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Wirtschaftsrecht
19.07.2012
Wirtschaftsrecht
OLG Stuttgart: Schadensersatzansprüche der Aktiengesellschaft gegen den Aufsichtsrat

OLG Stuttgart, Beschluss vom 19.6.2012 - 20 W 1/12


Leitsätze


1. Den Insolvenzverwalter einer Aktiengesellschaft trifft in einem gegen ein Aufsichtsratsmitglied nach §§ 116, 93 AktG geführten Schadensersatzprozess die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Gesellschaft durch ein möglicherweise pflichtwidriges Verhalten des Aufsichtsratsmitglieds in dessen Pflichtenkreis ein Schaden entstanden ist. Das Aufsichtsratsmitglied hat darzulegen und ggf. zu beweisen, dass es seinen Sorgfaltspflichten genügt hat oder es kein Verschulden trifft oder der Schaden auch bei pflichtgemäßem Alternativverhalten eingetreten wäre.


2. Die laufende Überwachung des Vorstands in allen Einzelheiten ist von dem Aufsichtsrat grundsätzlich nicht zu erwarten. Es ist grundsätzlich nicht Aufgabe des Aufsichtsrats, einzelne Geschäftsvorfälle, Zahlungseingänge und Buchhaltungsunterlagen zu überprüfen. In Krisenzeiten sowie bei Anhaltspunkten für eine Verletzung der Geschäftsführungspflichten und insbesondere bei Hinweisen auf existenzgefährdende Geschäftsführungsmaßnahmen ist eine intensivere Überwachungstätigkeit erforderlich. Auch bei einer neu gegründeten Gesellschaft können die Anforderungen an die Überwachungspflichten des Aufsichtsrats gesteigert sein.


3. Der Schaden bei einem Anspruch aus §§ 116, 93 AktG ist nach §§ 249 ff. BGB im Wege der Differenzhypothese zu berechnen. Es ist der Zustand herzustellen, der ohne die Pflichtverletzung bestünde.


Sachverhalt


I. Der Antragsteller wendet sich mit seiner sofortigen Beschwerde vom 05.04.2012 (Bl. 303) gegen den Beschluss des Landgerichts Tübingen vom 19.03.2012, Az. 5 O 17/11, (Bl. 295), mit dem sein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe vom 21.12.2010 zurückgewiesen wurde.


Der Antragsteller ist Insolvenzverwalter der S AG (i.F. Insolvenzschuldnerin), über deren Vermögen auf Antrag vom 26.08.2008 am 11.11.2008 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Die Antragsgegner waren Aufsichtsräte der Insolvenzschuldnerin. Der Antragsgegner Ziff. 2 legte sein Amt am 15.06.2008 nieder, der Antragsgegner Ziff. 1 am 19.08.2008 und die Antragsgegnerin Ziff. 3 am 14.08.2008.


Die Insolvenzschuldnerin wurde mit notarieller Urkunde vom 13.11.2007 von H. S. mit einem Grundkapital von 100.000 Euro gegründet (K 2, Bl. 38). Alleiniger Aktionär ist H. S.. H. S. war Vorstand der Insolvenzschuldnerin, bis 16.01.2008 zusammen mit K. Z., anschließend alleine. Die Antragsgegner wurden zum Aufsichtsrat bestellt. Die Antragsgegner 1 und 3 sind die Kinder des Vorstands, der Antragsgegner 2 war als Polier bei der Insolvenzschuldnerin angestellt und als Arbeitnehmer-Aufsichtsrat bestellt. Die Insolvenzschuldnerin wurde am 31. Januar 2008 in das Handelsregister eingetragen und nahm ab diesem Zeitpunkt ihre Geschäfte auf.


Der Vorstand S. betrieb unter der Firma H. S. B. e.K. (i.F. S B) ein einzelkaufmännisches Bauunternehmen und wollte dieses in die Rechtsform einer Aktiengesellschaft überführen, weshalb er die Insolvenzschuldnerin gründete. Die S B wurde auch nach Gründung der Insolvenzschuldnerin weiter betrieben bis zur Insolvenz des Vorstands S. Ende 2008.


Bereits mit Antrag vom 01.07.2009 (Beiakte LG Tübingen, 5 O 132/09, Bl. 1) hatte der Antragsteller Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Schadensersatzklage gegen die Antragsgegner beantragt. Der Antrag war von dem Landgericht Tübingen durch Beschluss vom 29.10.2009 (Beiakte Bl. 430) zurückgewiesen worden.


Der Antragsteller begehrt nunmehr erneut Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage gegen die Antragsgegner wegen Verletzung ihrer Pflichten als Aufsichtsräte. Er hält den erneuten Antrag für zulässig, da neue tatsächliche Gesichtspunkte vorgetragen würden.


Mit der Klage soll nach dem vorgelegten Klagentwurf (K 8, nach Bl. 321) die Verurteilung der Antragsgegner als Gesamtschuldner zur Zahlung von 73.532,16 Euro erreicht werden. Der Antragsteller ist der Auffassung, dass die Antragsgegner in ihrer Eigenschaft als Aufsichtsräte pflichtwidrig weder die Schadenszufügung durch den Vorstand der Insolvenzschuldnerin verhinderten noch die bereits entstandenen Schadensersatzansprüche gegen den Vorstand verfolgten.


Der Antragsteller trägt vor, die Insolvenzschuldnerin habe bis auf das Grundkapital kein eigenes Vermögen gehabt. Sie habe ab Ende Januar 2008 das gesamte Anlagevermögen sowie die von der S B geleasten Fahrzeuge gemietet. Die S B habe die vermieteten Ausrüstungsgegenstände und Fahrzeuge ohne Entschädigung ebenfalls vollumfänglich genutzt, obwohl dies in den Mietverträgen nicht vorgesehen gewesen sei. Zudem seien die vereinbarten Mietpreise weit überhöht gewesen. Von diesen Umständen hätten die Antragsteller bereits Ende Januar 2008 Kenntnis gehabt.


Obwohl die Insolvenzschuldnerin über keine eigenen Aufträge verfügt habe, habe sie Ende Januar 2008 auch sämtliche ursprünglich bei der S B angestellten Mitarbeiter übernommen. Dieser habe unter seiner Einzelfirma weiter Bauvorhaben abgewickelt und sich hierfür der nunmehr bei der Insolvenzschuldnerin angestellten Mitarbeiter bedient. Die Löhne für die Mitarbeiter habe die Insolvenzschuldnerin bezahlt. Ende Januar 2008 hätten die Insolvenzschuldnerin vertreten durch den Vorstand S. und die S B vertreten durch ihn vereinbart, dass die S B der Insolvenzschuldnerin die Aufwendungen für die auf seinen Bauvorhaben eingesetzten Mitarbeiter ersetze in Höhe der tatsächlichen Nettolohnkosten zuzüglich eines Zuschlags von 40 % für die angefallenen Sozialkosten. Zwischen Februar 2008 und August 2008 habe die Insolvenzschuldnerin gegenüber der S B insgesamt 647.499,28 Euro an Personalkosten abgerechnet (Aufstellung K 4 (Bl. 60)).


Auch hiervon hätten die Antragsgegner bereits Ende Januar 2008 Kenntnis gehabt. Die Beklagten hätten aber weder an den Vereinbarungen mitgewirkt noch einen Aufsichtsratsbeschluss hierzu gefasst.


Die Insolvenzschuldnerin vertreten durch den Vorstand habe dem Vorstand zahlreiche Darlehen in Höhe von insgesamt 54.192,75 Euro (Aufstellung K 6, Bl. 62) gewährt, die dieser zur Zahlung seiner Lieferantenrechnungen verwendet habe. Die Auskehrung der Darlehen sei so erfolgt, dass die Insolvenzschuldnerin an den Vorstand gerichtete, die Einzelfirma betreffende Rechnungen bezahlt habe. Es sei vereinbart worden, dass die S B diese Beträge mit einem Aufschlag von 5 % an die Insolvenzschuldnerin zurückbezahle (Vereinbarung vom 31.01.2008, K 5, Bl. 61).


Die Antragsgegner hätten von diesen Zahlungen Kenntnis gehabt, dazu aber keine Einwilligung erteilt.


Insgesamt seien im Zeitraum März 2008 bis Juni 2008 nur Zahlungen des Vorstands entsprechend der Auflistung im Schriftsatz vom 05.09.2011, Seite 13 und 14 (Bl. 169 f) in Höhe von insgesamt 143.286,63 Euro eingegangen und Zahlungen in Höhe von 22.951,54 Euro an den Vorstand erfolgt. Dem stünden Ansprüche in Höhe von 602.715,82 Euro für die Arbeitnehmerüberlassung und in Höhe von 53.793,12 Euro für die Darlehen gegenüber. Wegen der Insolvenz des Vorstands S. seien die offenen Beträge nicht mehr beitreibbar.


Der Antragsteller bestreitet, dass der von den Antragsgegnern vorgelegte Umlaufbeschluss vom 01.02.2008 (Beiakte Bl. 196) tatsächlich im Februar 2008 gefasst worden sei. Jedenfalls aber habe dem Einsatz der Mitarbeiter nach §§ 125, 134 BGB von vornherein kein wirksames Vertragsverhältnis zu Grunde gelegen. Die dem Einsatz der Mitarbeiter auf Baustellen des Einzelunternehmens zu Grunde liegenden Verträge seien nach § 134 BGB i.V.m. § 1 b Satz 1 AÜG nichtig - es handele sich um eine unzulässige gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung im Bereich des Baugewerbes. Die Aufsichtsräte hätten diese Tätigkeit deshalb verhindern müssen. Der Schaden wäre dann nicht entstanden.


Bereits im Februar und März 2008 habe es zahlreiche offene Forderungen gegen die Insolvenzschuldnerin gegeben, die diese nicht habe begleichen können. Hiervon hätten die Antragsgegner Kenntnis gehabt. Die Forderungen seien letztlich zur Insolvenztabelle angemeldet worden.


Die Insolvenzschuldnerin habe mithin die Bauvorhaben der S B erledigt, ohne hierfür eine Gegenleistung erhalten zu haben. Wegen des Einsatzes der Mitarbeiter auf den Baustellen der S B habe ihr kein eigenes Personal zur Verfügung gestanden, so dass sie bis auf zwei Baustellen keine eigenen Aufträge abgewickelt und kaum Einnahmen gehabt habe. Die Antragsgegner hätten gewusst, auf welchen Baustellen und für welche Firma der Vorstand tätig gewesen sei. Sie hätten bereits im Februar 2008 vorausgesehen und billigend in Kauf genommen, dass die Insolvenzschuldnerin vermögenslos werden würde. Allein in den Monaten Februar und März 2008 habe die Insolvenzschuldnerin Personalaufwendungen für ihre bei Bauvorhaben der S B eingesetzten Mitarbeiter in Höhe von 316.615,75 Euro gehabt, so dass das Grundkapital - für die Antragsgegner erkennbar - bereits im Februar 2008 aufgezehrt gewesen sei.


Es seien Insolvenzforderungen in Höhe von 556.079,03 Euro festgestellt worden. Bei Begleichung der Forderungen der Insolvenzschuldnerin durch die S B in Höhe 701.292,40 Euro wäre keine Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung eingetreten.


Der Antragsteller wirft den Antragsgegnern vor, sie hätten nach ihrer Bestellung keine Tätigkeit entfaltet, keine einzige Sitzung abgehalten, sich keine Geschäftsordnung gegeben und keine Beschlüsse gefasst. Sie hätten insbesondere keinen Katalog an Zustimmungsvorbehalten nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG bestimmt und keine präventiven Kontrollmechanismen zur Verhinderung eines Schadens aufgestellt. Sie hätten gegen ihre Überwachungspflicht verstoßen und nicht die erforderlichen zwei Sitzungen im Jahr abgehalten. Der Bericht des Vorstands über den Gang der Geschäfte nach § 90 Abs. 2 Nr. 3 AktG sei ausgeblieben, so dass der Aufsichtsrat diesen spätestens Ende März 2009 hierzu hätten auffordern müssen. Eine Verletzung der Pflichten liege insbesondere vor, weil die Vergabe der Darlehen und der Einsatz der Mitarbeiter auf den unter Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot abgewickelten Bauvorhaben des Vorstands S. den Aufsichtsräten positiv bekannt gewesen seien. Bereits ein Verdacht auf die existenzgefährdenden Praktiken des Vorstands begründe die Pflicht des Aufsichtsrats, diesem nachzugehen und einzugreifen. Angesichts der finanziellen Situation der Insolvenzschuldnerin hätten die Aufsichtsräte die Pflicht zur intensiven Überwachung des Vorstands gehabt. Die unterlassene Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Vorstand begründe eine weitere Pflichtverletzung.


Mit der Klage solle ein Teil des der Insolvenzschuldnerin durch den Vorstand S. verursachten Schadens geltend gemacht werden, für den die Antragsgegner auf Grund ihrer Pflichtverletzungen hafteten. Geltend gemacht werden solle der Lohnaufwand für die Tätigkeit der Mitarbeiter der Insolvenzschuldnerin auf verschiedenen Baustellen der S B im Februar und März 2008 entsprechend den Rechnungen der Insolvenzschuldnerin vom 11.04.2008 (K 9 bis K 12, Bl. 72 ff.). Geltend gemacht werden als Schaden sollen weiter an den Vorstand gewährte Darlehen, die durch die Begleichung von an die S B gerichteten Lieferantenrechnungen seitens der Insolvenzschuldnerin ausgekehrt und mit den vorgelegten Rechnungen K 13 - K 16 (Bl. 76 ff.) gegenüber der S B abgerechnet worden seien, aber von dieser nie beglichen worden seien.


Durch die Geschäftspraktiken des Vorstands sei der Insolvenzschuldnerin ein Mindestschaden in Höhe des Klagantrags entstanden. Der Vorstand sei zur Erstattung der an seine Lieferanten gezahlten Beträge gemäß § 89 Abs. 5 AktG verpflichtet. Für den Schaden, der durch den Einsatz der Mitarbeiter der Insolvenzschuldnerin auf den Baustellen des Vorstands S. entstanden sei, hafte dieser nach § 93 Abs. 2 AktG. Die Vereinbarungen zwischen der S B und der Insolvenzschuldnerin seien nach § 112 AktG unwirksam, weil die Aufsichtsräte hieran nicht mitgewirkt hätten. Deshalb stünde der Insolvenzschuldnerin kein Anspruch auf Erstattung der Lohnaufwendungen für die Überlassung der Mitarbeiter zu. In der Überlassung der Mitarbeiter ohne Gegenleistung liege eine Pflichtwidrigkeit, die zum Schadensersatz führe. Die Schadensersatzpflicht des Vorstands S. in seiner Eigenschaft als Gesellschafter folge zugleich aus § 317 Abs. 1 AktG. Eine Haftung des Vorstands folge auch aus § 826 BGB.


Der Antragsteller ist der Auffassung, dass die Antragsgegner wegen der ihnen vorzuwerfenden Pflichtverletzungen für diesen von dem Vorstand verursachten Schaden hafteten. Der Schaden wäre bei pflichtgemäßem Verhalten der Antragsgegner nicht entstanden. Die Antragsgegner treffe nach §§ 116, 93 Abs. 2 Satz 2 AktG die Beweislast dafür, dass sie nicht schuldhaft oder pflichtwidrig gehandelt hätten oder dass der Schaden bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre. Bereits die Verletzungen der Organisationspflichten reichten aus, um eine Haftung der Antragsgegner auszulösen. Die Schadensentstehung sei bei Existenz von Kontrollmechanismen vermeidbar gewesen. Nachdem das pflichtwidrige Handeln des Vorstands erkennbar geworden sei, hätten die Antragsgegner nach § 111 Abs. 4 AktG einen Zustimmungsvorbehalt aussprechen müssen, um das Verhalten künftig zu unterbinden und sie hätten den Vorstand abberufen müssen, so dass die Zufügung eines Schadens unmöglich geworden wäre. Schließlich hätten sie dafür Sorge tragen müssen, dass die Ansprüche der Insolvenzschuldnerin tituliert worden wären, um die Werklohnansprüche des Vorstands S. aus seinen Bauvorhaben pfänden und einziehen zu können. Da die Antragsgegner bereits im Februar 2008 die Krisensituation erkannten, hätten sie zur Durchsetzung der Ansprüche ein weiteres Vorstandsmitglied bestellen müssen, so dass dieser bereits im März oder April 2008 die Ansprüche gegen den Vorstand hätte geltend machen können.


Die Antragsgegner halten den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe bereits für unzulässig, da er mit dem am 01.07.2009 gestellten und von dem Landgericht Tübingen durch Beschluss vom 29.10.2009 (Ar. 5 O 132/09, Beiakte Bl. 430) zurückgewiesenen Antrag im Wesentlichen identisch sei. Beachtliche neue tatsächliche oder rechtliche Gesichtspunkte lägen nicht vor.


Die Antragsgegner sind zudem der Auffassung, dass sie ihre Pflichten nicht verletzt haben. Für das Vorliegen von Schadensersatzansprüchen der Insolvenzschuldnerin gegenüber ihrem Vorstand hätten sich für den Aufsichtsrat keine Anhaltpunkte ergeben. Jedenfalls hätte ein Handeln des Aufsichtsrats einen Schaden nicht verhindern können.


Die Antragsgegner erklären, keine Kenntnis von der Begleichung der Lieferantenverbindlichkeiten der S B durch die Insolvenzschuldnerin, von der Nichtbegleichung der Verbindlichkeiten durch die S B, offenen Forderungen oder sonstigen pflichtwidrigen Geschäftspraktiken des Vorstands gehabt zu haben. Sie seien auch nicht verpflichtet gewesen, sämtliche Buchungsvorgänge zu überprüfen.


Der Antragsgegner Ziff. 2 trägt insbesondere vor, die Maßnahmen der Insolvenzschuldnerin seien so ausgelegt gewesen, dass eine Insolvenz unwahrscheinlich gewesen sei. Die von ihm bearbeiteten Baustellen seien in aller Regel und überwiegend mit deutlichem Gewinn abgeschlossen worden. Hinweise auf eine mögliche Insolvenz hätten nicht vorgelegen. Auch der Übergang von der Einzelfirma zu der Aktiengesellschaft sei nicht ungewöhnlich verlaufen. Insbesondere sei die Überstellung der Mitarbeiter erforderlich gewesen, um mit Erfolgsaussicht an den Ausschreibungen der öffentlichen Hand teilzunehmen. Bis zu seinem Ausscheiden und auch später sei für den Antragsgegner Ziff. 2 nicht erkennbar gewesen, in welcher Krise sich die Insolvenzschuldnerin befunden hätte. Er habe sein Amt am 15.06.2008 niedergelegt, weil der Vorstand seiner Pflicht nicht nachgekommen sei, den Aufsichtsrat ordnungsgemäß zu informieren. Im Übrigen wolle der Antragsteller erst nach vielen Jahren umfassender Recherche etwaige falsche Buchungen und Umbuchungen gefunden haben, von dem Aufsichtsrat verlange er aber umfassende Kenntnis. Eine Kenntnis der Details des AÜG seien von dem Aufsichtsrat nicht zu verlangen. Insgesamt werde die Kenntnis des Aufsichtsrats zu pauschal behauptet.


Die Antragsgegner Ziff. 1 und 3 tragen vor, dass ab Eintragung der Insolvenzschuldnerin in das Handelsregister sämtliche neuen Bauvorhaben im Namen der Insolvenzschuldnerin akquiriert worden seien und nur die 14 noch nicht fertiggestellten Bauaufträge der S B von dieser abgewickelt werden sollten. Eine stichtagsbezogene Übertragung sämtlicher Aktiva und Passiva sei nicht möglich gewesen, weil es sich um ein Einzelkaufmannsunternehmen gehandelt habe.


Die Tatsache, dass Mitarbeiter und Material an die S B zu tatsächlichen Kosten zuzüglich einer Pauschale von 5 % überlassen werden sollten, sei den Antragsgegnern auf Grund des Umlaufbeschlusses vom 1. Februar 2008 bekannt gewesen. Die Vereinbarung über die gegenseitige Leistungserbringung und Rückzahlungspflicht mit einem Zuschlag von 5 % (K 5, Bl. 61) sei zunächst nach § 112 AktG unwirksam gewesen. In einer Telefonkonferenz mit dem Vorstand bei Aufnahme des Geschäftsbetriebs habe der Aufsichtsrat erörtert, wie der Geschäftsbetrieb von dem Einzelkaufmannsunternehmen auf die Insolvenzschuldnerin zu übertragen sei. Der Aufsichtsrat habe einhellig die Meinung vertreten, dass neue Bauvorhaben durch die Insolvenzschuldnerin ausgeführt werden sollten und bestehende Bauvorhaben des Einzelunternehmens durch die Mitarbeiter der Insolvenzschuldnerin. Dementsprechend habe der Aufsichtsrat den Einsatz der Mitarbeiter auf diesen Baustellen gebilligt. Die zunächst unwirksame Vereinbarung vom 31.01.2008 sei durch den Umlaufbeschluss des Aufsichtsrats vom 01.02.2008 (Beiakte Bl. 196) geheilt. Der Aufsichtsrat habe somit am Folgetag eine gleichlautende Vereinbarung mit dem Einzelkaufmannsunternehmen geschlossen und in dem Umlaufbeschluss von 01.02.2008 schriftlich niedergelegt. Dieser sei von Vorstand und Aufsichtsrat unterschrieben. Mangels Formvorschriften hätte auch eine mündliche Vereinbarung genügt. Dass anstelle des beabsichtigten Aufschlags von 5 % eine Handlingfee von 3 % festgehalten worden sei, sei unschädlich, weil die Parteien übereinstimmend einen Aufschlag von 5 % gewollt hätten. Auf Grund des Umlaufbeschlusses habe eine wirksame Vereinbarung zwischen der Insolvenzschuldnerin vertreten durch den Aufsichtsratsvorsitzenden und dem Einzelkaufmannunternehmen über die Überlassung der Mitarbeiter für die Fertigstellung der Baustellen des Einzelkaufmannsunternehmens bestanden.


Sie seien davon ausgegangen, dass die Rechnungen der Insolvenzschuldnerin bezahlt worden seien. Nach ihrer Kenntnis sei dies zumindest bis Juli 2008 der Fall gewesen. Der Personalaufwand der Insolvenzschuldnerin bis einschließlich Juli 2008 müsste in Höhe von ca. 950.000 Euro angefallen sein. Gemäß dem Bericht zum Prüftermin vom 16. Januar 2009 (AG 1, Bl. 120) seien sämtliche Lohnansprüche der Arbeitnehmer erfüllt worden. Hätte die Insolvenzschuldnerin dies von dem eingezahlten Grundkapital von 100.000 Euro bestreiten wollen, wäre sie bereits im März 2008 zahlungsunfähig geworden. Demnach seien die meisten Rechnungen der Insolvenzschuldnerin an die S B offensichtlich bezahlt worden. Die Behauptung in dem Klagentwurf, dass alle diese Rechnungen unbezahlt geblieben seien, sei mithin unschlüssig.


Inwieweit der Vorstand seine Zahlungspflichten als Einzelkaufmann entgegen seiner Berichterstattung in der Aufsichtsratssitzung vom 17.05.2008 verletzt habe, habe der Aufsichtsrat nicht erkennen können. Auf Grund des Berichts des Vorstandes in der Aufsichtsratssitzung vom 17.05.2008 und des vorgelegten Gesamtergebnisses habe der Aufsichtsrat davon ausgehen können, dass die Rechnungen bezahlt worden seien.


Eine Schadenszufügung durch den Vorstand sei für den Aufsichtsrat nicht erkennbar gewesen. Selbst wenn der Aufsichtsrat im Zeitpunkt der Aufsichtsratssitzung vom 17. Mai 2008 die Pflichtwidrigkeit des Handelns des Vorstands erkannt hätte, hätte eine Vollstreckung nicht vor Ende August durchgeführt werden können.


Die Aufsichtsräte hätten ihre Pflichten als Aufsichtsräte nach Gesetz und Satzung erfüllt. Sie hätten ihrer Pflicht zur Einberufung einer Aufsichtsratssitzung nach § 110 Abs. 3 AktG i.V.m. § 12 Abs. 2 der Satzung genügt. Im Rahmen der Erörterung der betriebswirtschaftlichen Auswertung zum 31.03.2008 bei der Sitzung am 17.05.2008 seien die Bauprojekte detailliert besprochen worden und festgestellt worden, dass sämtliche Bauprojekte ein positives Ergebnis auswiesen und die betriebswirtschaftliche Auswertung zum 31.03.2008 insgesamt ein positives Ergebnis von 28.903,47 Euro auswies. Der Aufsichtsratsvorsitzende habe den Vorstand unter Tagesordnungspunkt 5 aufgefordert, bis zur zweiten Aufsichtsratssitzung im Juli alle Monatsberichte bis Juni 2008, einen Geschäftsbericht und eine aktuelle Übersicht über die Forderungen und Verbindlichkeiten vorzulegen. Da ihm diese bis 22.07.2008 nicht vorgelegen habe, habe der Antragsgegner Ziff. 1 den Vorstand nochmals hierzu aufgefordert und im Rahmen der zweiten Aufforderung angekündigt, das Amt niederzulegen, falls die Unterlagen nicht bis 15.08.2008 vorlägen. Nachdem keine Unterlagen vorgelegt worden, hätten die Antragsgegner am 19.08.2008 (AG 1, Bl. 69) und am 14.08.2008 (AG 3, Bl. 70) ihr Amt niedergelegt. Ein Hinweis auf ein Verhalten des Vorstands, welches zum Schadensersatz berechtigte, habe sich nicht angekündigt. Unabhängig davon wäre in der kurzen Zeit zwischen der ersten Aufsichtsratssitzung und der Amtsniederlegung die Insolvenz des Alleinaktionärs und damit die der Insolvenzschuldnerin nicht vermeidbar gewesen.


Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf deren Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.


Das Landgericht Tübingen hat den von dem Antragsteller für die Kenntnis der Antragsgegner benannten Zeugen K. Z. vernommen. Auf das Protokoll der mündlichen Vernehmung vom 08.02.2012 (Bl. 287) und die schriftliche Aussage vom 18.12.2011 (Bl. 278) wird verwiesen.


Das Landgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch Beschluss vom 19.03.2012 (Bl. 295) zurückgewiesen. Das Landgericht verwies zur Begründung zunächst auf den Beschluss vom 29.10.2009 im Verfahren 5 O 132/09, mit dem der erste Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen worden war. Damals sei die Zurückweisung im Wesentlichen damit begründet worden, dass die Antragsgegner die Krisensituation frühestens im Mai 2008 erkennen und deshalb nicht mehr rechtzeitig vor der Insolvenz darauf hätten reagieren können. Die neue Behauptung des Antragstellers, die Antragsgegner hätten bereits im Februar 2008 Kenntnis von der Krisensituation der AG und dem pflichtwidrigen Verhalten des alleinigen Vorstands der AG gehabt, sei durch den einzig hierzu benannten Zeugen nicht bestätigt worden.


II. Gegen die Zurückweisung des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wendet sich der Antragsteller mit seiner am 05.04.2012 eingereichten sofortigen Beschwerde. Das Landgericht verkenne, dass zur Begründung einer Schadensersatzpflicht nach §§ 93, 116 AktG eine positive Kenntnis der Krisensituation nicht erforderlich sei. Bereits bei einem Verdacht auf die existenzgefährdenden Praktiken des Vorstandes und dem Unterlassen, diesem Verdacht nachzugehen, sei eine Pflichtverletzung gegeben. Es hätten erhebliche Anhaltpunkte für einen Verdacht auf existenzgefährdende Praktiken des Vorstands vorgelegen. Die Antragsgegner hätten auf Grund ihrer beruflichen Kenntnisse und Erfahrung die unkorrekten Geschäftspraktiken des Vorstands erkennen und entsprechend handeln müssen. Auf Grund der hohen Personalkosten - Februar und März 2008 316.615,75 Euro - wäre erkennbar gewesen, dass das Grundkapital alleine durch diese Ausgaben im Februar 2008 vollständig aufgezehrt gewesen sei. Der Zeuge Z. habe bei seiner polizeilichen Zeugenvernehmung ausgesagt, dass auf einer Kontosaldenliste über Debitoren vom 03.01.2008 eine Unterdeckung in Höhe von 352.990 Euro festgestellt worden sei. Hieran sei ersichtlich, dass eine Überschuldung vorgelegen habe. Der Zeuge Z. habe auch erklärt, dass er nach seinem Weihnachtsurlaub feststellen musste, dass der Vorstand S. einen Betrag von 30.000 - 40.000 Euro des Grundkapitals an sich überwiesen hatte. Die Aufsichtsratsmitglieder hätten von der Personalumsetzung und der Auszahlung der Hälfte des Stammkapitals gewusst. Der Zeuge Z. habe als Industriekaufmann sofort erkannt, dass die Gesellschaft bei der Vorgehensweise des Vorstands nicht lange bestehen werde. Dies zeige, dass es für jeden, insbesondere die Antragsgegner und den Antragsgegner Ziff. 1 als sachkundigen Dipl.-Kaufmann erkennbar gewesen sein müsse, dass die Aktiengesellschaft kurz nach der Gründung nicht lange existieren werde. Bereits im Februar 2008 hätten die Antragsgegner den Verdacht existenzgefährdender Praktiken des Vorstands gehabt. Es habe deshalb dringend Veranlassung bestanden, dem Sachverhalt nachzugehen und mit allen präventiven und repressiven Mitteln einzugreifen.


Das Landgericht verkenne die Darlegungs- und Beweislast, indem es ausführe, dass bisher nicht schlüssig dargelegt sei, dass der Schuldnerin bei ordnungsgemäßem Vorgehen kein Schaden entstanden wäre. Die Antragsgegner treffe die Beweislast dafür, dass sie nicht schuldhaft oder pflichtwidrig gehandelt hätten oder dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre.


Das Landgericht stelle zudem nur auf die Verletzung repressiver Pflichten ab. Die Beklagten hätten aber auch ihre Pflicht zur Selbstorganisation und ihre Überwachungspflichten verletzt. Der Aufsichtsrat habe davon abgesehen, sich eine Geschäftsordnung zu geben und präventive Kontrollmechanismen, insbesondere einen Katalog mit Zustimmungsvorbehalten, einzurichten.


Der Antragsteller beantragt dem entsprechend, den Beschluss des Landgerichts Tübingen vom 19.03.2012 aufzuheben und ihm Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug zu bewilligen.


Die Antragsgegner beantragen, die sofortige Beschwerde zurückzuweisen. Sie halten die Zurückweisung des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch das Landgericht für zutreffend.


Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe sei bereits unzulässig, weil er gegenüber dem Antrag vom 01.07.2009 keine neuen Tatsachen enthalte. Einziger Unterschied sei es, dass für die Behauptungen der Zeuge Z. benannt wurde. Dieser habe keine der Behauptungen des Antragstellers bestätigen können. Der Antrag sei jedenfalls unbegründet, weil die Klage keine Erfolgsaussichten habe. Ein Anspruch gegen die Antragsgegner bestehe nicht.


Die Antragsgegner Ziff. 1 und 3 tragen weiter vor, die Vermögenslage sei von dem Antragsteller falsch dargestellt. Die Insolvenzschuldnerin habe bis Juli die Gehälter in Höhe von ca. 950.000 Euro bezahlen können, so dass sie entsprechende Einnahmen gehabt haben müsse. Aus den Lohnabrechnungen ergebe sich entgegen der Behauptung des Antragstellers nicht, dass das Personal umgesetzt worden sei und die Antragsgegner von der Auszahlung der Hälfte des Stammkapitals gewusst hätten. Auch der Zeuge habe diese Kenntnis nicht bestätigt. Die Erklärung des Zeugen zu einer Unterdeckung betreffe die Einzelfirma, nicht die Insolvenzschuldnerin. Der Zeuge Z. habe vielmehr bestätigt, dass die Verrechnungskonten Ende Mai 2008 annähernd ausgeglichen gewesen seien. Hinsichtlich der Zahlungsunfähigkeit sei das Amtsgericht R. in dem Strafverfahren gegen den Vorstand S. vom 01.06.2011 ausgegangen.


Die Antragsgegner Ziff. 1 und 3 sind der Auffassung, sie hätten ihre Pflichten als Aufsichtsräte erfüllt. Die Aufsichtsratssitzung am 17.05.2008 sei ausreichend gewesen. Nachdem die dort angeforderten Unterlagen nicht vorgelegt worden seien, hätten sie ihr Amt niedergelegt. Eine Schadenszufügung durch den Vorstand sei für den Aufsichtsrat nicht erkennbar gewesen. Auch bei äußerst pflichtbewusstem Überwachen hätte ein Schaden weder vermindert noch verhindert werden können.


Der Antragsgegner Ziff. 2 trägt weiter vor, dass das Geschäft bei Gründung der Aktiengesellschaft bereits bestanden habe und erfolgreich geführt worden sei. Als operativ tätiger Bauleiter habe er beurteilen können, dass die meisten seiner Bauvorhaben regelmäßig Gewinn abwarfen. Die Ausführungen des Antragstellers zur Selbstorganisation beträfen ersichtlich größere Aktiengesellschaften, die lange existierten. Nach der Gründung müssten die Kontrollmechanismen erst aufgebaut werden. Der Vortrag des Antragstellers, wonach die Antragsgegner die Verpflichtung gehabt hätten, dem Sachverhalt nachzugehen und mit allen Mittel einzugreifen, sei unsubstantiiert.


Die Antragsgegner nehmen im Übrigen auf ihren erstinstanzlichen Vortrag Bezug.


Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf deren Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.


Aus den Gründen


III. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.


Das Landgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht und mit zutreffender Begründung zurückgewiesen. Es kann dahingestellt bleiben, ob der erneute Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zulässig ist. Er ist jedenfalls unbegründet. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Antragstellers hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.


Ein Anspruch des Antragstellers gegen die Antragsgegner besteht nicht.


Nach §§ 116 i.V.m. 93 Abs. 1 Satz 1 AktG haben die Aufsichtsratsmitglieder die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Aufsichtsratsmitglieds zu wahren. Verletzen sie diese Pflicht, sind sie nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens verpflichtet. Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Aufsichtsratsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln, § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG.


Für die Haftung des Aufsichtsrats gelten - wie für die Vorstandshaftung - spezifische Darlegungs- und Beweislastregelungen: Den Antragsteller trifft die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass und inwieweit der Insolvenzschuldnerin durch ein möglicherweise pflichtwidriges Verhalten des Aufsichtsratsmitglieds in dessen Pflichtenkreis ein Schaden entstanden ist. Demgegenüber hat das Aufsichtsratsmitglied darzulegen und ggf. zu beweisen, dass es seinen Sorgfaltspflichten genügt hat oder es kein Verschulden trifft oder dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Alternativverhalten eingetreten wäre (vgl. BGH ZIP 2009, 70, juris Rz. 20; BGH ZIP 2007, 322, juris Rz. 28; BGH ZIP 2002, 2314, juris Rz. 8, OLG Stuttgart, ZIP 2009, 2386, juris Rz. 18 f.; Bürgers/Israel in Bürgers/Köber, Aktiengesetz, 2 Aufl. 2011, § 116 Rz. 19 und § 93 Rz. 26; Spindler in Spindler/Stilz, Aktiengesetz, 2. Aufl. 2010, § 116 Rz. 116).


Dies gilt auch dann, wenn dem Aufsichtsratsmitglied das pflichtwidrige Unterlassen einer bestimmten Maßnahme vorgeworfen wird (vgl. BGH ZIP 2002, 2314, juris Rz. 8).


Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze genügen der Vortrag und die Beweisangebote des Antragstellers nicht, um hinreichende Erfolgsaussichten für einen Anspruch gegen die Antragsteller aus §§ 116, 93 AktG bejahen zu können:


1. Im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin für die S B sind keine möglicherweise pflichtwidrigen Handlungen der Antragsgegner ersichtlich, die kausal zu dem geltend gemachten Schaden geführt haben.


a. Der Antragsteller wirft den Antragsgegnern vor, diese hätten die Arbeitnehmerüberlassung auf Grundlage eines unwirksamen Vertrags mit der Folge der Arbeitnehmerüberlassung ohne Gegenansprüche trotz Kenntnis hiervon nicht verhindert.


Ein Schadensersatzanspruch scheidet insoweit schon aus, weil nicht von einem unwirksamen Vertrag auszugehen ist (hierzu unter aa.). Im Übrigen läge auch kein Schaden vor (hierzu unter bb.).


(aa). Die Unwirksamkeit des Vertrags über die Arbeitnehmerüberlassung ergibt sich entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht deshalb, weil dieser unter Verstoß gegen § 112 AktG durch den Vorstand selbst mit der S B geschlossenen worden ist.


Zwar war für die Vereinbarung über die Verleihung der Arbeitnehmer an das Einzelunternehmen des Vorstands nach § 112 AktG die Gesellschaft durch den Aufsichtsrat zu vertreten. Es handelt sich um ein Geschäft mit dem Vorstand in seiner Eigenschaft als Einzelkaufmann.


Bereits die Behauptung, dass der Vertrag über die Arbeitnehmerüberlassung durch den Vorstand ohne Mitwirkung des Aufsichtsrats geschlossen wurde, kann der Antragsteller aber nicht beweisen. Die Antragsgegner haben einen Umlaufbeschluss vom 01.02.2008 (Bl. 196) vorgelegt, wonach der Aufsichtsrat die Abwicklung bestehender Aufträge des Einzelunternehmens durch den Einsatz von Mitarbeitern der Insolvenzschuldnerin billigt gegen eine Handlingfee von 3 %. Es kann dahingestellt bleiben, ob damit ein von dem Vorstand geschlossener Vertrag mit der S B über die Arbeitnehmerüberlassung genehmigt werden sollte und konnte. Jedenfalls liegt darin ein Angebot an die S auf Abschluss eines entsprechenden Vertrags, das diese zumindest konkludent angenommen hat. Die Kenntnis des Vorstands S. hierüber ergibt sich daraus, dass auch er den Umlaufbeschluss des Aufsichtsrats unterzeichnet hat.


Die Ausführungen des Antragstellers betreffend die Entstehung und Fälschung des Umlaufbeschlusses (Schriftsatz vom 05.09.2011, Seite 5 ff, Bl. 155 ff.) genügen dem gegenüber nicht der Darlegungs- und Beweislast des Antragstellers hinsichtlich der Behauptung, der Aufsichtsrat habe die Arbeitnehmerüberlassung gekannt, aber daran nicht mitgewirkt. Es ist deshalb davon auszugehen, dass der Umlaufbeschluss vom 01.02.2008 gefasst wurde und damit die Vereinbarung über die Arbeitnehmerüberlassung nicht nach § 112 AktG unwirksam war.


Die Überlassung der Arbeitnehmer an die S B war auch nicht nach § 1b Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) unzulässig.


Fraglich ist bereits, ob es sich überhaupt um eine Arbeitnehmerüberlassung handelte oder um eine dienstvertragliche Leistung der Insolvenzschuldnerin an die S B. Jedenfalls aber wäre eine Arbeitnehmerüberlassung nicht nach § 1b AÜG unzulässig.


§ 1b AÜG setzt eine gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung voraus. Gewerbsmäßig ist jede nicht nur gelegentliche, sondern auf eine gewisse Dauer angelegte und auf die Erzielung unmittelbarer oder mittelbarer wirtschaftlicher Vorteile gerichtete selbständige Tätigkeit (vgl. BAG, DB 1991, 282, juris Rz. 38). Erfasst wird nur eine nachhaltige, planmäßige und nicht auch eine nur gelegentliche oder auf vorübergehende Zeit angelegte Tätigkeit (vgl. Waas in Thüsing, AÜG, 2005, § 1 Rz. 96). Entscheidend ist dabei nicht die Dauer an sich, sondern, ob die Tätigkeit auf Dauer gerichtet ist (vgl. BAG, DB 1991, 282, juris Rz. 39). Dabei ist der Schutzzweck des Gesetzes zu beachten. Die Vorschrift soll einen sozial- und arbeitsrechtlichen Mindestschutz der Arbeitnehmer sicherstellen und zugleich verhindern, dass Dauerarbeitsplätze von Leiharbeitnehmern eingenommen werden.


Unter Berücksichtigung dieses Schutzzwecks lag in der Überlassung der Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin an die S B zur Abwicklung der noch offenen Aufträge keine Arbeitnehmerüberlassung von langer Dauer. Die Überlassung war von vornherein auf die Abwicklung der noch offenen Aufträge und damit zeitlich und sachlich begrenzt. Bei Neuaufträgen und in Zukunft sollten die Arbeitnehmer wieder unmittelbar für die Insolvenzschuldnerin tätig werden. Die Gefahr, dass Dauerarbeitsplätze durch Leiharbeitnehmer besetzt wurden, bestand mithin nicht. Auch unter dem Gesichtspunkt des Arbeitnehmerschutzes ist der Schutzzweck des AÜG nicht einschlägig: Die Arbeitsbedingungen waren für die Arbeitnehmer dieselben wie schon zuvor während ihrer Anstellung bei der S B und wie auch für die Zukunft als Mitarbeiter der Insolvenzschuldnerin.


Eine gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung lag mithin nicht vor, so dass die Überlassung der Arbeitnehmer auch nicht nach § 1b AÜG unzulässig war.


bb. Selbst wenn der Vertrag unwirksam wäre, bestünden bereicherungsrechtliche Ansprüche gegen die S B, so dass ein Schaden wegen Nichtverhinderung eines unwirksamen Vertragsschlusses nicht ersichtlich ist.


Letztlich könnte als Schaden auch nicht der von dem Antragsteller begehrte Betrag in Höhe der Personalkosten für die Arbeitnehmerüberlassung geltend gemacht werden. Der Schaden bei einem Anspruch aus §§ 116, 93 AktG ist nach §§ 249 ff. BGB im Wege der Differenzhypothese zu berechnen. Es ist mithin der Zustand herzustellen, der ohne die Pflichtverletzung bestünde (vgl. Bürgers/Israel in Bürgers/Körber, Aktiengesetz, 2. Aufl. 2011, § 93 Rz. 22). Hätten die Antragsgegner die Arbeitnehmerüberlassung verhindert, hätte die Gesellschaft keinen Vermögensvorteil in Höhe der Personalkosten gehabt. Vielmehr wäre die Insolvenzschuldnerin nur in der Lage gewesen, die Arbeitnehmer anderweitig einzusetzen. Ein Schaden setzte mithin voraus, dass aus einem anderweitigen Einsatz der Arbeitnehmer Gewinn erzielt worden wäre. Ein derartiger Schaden ist aber weder ersichtlich noch soll dieser geltend gemacht werden.


b. Die Vereinbarung über die Überlassung der Arbeitnehmer an die S B gegen Ausgleich der Personalkosten zuzüglich eines Zuschlags war auch nicht aus anderen Gründen pflichtwidrig. Die Insolvenzschuldnerin hatte bei Aufnahme der Geschäftstätigkeit im Februar 2008 unstreitig noch keine eigenen Aufträge, während die S B noch offene Aufträge fertigstellen musste. Vor diesem Hintergrund war es nachvollziehbar, dass die von der Insolvenzschuldnerin übernommenen ehemaligen Arbeitnehmer der S B gegen Erstattung der Personalkosten noch die verbleibenden Aufträge ausführten. Auf diese Weise konnte die Insolvenzschuldnerin die ihr entstehenden Kosten für die Arbeitnehmer zuzüglich eines Aufschlags decken, während sie ohne die Arbeitnehmerüberlassung die Personalkosten ohne Ersatz und entsprechende Gewinnerzielung hätte zahlen müssen.


Etwas anderes könnte sich dann ergeben, wenn die Ansprüche gegen die S B bereits bei Vertragsschluss absehbar nicht werthaltig und durchsetzbar gewesen wären oder der Vorstand S. von vornherein beabsichtigt hätte, die Ansprüche nicht zu begleichen, und den Antragsgegnern dies bekannt gewesen wäre. Hierfür sind aber keine hinreichenden Anhaltspunkte vorgetragen.


Im Übrigen könnte auch in diesem Fall aus den oben dargelegten Gründen als Schaden nach der Differenzhypothese nicht der von dem Antragsteller begehrte Betrag in Höhe der Personalkosten für die Arbeitnehmerüberlassung geltend gemacht werden.


c. Auch aus der fortlaufenden Zulassung der weiteren Tätigkeit der Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin für die S B ergibt sich kein Schadensersatzanspruch gegen die Antragsgegner. Selbst wenn die Antragsgegner zu irgendeinem späteren Zeitpunkt verpflichtet gewesen sein sollten, die weitere Tätigkeit der Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin für die S B zu verhindern, könnte aus den oben dargelegten Gründen wegen Verletzung dieser Pflicht als Schadensersatz nach der Differenzhypothese nicht der Gegenwert für die Personalüberlassung geltend gemacht werden.


d. Ein Schadensersatzanspruch ergibt sich auch nicht deshalb, weil die Antragsgegner die Geltendmachung der Ansprüche für die Arbeitnehmerüberlassung gegen den Vorstand S. unterlassen haben. Eine Handlungspflicht der Antragsgegner setzte zunächst voraus, dass diese die fehlende Begleichung der Rechnungen durch die S B kannten oder kennen mussten. Hiervon ist nicht auszugehen (hierzu unter aa.). Voraussetzung eines Anspruchs gegen die Antragsgegner wäre zudem, dass die Forderungen noch durchsetzbar und beitreibbar gewesen wären. Auch dies ist zu verneinen (hierzu unter bb.).


aa. Der Antragsteller muss darlegen und beweisen, dass durch ein möglicherweise pflichtwidriges Verhalten der Antragsgegner in deren Pflichtenkreis ein Schaden entstanden ist. Er müsste mithin substantiiert vortragen, wieso die Antragsgegner Veranlassung gehabt hätten, schadensvorbeugend oder -verhindernd einzugreifen (vgl. Mertens in Kölner Kommentar AktG. 2. Aufl. 1988, § 116 Rz. 59). Er müsste also darlegen und beweisen, dass die Antraggegner wussten oder wissen mussten, dass der Vorstand S. die Gegenleistung für die zurückliegende Arbeitnehmerüberlassung nicht erbracht hatte und noch Forderungen offen waren. Dies hat der Antragsteller weder hinreichend dargelegt noch hat er erfolgversprechende Beweismittel hierzu benannt:


Die streitgegenständlichen von der Insolvenzschuldnerin erbrachten Leistungen wurden der S B am 11.04.2008 in Rechnung gestellt (K 9 bis K 12, Bl. 72-78). Die Ansprüche wurden mithin zeitnah nach Erbringung der Leistungen geltend gemacht.


Für eine Kenntnis der Antragsgegner von der Nichtbegleichung der Rechnungen bestehen keine Anhaltspunkte. Der von dem Antragsteller hierfür benannte Zeuge Z. konnte bei seiner Vernehmung in der mündlichen Verhandlung vom 08.02.2012 hierzu keine Angaben machen.


Aus dem Vortrag des Antragstellers ergeben sich auch keine hinreichenden und beweisbaren Anhaltspunkte dafür, dass und zu welchem Zeitpunkt die Antragsgegner von der Nichtbezahlung der Forderungen für die Arbeitnehmerüberlassung Kenntnis haben mussten. Insbesondere sind keine Umstände vorgetragen, die dazu führten, dass die Antragsgegner den Zahlungseingang hätten kontrollieren müssen.


Der Umfang der Überwachungspflichten des Aufsichtsrats ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Grundsätzlich ist die laufende Überwachung des Vorstands in allen Einzelheiten weder zu erwarten noch zulässig, vielmehr genügt es dass sich der Aufsichtsrat ein Bild über die wesentlichen Grundlagen der Geschäftsführung und die wichtigsten Geschäftsvorfälle macht (vgl. Habersack in Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. 2008, § 116 Rz. 36). Eine Verpflichtung, Berichte anzufordern und an dem Vorstand vorbei Nachforschungen anzustellen, ergibt sich nur sekundär, wenn die Berichte des Vorstands unklar, unvollständig oder erkennbar unrichtig sind oder der Aufsichtsrat glaubwürdige Hinweise auf ein Fehlverhalten des Vorstands erhält (vgl. Hoffmann-Becking, Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Aktiengesellschaft, 3. Aufl. 2007, § 33 Rz. 62 a). Es ist deshalb grundsätzlich nicht Aufgabe der Aufsichtsräte, die einzelnen Forderungen und Zahlungseingänge sowie die Buchhaltung der Gesellschaft im Einzelnen zu prüfen.


In Krisenzeiten sowie bei Anhaltspunkten für eine Verletzung der Geschäftsführungspflichten und insbesondere bei Hinweisen auf existenzgefährdende Geschäftsführungsmaßnahmen ist eine intensivere Überwachungstätigkeit erforderlich (vgl. Drygala in Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl. 2010, § 116 Rz. 17; Habersack in Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl. 2008, § 116 Rz. 33, 36 f). Auch bei einer neu gegründeten Gesellschaft können die Anforderungen an die Überwachungspflichten des Aufsichtsrats gesteigert sein (vgl. hierzu BGH DB 1980, 71, juris Rz. 20).


Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze waren die Antragsgegner nicht verpflichtet, eine Kontrolle der einzelnen Zahlungseingänge bezüglich der Arbeitnehmerüberlassung vorzunehmen:


(1). Es ist nicht ersichtlich, dass die Antragsgegner Anhaltpunkte für die Nichtbezahlung der Forderungen durch die S B oder deren wirtschaftlich schlechte Lage hatten, die sie zu weiteren Nachprüfungen veranlassen mussten. Die erbrachten Leistungen wurden tatsächlich in Rechnung gestellt. Teilweise wurden auch Leistungen hierauf erbracht (vgl. Auflistung im Schriftsatz vom 05.09.2011, Seite 13, Bl. 163). Die Antragsgegner wussten, dass die S B noch 14 Bauaufträge abwickelte und hieraus Werklohnansprüche zu erwarten waren. Nach unbestrittenen Angaben der Antragsgegner wurden diese Bauvorhaben gewinnbringend abgeschlossen. Die Antragsgegner mussten deshalb nicht davon ausgehen, dass die S B die Kosten für die Arbeitnehmer nicht tragen konnte. Die Einschätzung des Zeugen Z. über die finanzielle Lage der S B im Januar 2008 - mithin noch vor Aufnahme der Geschäftstätigkeit der Insolvenzschuldnerin - beruhte auf den Erkenntnissen, die er im Rahmen seiner Tätigkeit für die S B gewonnen hatte. Wie er selbst erklärte, hat er diese nie mit den Antragsgegnern besprochen, so dass diese nicht deshalb einen Verdacht über die schwierige finanzielle Lage der S B schöpfen mussten.


(2). Auch die Erkenntnisse über die Geschäftsentwicklung der Insolvenzschuldnerin selbst boten für die Antragsgegner keinen Anlass, an der Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit durch die S B zu zweifeln. Anlass, näher nachzuprüfen, ob die Zahlungen für vergangene Arbeitnehmerüberlassungen erfolgten, hätte insbesondere bei einer (drohenden) Krise, insbesondere einer (drohenden) Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin, bestanden. Der Vortrag des Antragstellers genügt aber bereits nicht, um objektiv das Vorliegen einer Krise bereits vor Juni 2008 annehmen zu können. Erst Recht bestehen keine Anhaltspunkte, dass die Antragsgegner von einer Krise der Gesellschaft ausgehen mussten. Auch in dem Strafverfahren gegen den Vorstand S. wurde von einer Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin erst ab Juni 2008 ausgegangen (Urteil des AG Reutlingen vom 23.09.2011, Az. 7 Ls 22 Js 18066/08, Bl. 262). Aus dem Vortrag des Antragstellers ergibt sich das Vorliegen einer Krise und deren Erkennbarkeit für die Aufsichtsräte zu einem früheren Zeitpunkt nicht. Im Gegenteil: Die hohen Lohnkosten für die Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin - für Februar und März 2008 unstreitig bereits 316.615,75 Euro - konnten von der Insolvenzschuldnerin unstreitig bezahlt werden, ohne dass hierfür Kredite in Anspruch genommen wurden. Nach dem Urteil des Amtsgerichts R. vom 23.09.2011 in dem Strafverfahren gegen den Vorstand S. - Az. 7 Ls 22 Js 18066/08, Bl. 262 - wurden die Sozialversicherungsbeträge überwiegend erst ab Juni 2008 nicht mehr abgeführt. Die Insolvenzschuldnerin muss demnach erhebliche eigene Einnahmen gehabt haben. Der Vortrag des Antragstellers, die Insolvenzschuldnerin habe nahezu keine eigenen Einnahmen gehabt und die Bauunternehmung S. habe die Rechnungen - bis auf die im Schriftsatz vom 05.09.2011 auf Seite 13 (Bl. 163) aufgelisteten Beträge - nicht bezahlt, ist demnach schon nicht schlüssig. Der Vortrag widerspricht auch dem eigenen Bericht des Antragstellers als Insolvenzverwalter vom 14.01.2009, wonach die Insolvenzschuldnerin seit Aufnahme der Tätigkeit im Februar 2008 mit fremden Dritten einen Umsatz von TEUR 1.881,7 gehabt hat und zum Zeitpunkt der Bestellung des Insolvenzverwalters mit fünf Bauleitern auf 9 eigenen Baustellen tätig gewesen ist (Anlage zum ersten PKH-Antrag AS 3, Seite 8 und Seite 9, Beiakte Bl. 22 f.). Dafür, dass die Antragsgegner von sonstigen offenen Forderungen Kenntnis hatten oder haben mussten, bestehen ebenfalls keine Anhaltspunkte. Die pauschalen Ausführungen des Antragstellers zu sonstigen angeblich offenen Forderungen im Februar und März 2008 (Klagentwurf Seite 6 f.) genügen hierfür nicht, zumal der von dem Antragsteller als Beweis für die Kenntnis der Antragsgegner hiervon benannte Zeuge Z. eine Kenntnis der Antragsgegner nicht bestätigen konnte.


 (3). Auch aus der betriebswirtschaftlichen Auswertung zum 31.03.2008 (Bl. 226) und dem Bericht des Vorstands auf der Aufsichtsratssitzung vom 17.05.2008 (B 3, Bl. 224) ergaben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die S B keine Zahlungen leistete und dass die Gesellschaft sich in einer Krise befand. Gründe dafür, dass die Antragsgegner den Angaben des Vorstands misstrauen und weitere Prüfungen hätten vornehmen sollten, sind nicht dargetan.


 (4).  Auch von gesteigerten Überwachungspflichten wegen sonstiger für die Antragsgegner erkennbarer Pflichtverletzungen oder existenzgefährdender Handlungen seitens des Vorstands kann nicht ausgegangen werden.


So beruft sich der Antragsteller ohne Erfolg darauf, die Insolvenzschuldnerin sei allein wegen der das Grundkapital übersteigenden Personalaufwendungen bereits im Februar 2008 für die Antragsgegner erkennbar überschuldet gewesen (Bl. 315 f.). Allein aus Aufwendungen, die das Grundkapital übersteigen, kann nicht auf eine Überschuldung geschlossen werden. Erforderlich wäre vielmehr eine Betrachtung aller vorhandenen und in einen Überschuldungsstatus einzustellenden Aktiv- und Passivpositionen, die dem Vortrag des Antragstellers nicht entnommen werden kann.


Ohne Erfolg macht der Antragsteller weiter geltend, die Übernahme des gesamten Personals durch die Insolvenzschuldnerin ab Aufnahme ihrer Geschäftstätigkeit sei bereits ein existenzgefährdendes Verhalten gewesen, aus dem für die Antragsgegner erkennbar gewesen sei, dass die Insolvenzschuldnerin nicht lange existieren würde (Bl. 317). Die Übernahme des gesamten Personals war im Hinblick auf die beabsichtigte Übernahme sämtlicher neuen Aufträge durch die Insolvenzschuldnerin nachvollziehbar. Das Vorbringen der Antragsgegner, die Übernahme aller Mitarbeiter sei erforderlich gewesen, um mit Erfolg an Ausschreibungen für Neuaufträge teilnehmen zu können, ist schlüssig. Die Personalkosten waren dadurch abgedeckt, dass die Arbeitnehmer vorübergehend für die noch offenen Aufträge der S B gegen Ersatz der Kosten eingesetzt wurden. Die Übergangslösung war mithin nicht per se existenzgefährdend, sondern allenfalls bei fehlender Zahlungsmöglichkeit oder Zahlungswilligkeit seitens der S B, wofür die Antragsgegner aber - wie ausgeführt - keine Anhaltpunkte hatten.


Nicht schlüssig ist auch der Vortrag des Antragstellers, dass der Vorstand S. sich kurz nach der Eintragung der Insolvenzschuldnerin fast die Hälfte des Stammkapitals überwiesen habe, was den Antragsgegnern bekannt gewesen sei (Bl. 316 f.). Der Antragsteller stützt sich dabei auf die Aussage des Zeugen Z., wonach er diese Auszahlung des Grundkapitals nach seinem Weihnachtsurlaub entdeckt habe und dies u.a. Grund für seine Amtsniederlegung am 16.01.2008 gewesen sei (Bl. 287 f.). Bereits aus dieser Aussage ergibt sich aber, dass dieser Vorfall jedenfalls vor der Eintragung der Insolvenzschuldnerin am 31.01.2008 im Handelsregister und mithin vor Beginn der Aufsichtsratstätigkeit der Antragsgegner erfolgte. In seinem Insolvenzverwalter-Bericht vom 14. Januar 2009 (Beiakte Bl. 15 ff.) erklärt der Antragsteller allerdings, dass das einbezahlte Gründungskapital bis zum Zeitpunkt der Eintragung nicht angetastet worden sei und somit Ansprüche aus Unterbilanzhaftung ausschieden (Beiakte Bl. 35). Dies spricht dagegen, dass es überhaupt eine Entnahme gegeben hat, zumindest aber scheint diese bis zur Eintragung wieder ausgeglichen worden zu sein. Für die behauptete Entnahme nach der Eintragung jedenfalls gibt es keine Anhaltspunkte.


Auch der behauptete Abschluss von Mietverträgen über Fahrzeuge der S B zu erhöhten Preisen und die kostenlose Mitnutzung durch die S B führten nicht zu gesteigerten Überwachungspflichten seitens der Antragsgegner, da nicht dargelegt und bewiesen ist, dass dies den Antragsgegner bekannt gewesen ist oder hätte bekannt gewesen sein müssen. Der hierfür benannte Zeuge Z. konnte weder zur der Vermietung an sich noch zu einer Kenntnis der Antragsgegner hiervon Angaben machen.


(5). Im Ergebnis hatten die Antragsgegner mithin keinen Anlass dafür, von der Nichterbringung der Leistungen durch die S B auszugehen oder diese im Einzelnen nachzuprüfen.


bb. Ein Anspruch gegen die Antragsgegner wegen unterlassener Geltendmachung und Vollstreckung der Ansprüche bezüglich der Arbeitnehmerüberlassung setzte zudem voraus, dass eine erfolgreiche Geltendmachung und Beitreibung noch möglich gewesen wäre. Nur wenn die Forderungen gegen die S B beitreibbar gewesen wären, wären die Antragsteller zur Geltendmachung und Beitreibung verpflichtet gewesen und wäre der Gesellschaft bei deren Unterlassen ein Schaden entstanden. Es ist nicht ersichtlich, dass die Antragsgegner zu einem Zeitpunkt von der Krise der Insolvenzschuldnerin, der Nichtbegleichung der Rechnungen durch die S B oder der Krise der S B Kenntnis hatten oder haben mussten, zu dem die Forderungen noch beitreibbar gewesen wären. Aus dem Vortrag der Parteien ergibt sich kein eindeutiger Zeitpunkt, ab welchem für die Antragsgegner das Vorliegen einer Krise bei der Insolvenzschuldnerin oder die fehlende Zahlung durch die S B bekannt war oder bekannt sein musste.


Zutreffend ist das Landgericht aber davon ausgegangen, dass selbst bei Annahme einer Kenntnis bereits ab Mai 2008 ein Anspruch gegen die Antragsgegner ausscheiden würde. Es ist nicht ersichtlich, dass die Ansprüche gegen die S B bzw. den Vorstand S. in diesem Zeitpunkt noch mit Erfolg hätten geltend gemacht und beigetrieben werden können. Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass der kurze Zeitraum bis zur Insolvenzantragstellung nicht ausgereicht hätte, um die Forderungen gegen den Vorstand S. durchzusetzen und im Wege der Vollstreckung Befriedigung zu erlangen. Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, dass eine erfolgreiche Vollstreckung überhaupt noch möglich gewesen wäre. Schon der kurze Zeitraum bis zur Insolvenzantragstellung am 26.08.2008 und der anschließenden Privatinsolvenz des Vorstands S. noch im Jahr 2008 spricht dagegen, dass noch ausreichend Vermögenswerte vorhanden waren, in die erfolgreich hätte vollstreckt werden können. Der pauschale Verweis des Antragstellers darauf, dass die Werklohnforderungen der S B hätten gepfändet werden können, genügt - auch angesichts der von ihm selbst geschilderten schlechten finanziellen Lage der S B - zur Darlegung einer Vollstreckungsmöglichkeit nicht. Angaben dazu, welche Werklohnforderungen gegen wen in welchem Umfang bestanden, ohne dass diese bereits vorausabgetreten oder in sonstiger Weise als Sicherheit genutzt worden wären, fehlen, so dass nicht prüfbar ist, ob und in welchem Umfang und zu welchem Zeitpunkt Forderungen der S B hätten gepfändet werden können.


2. Auch im Zusammenhang mit der Begleichung von Rechnungen der S B durch die Insolvenzschuldnerin sind die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs gegen die Antragsgegner nicht dargetan.


Eine Verpflichtung der Antragsgegner, die Begleichung von Rechnungen der S B durch die Insolvenzschuldnerin und die darin bestehende Gewährung eines Darlehens an die S B zu verhindern, hätte nur dann entstehen können, wenn diesen diese Zahlungen bekannt gewesen wären oder ihnen hätten bekannt sein müssen. Hierfür bestehen keine Anhaltspunkte. Der von dem Antragsteller für die Kenntnis der Antragsgegner benannte Zeuge Z. konnte zu dem Kenntnisstand der Antragsgegner keine Angaben machen. Nicht ersichtlich ist, dass den Antragsgegnern im Rahmen ihrer Überwachungspflichten die Darlehensgewährung hätte auffallen müssen. Aus dem Bericht des Vorstands in der Aufsichtsratssitzung vom 17.05.2008 sowie der betriebswirtschaftlichen Auswertung zum 31.03.2008 sind diese nicht ersichtlich. Erkennbar wären diese nur bei Überprüfung der einzelnen Geschäftsvorfälle und Buchhaltungsunterlagen gewesen. Wie ausgeführt waren die Antragsgegner aber nicht zur Überprüfung der einzelnen Geschäftsvorfälle und der Buchhaltungsunterlagen verpflichtet.


Auch die unterlassene Geltendmachung und Beitreibung der entstandenen Rückzahlungsansprüche gegen den Vorstand S. könnte nur dann zu einem Schadensersatzanspruch führen, wenn die Antragsgegner von den Darlehen Kenntnis hatten oder haben mussten. Im Übrigen führte auch hinsichtlich dieser Forderungen die unterlassene Geltendmachung und Beitreibung nur dann zu einem Anspruch, wenn die Geltendmachung und Beitreibung noch zeitlich möglich und aussichtsreich gewesen wäre, was nicht ersichtlich ist. Insoweit gelten die Ausführungen zu einem Anspruch auf Schadensersatz wegen unterlassener Geltendmachung der Ansprüche betreffend die Arbeitnehmerüberlassung entsprechend.


3. Die weiteren Vorwürfe gegen die Antragsgegner sind ebenfalls nicht geeignet, einen Schadensersatzanspruch zu begründen. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Vorwürfe zutreffen. Es ist jedenfalls nicht dargelegt, dass der geltend gemachte Schaden kausal hierauf zurückzuführen ist.


So ist nicht ersichtlich, welchen Einfluss die fehlende Geschäftsordnung des Aufsichtsrats auf die Entstehung des Schadens gehabt haben soll. Auch auf den behaupteten Verstoß gegen die Einberufung von zwei Aufsichtsratssitzungen pro Halbjahr ist der geltend gemachte Schaden nicht zurückzuführen. Gleiches gilt für den Vorwurf, der Aufsichtsrat habe keinen Katalog an Zustimmungsvorbehalten erstellt - für die vorgeworfenen Geschäfte mit der S B war bereits nach dem Gesetz der Aufsichtsrat zuständig. Auch die Kausalität der pauschal vorgeworfenen Pflichtverletzung, der Aufsichtsrat habe keine präventiven Kontrollmechanismen errichtet, für den geltend gemachten Schaden erschließt sich nicht. Es ist nicht ersichtlich, welche präventiven Kontrollmechanismen innerhalb des kurzen Zeitraums von Gründung der Gesellschaft bis zur Insolvenzantragstellung den geltend gemachten Schaden hätten verhindern können. Gleiches gilt für den Vorwurf, die Antragsgegner hätten nicht rechtzeitig einen Bericht des Vorstands angefordert.


Nicht bewiesen ist zudem der Vorwurf, der Aufsichtsrat sei überhaupt nicht tätig geworden. Die Antragsgegner haben sowohl einen Umlaufbeschluss vom 02.01.2008 als auch ein Aufsichtsratsprotokoll vom 17.05.2008 vorgelegt. Der Antragsteller kann dagegen seine Behauptung, es hätten keine Sitzungen stattgefunden und es seien keine Beschlüsse gefasst worden, nicht beweisen. Der Zeuge Z. konnte dies nicht bestätigen, sondern nur erklären, dass ihm keine Protokolle bekannt seien.


4. Im Ergebnis scheidet somit ein Anspruch des Antragstellers gegen die Antragsgegner aus. Zutreffend hat somit das Landgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde hiergegen hat keinen Erfolg.


5. Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst. Die am Beschwerdeverfahren Beteiligten haben einander gemäß § 127 Abs. 4 ZPO keine Kosten zu erstatten. Die Kostentragungspflicht nach §§ 22 Abs. 1, 3 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1812 des Kostenverzeichnisses zum GKG ergibt sich aus dem Gesetz und ist nicht durch gerichtliche Kostenentscheidung auszusprechen (vgl. Fischer in Musielak, ZPO, 9. Aufl. 2012, § 127 Rz. 27). Da die Gerichtsgebühr nach Nr. 1812 KV GKG pauschaliert ist, bedurfte es auch keiner förmlichen Streitwertfestsetzung.


6. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde war nicht geboten, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§§ 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 ZPO).

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