BGH: Sonderzeichen „//“ nicht zur Firmenkennzeichnung geeignet
BGH, Beschluss vom 25.1.2022 – II ZB 15/21
ECLI:DE:BGH:2022:250122BIIZB15.21.0
Volltext: BB-Online BBL2022-833-3
Amtlicher Leitsatz
Die einer Firma vorangestellten Sonderzeichen "//" sind nicht zu ihrer Kennzeichnung geeignet.
Sachverhalt
I.
Die Antragstellerinnen sind Komplementärin und Kommanditistin der //CRASH Service Gesellschaft mbH & Co. KG. Sie meldeten die Gesellschaft unter dem 20. Januar 2021 zur Eintragung ins Handelsregister an.
Das Amtsgericht - Registergericht - hat den Eintragungsantrag zurückgewiesen. Die Beschwerde der Antragstellerinnen ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgen die Antragstellerinnen ihr auf die Eintragung der Gesellschaft gerichtetes Begehren weiter.
Aus den Gründen
II.
3 Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
4 1. Das Beschwerdegericht meint, die Firma der zur Eintragung ins Handelsregister angemeldeten Gesellschaft besitze nicht die für eine Sachfirma erforderliche Kennzeicheneignung. Dazu müsse der Firma Namensfunktion zukommen, d. h. grundsätzlich eine wörtliche und aussprechbare Bezeichnung darstellen. Die Zulässigkeit von Sonderzeichen hänge daher von ihrer Artikulierbarkeit ab. Diese sei etwa bei den Sonderzeichen "&" bzw. "+" zu bejahen, weil ihre Aussprache ("und") eindeutig sei. Die in der zur Eintragung angemeldeten Firma verwendeten Sonderzeichen "//" seien jedoch nicht in eine artikulierbare Buchstabenreihenfolge eingebettet, sondern ihr vorangestellt. Ihre wörtliche Bezeichnung ("Schrägstrich" bzw. "Doppelschrägstrich") solle erkennbar nicht in der Firma ausgesprochen werden, sondern lediglich als Bildzeichen verwendet werden.
5 2. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 70 Abs. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig.
6 a) Ihrer Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass in der Rechtsbeschwerdeschrift die //CRASH Service Gesellschaft mbH & Co. KG fälschlich als Rechtsbeschwerdeführerin bezeichnet ist (§ 71 Abs. 1 Satz 2 FamFG).
7 Allerdings führt die Falschbezeichnung des Rechtsmittelführers in einer Rechtsmittelschrift grundsätzlich zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels. Die Rechtsmittelschrift muss entweder für sich allein betrachtet oder mit Hilfe weiterer Unterlagen bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist eindeutig erkennen lassen, wer Rechtsmittelführer und wer gegebenenfalls Rechtsmittelgegner sein soll (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Mai 2010 - VIII ZB 93/09, NJW-RR 2010, 281 Rn. 9; Urteil vom 15. Dezember 2010 - XII ZR 18/09, NJW-RR 2011, 359 Rn. 10; Beschluss vom 12. April 2011 - II ZB 14/10, ZIP 2011, 1587 Rn. 10). An die eindeutige Bezeichnung des Rechtsmittelführers sind dabei strenge Anforderungen zu stellen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss bei verständiger Würdigung des gesamten Vorgangs der Rechtsmitteleinlegung jeder Zweifel an der Person des Rechtsmittelführers ausgeschlossen sein. Dabei sind jedoch, wie allgemein bei der Auslegung von Prozesserklärungen, alle Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu berücksichtigen (BGH, Beschluss vom 11. Mai 2010 - VIII ZB 93/09, NJW-RR 2010, 281 Rn. 10; Urteil vom 15. Dezember 2010 - XII ZR 18/09, NJW-RR 2011, 359 Rn. 11; Beschluss vom 12. April 2011 - II ZB 14/10, ZIP 2011, 1587 Rn. 10). Hiernach kann der bei einer falschen oder ungenauen Bezeichnung des Rechtsmittelführers in der Rechtsmittelschrift im Hinblick auf seine Identifizierbarkeit bestehende Mangel behoben werden, wenn der richtige Rechtsmittelführer aufgrund weiterer Erkenntnismöglichkeiten innerhalb der Rechtsmittelfrist zweifelsfrei erkennbar wird, beispielsweise im Wege der Auslegung der Rechtsmittelschrift sowie der etwa sonst im Zeitpunkt des Ablaufs der Rechtsmittelfrist vorliegenden Unterlagen und Umstände (BGH, Urteil vom 18. Dezember 2019 - VIII ZR 332/18, NJW-RR 2020, 472 Rn. 18 mwN).
8 Der durch die Falschbezeichnung begründete Zweifel an der Person der Rechtsbeschwerdeführerinnen wird durch bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist vorliegende Unterlagen ausgeräumt. Aus der innerhalb der bis zum 19. Juli 2021 laufenden Rechtsmittelfrist am 13. Juli 2021 beim Bundesgerichtshof eingegangenen Instanzakte ergibt sich, dass es sich bei der Benennung //CRASH Service Gesellschaft mbH & Co. KG in der Rechtsbeschwerdeschrift um eine offenbare Unrichtigkeit handelt, die durch die offenbare Unrichtigkeit des deshalb gemäß § 42 Abs. 1 FamFG zu berichtigenden Rubrums des Beschlusses des Beschwerdegerichts verursacht worden ist (zur Rubrumsberichtigung durch das Rechtsmittelgericht vgl. BGH, Urteil vom 21. Juli 2017 - V ZR 72/16, NZM 2017, 853 Rn. 17 mwN). Gemäß § 161 Abs. 2, § 108 Satz 1 HGB ist nicht die Kommanditgesellschaft selbst, sondern sind ihre Gesellschafter antrags- und damit (§ 59 Abs. 2 FamFG) beschwerdebefugt (BGH, Beschluss vom 21. Juli 2020 - II ZB 26/19, ZIP 2020, 1658 Rn. 23 mwN). Dementsprechend weist die Beschwerdeschrift die Beteiligten zu 1 und 2 zutreffend als Beschwerdeführerinnen aus. Für einen Wechsel von diesen beschwerdebefugten Personen zu einer nicht beschwerdebefugten Person im zweiten und dritten Rechtszug fehlt jeder Anhalt.
9 Hinzu kommt, dass im Eingang der Rechtsbeschwerdebegründung beide Beteiligte namentlich aufgeführt sind. Die Begründungsschrift ging zwar nach Ablauf der Einlegungsfrist ein. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist jedoch anerkannt, dass ein Berichtigungsbeschluss zwar grundsätzlich keinen Einfluss auf den Lauf der Rechtsmittelfrist hat, eine Ausnahme aber dann zu machen ist, wenn die richtige Partei erst aus der berichtigten Entscheidung zweifelsfrei zu erkennen ist; in einem solchen Fall beginnt die Frist ausnahmsweise erst mit der Zustellung des Berichtigungsbeschlusses (BGH, Urteil vom 18. Dezember 2019 - VIII ZR 332/18, NJW-RR 2020, 472 Rn. 20 mwN). Dass die Unrichtigkeit später offenbar wird, ändert nichts daran, dass ein Fehler des Gerichts, dessen Entscheidung angefochten wird, für die unrichtige Bezeichnung des Rechtsmittelführers in der Rechtsmittelschrift ursächlich war.
10 b) Die Rechtsbeschwerdebefugnis der Antragstellerinnen ergibt sich daraus, dass ihre Beschwerde gegen den Beschluss des Registergerichts zurückgewiesen wurde (BGH, Beschluss vom 20. September 2011 - II ZB 17/10, BGHZ 191, 84 Rn. 5; Beschluss vom 26. Juni 2018 - II ZB 12/16, ZIP 2018, 1591 Rn. 7; Beschluss vom 13. April 2021 - II ZB 13/20, ZIP 2021, 1165 Rn. 5 mwN).
11 3. Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
12 a) Eine Firma muss nach § 18 Abs. 1 HGB zur Kennzeichnung geeignet sein, damit sie ihre Namensfunktion (§ 17 Abs. 1 HGB) erfüllen kann. Hierfür reicht als notwendige, aber zugleich hinreichende Bedingung die Aussprechbarkeit der Firma im Sinne der Artikulierbarkeit aus (BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2008 - II ZB 46/07, ZIP 2009, 168 Rn. 5, 10). Damit sind reine Bildzeichen, deren Artikulation in der Sprachgemeinschaft nicht etabliert ist, als Bestandteil der Firma nicht zulässig.
13 Nach dem Kriterium der Aussprechbarkeit beurteilt sich auch die Zulässigkeit von Sonderzeichen als Firmenbestandteil. Sie ist zu bejahen, soweit das Sonderzeichen im allgemeinen Sprachgebrauch als Wortersatz verwendet wird. Danach begegnet etwa die Verwendung der Sonderzeichen "&" und "+" in einer Firma keinen rechtlichen Bedenken, weil sie im kaufmännischen Verkehr als "und" bzw. "plus" gesprochen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 21. April 1997 - II ZB 14/96, BGHZ 135, 257, 260; ferner BayObLGZ 2001, 83, 84 f.; BeckOK HGB/Bömeke, Stand: 15. Juli 2021, § 18 Rn. 7; Staub/Burgard, HGB, 5. Aufl., § 18 Rn. 9; MünchKommHGB/Heidinger, 5. Aufl., § 18 Rn. 12; Lamsa in Heidel/Schall, HGB, 3. Aufl., § 18 Rn. 11; BeckOGK HGB/Lüken/Natzel, Stand: 15. Juli 2021, § 18 Rn. 37; Ries in Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas, HGB, 5. Aufl., § 18 Rn. 16; Roth in Koller/Kindler/Roth/Drüen, HGB, 9. Aufl., § 18 Rn. 3; Oetker/Schlingloff, HGB, 7. Aufl., § 18 Rn. 8; Wamser in Henssler/Strohn, GesR, 5. Aufl., § 18 HGB Rn. 2). Auch die firmenrechtliche Zulässigkeit des als "at" ausgesprochenen Sonderzeichens "@" wird aufgrund der zunehmenden Digitalisierung des Rechts- und Wirtschaftsverkehrs mittlerweile weithin bejaht, sofern es nach seiner Stellung im Schriftbild der Firma nicht als bloßer Ersatz und besondere Schreiweise des Buchstabens "a" verwendet wird (LG Berlin, NJW-RR 2004, 835; LG Cottbus, CR 2002, 134; LG München I, MittBayNot 2009, 315; BeckOK HGB/Bömeke, Stand: 15 Juli 2021, § 18 Rn. 8; Staub/Burgard, HGB, 5. Aufl., § 18 Rn. 10; MünchKommHGB/Heidinger, 5. Aufl., § 18 Rn. 14; Krafka, Registerrecht, 11. Aufl., Rn. 215; Lamsa in Heidel/Schall, HGB, 3. Aufl., § 18 Rn. 11; BeckOGK HGB/Lüken/Natzel, Stand: 15. Juli 2021, § 18 Rn. 38 f.; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB, 40. Aufl., § 18 Rn. 4; Ries in Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas, HGB, 5. Aufl., § 18 Rn. 16; Roth in Koller/Kindler/Roth/Drüen, HGB, 9. Aufl., § 18 Rn. 3; Oetker/Schlingloff, HGB, 7. Aufl., § 18 Rn. 8; Wamser in Henssler/Strohn, GesR, 5. Aufl., § 18 HGB Rn. 2; anders noch BayObLGZ 2001, 83, 84 f.; OLG Braunschweig, OLGR 2001, 31).
14 b) Nach diesen Maßgaben ist die Firma der von den Antragstellerinnen zur Eintragung angemeldeten Gesellschaft nicht zu ihrer Kennzeichnung geeignet (§ 18 Abs. 1 HGB).
15 Die der Firma vorangestellten Sonderzeichen "//" sind zunächst nicht als Satzzeichen bloß zusätzlicher Bestandteil einer artikulierbaren Buchstabenfolge (wie z.B. ",", ".", "!", "?"; vgl. dazu BayObLGZ 2001, 83, 84 f.; Krafka, Registerrecht, 11. Aufl., Rn. 215). Denn anders als Satzzeichen, die nicht mit ausgesprochen werden, also in dieser Hinsicht stumm sind, sind die vor dem Wort "crash" stehenden Sonderzeichen, wie die Rechtsbeschwerde hervorhebt, gerade auf Artikulation angelegt ("slash slash crash ..."). In dieser Verbindung liegt der Sprachwitz und damit das Charakteristische der Firma. Die Lautfolge weist infolge ihrer Rhythmisierung Merkmale eines Verses auf. Zudem reimt sich "crash" auf die Sonderzeichen, wenn sie in englischer Sprache ausgesprochen werden. Eine über ihre Artikulierbarkeit hinausgehende Satzfunktion der Sonderzeichen macht die Rechtsbeschwerde auch nicht geltend.
16 Soweit die Sonderzeichen "//" in der angemeldeten Firma aber auf Artikulation angelegt sind, lässt sich nicht feststellen, dass sie im allgemeinen Sprachgebrauch bereits als Wortersatz verwendet werden. Der kaufmännische Verkehr billigt ihnen bislang keine den &- oder auch +-Zeichen vergleichbare Wortersatzfunktion zu. Die Sonderzeichen dürften dem Rechts- und Wirtschaftsleben in erster Linie aus der digitalen Datenträger- und Internet-Navigation geläufig sein, ohne dass sie freilich eine dem @-Zeichen vergleichbare Sprachbedeutung erlangt haben. Ihre Aussprache ist zumindest außerhalb dieser Verkehrskreise objektiv mehrdeutig und kontextgeprägt. So ergibt sich die englische Aussprache, der in der digitalen Welt durchaus die Rolle einer Verkehrssprache zukommen mag, hier erst aus dem englischen Wort "crash", das den Sonderzeichen unmittelbar nachgesetzt ist. Auch die Rechtsbeschwerde räumt ein, dass die Sonderzeichen darüber hinaus als "double slash", "Schrägstrich, Schrägstrich" oder auch "Doppelschrägstrich" ausgesprochen werden können. Daneben hat der Schrägstrich in der //-Zeichenfolge zahlreiche weitere Bedeutungen, die einem eindeutigen Verständnis der Sonderzeichen als Wortersatz entgegenstehen. Nach § 106 der Rechtschreibregeln von 2018 (Aktualisierte Fassung des amtlichen Regelwerks entsprechend den Empfehlungen des Rats für deutsche Rechtschreibung 2016) kennzeichnet der Schrägstrich, dass Wörter (Namen, Abkürzungen), Zahlen oder dergleichen zusammengehören. Die Zusammengehörigkeit kann sich wiederum ganz unterschiedlich ausdrücken, als Verbindung (z.B. "Wamser in Henssler/Strohn"), als Gliederung (z.B. "II ZB 15/21") oder auch Verhältnis (z.B. "trägt die Kosten zu 7/10").