LG Darmstadt: Selbstwiderlegung der Dringlichkeit
LG Darmstadt, Urteil vom 18.3.2024 – 18 O 7/24
ECLI:DE:LGDARMS:2024:0318.18O7.24.00
Volltext: BB-Online BBL2024-1026-4
unter www.betriebs-berater.de
Amtliche Leitsätze
1. Soweit die Beklagte darauf in Anspruch genommen wird, es zu unterlassen, als Mitglied des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft tätig zu werden, ist ein Gerichtsstand auch an dem Ort begründet, an dem sich die Beklagte als Vorsitzende des Aufsichtsrats geriert hat.
2. Ein Terminsverlegungsantrag, der zu einer Verzögerung von drei Wochen führt, kann die Annahme einer fehlenden Dringlichkeit rechtfertigen.
§ 29 ZPO, § 935 ZPO, § 940 ZPO
Sachverhalt
Der Verfügungskläger und die Verfügungsbeklagten zu 2) und 3) waren Mitglieder des Aufsichtsrats der A Aktiengesellschaft (im Folgenden: „A“) mit Sitz in […]. Der Verfügungskläger war Vorsitzender des aus insgesamt drei Mitgliedern bestehenden Aufsichtsrats.
B war Vorstand der A.
Aktionäre der A waren der Verfügungskläger mit einem Aktienbesitz von 4.999 Stück und B mit einem Aktienbesitz von 5.001 Stück.
Bereits seit geraumer Zeit bestanden Differenzen zwischen dem Verfügungskläger auf der einen und den Verfügungsbeklagten zu 2) und 3) auf der anderen Seite. Ein von dem Verfügungskläger im Jahr 2023 eingeleitetes und unter dem Aktenzeichen 18 O 53/23 geführtes Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes endete mit Anerkenntnisurteil vom 11.12.2023.
Der Verfügungskläger berief mit Ladung vom 20.12.2023 eine Sitzung des Aufsichtsrats der A für den 19.1.2024 ein.
Im Bundesanzeiger vom XX.XX.2023 wurde eine Mitteilung über die Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung der A am 29.1.2024 veröffentlicht (Bl. 154 f. d.A.).
Der Verfügungskläger erhielt am 5.1.2024 ein Änderungsverlangen der Verfügungsbeklagten zu 2) und 3) betreffend die Tagesordnung der Aufsichtsratssitzung, zu der auf den 19.1.2024 eingeladen worden war.
Am 19.1.2024 fand eine Aufsichtsratssitzung bei der A statt, an der der Verfügungskläger und die Verfügungsbeklagten zu 2) und 3) teilnahmen. Zwischen den Parteien ist der Verlauf der Aufsichtsratssitzung streitig; Gleiches gilt im Hinblick auf die Frage, ob bzw. welche Beschlüsse wirksam an diesem Tag gefasst wurden.
Der Vorstand der A reichte eine auf den 19.1.2024 datierte Liste des Aufsichtsrats zum Handelsregister ein, in der die Verfügungsbeklagte zu 2) als „Vorsitzende“ und die Verfügungsbeklagte zu 3) als „Stellvertretende Vorsitzende“ bezeichnet wird. Auf Bl. 62 d.A. wird verwiesen.
Die Verfügungsbeklagte zu 2) fertigte mit Datum vom 25.1.2024 ein mit „Protokoll der Aufsichtsratssitzung der A“ überschriebenes Schriftstück an, das sie dem Verfügungskläger mit E-Mail vom 26.1.2024 übersandte. Wegen des Inhalts des Schriftstücks und der Übersendungs-E-Mail wird auf Anlage K 12, Bl. 137-142 d.A., verwiesen.
Zu der Hauptversammlung der A am 29.1.2024 erschienen der Verfügungskläger und B. Gegen die Stimmen des Verfügungsklägers und mit den Stimmen von B wurde auf der Hauptversammlung die Abberufung des Verfügungsklägers als Mitglied des Aufsichtsrats der A sowie die Bestellung der Verfügungsbeklagten zu 1) zum Mitglied des Aufsichtsrats der A beschlossen.
Am 29.1.2024 kamen die Verfügungsbeklagten um 17:00 Uhr zusammen. Von der Verfügungsbeklagten zu 1) wurde in diesem Zusammenhang ein mit „Protokoll der Aufsichtsratssitzung des Aufsichtsrats der A gem. § 107 Abs. 2 AktG“ überschriebenes Schriftstück angefertigt. Auf Bl. 376-381 d.A. wird Bezug genommen.
Der Vorstand der A reichte eine auf den 30.1.2024 datierte Liste des Aufsichtsrats zum Handelsregister ein, in der die Verfügungsbeklagte zu 1) als „Vorsitzende“ und die Verfügungsbeklagte zu 2) als „Stellvertretende Vorsitzende“ bezeichnet wird. Der Verfügungskläger wurde in dieser Liste nicht als Mitglied des Aufsichtsrats aufgeführt. Auf Bl. 66 d.A. wird verwiesen.
Im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit bzw. Unrechtmäßigkeit der auf der Hauptversammlung der A am 29.1.2024 gefassten Beschlüsse rief der Verfügungskläger das Landgericht Frankfurt am Main mit Schriftsatz vom 7.2.2024 an (Bl. 185-219 d.A.). Das Landgericht Frankfurt am Main wies den im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes geltend gemachten Antrag, die A zu verpflichten, die zum Handelsregister eingereichte Liste mit dem neu zusammengesetzten Aufsichtsrat zurückzunehmen und es ihr einstweilen zu untersagen, dem Verfügungskläger die Ausübung des Amtes als Mitglied und Vorsitzender des Aufsichtsrats zu versagen oder ihn bei der Ausübung dieser Ämter zu behindern, mit Urteil vom 11.3.2024 zurück. Der Verfügungskläger kündigte an, gegen dieses Urteil Berufung einlegen zu wollen.
Der Verfügungskläger ist der Ansicht, er habe nach der wirksamen und einstimmigen Beschlussfassung am 19.1.2024 über die Beantragung der gerichtlichen Abberufung der Verfügungsbeklagten zu 2) und 3) als Mitglieder des Aufsichtsrats der A aus wichtigem Grund gem. § 103 Abs. 3 Satz 1 AktG i.V.m. § 375 Nr. 3 FamFG die Aufsichtsratssitzung um 15:13 Uhr geschlossen, womit die Aufsichtsratssitzung beendet worden sei. Am 19.1.2024 seien im Aufsichtsrat der A keine wirksamen Beschlüsse gefasst worden, aufgrund derer die Verfügungsbeklagte zu 2) als Vorsitzende und die Verfügungsbeklagte zu 3) als stellvertretende Vorsitzende des Aufsichtsrats der A ernannt wurden. Soweit auf der Hauptversammlung der A am 29.1.2024 die Abberufung des Verfügungsklägers als Mitglied des Aufsichtsrats und die Bestimmung der Verfügungsbeklagten zu 1) als Mitglied des Aufsichtsrats beschlossen worden sei, seien diese Beschlüsse nichtig bzw. rechtsmissbräuchlich und rechtswidrig.
Der Verfügungskläger beantragt,
1. der Verfügungsbeklagten zu 1) bei Festsetzung eines Ordnungsgeldes, ersatzweise Ordnungshaft, für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu untersagen, bis zu rechtskräftigen Entscheidungen in der Hauptsache durch das Landgericht Darmstadt zu dem Az. 18 O 8/24 und durch das Landgericht Frankfurt am Main zu dem Az. 3-05 O 27/24 das Amt des Mitglieds und insbesondere das Amt der Vorsitzenden des Aufsichtsrates der A Aktiengesellschaft, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Darmstadt unter HRB […], …, auszuüben;
2. der Verfügungsbeklagten zu 2) bei Festsetzung eines Ordnungsgeldes, ersatzweise Ordnungshaft, für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu untersagen, bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache durch das Landgericht Darmstadt zu dem Az. 18 O 8/24 das Amt der Vorsitzenden des Aufsichtsrates oder das der stellvertretenden Vorsitzenden des Aufsichtsrates der A Aktiengesellschaft, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Darmstadt unter HRB […], …, auszuüben;
3. der Verfügungsbeklagten zu 3) bei Festsetzung eines Ordnungsgeldes, ersatzweise Ordnungshaft, für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu untersagen, bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache durch das Landgericht Darmstadt zu dem Az. 18 O 8/24 das Amt der stellvertretenden Vorsitzenden des Aufsichtsrates der A Aktiengesellschaft, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Darmstadt unter HRB […], …, auszuüben;
4. den Verfügungsbeklagten bei Festsetzung eines Ordnungsgeldes, ersatzweise Ordnungshaft, für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu untersagen, die Beschlussfassungen der Verfügungsbeklagten zu 2) und zu 3) vom 19. Januar 2024 gem. der als Anlage K 12 vorliegenden Niederschrift über eine angebliche Sitzung des Aufsichtsrates der A Aktiengesellschaft, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Darmstadt unter HRB […], …, umzusetzen.
Die Verfügungsbeklagten beantragen,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Die Verfügungsbeklagten sind der Ansicht, dem Verfügungskläger fehle es an einem Rechtsschutzbedürfnis für dieses Eilverfahren. Im Hinblick auf die Verfügungsbeklagte zu 1) sei das Landgericht Darmstadt örtlich unzuständig. Da die Überprüfung der un-/wirksamen Bestellung der Verfügungsbeklagten zu 1) als Aufsichtsrat der Entscheidungskompetenz des angerufenen Gerichts entzogen sei, könne es der Verfügungsbeklagten zu 1) auch die Ausübung des Amtes als (einfaches) Aufsichtsratsmitglied nicht untersagen. Die Verfügungsbeklagten zu 2) und 3) seien berechtigt gewesen, die Aufsichtsratssitzung am 19.1.2024 ohne den Verfügungskläger fortzusetzen. Die Aufsichtsratsbeschlüsse vom 19.1.2024 seien sowohl durch die Hauptversammlung vom 29.1.2024 als auch durch die Aufsichtsratsbeschlüsse in der taggleichen konstituierenden Aufsichtsratssitzung überholt. Die Aufsichtsratssitzung am 29.1.2024 sei ordnungsgemäß einberufen und durchgeführt worden.
Der Verfügungskläger hat am 7.2.2024 ein einziges mit „Klage auf Feststellung der Nichtigkeit von Aufsichtsrats-Beschlüssen und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung“ überschriebenes Schriftstück eingereicht (Bl. 2 ff. d.A.). Mit Beschluss vom 8.2.2024 hat die Kammer das Hauptsacheverfahren zwischen C als Kläger und A Aktiengesellschaft als Beklagte und das Verfügungsverfahren zwischen C als Antragsteller und D, E und F als Antragsgegnerinnen abgetrennt (Bl. 223 f. d.A.). Mit Verfügung vom 8.2.2024 hat die Kammer Termin zur Güteverhandlung und gegebenenfalls im Anschluss daran mündliche Verhandlung bestimmt auf den 26.2.2024 und darauf hingewiesen, dass eine örtliche Zuständigkeit betreffend die Verfügungsbeklagte zu 1) zweifelhaft ist. Mit Schriftsatz vom 12.2.2024 hat der Verfügungskläger Terminsverlegung auf einen Termin ab dem 4.3.2024 beantragt und auf einen Auslandsaufenthalt des Verfügungsklägers und einen ab dem 24.2.2024 geplanten Urlaub seines Prozessbevollmächtigten verwiesen (Bl. 240 f. d.A.). Mit Verfügung vom 13.2.2024 hat die Kammer mitgeteilt, dass der nächste Termin, an dem unter Berücksichtigung des sonstigen Dezernatsanfalls terminiert werden könnte, der 18.3.2024 wäre, und angefragt, ob vor diesem Hintergrund angesichts der geltend gemachten Dringlichkeit und dem überschaubaren Sach- und Streitstand an dem Terminsverlegungsantrag festgehalten werden soll (Bl. 244 d.A.). Mit Schriftsatz vom 14.2.2024 hat der Verfügungskläger mitgeteilt, dass „die Wahrnehmung eines Verhandlungstermins am 26. Februar und in KW 9 aus den genannten Gründen definitiv nicht möglich“ sei, und dass die Verhandlung für den 18.3.2024 bestimmt werden möge (Bl. 248-249 d.A.). Mit Verfügung vom 15.2.2024 hat die Kammer dann den Termin auf Antrag des Prozessbevollmächtigten des Verfügungsklägers vom 12.2.2024 auf den 18.3.2024 verlegt (Bl. 251 d.A.). Mit Schriftsatz vom 13.3.2024 hat der Verfügungskläger die zunächst angekündigten Anträge modifiziert und um den Klageantrag zu 4) erweitert. Die Parteien haben sich mit einer Entscheidung durch den Vorsitzenden gemäß § 349 Abs. 3 ZPO einverstanden erklärt. Der Verfügungsbeklagtenvertreter hat Schriftsatznachlass auf Schriftsätze des Verfügungsklägers vom 13.3.2024 und vom 14.3.2024 beantragt.
Aus den Gründen
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig, aber unbegründet.
Das Landgericht Darmstadt ist örtlich zuständig.
Für die Verfügungsbeklagte zu 1) ergibt sich die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Darmstadt aus § 29 ZPO. Während aus der Antragsschrift nicht mit hinreichender Deutlichkeit hervorging, dass sich die Verfügungsbeklagte zu 1) als Mitglied des Aufsichtsrats der A geriert hat, ist die Kammer nunmehr aufgrund des Vortrags der Verfügungsbeklagten hiervon überzeugt. So tragen der Verfügungsbeklagten vor, dass am 29.1.2024 eine konstituierende Aufsichtsratssitzung stattgefunden habe, an der sämtliche Verfügungsbeklagten als Aufsichtsräte teilgenommen hätten. Aus dem „Protokoll der Aufsichtsratssitzung des Aufsichtsrats der A gem. § 107 Abs. 2 AktG“ vom 29.1.2024 (Bl. 376 ff. d.A.) geht hervor, dass die Verfügungsbeklagte zu 1) ausgeführt haben soll, dass sie bereit sei, die Funktion als Vorsitzende des Aufsichtsrates zu übernehmen, und sie die entsprechende Wahl angenommen haben soll. Hinzu kommt, dass die Verfügungsbeklagte zu 1) das Protokoll als „Vorsitzende des Aufsichtsrats“ unterschrieben hat. Die Verfügungsbeklagte zu 1) hat sich damit auch innerhalb des Bezirks des Landgerichts Darmstadt als Vorsitzende des Aufsichtsrats geriert, da das genannte Protokoll unmittelbar vor der Unterschrift der Verfügungsbeklagten zu 1) den Passus „[Ort], den 29.1.2024“ enthält.
Entsprechendes gilt für die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Darmstadt betreffend die Verfügungsbeklagte zu 2); diese ergibt sich auch aus § 29 ZPO. Die Verfügungsbeklagte zu 2) hat sich im Bezirk des Landgerichts Darmstadt, namentlich in […], als Vorsitzende des Aufsichtsrats der A geriert, was sich aus dem „Protokoll der Aufsichtsratssitzung der A“, erstellt durch die Verfügungsbeklagte zu 2) und von dieser als „Vorsitzende des Aufsichtsrats“ unterzeichnet, ergibt (Bl. 138 ff. d.A.).
Für die Verfügungsbeklagte zu 3) ergibt sich die örtliche Zuständigkeit ohne Weiteres aus §§ 12, 13 ZPO.
Das für die Zulässigkeit einer Klage im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erforderliche Rechtsschutzbedürfnis (vgl. etwa OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 1.10.2013 - 5 U 145/13) besteht im Hinblick auf sämtliche Anträge. Insbesondere steht der Annahme eines Rechtsschutzbedürfnisses nicht entgegen, dass sich die Verfügungsbeklagte zu 2) und die Verfügungsbeklagte zu 3) nun nicht mehr als Vorsitzende des Aufsichtsrats (Verfügungsbeklagte zu 2)) bzw. Stellvertretende Vorsitzende des Aufsichtsrats (Verfügungsbeklagte zu 3)) sehen. In diesem Zusammenhang ist nämlich zu berücksichtigen, dass an die Ausräumung der einmal begründeten Wiederholungsgefahr, die zum Wegfall des Unterlassungsanspruchs führt, strenge Anforderungen zu stellen sind. Sie entfällt nicht bereits durch die bloße Erklärung des Störers, die fragliche Verhaltensweise in Zukunft zu unterlassen (vgl. nur Fritzsche, in: BeckOK-BGB, 68. Edition, Stand: 1.8.2023, § 1004 Rn. 93). Diese Erwägungen lassen sich zwangslos auf das hier in Rede stehende Rechtsschutzbedürfnis übertragen.
Das Rechtsschutzbedürfnis ist auch nicht dadurch entfallen, dass der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes geltend gemachte Antrag des Verfügungsklägers, die A zu verpflichten, die zum Handelsregister eingereichte Liste mit dem neu zusammengesetzten Aufsichtsrat zurückzunehmen und es ihr einstweilen zu untersagen, dem Verfügungskläger die Ausübung des Amtes als Mitglied und Vorsitzender des Aufsichtsrats zu versagen oder ihn bei der Ausübung dieser Ämter zu behindern, mit Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 11.3.2024 zurückgewiesen wurde. Es ist nicht ersichtlich, dass mit diesem Urteil materiell rechtskräftig und unanfechtbar darüber entschieden wurde, dass der Verfügungskläger nicht mehr Mitglied des Aufsichtsrats der A ist.
Die Klage ist unbegründet.
Ein Verfügungsgrund, bei dem es sich nicht um eine Prozessvoraussetzung, sondern um eine materielle Voraussetzung für die Begründetheit eines Klageantrags in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes handelt (vgl. OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 29.1.2002 - 5 U 189/01; Mayer, in: BeckOK-ZPO, 51. Edition, Stand: 1.12.2023, § 917 Rn. 2), liegt nicht – jedenfalls nicht mehr – vor.
Es ist anerkannt, dass eine zunächst bestehende Eilbedürftigkeit durch ein prozessuales Verhalten des Verfügungsklägers entfallen kann, sog. „Selbstwiderlegung der Dringlichkeit“. Vom Verfügungskläger verursachte Verfahrensverzögerungen bei der Erwirkung der einstweiligen Verfügung, wie beispielsweise durch das Stellen von Terminverlegungsanträgen, lassen regelmäßig darauf schließen, dass „ihm die Sache nicht so eilig ist“, wobei bereits der Verlegungsantrag als solcher dringlichkeitsschädlich ist (vgl. OLG Frankfurt am Main, Hinweisbeschluss vom 2.9.2021 - 19 U 86/21; OLG Hamm, Urteil vom 20.4.2021 - 4 U 14/21; OLG München, Hinweisbeschluss vom 16.9.2021 - 29 U 3437/21 Kart; OLG Stuttgart, Urteil vom 12.10.2017 - 2 U 162/16; ferner: OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 28.5.2013 - 11 W 13/13). Dabei kann unter Umständen bereits eine Verzögerung von wenigen Tagen (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 15.03.2011 - 4 U 200/10) bzw. länger als eine Woche (vgl. Kaiser, in: Götting/Nordemann, UWG, 3. Aufl. 2016, § 12 Rn. 169) genügen, um die Annahme einer fehlenden Dringlichkeit zu rechtfertigen. Allgemein gilt, dass sich eine Partei in diesem Zusammenhang auch Verzögerungen, die durch ihren Prozessbevollmächtigten verursacht werden, gem. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss (vgl. OLG München, Hinweisbeschluss vom 16.9.2021 - 29 U 3437/21 Kart).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe kann im Hinblick auf die Klageanträge zu 1) bis 3) nicht (mehr) von einer Dringlichkeit ausgegangen werden. Durch das Verhalten des Verfügungsklägers und seines Prozessbevollmächtigten wurde dieses Verfahren um mindestens drei Wochen verzögert. Die Gründe, die der Verfügungskläger und sein Prozessbevollmächtigter vorgebracht haben, um den Terminsverlegungsantrag vom 12.2.2024 zu rechtfertigen, sind nicht derart außergewöhnlich, um diese Verzögerung zu rechtfertigen. Der nicht persönlich geladene Verfügungskläger hielt sich in den USA bei seiner Ehefrau, die nach einer Augen-Operation auf seine Unterstützung angewiesen gewesen sein soll, auf. Es ist nicht ersichtlich, dass eine Unterstützung der Ehefrau des Verfügungsklägers nur durch diesen gewährleistet werden konnte. Hinzu kommt, dass auch nicht ersichtlich ist, warum eine Unterstützung voraussichtlich ab dem 4.3.2024 nicht mehr erforderlich sein würde. Der Prozessbevollmächtige des Verfügungsklägers hat lediglich auf einen Urlaub verwiesen, der lange vor Einleitung des Verfahrens gebucht worden sei. Grundsätzlich gilt, dass ein Urlaubsfall kein die Dringlichkeit in einem Verfahren des Eilrechtsschutzes erhaltender Umstand ist (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 1.12.2022 - 4 U 72/22), zumal der Prozessbevollmächtigte des Verfügungsklägers in einer Rechtsanwaltsgesellschaft tätig ist, der mehrere Rechtsanwälte angehören. Der Sach- und Streitstand ist auch überschaubar, so dass sich ein Kollege des Prozessbevollmächtigten des Verfügungsklägers ohne Weiteres hätte einarbeiten können. Dass die „Frist- und Terminssachen“, mit denen die Kollegen des Prozessbevollmächtigten des Verfügungsklägers ausgelastet gewesen sein sollen (vgl. Bl. 241 d.A.), allesamt vorrangig vor dem hiesigen Verfahren zu bearbeiten gewesen wären, ist nicht ersichtlich.
Mit Verfügung vom 13.2.2024 hat die Kammer offengelegt, dass bei einem Festhalten an dem Terminsverlegungsantrag erst am 18.3.2024 terminiert werden könnte und dabei auch explizit auf die geltend gemachte Dringlichkeit und den überschaubaren Sach- und Streitstand hingewiesen.
Der Prozessbevollmächtigte des Verfügungsklägers hat mit Schriftsatz vom 14.2.2024 an seinem Terminsverlegungsantrag festgehalten unter Hinweis darauf, dass eine Wahrnehmung des Verhandlungstermins am 26.2.2024 und in der 9. Kalenderwoche definitiv nicht möglich sei. Ergänzend hat der Prozessbevollmächtigte des Verfügungsklägers mitgeteilt, dass die mit diesem Verfahren verbundene Dringlichkeit etwas entschärft sei, als dort keine Erkenntnisse über den Stand des beim Amtsgericht Darmstadt beantragten Abberufungsverfahrens vorlägen und man nicht wisse, welche Kammer für Handelssachen beim Landgericht Frankfurt am Main mit dem zeitgleich eingeleiteten einstweiligen Verfügungsverfahren betreffend die Hauptversammlungsbeschlüsse vom 29.1.2024 befasst sei. Obgleich die Kammer nicht nachzuvollziehen vermag, wieso die dargestellten Gründe die Dringlichkeit dieses Verfahrens entschärfen können sollen, hat der Prozessbevollmächtigte des Verfügungsklägers damit gleichwohl zu erkennen gegeben, dass er die Sache selbst als nicht mehr so eilig begreift. Dass nunmehr das Landgericht Frankfurt am Main mit Urteil vom 11.3.2024 eine Entscheidung in dem dortigen einstweiligen Verfügungsverfahren getroffen hat, ändert hieran nichts. Denn der Prozessbevollmächtigte des Verfügungsklägers musste bei der Abfassung des Schriftsatzes vom 14.2.2024 davon ausgehen, dass eine solche Entscheidung in dem Zeitraum bis zum 18.3.2024 ergehen könnte. Gleichwohl hat er an seinem Terminsverlegungsantrag festgehalten.
Im Hinblick auf den Klageantrag zu 4) gilt, dass dieser Anspruch klageerweiternd erst mit Schriftsatz vom 13.3.2024 geltend gemacht wurde, obwohl dem Verfügungskläger bereits seit dem 26.1.2024 bekannt war, welche Beschlüsse am 19.1.2024 von den Verfügungsbeklagten zu 2) und 3) gefasst worden sein sollen. Dass der Verfügungskläger bereits am 26.1.2024 Kenntnis erlangt hat, ergibt sich aus dem Ausdruck Bl. 137 d.A.; aus diesem ist ersichtlich, dass die E-Mail der Verfügungsbeklagten zu 2) vom 26.1.2024, 9:27 Uhr, bereits am gleichen Tag um 13:51 Uhr vom Verfügungskläger bearbeitet wurde. Der Verfügungskläger hat mithin über sechs Wochen zugewartet, bevor er sich dazu entschieden hat, auch den mit dem Klageantrag zu 4) verfolgten Anspruch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verfolgen, was unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände als entscheidungserheblich dringlichkeitsschädlich anzusehen ist.
Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob der Verfügungskläger überhaupt einen Verfügungsanspruch hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 6, 709 Satz 2, 711 Satz 1 und 2 ZPO.