LG Frankenthal: Sonderprüfung des GmbH-Geschäftsführers
LG Frankenthal, Urteil vom 09.08.2012 - 2 HK O 23/12
SACHVERHALT
Die Klägerin ist eine Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, welcher der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Dr. G. angehört.
Der Streithelfer der Klägerin war an der im Jahre 2003 gegründeten Beklagten als Gesellschafter mit Geschäftsanteilen von 35 % beteiligt. Die übrigen Geschäftsanteile hält sein Stiefvater, der Geschäftsführer der Beklagten. Beide Personen sind seit längerem zerstritten und führten bzw. führen vor dem erkennenden Gericht mehrere Rechtsstreite, nachdem der Streithelfer der Klägerin als Mitgeschäftsführer abberufen worden war und daraufhin seine Gesellschafterstellung zum 31.12.2010 gekündigt hatte. Ihre Prozesse betreffen im Wesentlichen den Abfindungsanspruch des Streithelfers und die Frage, ob er noch Gesellschafter der Beklagten ist. In ihrer zum Handelsregister eingereichten Gesellschafterliste ist er als solcher jedenfalls aufgeführt. Vorliegend begehrt die Klägerin von der Beklagten die Bezahlung ihrer Rechnung vom 14.11.2011 für die „Sonderprüfung der Geschäftsführung gem. Gesellschafterbeschluss vom 27.4.2011" i. H. v. 15.660,40 Euro. Über die Prüfung wurde ein vom Wirtschaftsprüfer Dr. G. unterzeichneter Sonderprüfungsbericht vom 14.10.2011 erstellt. Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 25.11.2011 lehnte die Beklagte eine Bezahlung der Rechnung ab.
Mit der Sonderprüfung hatte es folgende Bewandtnis: In der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 27.4.2011 wurde gemäß deren Protokoll unter TOP 4 mit der Stimme des Streifhelfers der Klägerin - der Geschäftsführer der Beklagten nahm an der Abstimmung nicht teil - folgender Beschluss gefasst:
„Es wird ein Sonderprüfer bestellt zur Prüfung der Frage, ob der Geschäftsführer Dr. F. bei den seit dem 01.07.2010 vorgenommenen oder in Auftrag gegebenen Investitionen gegen Pflichten aus seinem Geschäftsführeranstellungsvertrag verstoßen hat. Zum Sonderprüfer wird ein Wirtschaftsprüfer bestellt, der vom Präsidenten der IHK M. benannt wird. Zum besonderen Vertreter der Gesellschaft gegenüber dem Sonderprüfer wird Herr Dr. B. bestellt."
Dieser Beschluss blieb unangefochten. Auf Antrag des Streithelfers der Klägerin benannte die IHK mit Schreiben vom 11.5.2011 Dr. G. aus der Kanzlei der Klägerin als Sonderprüfer.
Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 23.5.2011 erklärte sich der Streithelfer mit einer Vergütung des Sonderprüfers nach Zeitaufwand zu je Euro 180/Stunde einverstanden. Die Sonderprüfung wurde in der Zeit vom 19.5. bis 17.10.2011 durchgeführt. Mit Schreiben des Streithelfers vom 13.2.2012 bestätigte dieser der Klägerin die Richtigkeit des Honoraranspruchs.
Die Klägerin, die ihr Zahlungsbegehren ursprünglich im Urkundenprozess geltend gemacht hatte, von dem sie in der mündlichen Verhandlung Abstand genommen hat, und ihr Streithelfer sind im Wesentlichen der Auffassung, die Klägerin sei zur Geltendmachung der Rechnungsforderung berechtigt. Der Streithelfer als besonderer Vertreter sei für die Vergütungsabrede und die Prüfung der gestellten Rechnung, die er mit seinem Schreiben vom Februar 2012 im Sinne eines Schuldanerkenntnisses bestätigt habe, allein zuständig gewesen. Es sei nicht Aufgabe des Sonderprüfers gewesen, die Wirksamkeit des seiner Bestellung zugrunde liegenden Gesellschafterbeschlusses zu prüfen. Es werde bestritten, dass der Sonderprüfer nicht neutral gehandelt habe.
Die Klägerin und ihr Streithelfer beantragen, wie erkannt.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen ... [wird ausgeführt].
Die zulässige Klage führt auch in der Sache zum Erfolg.
AUS DEN GRÜNDEN
- ► Aktivlegitimation der Klägerin zur Geltendmachung der Vergütungsforderung des Sonderprüfers
Die Klägerin ist [...] berechtigt, die Vergütungsforderung des Sonderprüfers Dr. G. geltend zu machen. [...]
Die Klägerin kann von der Beklagten gem. § 631 Abs.1 BGB die mit ihrer Rechnung vom 14. November 2011 geforderte Vergütung verlangen. Seiner Rechtnatur nach handelt es sich bei dem Vertrag zwischen Sonderprüfer und Gesellschaft um einen auf Werkleistung gerichteten Geschäftsbesorgungsvertrag gem. § 675, 631 ff. BGB (vgl. dazu Hüffer, Aktiengesetz, 8. Aufl., Rndr. 12 zu § 142).
- ► Beauftragung des Sonderprüfers durch den von der Gesellschafterversammlung bestimmten besonderen Vertreter
Zwischen dem Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Dr. G. und der Beklagten ist entgegen deren Ansicht ein Prüfungsvertrag zustande gekommen. Gem. § 46 Nr. 6 GmbHG unterliegen der Bestimmung der Gesellschafter die Maßregeln zur Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung. Die Gesellschafterversammlung hat das Recht, den oder die Geschäftsführer zu kontrollieren. Dabei sind alle geeigneten und nicht unverhältnismäßigen Maßnahmen zulässig. Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang das Recht zur Bestellung von Sonderprüfern (vgl. Baumbach/Hueck, GmbHG, 19.Aufl., Rdnr. 50 zu § 46 m. w. N.). Nachdem die Gesellschafterversammlung den Streithelfer der Klägerin mit dem unangefochten gebliebenen Beschluss vom 27.4.2011 zum besonderen Vertreter der Beklagten gegenüber dem Sonderprüfer bestellt hat, war dieser auch berechtigt, mit Dr. G. den Prüfungsvertrag zu schließen. Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, der Streithelfer der Klägerin hätte nicht zum besonderen Vertreter bestellt werden dürfen, da die Bestellung eines solchen nur für die Geltendmachung von Ersatzansprüchen zulässig sei, die Sonderprüfung aber zunächst die Ermittlung der tatsächlichen Grundlagen für Ersatzansprüche der Gesellschaft betreffe, kann dem nicht gefolgt werden. Für die Aktiengesellschaft ist anerkannt, dass deren Hauptversammlung beispielsweise ihren Versammlungsleiter oder den zur Niederschrift zugezogenen Notar zum Abschluss des Vertrages zwischen dem Sonderprüfer und der Gesellschaft bevollmächtigen kann (vgl. dazu Hüffer, a. a. O., Rdnr. 11 zu § 142; so auch Bürgers/Körber, Aktiengesetz, 2. Aufl., Rdnr. 11 zu § 142). Dementsprechend muss es bei der GmbH möglich und zulässig sein, dass deren Gesellschafterversammlung einen besonderen Vertreter der Gesellschaft gegenüber dem Sonderprüfer bestellt, insbesondere in Konfliktfällen, wenn, wie im Streitfall, der Geschäftsführer mit der Beauftragung des Sonderprüfers nicht einverstanden ist und deshalb eine Beauftragung nicht vornehmen würde. Vor diesem Hintergrund sind Gesellschafter-Geschäftsführer bei der Beschlussfassung über Prüfungsmaßnahmen auch vom Stimmrecht ausgeschlossen (vgl. dazu Baumbach/Hueck, a. a. O., Rdnr. 50 zu § 46). Die Beauftragung des Sonderprüfers durch den von der Gesellschafterversammlung bestimmten besonderen Vertreter hat demzufolge die Beklagte wirksam verpflichtet, weil sie zu seinem Aufgabenkreis gehörte. Dass sich der besondere Vertreter beim Vertragsschluss durch seinen Prozessbevollmächtigten vertreten ließ, ist nicht zu beanstanden. Eine Stellvertretung ist nur bei höchstpersönlichen Rechtsgeschäften ausgeschlossen; sonst ist die Vertretung grundsätzlich zulässig, wenn sie nicht durch vertragliche Abreden der Parteien im Rahmen einer sog. gewillkürten Höchstpersönlichkeit abbedungen ist (vgl. dazu Palandt, BGB, 70.Aufl., Rdnr. 4 Einf vor § 164 m. w. N). Eine derartige Abrede behauptet indes auch die Beklagte nicht.
- ► Wirksamer Vertrag über die Durchführung einer Sonderprüfung
Daraus folgt, dass zwischen der Beklagten und Dr. G. ein wirksamer Vertrag über die Durchführung einer Sonderprüfung zustande gekommen ist. Dies würde selbst für den Fall gelten, dass es sich, wie die Beklagte meint, bei dem Gesellschafterbeschluss vom 27.4.2011 um einen Scheinbeschluss handeln würde, weil dieser nichtig gewesen wäre. Im Verhältnis zur Klägerin bzw. dem von ihrem Streithelfer beauftragten Dr. G. wäre dies nämlich unbeachtlich, da selbst bei nichtigen Organbestellungsbeschlüssen die fehlerhafte Organstellung als wirksam anerkannt wird, solange die Fehlerhaftigkeit nicht geltend gemacht ist, und die Gesellschaft muss sich in diesen Fällen hinsichtlich Vertretungshandelns nach den Regeln der Anscheinsvollmacht behandeln lassen (vgl. dazu Baumbach/Hueck, a. a. O., Rdnr. 72 zu Anh § 47 und Rdnr. 9 zu § 35). Nichts anderes kann dann gelten, wenn, wie hier, mit unangefochten gebliebenem Gesellschafterbeschluss ein Gesellschafter zum besonderen Vertreter der Gesellschaft gegenüber dem Sonderprüfer bestellt wird. [...]
Die Beklagte ist auch zur Bezahlung der in Rechnung gestellten Vergütung für die Sonderprüfung in voller Höhe verpflichtet. Wie vorstehend ausgeführt, wurde der Streithelfer der Klägerin wirksam zum besonderen Vertreter gegenüber dem Sonderprüfer bestellt. Er hatte, vertreten durch seine Prozessbevollmächtigten, mit seinem Schreiben vom 23.5.2011 mit Dr. G. eine schriftliche Honorarvereinbarung getroffen, wonach, der Sonderprüfer nach Zeitaufwand zu je 180,00 Euro netto/h vergütet werden sollte. Mit seinem Schreiben vom 13.2.2012 hat er nach Prüfung der streitgegenständlichen Rechnung vom 14.11.2011 den Honoraranspruch als zutreffend bestätigt und damit die Begründetheit des Honoraranspruchs im Sinne eines Schuldanerkenntnisses gemäß § 781 BGB bestätigt. Die Beklagte kann die Forderung der Klägerin auch nicht mit der Begründung abwehren, der Sonderprüfer habe, was die Klägerin entschieden in Abrede stellt, nicht neutral gehandelt. Wie eingangs ausgeführt, handelt es sich bei dem Vertrag zwischen Sonderprüfer und Gesellschaft um einen um einen auf Werkleistung gerichteten Geschäftsbesorgungsvertrag. Nachdem eine Sonderprüfung stattgefunden hat, über die ein Prüfbericht erstellt wurde, dessen inhaltliche Richtigkeit auch von der Beklagten nicht beanstandet wird und der besondere Vertreter die Vergütungsforderung dafür gebilligt hat, ist diese Vergütungsforderung fällig. Verstöße des Sonderprüfers gegen die in § 323 HGB für den Abschlussprüfer geregelten Pflichten zur gewissenhaften und unparteiischen Prüfung und zur Verschwiegenheit, die gem. §144 AktG auch für den Sonderprüfer gelten, können, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig erfolgt sind, allenfalls eine Schadensersatzverpflichtung gegenüber der Gesellschaft begründen. Einen ihr entstandenen Schaden aufgrund der angeblichen Pflichtwidrigkeiten des Wirtschaftsprüfers Dr. G. behauptet die Beklagte indes selbst nicht.
Nach alledem ist sie zur Bezahlung der streitgegenständlichen Rechnungsforderung verpflichtet. [...]