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Wirtschaftsrecht
28.09.2023
Wirtschaftsrecht
OLG Dresden: Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auch für juristische Personen des Privatrechts

OLG Dresden, Urteil vom 25.7.2023 – 4 U 125/23

Volltext: BB-Online BBL2023-2242-3

unter www.betriebs-berater.de

Amtliche Leitsätze

1. Juristische Personen des Privatrechts können den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts insoweit in Anspruch nehmen, als ihr sozialer Geltungsanspruch in ihrem Aufgabenkreis betroffen ist.

2. Der Vorwurf strafbaren Handelns (hier: "Betrug") kann dann als Tatsachenbehauptung anzusehen sein, wenn er wesentlich durch die Bezugnahme auf konkrete Tatsachen geprägt ist.

3. Sind die Tatsachen als wahr anzusehen, ist die Äußerung im Rahmen der Abwägung regelmäßig zulässig; ob die Bewertung nach Maßgabe der Vorschriften des Strafgesetzbuches juristisch zutrifft, ist hierfür ohne Belang.

 

 

Aus den Gründen

    I.

(Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Absatz 2; 313a Absatz 1 ZPO abgesehen).

 

    II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteil und Abweisung der Klage. Die Kläger haben unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Anspruch auf die begehrte Unterlassungserklärung.

    1.

Den Klägern steht kein Anspruch auf Unterlassung der beanstandeten Äußerungen nach §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog zu.

 

    a)

Der Anspruch der Klägerin zu 1. scheitert allerdings nicht bereits an dem Umstand, dass es sich bei ihr um eine GmbH und damit um eine juristische Person des Privatrechts handelt.

 

Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass juristische Personen des Privatrechts nicht nur Ehrenschutz genießen (BGH GRUR 1975, 208 - Deutschland-Stiftung; BGH GRUR 1976, 210 - Der Geist von Oberzell; BGH NJW 2005, 279, 282 und NJW 2009, 1872 Tz. 10 - Fraport-Manila-Skandal), sondern sich auch auf den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts berufen können (BGH NJW 1994, 1281, 1282), wobei sie allerdings insoweit verfassungsrechtlich nur aus Art. 2 Abs. 1 und nicht auch aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz geschützt sind (BVerfGE 106, 28 = NJW 2002, 3619 Rn. 42 in Juris; Senat, Urteil vom 01. Juni 2018 – 4 U 217/18 –, juris) und sich hierauf nur insoweit berufen können, als sie nach ihrem Wesen als Zweckschöpfung des Rechts und in ihren Funktionen dieses Schutzes bedürfen, das heißt soweit ihr sozialer Geltungsanspruch in ihrem Aufgabenkreis, insbesondere als Arbeitgeber oder Wirtschaftsunternehmen betroffen ist (BGH NJW 1994, 1281, 1282; NJW 1980, 2807, 2808 - Medizin-Syndikat I).

 

    b)

Dennoch kann keiner der Kläger die geltend gemachte Unterlassung verlangen. Die Kläger haben die Äußerung vielmehr hinzunehmen, weil sie sich im Ergebnis der zwischen den Grundrechten aller Beteiligten gebotenen Abwägung nicht als rechtswidrig darstellt.

 

Die Frage, ob der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht rechtswidrig ist, ist anhand einer Abwägung des Rechts der Kläger auf Schutz ihrer Persönlichkeit und ihres guten Rufs aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz, Art. 8 Abs. 1 EMRK mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK verankerten Recht der Beklagten auf Meinungsfreiheit zu entscheiden. Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der EMRK interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (BGH, ständige Rechtsprechung, zuletzt Urteil vom 22.02.2022 - juris, Rz. 22 m.w.N., Senat, Urteil vom 23.08.2022 - 4 U 2610/21). Hierbei gilt, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht im Allgemeinen nicht vor abwertenden Meinungsäußerungen schützt, sondern nur vor abwertenden unwahren Tatsachenbehauptungen (vgl. BGH, U.v.16.12.2014, VI ZR 39/14). Es bedarf daher zunächst der Feststellung, ob es sich vorliegend um eine Meinungsäußerung oder um eine Tatsachenbehauptung handelt. Die zutreffende Sinndeutung einer Äußerung ist auch bei dieser Abgrenzung unabdingbare Voraussetzung für die richtige rechtliche Würdigung ihres Aussagegehalts. Ziel der Deutung ist stets, den objektiven Sinngehalt zu ermitteln. Dabei ist weder die subjektive Ansicht des sich Äußernden maßgeblich noch das subjektive Verständnis des Betroffenen, sondern das Verständnis des unvoreingenommenen und verständigen Publikums. Ausgehend vom Wortlaut - der allerdings den Sinn nicht abschließend festlegen kann - und dem allgemeinen Sprachgebrauch sind bei der Deutung der sprachliche Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, und die Begleitumstände, unter denen sie fällt, zu berücksichtigen, soweit diese für das Publikum erkennbar sind. Auch für die Abgrenzung zwischen Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung ist eine Äußerung nicht isoliert zu betrachten, sondern der vollständige Aussagegehalt unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs zu beurteilen, in dem sie gefallen ist (vgl. nur BGH, Urteile vom 28. Juni 1994 - VI ZR 252/93 - und vom 16. November 2004 - VI ZR 298/03 beide juris). Sie erfolgt nach den in Rechtsprechung und Literatur zu §§ 186, 187 StGB entwickelten Grundsätzen. Tatsachenbehauptungen unterscheiden sich von Werturteilen dadurch, dass bei diesen die subjektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Wirklichkeit im Vordergrund steht, während für jene die objektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Äußerung charakteristisch ist (vgl. BVerfG, NJW 2000, 199, 200 m.w.N.). Für die Einstufung als Tatsachenbehauptung kommt es wesentlich darauf an, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist, was bei Meinungsäußerungen ausscheidet, weil sie durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet werden und sich deshalb nicht als wahr oder unwahr erweisen lassen (BGH VersR 1999, 1162; NJW-RR 1999, 1251 m.w.N.; BVerfG NJW 1992, 1439, 1440). Bei der Einordnung einer Äußerung als Tatsache oder Werturteil kommt es nach der ständigen Rechtsprechung des BGH auf den Inhalt der Aussage nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Adressaten an (BGH AfP 1994, 300; BVerfG NJW 2006, 207 m.w.N; Löffler/Ricker aaO. Rn 25). Dabei dürfen allerdings aus einer komplexen Äußerung nicht Sätze oder Satzteile mit tatsächlichem Gehalt herausgegriffen werden, wenn die Äußerung nach ihrem - zu würdigenden - Gesamtzusammenhang in den Schutzbereich des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung gemäß Art. 5 Abs. 1 GG fallen kann und in diesem Fall eine Abwägung zwischen den verletzten Grundrechtspositionen erforderlich wird (st. Rspr. vgl. nur BGH VersR 2009, 1545; VersR 2009, 365). Der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG erstreckt sich dabei auch auf Äußerungen, in denen sich Tatsachen und Meinungen vermengen und die insgesamt durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt werden (BGH VersR 2009, 1545; VersR 2008, 695; VersR 2008, 971; NJW 2006, 601; VersR 2004, 343). Dabei ist zu beachten, dass sich der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG auch auf die Äußerung von Tatsachen erstreckt, soweit sie Dritten zur Meinungsbildung dienen können, sowie auf Äußerungen, in denen sich Tatsachen und Meinungen vermengen und die insgesamt durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt werden (BGH, Urteil vom 22. September 2009 - VI ZR 19/08 -, Rn. 11, juris m.w.N; Senat, Beschluss vom 26. März 2021 – 4 U 2442/20 –, Rn. 22). Hierbei ist zu beachten, dass die Verwendung juristischer Begriffe und pauschaler rechtlicher Einordnungen wie "Dieb", Betrüger", "Hehler" oder der Vorwurf betrügerischen Geschäftsgebarens im allgemeinen Meinungsäußerungen und nur im Ausnahmefall Tatsachenbehauptungen darstellen (Damm/Rehbock, "Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz, 3. Aufl., Rz. 602, m.w.N.).

 

Ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor. Bei der beanstandeten Äußerung der Beklagten handelt es sich - im Kontext gelesen - um eine Tatsachenbehauptung. Die E-mail, in welche die beanstandete Äußerung eingebettet ist, lautet in der dazugehörigen Passage wie folgt:

 

„ausweislich des Ihnen bekannten Urteils des OLG war der von Ihnen vorsätzlich vorgenommene Mietzinseinbehalt ab Mai 2017 rechts- und treuwidrig. Nach Auswertung aller Unterlagen ergibt sich, dass sowohl Ihr als auch das Agieren des Herrn W...... darauf hinzielte, uns das Pflegeheim auf diese Weise wegzunehmen. Ich verweise insoweit auch auf Ihren "Kooperationsvertrag" aus welchem sich dieses Ansinnen sehr deutlich ergibt. Neben der Auseinandersetzung der Innen-GbR werde ich unsere Schadensersatzansprüche auch gegen Sie persönlich geltend machen und kündige Ihnen dies hiermit an. Darüber hinaus stellt dies auch einen Betrug dar, da Sie uns bei Ihrer vermeintlich großzügigen Kreditvergabe massiv getäuscht haben, mit dem Ziel sich unser Pflegeheim anzueignen.“

 

Aus dem Zusammenhang wird deutlich, dass sich die Bezeichnung des Handelns der Kläger als „Betrug“ auf zwei konkrete Sachverhalte bezieht, nämlich auf die Einbehaltung des gesamten Mietzinses durch die Kläger ab Mai 2017 und auf einen von den Klägern mit dem Ziel des Abschlusses mit der Beklagten entworfenen Kooperationsvertrag. Es handelt sich hierbei um einen im Tatsächlichen wurzelnden Sachverhalt: Um welches Urteil des Oberlandesgerichts Dresden es sich hierbei handelt, ist dabei für den Empfängerkreis der Mail klar erkennbar, ebenso wie dessen Streitgegenstand und Inhalt. Ob - wie die Beklagte behauptet - der von den Klägern vorgenommene Mietzinseinbehalt in diesem Urteil als „rechts- und treuwidrig“ bezeichnet wurde, ist ohne weiteres einem Beweis durch Augenschein zugänglich. Gleiches gilt für den Inhalt des Entwurfes des Kooperationsvertrages. Die Beklagte ist zudem juristischer Laie. Danach kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie darauf abzielte, die Verwirklichung jeder einzelnen Tatbestandsvoraussetzung des § 283 StGB behaupten zu wollen, wovon indes das Landgericht ausgegangen ist. Bei verständiger Würdigung der Äußerung nach dem Empfängerhorizont und dem Gesamtzusammenhang der streitgegenständlichen Mail wird vielmehr deutlich, dass der Vorwurf des Betrugs untrennbar mit den in der Mail enthaltenen Tatsachenbehauptungen verkoppelt ist, die dort im Einzelnen genau bezeichnet werden mit der Folge, dass die Äußerung insgesamt im Schwerpunkt durch Tatsachenschilderungen geprägt und damit in ihrer Gesamtheit als Tatsachenbehauptung zu werten ist. Diese Tatsachenbehauptungen müssen die Kläger hinnehmen.

 

    aa)

Vorliegend ist nämlich von der Wahrheit des zugrundeliegenden Sachverhalts in Bezug auf die einbehaltenen Mietzahlungen auszugehen. Die Beklagte bezieht sich mit der Bezeichnung „Urteil des OLG“ auf eine Entscheidung des 12. Zivilsenats vom 10.11.2021. Dem Inhalt dieses Urteils durfte die Beklagte berechtigterweise ein Unwerturteil über das Verhalten der Kläger im Zusammenhang mit den von der Klägerin zu 1) an die Beklagte zu entrichtenden Mietzahlungen entnehmen, denn dort ist festgestellt und auch begründet, dass der hiesigen Klägerin ein treuwidriges, durch keinerlei Umstände objektiv gerechtfertigtes Verhalten vorzuwerfen war. So heißt es wörtlich auf Seite 4 dieses Urteils in den Entscheidungsgründen:

 

„Die Kündigung der Darlehensverträge durch die Beklagte ist unwirksam, weil eine Verschlechterung der Vermögenslage der Kläger (auch) darauf zurückzuführen ist dass die Beklagten rechts- und treuwidrig Mietzahlungen zur Gänze verweigert haben.“

 

Anders als die Kläger in ihrem Schriftsatz vom 22.06.2023 meinen, verhält sich das Urteil also gerade nicht nur zur Frage des Vorliegens einer Innen-GbR. Ebenso wenig kommt es - anders als die Kläger meinen - darauf an, ob sich die Rechtskraft des Urteils auf die hiesigen Parteien erstreckt, denn vorliegend geht es einzig darum, ob der beanstandeten Äußerung der Klägerin wahre Umstände zugrunde liegen.

 

    bb)

Des Weiteren bezieht sich die Beklagte in der E-mail vom 16.04.2022 auf den von der Klägerseite entworfenen Kooperationsvertrag (Anlage B 79a). Dort sind in den §§ 10 ff. sowohl ein Ankaufsrecht der Klägerin zu1), als auch die Kaufpreismodalitäten für den Fall der Ausübung dieses Ankaufsrechts geregelt. Sowohl der Text des Vertragsentwurfes als auch die Urheberschaft der Kläger sind zwischen den Parteien unstreitig und damit als wahr zu betrachten.

 

    cc)

Mit der Bezeichnung als „Betrug“ umschreibt die Beklagte in der streitgegenständlichen Mail für den Empfängerkreis erkennbar die damit verknüpfte Behauptung, die Kläger hätten „dies“, dazu nutzen wollen, sich das Pflegeheim „anzueignen“. Hiermit hat die Beklagte keine äußere, sondern vielmehr eine innere Tatsache in Bezug auf die Kläger behauptet, nimmt sie doch auf eine vermeintliche und den Klägern unterstellte Absicht Bezug. Als äußere Umstände, die diese Schlussfolgerung aus Sicht der Beklagten stützen, hat sie sich auf die Ausführungen in einem Urteil des Oberlandesgerichts Dresden und auf den Inhalt des von den Klägern avisierten Kooperationsvertrages zwischen den Parteien bezogen. Da innere Tatsachen anderen verschlossen bleiben, solange sie nicht kundgetan werden, basiert ihre Behauptung zwangsläufig auf Schlussfolgerungen aus dem Verhalten der betroffenen Personen, wie sie auch hier von der Beklagten gezogen werden. Mit Blick darauf, dass eine Unterscheidung zwischen Tatsachenbehauptungen und Werturteilen schwierig ist, wenn es sich um Behauptungen über Beweggründe für das Verhalten eines Dritten handelt, fordern sowohl der EGMR (vgl. EGMR, Axel Springer AG v. Deutschland (Nr. 2), Urteil vom 10. Juli 2014, Nr. 48311/10) als auch das Bundesverfassungsgericht (stattgebender Kammerbeschluss vom 9. November 2022 – 1 BvR 523/21 –, Rn. 28, juris) im Rahmen der Abwägung auch bei Schlussfolgerungen über Beweggründe oder etwaige Absichten Dritter eine "ausreichende Tatsachengrundlage". Diese sind hier jedoch gegeben. Die unter aa) und bb) geschilderten - wahren - Anknüpfungstatsachen rechtfertigen aus Sicht des verständigen Durchschnittsempfängers nämlich den von der Beklagten gezogenen Schluss auf eine „Aneignungsabsicht“ in Bezug auf das Pflegeheim.

 

Die Beklagte durfte berechtigt davon ausgehen, dass der Einstufung des Verhaltens der hiesigen Kläger als „rechts- und treuwidrig“ im erwähnten Urteil des Oberlandesgerichts Dresden eine juristisch fundierte Prüfung zugrunde lag und sie diese Einschätzung infolgedessen übernehmen durfte. Aus dem Urteil ergibt sich ferner zwanglos der kausale Zusammenhang zwischen der durch das „rechts- und treuwidrige“ Verhalten der hiesigen Kläger verursachten finanziellen Notlage der Beklagten und der Anordnung der Zwangsvollstreckung, bei der auch eine von den Klägern gegründete Gesellschaft mitgeboten und damit ihr Interesse an einem Erwerb des Grundstücks der Beklagten bekundet hat.

 

Daneben rechtfertigt aber auch der Inhalt des Kooperationsvertragsentwurfes den von der Beklagten gezogenen Schluss auf eine treuwidrige „Aneignungsabsicht“ der Kläger. Zwar lässt allein die angestrebte Vereinbarung eines vorrangigen Ankaufsrechts zugunsten der Klägerin zu 1) noch für sich gesehen keinen Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung zu, eine solche Vereinbarung ist vielmehr bei Abschluss eines Gewerberaummietvertrages und vor erheblichen Investitionen des Mieters in die übernommene Immobilie gängig und wirtschaftlich sinnvoll. Die für den Fall der Ausübung des Ankaufsrechts von den Klägern in den Entwurf aufgenommene Kaufpreisregelung hält der Senat jedoch für unbillig und bei Abschluss des Vertrages geeignet, die Beklagte zu übervorteilen. Hierzu heißt es im Vertragsentwurf unter Teil III, § 2 unter anderem:

 

„(2) Auf den Kaufpreis werden mit Fälligkeit sämtliche im Rahmen des unter Teil II vereinbarten Mietvertrages an den Vermieter (bzw. zur Tilgung seiner Darlehensschuld an die Bank) geleisteten Mietzahlungen iSd. Teils II 8 3 Abs. 1 bis Abs. 3 dieser Urkunde also nicht die Zahlungen für Lasten iSd. Teils II & 5 sowie die Kosten für das eingebrachte Inventar, die gezahlten Zwischenfinanzierungszinsen, die geleisteten Auslagen für die Vermieter, bereits vor Haftungsinanspruchnahme oder vor Ausübung des Ankaufrechtes übernommene Darlehenszahlungen, eingebrachtes Eigenkapital sowie sonstige für den Vermieter verauslagte Kosten angerechnet.

 

(3) Die sich nach der vorstehenden Anrechnung ergebende Kaufpreisschuld des Käufers wird vorbehaltlich der Genehmigung des Gläubigers - durch die Übernahme der bei der [...] bestehenden Darlehensschuld der Verkäufer in der im Zeitpunkt der Übertragung valutierenden Höhe erfüllt ....“

 

Wäre es zum Abschluss dieses Vertrages und nachfolgend zum Vorkaufsfall gekommen, hätte die Klägerin zu 1) mit Ausnahme der zu übernehmenden Darlehensschulden keinerlei Kaufpreis für den Grund- und Boden und die Scheune zahlen müssen, sondern ausschließlich die Kosten für den Ausbau des Pflegeheims übernehmen müssen, für die das Darlehen aufgenommen worden war. Dass ihr von den Klägern ein solcher Vertragsentwurf ohne nähere Erläuterung vorgelegt worden war, durfte die Beklagte berechtigterweise als Versuch einer Übervorteilung verstehen. In diesem Schluss durfte sie sich auch deshalb bestärkt sehen, weil auch die finanzierende Bank die Auffassung vertreten hatte, bei einer solchen Ausgestaltung liege de facto eine „Schenkung“ vor (E-mail der DKB vom 18.07.2014, Anlage B 80). In der Gesamtschau dieser durch die Entscheidungsgründe des Urteils des 12. Senats des Oberlandesgerichts Dresden, den Text des Kooperationsvertragsentwurfs und die Nachricht der finanzierenden Bank belegten Umstände, lag damit für die Behauptung, die Kläger hätten sich das Pflegeheim aneignen wollen, eine hinreichende tatsächliche Grundlage vor, was die Beklagte berechtigte, den Klägern in der streitgegenständlichen Mail eine solche Absicht zu unterstellen und dies mit dem Wort „Betrug“ zu umschreiben, ohne dass es dabei auf die tatsächliche Motivlage der Kläger ankäme. Von der angebotenen Vernehmung des Zeugen W...... konnte der Senat unter diesen Umständen absehen.

 

    c)

Bei der hiernach erforderlichen Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit der Beklagten und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Kläger ist auch zu berücksichtigen, dass die streitgegenständliche Behauptung der Beklagten neben dem Kläger zu 2), an den sie gerichtet war, lediglich an eine einzige Person mittels „cc“ weitergeleitet wurde, die zudem als Projektbetreuer bei der Errichtung des Pflegeheims ohnehin in das zugrundeliegende Geschäft einbezogen war. Der „cc“ gesetzte Herr M...... H...... fungierte als „Finanzcontroller“ des Bauprojekts, besprach alle Phasen des Bauprojektes mit der Beklagten und übernahm jedenfalls in Teilen auch die Kommunikation mit der finanzierenden Bank (Klageerwiderung I. Instanz, S. 40). Dass die streitgegenständliche Äußerung damit praktisch ohne Öffentlichkeitswirkung geblieben ist, fällt im Rahmen der gebotenen Abwägung zugunsten des Äußernden ins Gewicht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.12.2021 - 1 BvR 1073/20, juris-Rz. 37; und Beschluss vom 9.11.2022 - 1 BvR 523/21, juris-Rz. 33). Zu Gunsten der Beklagten zu berücksichtigen ist auch schließlich, dass der Äußerung eine tatsächliche gesellschaftsrechtliche Auseinandersetzung zwischen den Parteien zugrunde liegt. In der Gesamtwürdigung müssen hiernach die Kläger die Äußerung der Beklagten hinnehmen.

 

    2.

Ein Unterlassungsanspruch nach auf § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 17, 6 DS-GVO kommt ebenfalls nicht in Betracht. Zwar handelt es sich bei der Weiterleitung der E-mail um eine „Verarbeitung“ im Sinne der Begriffsbestimmung des Art. 4 Abs. 2 DS-GVO und handelt es sich bei der Namensnennung der Kläger zu 2) und 3) um „personenbezogene Daten“. Die Unterlassung der Verbreitung dieser Daten machen die Klägerin jedoch nicht geltend.

 

    3.

Ebenso wenig können die Kläger ihren Anspruch auf die Vorschriften des UWG stützen. Zwar gibt § 8 Abs. 1 UWG grundsätzlich betroffenen Marktteilnehmern einen Unterlassungsanspruch, dieser bezieht sich aber nur auf Handlungen, die nach den §§ 3 und 7 UWG untersagt sind. Dabei handelt es sich um Handlungen eines Mitwettbewerbers gegenüber „Verbrauchern“. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Der Anspruch nach § 823 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 UWG setzt eine Mitbewerbereigenschaft der Beklagten voraus. Nach der Legaldefinition in § 2 Abs. 1 Ziff. 4 UWG muss es sich hierbei um einen Unternehmer handeln, der zu dem Betroffenen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht. Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis liegt zwischen zwei Unternehmen vor, wenn sie gleiche oder gleichartige Waren bzw. Dienstleistungen innerhalb desselben Abnehmerkreises abzusetzen versuchen (BGH, Urteil vom 05.10.2000 - I ZR 237/98 juris Rz 19; Seichter in juris-PK UWG, Stand 4.12.2022, § 2 UWG Rz 29). Die Beklagte war vor der Versendung der E-mail keine Mitwettbewerberin der Kläger im Sinne dieser Vorschrift, denn sie fungierte und fungiert nicht als Betreiberin eines Pflegeheims sondern nur als Vermieterin eines solchen, ein Wettbewerbsverhältnis in diesem Sinne ist auch nicht durch das Versenden der beanstandeten Nachricht begründet worden.

 

    III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Absatz 1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10; 711; 713 ZPO.

 

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen von § 543 Absatz 2 ZPO nicht vorliegen.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 3 ZPO. Dabei geht der Senat von einem Ausgangsstreitwert von 7.500 € im Falle lediglich eines Klägers aus. Hinzuzuzählen ist nach der Rechtsprechung des BGH und nach der ständigen Rechtsprechung des Senats für jeden weiteren Kläger ein geringer Zuschlag, der seinem Interesse entspricht, den Unterlassungstitel selbständig geltend zu machen (BGH, B. v. 05.03.3007 - I ZR 185/95, nach juris; Senat, Urteil vom 24.1.2013 – 4 U 1628/12). Dieses Interesse bemisst der Senat vorliegend mit 500,00 € je weiterem Kläger (vgl. Senat, B. v. 11.03.2019 - 4 W 171/19, juris Rz. 3).

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