R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
Wirtschaftsrecht
11.01.2024
Wirtschaftsrecht
BayObLG: Schiedsgutachterklausel in GmbH-Satzung

BayObLG, Beschluss vom 12.12.2023 – 102 SchH 114/23 e

Volltext: BB-Online BBL2024-66-5

unter www.betriebs-berater.de

 

Amtliche Leitsätze

Enthält die Satzung einer GmbH außer einer allgemeinen Schiedsklausel für alle Streitigkeiten in Zusammenhang mit dem Gesellschaftsvertrag auch eine Schiedsgutachterklausel im engeren Sinn betreffend die Höhe des Abfindungsanspruchs, ist eine vor Erholung des Schiedsgutachtens eingereichte Schiedsklage auf Zahlung der Abfindung allenfalls als derzeit unbegründet abzuweisen. Die grundsätzliche Zuständigkeit des Schiedsgerichts wird davon nicht berührt, so dass ein Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens nach § 1032 Abs. 2 ZPO ohne Erfolg bleibt.

 

Aus den Gründen

I.

Die Antragsgegnerin war bis zur Einziehung ihrer Geschäftsanteile Gesellschafterin der Antragstellerin, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, und ist der Ansicht, ihr stehe ein höherer Abfindungsanspruch zu als bislang von der Antragstellerin bezahlt. Die Antragstellerin hält eine darauf gerichtete Schiedsklage für unzulässig.

Die Satzung der Antragstellerin enthält folgende Regelungen:

„§ 8

Einziehung von Geschäftsanteilen

(1) Die Einziehung von Geschäftsanteilen ist mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters jederzeit zulässig. Die Einziehung ist ohne Zustimmung des betroffenen Gesellschafters zulässig, wenn

a) in der Person des Gesellschafters ein wichtiger Grund (§§ 133, 140 HGB) vorliegt…

(2) Die Einziehung wird durch den Beirat auf Initiative der Geschäftsführung beschlossen…

(4) Der Beschluss des Beirats… ist dem betroffenen Gesellschafter… mitzuteilen. Dieser kann gegen den Beschluss innerhalb von zwei Wochen ab Zugang Einspruch erheben… Sofern der Beirat nicht innerhalb eines Monats nach Eingang des Einspruchs eine Einigung mit dem betroffenen Gesellschafter erreicht hat, ist die Angelegenheit in die Tagesordnung der nächsten Gesellschafterversammlung aufzunehmen…

(6) Die Einziehung… wird wirksam, wenn kein Einspruch erhoben wurde, eine Einigung erzielt wurde oder die Gesellschafterversammlung entschieden hat. Dabei ist irrelevant, ob die Zahlung der Abfindung erfolgt ist oder Streit über die Höhe der Abfindung besteht…

(7) Bei der Einziehung… erhält der ausscheidende Gesellschafter den Buchwert, welcher auf seinen bisherigen Geschäftsanteil entfällt. Offene oder stille Reserven werden nicht vergütet, jedoch sind die auf den Stichtag seines Ausscheidens zu berechnenden Gewinn- oder Verlustanteile zu berücksichtigen.

(8) Streitigkeiten über die Höhe der Abfindung oder des anteiligen Gewinns werden vom Abschlussprüfer als Schiedsgutachter für alle Beteiligten endgültig entschieden. Über die Tragung der Kosten entscheidet der Schiedsgutachter entsprechend §§ 91 ff. ZPO; der antragstellende Gesellschafter hat die voraussichtlichen Kosten vorzuschießen…

§ 28

Schiedsgericht

(1) Alle Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern oder zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern im Zusammenhang mit diesem Gesellschaftsvertrag oder über seine Gültigkeit werden nach der Schiedsgerichtsordnung (DIS-SchO) und den Ergänzenden Regeln für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten (DIS-ERGeS) der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e. V. (DIS) unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs endgültig entschieden.

(2) Der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens ist München…

(4) … Ausgeschiedene Gesellschafter bleiben an diese Schiedsvereinbarung gebunden.

(5) Die Gesellschaft hat gegenüber Klagen, die gegen sie vor einem staatlichen Gericht anhängig gemacht werden und Streitigkeiten betreffen, die gemäß Abs. 1 der Schiedsvereinbarung unterfallen, stets die Einrede der Schiedsvereinbarung zu erheben.“

Mit Beiratsbeschluss vom 17. März 2020 und anschließendem Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 20. Mai 2020 wurden die Geschäftsanteile der Antragsgegnerin aus wichtigem Grund eingezogen. Die Antragsgegnerin ging gegen den Einziehungsbeschluss der Gesellschafterversammlung nicht vor. Die Antragstellerin bezahlte der Antragsgegnerin eine von ihr gemäß § 8 Abs. 7 der Satzung ermittelte Abfindung in Höhe des Buchwerts zuzüglich eines anteiligen Gewinnanspruchs in Höhe von insgesamt 745.000,00 €. Mit anwaltlicher E-Mail vom 10. März 2023 führte die Antragsgegnerin aus, nach einem von ihr in Auftrag gegebenen Wertgutachten betrage der Verkehrswert ihrer Anteile 5.000.000,00 €. Im Hinblick auf das auffällige Missverhältnis zwischen der auf der Grundlage der Buchwertklausel bezahlten Abfindung einerseits und dem Verkehrswert der Beteiligung andererseits sei die Buchwertklausel gemäß § 138 BGB unwirksam oder zumindest nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergänzend dahin auszulegen, dass ein dem Verkehrswert der Beteiligung nahekommender Abfindungsbetrag geschuldet sei. Die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin seien beauftragt, eine entsprechende Schiedsklage gegen die Antragstellerin zu erheben. Der Entwurf der Klageschrift sei zwischenzeitlich finalisiert. Bevor die Antragstellerin förmlich zur Zahlung aufgefordert und bei Nichtzahlung Schiedsklage erhoben werde, biete man der Antragstellerin an, nochmals über die Möglichkeiten einer vergleichsweisen Einigung zu sprechen. Mit EMail vom 17. April 2023 teilten die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin mit, ein (weitergehender) Abfindungsanspruch der Antragsgegnerin bestehe nicht, ein Schiedsverfahren sei unzulässig und eine vergleichsweise Lösung nicht möglich.

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 18. April 2023 hat die Antragstellerin „Feststellungsklage gemäß § 1032 Abs. 2 ZPO“ gegen die Antragsgegnerin zum Bayerischen Obersten Landesgericht erhoben. Die Antragstellerin bestreitet, dass es ein erhebliches Missverhältnis zwischen Buchwert und Verkehrswert gebe. Gegebenenfalls sei dies durch ein Schiedsgutachten zu ermitteln. Es gehe der Antragsgegnerin nicht um die Unwirksamkeit der Buchwertklausel, sondern um das Erstreiten einer höheren Abfindung. Eine Schiedsklage über die Höhe der Abfindung sei aber unzulässig, wie sich aus § 8 Abs. 8 der Satzung ergebe. Dies stelle eine Sonderregelung gegenüber der allgemeinen Schiedsklausel nach § 28 der Satzung dar, wie sich schon aus dem Wort „endgültig“ ergebe. Die Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens könne nach § 1032 Abs. 2 ZPO festgestellt werden.

Die Antragstellerin beantragt,

Es wird festgestellt, dass die Durchführung eines Schiedsverfahrens über die Höhe der Abfindung der Beklagten im Zuge ihres Ausschlusses als Gesellschafterin der Klägerin unzulässig ist.

Wenn der Senat die Bezugnahme auf einen „Ausschluss“ für nicht korrekt halte, werde um Hinweis gebeten und der Antrag dahin geändert:

Es wird festgestellt, dass die Höhe der Abfindung der Antragsgegnerin im Zuge ihres Ausscheidens als Gesellschafterin der Antragstellerin unzulässig ist (sic).

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Feststellungsantrag der Antragstellerin kostenpflichtig abzuweisen.

Die Antragsgegnerin behauptet, es bestehe ein erhebliches Missverhältnis zwischen der Abfindung nach dem Buchwert und nach dem Verkehrswert. Der Streit gehe um die juristische Beurteilung, welche Folgen sich hieraus ergäben. Die von der Antragstellerin vorgelegte Ermittlung des Buchwerts sei nie Thema der bisherigen Gespräche gewesen.

Daher sei § 8 Abs. 8 der Satzung nicht einschlägig. Nur die rechnerisch-buchhalterisch richtige Ermittlung der Abfindung nach dem Buchwert unter Einschluss des anteiligen Gewinns müsse ein Schiedsgutachter endgültig entscheiden. Diese sei aber zwischen den Parteien nicht streitig. Für eine juristische Beurteilung und Auslegung der Klausel sei der Abschlussprüfer als Schiedsgutachter weder entscheidungsbefugt noch qualifiziert.

Die Schiedsgutachterklausel in § 8 Abs. 8 der Satzung berühre nicht die prozessuale Frage, ob der Rechtsweg zum Schiedsgericht eröffnet werde. Das Schiedsgericht sei nur materiell-rechtlich an die Feststellungen des Abschlussprüfers in der Sache gebunden. § 1032 Abs. 2 ZPO diene im Übrigen nur der Abgrenzung zwischen der Schiedsgerichtsbarkeit und der staatlichen Gerichtsbarkeit und komme daher vorliegend nicht zur Anwendung.

II.

Der zulässige Antrag nach § 1032 Abs. 2 ZPO bleibt in der Sache ohne Erfolg.

1. Der Feststellungsantrag ist zulässig.

a) Das Bayerische Oberste Landesgericht ist nach § 1043 Abs. 1 Satz 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 5 ZPO i. V. m. § 7 GZVJu zuständig. Der in § 28 Abs. 2 der Satzung bestimmte Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens liegt in Bayern.

b) Der Antrag erfolgte auch nach § 1032 Abs. 2 ZPO rechtzeitig, da eine Schiedsklage bislang lediglich angekündigt wurde.

c) Ein Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag nach § 1032 Abs. 2 ZPO besteht (vgl. zu dieser Voraussetzung Wolf/Eslami in BeckOK ZPO, 50. Ed. Stand 1. September 2022, § 1032 Rn. 29). Die Parteien vertreten unterschiedliche Ansichten dazu, ob ein Schiedsverfahren über einen Anspruch auf Zahlung einer weiteren Abfindung (vgl. dazu noch unten d]) unter die Schiedsvereinbarung nach § 28 Abs. 1 der Satzung fällt. Bereits mit Schreiben vom 10. März 2023 haben die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin ausgeführt, sie seien zur Erhebung der Schiedsklage gegen die Antragstellerin beauftragt und hätten den Entwurf der Klageschrift „finalisiert“. Die danach noch geführten Vergleichsgespräche hat die Antragstellerin jedenfalls mit ihrer E-Mail vom 17. April 2023, wonach sie keine Möglichkeit einer vergleichsweisen Lösung sehe, für gescheitert erklärt und ausgeführt, sie halte eine Schiedsklage für unzulässig.

d) Der Antrag ist hinreichend bestimmt. Die Rechtskraftwirkung der Entscheidung nach § 1032 Abs. 2 ZPO umfasst den konkreten Streitgegenstand, der somit hinreichend klar feststellbar sein muss (vgl. Wolf/Eslami in BeckOK ZPO, § 1032 Rn. 30 f.). Zwar lässt sich dem Wortlaut des Antrags nicht eindeutig entnehmen, was die Antragstellerin mit einem Schiedsverfahren „über die Höhe der Abfindung der Beklagten“ meint. Indessen sind auch prozessuale Anträge der Auslegung zugänglich (BGH, Beschluss vom 29. März 2023, XII ZB 409/22, NJW-RR 2023, 707 Rn. 14; Urt. v. 11. November 2022, V ZR 213/21, NJW 2023, 217 Rn. 14 m. w. N.). Die Antragstellerin führt aus, der „entscheidende Antrag in der drohenden Schiedsklage“ werde „sinngemäß stets lauten, dass die Antragstellerin verurteilt werden soll, eine höhere Abfindung zu zahlen“ (Schriftsatz vom 12. Juni 2023, S. 3). Dies deckt sich im Übrigen auch mit der von der Antragstellerin als Beweis der drohenden Schiedsklage vorgelegten E-Mail der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin vom 10. März 2023 (Anlage K 4), in der diese ankündigten, die Antragstellerin zur Zahlung der weiteren Abfindung aufzufordern und im Falle der Nichtzahlung Schiedsklage zu erheben. Unter Berücksichtigung dessen kann der Antrag daher dahin ausgelegt werden, dass es der Antragstellerin um die Unzulässigkeit einer Schiedsklage auf Zahlung eines weiteren (höheren) Abfindungsbetrags geht.

e) Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ist der Antrag auch seinem Inhalt nach statthaft.

Im Rahmen eines Antrags nach § 1032 Abs. 2 ZPO prüft das staatliche Gericht, ob eine wirksame Schiedsvereinbarung besteht, diese durchführbar ist und der Gegenstand des Schiedsverfahrens der Schiedsvereinbarung unterfällt. Eine gezielte Zulässigkeitsprüfung auch im Hinblick auf den Streitgegenstand folgt aus dem einheitlichen Prüfungsumfang von § 1032 Abs. 2 ZPO und § 1032 Abs. 1 ZPO und entspricht der Prozessökonomie, weil sie der frühzeitigen Klärung der Zuständigkeitsfrage dient; sie ist daher zulässig (BGH, Beschluss vom 19. September 2019, I ZB 4/19, NJW-RR 2020, 147 Rn. 11; Beschluss vom 19. Juli 2012, III ZB 66/11, SchiedsVZ 2012, 281 Rn. 4; BayObLG, Beschluss vom 19. August 2022, 102 SchH 99/21, NZG 2022, 1344 [juris Rn. 59]; Beschluss vom 21. Januar 2021, 101 SchH 115/20, SchiedsVZ 2021, 240 [juris Rn. 28] m. w. N.). Grundsätzlich ist somit ein Antrag auf Feststellung, dass der Abfindungsanspruch eines Gesellschafters nicht der Schiedsvereinbarung im Gesellschaftsvertrag unterfällt, nach § 1032 Abs. 2 ZPO zulässig (BayObLG SchiedsVZ 2021, 240 [juris Rn. 28]).

Vorliegend geht die Auseinandersetzung der Parteien zwar, wie die Antragsgegnerin zutreffend ausführt, nicht um die Frage, ob für eine Streitigkeit betreffend einen Anspruch auf eine weitere Abfindungszahlung die staatlichen Gerichte oder das Schiedsgericht zuständig sind. Die Antragsgegnerin vertritt die Ansicht, es könne und müsse eine Schiedsklage erhoben werden, während die Antragstellerin meint, ein derartiges Verfahren sei sowohl beim Schiedsgericht nach § 28 der Satzung als auch bei den staatlichen Gerichten unzulässig. Die Frage dürfe allein und endgültig nur vom Schiedsgutachter nach Maßgabe des § 8 Abs. 8 der Satzung entschieden werden. In der Sache geht es damit aber ebenfalls um die Frage, welche Reichweite die Schiedsvereinbarung in § 28 der Satzung hat und ob der von der Antragsgegnerin angestrebte Gegenstand des Schiedsverfahrens dieser Schiedsklausel unterfällt. Aus diesen Gründen und im Interesse der Prozessökonomie erscheint es angezeigt, die Klärung auch der vorliegenden Frage im Verfahren nach § 1032 Abs. 2 ZPO zu ermöglichen.

2. Der Antrag ist unbegründet.

Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 1032 Abs. 2 ZPO ist nur die Kompetenz des Schiedsgerichts, nicht aber die Zulässigkeit einer beabsichtigten Schiedsklage im Übrigen. Ist das Schiedsgericht für die Streitigkeit der Parteien zuständig, hat es über die Zulässigkeit und die Begründetheit einer zu ihm erhobenen Schiedsklage in eigener Zuständigkeit zu befinden (vgl. Münch in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2022, § 1032 Rn. 36 m. w. N.; auch BGH, Beschluss vom 9. August 2016, I. ZB 1/15, NJW 2017, 488 Rn. 13; OLG München, Beschluss vom 3. Juli 2019, 34 SchH 13/17, juris Rn. 17 jeweils in Bezug auf § 1040 ZPO).

Vorliegend ist das Schiedsgericht für die Streitigkeit der Parteien zuständig. Die Schiedsklausel in § 28 der Satzung ist wirksam und umfasst den Streitgegenstand der angekündigten Schiedsklage. § 8 Abs. 8 der Satzung stellt nur eine Schiedsgutachtervereinbarung im engeren Sinne dar. Diese schließt nicht die Zuständigkeit des Schiedsgerichts aus, sondern führt allenfalls dazu, dass die Erhebung der Schiedsklage vor Erholung eines Schiedsgutachtens (derzeit) unbegründet wäre.

a) Ansprüche ehemaliger Gesellschafter auf Zahlung einer – höheren – Abfindung sind von der Schiedsklausel in § 28 der Satzung umfasst.

Körperschaftsrechtliche Regelungen in der Satzung einer GmbH sind objektiv und nicht nach dem subjektiven Verständnis der Gesellschafter auszulegen (BGH, Urt. v. 25. November 2002, II ZR 69/01, NJW-RR 2003, 826 [juris Rn. 28]; Urt. v. 11. Oktober 1993, II ZR 155/92, BGHZ 123, 347 [juris Rn. 15]; BayObLG, Beschl. v 10. Oktober 2022, 101 SchH 46/22, NJW-RR 2023, 400 [juris Rn. 66]). Wortlaut, Sinn und Zweck der Regelung kommt dabei ebenso maßgebende Bedeutung zu wie dem systematischen Bezug der Klausel zu anderen Satzungsvorschriften. Umstände, für die sich keine ausreichenden Anhaltspunkte in der Satzung finden, können zur Auslegung hingegen grundsätzlich nicht herangezogen werden (BGH, Urt. v. 27. September 2011, II ZR 279/09, GmbHR 2012, 92 Rn. 8; Urt. v. 17. Februar 1997, II ZR 41/96, BGHZ 134, 364 [juris Rn. 14]; BGHZ 123, 347 [juris Rn. 15]; BayObLG NJW-RR 2023, 400 [juris Rn. 66]). Als körperschaftsrechtliche Regelungen sind alle Satzungsbestimmungen anzusehen, die nicht nur für die bei Inkrafttreten der Bestimmung vorhandenen Gesellschafter oder für einzelne von ihnen gelten, sondern für einen unbestimmten Personenkreis, zu dem sowohl gegenwärtige als auch künftige Gesellschafter und /oder Gläubiger der Gesellschaft gehören, von Bedeutung sind (BGHZ 123, 347 [juris Rn. 13]; BayObLG NJW-RR 2023, 400 [juris Rn. 66]; Cramer in Scholz, GmbHG, 13. Aufl. 2022, § 2 Rn. 40). Dies gilt vorliegend für die Klauseln sowohl in § 28 als auch in § 8 der Satzung.

Nach § 28 Abs. 1 der Satzung sind alle Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern oder zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern im Zusammenhang mit dem Gesellschaftsvertrag unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs durch ein Schiedsgericht endgültig zu entscheiden. Der von der Antragsgegnerin behauptete Anspruch auf Bezahlung einer höheren Abfindung für ihre eingezogenen Geschäftsanteile ist eine Streitigkeit zwischen einem (ehemaligen) Gesellschafter und der Gesellschaft. Es geht hierbei auch um die Auslegung und Wirksamkeit der in § 8 Abs. 7 der Satzung enthaltenen Regelungen zur Höhe der Abfindung, also um eine Streitigkeit im Zusammenhang mit dem Gesellschaftsvertrag. Zudem ist eine Abrede, die Meinungsverschiedenheiten oder Streitigkeiten aus einem Vertrag allgemein einem Schiedsgericht zuweist, grundsätzlich weit auszulegen (BGH, Beschluss vom 31. Oktober 2018, I ZB 17/18, juris Rn. 11; BayObLG NJW-RR 2023, 400 juris Rn. 67; SchiedsVZ 2021, 240 [juris Rn. 48]).

Auch wenn die Einziehung der Geschäftsanteile unabhängig von der Zahlung der Abfindung sofort wirksam wurde wie in § 8 Abs. 6 der Satzung vorgesehen (siehe auch BGH, Urt. v. 24. Januar 2012, II ZR 109/11, WM 2012, 406 Rn. 8 ff.) und die Antragsgegnerin daher nicht mehr Gesellschafterin ist, bleibt sie nach der ausdrücklichen Regelung in § 28 Abs. 4 Satz 2 der Satzung an die Schiedsvereinbarung gebunden.

b) An der Zuständigkeit des Schiedsgerichts ändert sich nichts durch § 8 Abs. 8 der Satzung.

aa) § 8 Abs. 8 der Satzung stellt bei der gebotenen objektiven Auslegung (siehe oben a) eine Schiedsgutachterklausel im engeren Sinn dar. Soweit die Antragstellerin meint, die Regelung in § 8 Abs. 8 der Satzung regle ein besonderes, § 28 der Satzung verdrängendes Verfahren durch den Abschlussprüfer zur Bestimmung der Höhe der Abfindung, ist dem nicht zu folgen.

Ob die Parteien eine Schiedsgutachtervereinbarung geschlossen haben, entscheidet sich nicht an der von ihnen gewählten Bezeichnung, sondern vor allem an den dem ausgewählten Organ oder der Person zugewiesenen Aufgaben und an der Frage, welche Wirkung der Entscheidung nach dem Parteiwillen zukommen soll einschließlich der Frage, ob und anhand welcher Maßstäbe eine gerichtliche Inhaltskontrolle vorbehalten bleiben soll (BGH, Urt. v. 21. Mai 1975, VIII ZR 161/73, WM 1975, 770 [juris Rn. 17]; OLG München, Beschluss vom 23. Dezember 2015, 34 SchH 10/15, SchiedsVZ 2016, 165 [juris Rn. 13 m. w. N.]). Ist einer Person nur die punktuelle Klärung von Meinungsverschiedenheiten übertragen, ohne dass diese aber die Möglichkeit erhalten soll, einen zur Vollstreckung geeigneten Titel zu schaffen und damit ohne die Befugnis zur Rechtsprechung im weiteren Sinn (wie im Fall einer Schiedsvereinbarung, vgl. BGH, Beschluss vom 27. Mai 2004, III ZB 53/03, BGHZ 159, 207 [juris Rn. 18]; Urt. v. 25. Juni 1952, II ZR 104/51, BGHZ 6, 335 [juris Rn. 12]), liegt eine Schiedsgutachtervereinbarung vor. Dass die Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens über den vertraglichen Anspruch infolge der getroffenen sachverständigen Feststellungen und Bestimmungen unter Umständen überflüssig werden kann und die Gutachtenseinholung in diesem Fall streitbeendend wirkt, ändert an der Beurteilung nichts (OLG München SchiedsVZ 2016, 165, [juris Rn. 15]).

Nach diesen Maßstäben ist § 8 Abs. 8 der Satzung als Schiedsgutachtervereinbarung anzusehen. Dafür spricht schon der Wortlaut des § 8 Abs. 8 der Satzung. Entscheiden soll der Abschlussprüfer „als Schiedsgutachter“. Zudem geht es gerade darum, einen konkreten zwischen den Parteien streitigen Punkt, die Höhe der Abfindung nach § 8 Abs. 7 der Satzung, einer Klärung zuzuführen. Genau hierfür ist der Abschlussprüfer auch besonders qualifiziert, da es um die Ermittlung des Buchwerts und eines etwaigen anteiligen Gewinns geht. Demgegenüber ist in keiner Weise ersichtlich, dass dem Abschlussprüfer die Möglichkeit eröffnet werden sollte, einen Vollstreckungstitel zu schaffen. Eine rechtsprechende Tätigkeit im weiteren Sinn ist ihm nicht übertragen. Ferner enthält § 28 der Satzung gerade eine sehr weite Schiedsklausel für „sämtliche Streitigkeiten“. An der Einordnung von § 8 Abs. 8 der Satzung als Schiedsgutachterklausel ändert sich auch dadurch nichts, dass der Abschlussprüfer „endgültig“ entscheiden soll und über die Tragung der Kosten nach §§ 91 ff. ZPO zu befinden hat. Auch ein Schiedsgutachter trifft mit der ihm übertragenen Feststellung eine endgültige Entscheidung, die für die Parteien und das Gericht in einem gegebenenfalls geführten Zivilprozess (oder einem Schiedsverfahren) materielle Bindungswirkung entfaltet. Sofern ein Zivilprozess oder eine Schiedsklage durch die getroffene Bestimmung überflüssig wird, weil die Parteien die getroffene Bestimmung akzeptieren und auch ohne Vollstreckungstitel den Abfindungsanspruch erfüllen, bedarf es einer Regelung dazu, wer in diesem Fall die Kosten des Gutachtens zu tragen hat. Insofern erscheint auch der Verweis auf §§ 91 ff. ZPO in § 8 Abs. 8 der Satzung sinnvoll.

Es handelt sich dabei um eine Schiedsgutachtervereinbarung im engeren Sinne. Der Unterschied zwischen der Schiedsgutachtervereinbarung im engeren und im weiteren Sinn liegt darin, dass im ersteren Fall der Schiedsgutachter nur die für die Klarstellung des Vertragsinhalts maßgeblichen Tatsachen ermitteln und für die Parteien festzustellen hat. Bei einer Schiedsgutachtervereinbarung im weiteren Sinn obliegt es dem Schiedsgutachter, den Vertragsinhalt nach billigem Ermessen rechtsgestaltend zu bestimmen (BGH, Beschluss vom 14. Januar 2016, I ZB 50/15, NJW-RR 2016, 703 Rn. 11; Urt. v. 4. Juli 2013, III ZR 52/12, NJW-RR 2014, 492 Rn. 27 und Rn. 33). Wie sich aus dem Zusammenhang von § 8 Abs. 7 und Abs. 8 der Satzung sowie der Bestimmung gerade des Abschlussprüfers als Gutachter ergibt, soll dieser aufgrund seines speziellen Fachwissens insbesondere die Höhe des Buchwerts und des anteiligen Gewinns nach § 8 Abs. 7 der Satzung ermitteln und bindend feststellen. Die Befugnis zu einer eigenständigen rechtsgestaltenden Festlegung der Abfindungshöhe nach billigem Ermessen soll ihm dagegen ersichtlich nicht zustehen.

bb) Ob die vorliegende Streitigkeit von der Schiedsgutachterregelung in § 8 Abs. 8 der Satzung umfasst ist, kann offen bleiben. Hierfür könnte sprechen, dass die Parteien sich gerade über die Höhe der Abfindung nicht einig sind, § 8 Abs. 8 der Satzung nicht danach differenziert, worauf der Streit über die Höhe der Abfindung beruht, und die Antragstellerin schon das behauptete erhebliche Missverhältnis zum Verkehrswert in Abrede stellt, so dass es nicht nur um rechtliche Fragen geht. Zudem wird der Aufgabenbereich eines Schiedsgutachters nicht überschritten, wenn seine Tätigkeit außer der Ermittlung von Tatsachen auch deren rechtliche Einordnung umfasst (BGH WM 1975, 770 [juris Rn. 17]). Letztlich bedarf dies aber keiner Entscheidung durch den Senat. Sofern § 8 Abs. 8 der Satzung keine Anwendung findet, kommt für die Streitigkeit zwischen den Parteien ohnehin die weite Schiedsklausel nach § 28 der Satzung zum Tragen (siehe oben Buchst. a]). Aber auch wenn die vorliegende Streitigkeit unter § 8 Abs. 8 der Satzung fällt, ist das Schiedsgericht zuständig (siehe unten cc]).

cc) Die Schiedsgutachterklausel in § 8 Abs. 8 der Satzung schließt nicht die Zuständigkeit des Schiedsgerichts nach § 28 der Satzung aus, sondern führt nur dazu, dass ein vor Erholung des Schiedsgutachtens eingeleitetes Schiedsverfahren derzeit unbegründet sein könnte. § 8 Abs. 8 der Satzung enthält kein umfassendes Klageverbot. Dass die Schiedsgutachterklausel in § 8 Abs. 8 der Satzung die Möglichkeit der Erhebung einer Schiedsklage nach § 28 der Satzung gänzlich ausschließen sollte, ist fernliegend. Ein derartiger Ausschluss hätte zur Folge, dass ein (ehemaliger) Gesellschafter bei Streit über die Höhe der Abfindung keine Möglichkeit hätte, einen Vollstreckungstitel zu erlangen. Eine Schiedsklage wäre nicht möglich und Streitigkeiten vor den staatlichen Gerichten will die Satzung mit § 28 Abs. 1 und Abs. 5 gerade verhindern. Zudem schließt grundsätzlich eine Schiedsgutachterklausel im engeren Sinn nicht die Möglichkeit aus, entsprechend § 319 Abs. 1 Satz 1 BGB die offenbare Unrichtigkeit des eingeholten Schiedsgutachtens geltend zu machen (BGH NJW-RR 2014, 492 Rn. 27; Urt. v. 27. Juni 2001, VIII ZR 235/00, NJW 2001, 3775 [juris Rn. 15]). Eine offenbare Unrichtigkeit liegt dabei auch vor, wenn der Schiedsgutachter nur die im Gesellschaftsvertrag vorgesehene Abfindung (zum Buchwert) ermittelt, Anhaltspunkten für ein grobes Missverhältnis zum Verkehrswert aber nicht nachgeht (Schmitz-Herscheidt, Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 7, 6. Aufl. 2020, § 51 Rn. 71). Wäre § 8 Abs. 8 der Satzung dahin zu verstehen, dass er sowohl die Schiedsklage als auch die Klage vor den ordentlichen Gerichten ausschließen würde, könnten indessen weder die Gesellschaft noch der (ehemalige) Gesellschafter eine offenbare Unrichtigkeit des durch den Abschlussprüfer erstellten Schiedsgutachtens geltend machen. Für eine derartige Auslegung, die sowohl den Erhalt eines Vollstreckungstitels als auch die Geltendmachung der offenbaren Unrichtigkeit des Schiedsgutachtens abschneiden würde, finden sich keinerlei konkrete Anhaltspunkte in der Satzung.

Allerdings enthält eine Schiedsgutachterklausel im engeren Sinne in der Regel die stillschweigende Vereinbarung, dass der Gläubiger für die Dauer der Erstattung des Gutachtens nicht gegen den Schuldner vorgehen werde. Damit regelt die Schiedsgutachterabrede im engeren Sinn (auch) die Leistungszeit gemäß § 271 Abs. 1 BGB dahingehend, dass die Fälligkeit der Vergütungsforderung bis zur Vorlage des Gutachtens aufgeschoben wird. Eine dennoch erhobene Klage ist als verfrüht (“derzeit unbegründet“) abzuweisen, wenn die beweispflichtige Partei die rechtserhebliche Tatsache, deren Feststellung dem Schiedsgutachter übertragen ist, nicht durch Vorlage des Schiedsgutachtens nachweist und der Tatrichter nicht, was in seinem Ermessen steht, zunächst entsprechend §§ 356, 431 ZPO eine Frist zur Beibringung des Schiedsgutachtens setzt (BGH, Urt. v. 11. März 2021, VII ZR 196/18, NJW 2021, 1593 Rn. 33; Urt. v. 5. November 2015, III ZR 41/15, BGHZ 207, 316 Rn. 40; NJW-RR 2014, 492 Rn. 28). Sofern die Zuständigkeit der staatlichen Gerichte durch eine Schiedsvereinbarung ausgeschlossen ist, gilt nichts anderes. Haben die Parteien die Feststellung bestimmter beweiserheblicher Tatsachen einem Schiedsgutachter übertragen, ist eine Schiedsklage, mit der diese Tatsachen nicht durch die Vorlage des Schiedsgutachtens nachgewiesen werden, allenfalls als derzeit unbegründet abzuweisen. An der grundsätzlichen Zuständigkeit des Schiedsgerichts für die Klage ändert dies aber nichts (BGH, Beschluss vom 14. Januar 2016, I ZB 50/15, NJW-RR 2016, 703 Rn. 14; zustimmend Hirth in jurisPR-IWR 2/2016 Anm. 4; Pickenpack, DB 2016, 1244, 1245; zur Möglichkeit einer Kombination aus Schiedsgutachterklausel und Schiedsvereinbarung Kasolowsky/Schnabl, SchiedsVZ 2012, 84, 86; Netzer in beck-online.OGK, Stand 1. September 2022, BGB § 317 Rn. 40).

Nichts anderes gilt für die vorliegenden Satzungsbestimmungen. § 28 der Satzung schließt für Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Gesellschaftsvertrag die Zuständigkeit der staatlichen Gerichte umfassend aus. Damit kann ein (ehemaliger) Gesellschafter, der einen Titel über einen Abfindungsanspruch gegen die Gesellschaft erhalten will, (nur) Schiedsklage erheben. Das Schiedsgericht ist für diese Klage auch zuständig, das schiedsrichterliche Verfahren zulässig. Eine andere Möglichkeit, einen Vollstreckungstitel zu erlangen, besteht aufgrund § 28 der Satzung nicht. Damit wäre das in § 28 der Satzung vorgesehene Schiedsgericht ungeachtet der Frage, ob eine Schiedsklage als derzeit unbegründet abgewiesen werden müsste, dennoch zuständig. Der Antrag nach § 1032 Abs. 2 ZPO bleibt daher ohne Erfolg.

III.

Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 91 ZPO.

Den Streitwert hat der Senat mit einem Fünftel der Hauptsache angesetzt (vgl. BGH, Beschluss vom 29. März 2018, I ZB 12/17, juris Rn. 5; BayObLG NJW-RR 2023, 400 [juris Rn. 88]). Vorliegend lässt sich der als Anlage K 4 vorgelegten E-Mail der Antragsgegnerin vom 10. März 2023 entnehmen, dass diese von einem weiteren, noch nicht bezahlten Abfindungsanspruch von 4.255.000,00 € ausgeht. Daraus ergibt sich ein Streitwert von 851.000,00 €. Zur entsprechenden, vorläufigen Festsetzung des Streitwerts mit Verfügung vom 24. April 2023 haben die Parteien keine Stellungnahme abgegeben.

stats