz vom 22.12.1997 (BGBl I S. 3224). 2. Der Antrag ist entsprechend § 1035 Abs. 4 ZPO statthaft. Der Streit der Parteien, ob die Ernennung von Schiedsrichtern wirksam und das vereinbarte Verfahren hierzu eingehalten ist, ist auf der Grundlage von § 1035 Abs. 4 ZPO zu entscheiden (OLG Hamm SchiedsVZ 2003, 79; Musielak/Voit ZPO 8. Aufl. § 1035 Rn. 14 mit Fn. 56; Kröll SchiedsVZ 2003, 81; a.A. Zöller/Geimer ZPO 29. Aufl. § 1035 Rn. 20). Dem Antrag fehlt nicht das Rechtsschutzbedürfnis, da sich eine Verweisung der Parteien auf eine Entscheidung des Streits als Vorfrage in einem Verfahren auf Ersatzbenennung nach § 1035 Abs. 4 ZPO hier verbietet. Es geht nicht um die Benennung von (Ersatz-)Schiedsrichtern, sondern es soll geklärt werden, ob der Antragsteller verpflichtet ist, das von den Parteien vereinbarte Benennungsverfahren einzuhalten. Dieses Verfahren ist vorliegend gerade noch nicht gescheitert (siehe Kröll SchiedsVZ 2003, 81/82), sondern wurde vielmehr vom Antragsteller umgangen. Eine Klärung dieser Frage als Vorfrage in einem nach § 1035 ZPO ausdrücklich geregelten Verfahren käme nur dann in Betracht, wenn die beiden benannten Schiedsrichter sich - möglicherweise wegen Zweifeln an der Wirksamkeit ihrer Bestellung - weigern, einen Obmann zu bestellen. Dieser Weg erschiene jedoch nicht prozessökonomisch und würde gleichzeitig für den Fall, das das Gericht das Bestellungsverfahren als zulässig erachtet, dazu führen, einen Obmann durch das Gericht und nicht durch die beiden Schiedsrichter zu bestellen. Insoweit würde das staatliche Gericht aber unnötig in die Parteiautonomie eingreifen. Gleichfalls erscheint eine Verweisung der Parteien auf den Weg des § 1040 Abs. 1 ZPO prozessökonomisch nicht sinnvoll und stünde dem Grundsatz entgegen, möglichst frühzeitig alle Streitigkeiten bezüglich Zusammensetzung und Zuständigkeit des Schiedsgerichts zu klären.
2. Der Feststellungsantrag ist unbegründet. Das Bestellungsverfahren wurde nicht entsprechend der verbindlichen Schiedsvereinbarung ordnungsgemäß durchgeführt.
a) Der Antragsteller kann nicht entgegenhalten, die Antragsgegner hätten bereits ihr Rügerecht nach § 1027 ZPO verloren, weil sie die Rüge nicht unverzüglich erhoben oder fristgemäß geltend gemacht hätten. Vielmehr ist auf § 1040 Abs. 2 Satz 1 ZPO abzustellen. Hiernach kann die Rüge der Unzuständigkeit des Schiedsgerichts bis zur Klagebeantwortung geltend gemacht werden. Diese Bestimmung geht nach Sinn und Zweck als die speziellere der allgemeinen Präklusionsvorschrift in § 1027 ZPO vor (vgl. Reichold in Thomas/Putzo ZPO 32. Aufl. § 1027 Rn. 3).
b) Das von den Parteien vereinbarte Verfahren zur Bestellung des Schiedsgerichts wurde nicht eingehalten. Die Schiedsvereinbarung vom 23.3.2006 sieht vor, dass im Wege der Einigung ein Schiedsrichter benannt werden soll. Dazu soll jede Partei zwei Schiedsrichter benennen. Nur wenn innerhalb eines Monats keine Einigung zustande kommt, soll ein Dreierschiedsgericht gebildet werden. Dieses von den Parteien vereinbarte Verfahren mag umständlich, möglicherweise auch - gerade in einem Streitfall wie diesem - praktisch schwer umzusetzen sein. Als gescheitert oder von vorneherein nicht durchführbar erachtet es der Senat jedoch nicht. Zu beachten ist, dass es das vorrangige Ziel der Vertragsparteien auch für einen Konfliktfall war, ein Ein-Personen-Schiedsgericht zu bilden. Erst wenn sich dessen Bildung nach dem vorgesehenen Verfahren als unmöglich herausstellt, soll es zur Bildung eines dreiköpfigen Schiedsgerichts kommen. Der Antragsteller kann diesen Weg nicht dadurch umgehen, indem er vereinbarungswidrig bereits vorab jede Möglichkeit in Abrede stellt, sich mit den Antragsgegnern auf einen Schiedsrichter zu einigen, ohne deren Personalvorschläge zu kennen, geschweige sich damit auseinanderzusetzen. Genauso wenig ist es auszuschließen, dass die Antragsgegner bereit wären, sich auf einen der vom Antragsteller benannten Schiedsrichter einzulassen.
III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO.
Die Bestimmung des (endgültigen) Streitwertes beruht auf § 3 ZPO i. V. m. § 48 Abs. 1 GKG. Mit einem Bruchteil (etwa 1/3 des Hauptsachebetrages) ist im Regelfall, so auch hier, eine angemessene Bewertung für die begehrte Feststellung gegeben (vgl. z. B. Senat vom 23.5.2007, 34 SchH 001/07; vom 14.10.2010, 34 SchH 007/10). In der vorgelegten schiedsrichterlichen Klage ist das Interesse des Antragstellers mit 500.000,00 € beziffert, woraus der Senat den gegenständlichen Streitwert errechnet. Die vorgenommene (vorläufige) Bewertung in der Antragsschrift vom 31.10.2011 erscheint untersetzt.