OLG München: Schadensersatz gegen Weichenkartell
OLG München, Urteil vom 28.6.2018 – 29 U 2644/17 Kart
Volltext: BB-ONLINE BBL2018-1922-4
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Amtlicher Leitsatz
Die Haftung eines Mitkartellanten für einen Kartellverstoß setzt nicht zwingend voraus, dass die einzelnen Beschaffungsvorgänge Gegenstand (neuerlicher) ausdrücklicher Absprachen unter direkter Beteiligung des in Anspruch genommenen Mitkartellanten gewesen sind.
GWB 2005 § 1, § 33 Abs. 1, Abs. 3 S. 1, ZPO § 286, § 287 Abs. 1, § 304, § 538 Abs. 2 Nr. 4, BGB § 254 AEUV Art. 101
Sachverhalt
A.
Die Klägerin macht kartellrechtliche Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte wegen deren Beteiligung an wettbewerbsbeschränkenden Absprachen geltend.
Die Klägerin ist das kommunale Versorgungs- und Dienstleistungsunternehmen der Stadt München. Sie benötigt zur Erfüllung ihrer Aufgaben Gleisoberbaumaterialien, unter anderem Schienen, Weichen und Schwellen. Im Zeitraum Januar 2001 bis Mai 2011 beschaffte sie Gleisoberbaumaterialien zu einem Gesamtbestellvolumen von 44.824.309,31 €.
Die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin, die V. L. GmbH & Co. KG, die bis zum Jahr 2003 als W. L. GmbH & Co. KG firmierte (im Folgenden jeweils: die Beklagte), stellt Weichen her und liefert Gleisoberbaumaterialien unter anderem an kommunale Nahverkehrsunternehmen.
Von 2001 bis Mai 2011 beteiligten sich Hersteller und Händler von Schienen, Weichen und Schwellen auf dem Privatmarkt in Deutschland an wettbewerbsbeschränkenden Preis-, Quoten- und Kundenschutzabsprachen. Die Absprachen betrafen den Vertrieb von Schienen, Weichen und Schwellen insbesondere an Nahverkehrsunternehmen. Dabei ging es um die Aufteilung von Ausschreibungen bzw. Projekten unter den Kartellbeteiligten. Beteiligt an den Absprachen waren zahlreiche Unternehmen, wobei nicht alle Beteiligten auch alle betroffenen Produkte anboten und/oder bundesweit tätig waren. Diese Absprachen, die sich mit der Zeit hinsichtlich Struktur und Teilnehmer mit den Marktgegebenheiten veränderten, erfolgten regional in unterschiedlicher Intensität, aber immer mit dem selben Grundverständnis sowie mit vergleichbarem Ablauf und ähnlicher Umsetzung.
Mit Bescheiden vom 18. Juli 2013 verhängte das Bundeskartellamt Bußgelder gegen acht Hersteller und Lieferanten, unter anderem gegen die Nebenintervenientin zu 3) (vgl. Anlage B 9), die Nebenintervenientinnen zu 2) und 4) und die F. GmbH. Von der v. K. GmbH war das Kartell durch einen Kronzeugenantrag aufgedeckt worden. Mit den Nebenintervenientinnen zu 2), 3) und 4) und der F. GmbH kam es zu einvernehmlichen Verfahrensbeendigungen der Kartellordnungswidrigkeitenverfahren, in deren Rahmen diese geständige Einlassungen abgaben.
Das Bundeskartellamt stellte in einem gegen drei andere Kartellbeteiligte als die Beklagte erlassenen und bestandskräftigen Bußgeldbescheid vom 18. Juli 2013 insbesondere folgende Funktionsweise der Absprache fest (vgl. Anlage K 35, S. 16 ff.):
Die Absprachepraxis im Privatmarkt basierte maßgeblich darauf, dass den einzelnen Unternehmen bestimmte „Altkunden“ bzw. Stammkunden zugeordnet waren. Diese Zuordnung der Kunden zu bestimmten Unternehmen wurde von den Kartellteilnehmern grundsätzlich respektiert. Sie „schützten“ diese Unternehmen, indem sie bewusst auf die Abgabe von Angeboten verzichteten, diese erst nach Ablauf der Angebotsabgabefrist einreichten oder gezielt überteuerte Angebote abgaben, so dass der Auftrag an das „vorbestimmte“ Unternehmen gehen konnte. Umgesetzt wurden die Absprachen vorwiegend über telefonische Kontakte und persönliche Treffen sowie E-Mails. Dabei war aufgrund der über Jahre praktizierten Absprachen und gewachsenen Kundenbeziehungen und -vorlieben allen Beteiligten von vornherein klar, wer den ausgeschriebenen Auftrag bekommt (dieser wurde auch „Spielführer“ bzw. „Führender“ genannt). Insoweit wurde im Rahmen des ersten Kontakts bestätigt, welches Unternehmen im konkreten Fall den Auftrag ausführen sollte, also das „führende“ Unternehmen sein sollte, und wie die anderen Unternehmen an dem Projekt partizipieren sollten.
Dem führenden Unternehmen kam bei der Umsetzung der Absprachen insgesamt eine organisatorische und koordinierende Funktion zu. Ihm oblag es, den anderen teilnehmenden Unternehmen entweder die Preise zu nennen, die diese in ihrem Angebot an den Kunden kommunizieren sollten (sog. „Schutzangebote“, welche über den Preisen des führenden Unternehmens und dessen Angebot gegenüber dem Kunden lagen) oder aber den sogenannten „Null-Preis“ (häufig mit Sicherheitspuffer für Nachverhandlungen mit dem Kunden), zu dem das führende Unternehmen den Auftrag buchen wollte und auf den die übrigen Kartellteilnehmer einen Aufschlag vornehmen sollten.
Als Ausgleich für die Abgabe der Schutzangebote wurden die Unternehmen zumeist durch Unteraufträge beteiligt. Teilweise wurde auch vereinbart, dass die Unternehmen, die nicht durch Unteraufträge beteiligt wurden, bei den nächsten gleichwertigen Ausschreibungen den Vortritt bekommen. In anderen Fällen erhielten Unternehmen als Gegenleistung für die Abgabe eines abgesprochenen erhöhten Angebots auch einen Planungsauftrag oder einen Auftrag für ein Gutachten, die zumindest in Einzelfällen nicht erstellt, aber abgerechnet wurden (sog. Kompensationsgeschäfte).
Insofern betrafen die Absprachen einzelne projektbezogene Ausschreibungen. Dabei erfolgte der Ausgleich zwischen den an der Absprache beteiligten Unternehmen aber nicht nur projektbezogen im Wege einer Unterbeauftragung für einzelne Leistungsbestandteile bzw. Lose. Vielmehr basierte das System auf einem projektübergreifenden „Verständnis und Vertrauensverhältnis“ der einzelnen Unternehmen untereinander. Als Gegenleistung für die Abgabe eines Schutzangebotes in einem konkreten Projekt konnte der „Schützende“ grundsätzlich davon ausgehen, dass er seinerseits bei einem anderen Projekt von den Mitkartellanten geschützt wurde.
Mit dem System der Stammkunden verknüpft war häufig auch die kundenseitig gewünschte spezifische Ausrichtung von Ausschreibungen. So waren die einzelnen Unternehmen bei Ausschreibungen ihrer jeweiligen Stammkunden häufig an der Erstellung der Leistungsverzeichnisse beteiligt und konnten auf diese Weise technisch und planerisch auf die Erstellung der Ausschreibungsunterlagen und Produktanforderungen Einfluss nehmen. Durch die Kombination des Stammkundensystems mit spezifisch auf bestimmte Unternehmen zugeschnittenen Produkten in Leistungsverzeichnissen war den einzelnen Kartellteilnehmern bereits vor einer Ausschreibung klar, auf wen das jeweilige Projekt bei einzelnen Kunden zulaufen musste. Die Kunden baten für die technische Vorbereitung von Projektausschreibungen z.B. um Textbausteine und Zeichnungen für die Ausschreibungen. Im Rahmen dieser Unterstützung wurde die Ausschreibung auf die Technik des präferierten Herstellers zugeschnitten. Dies wurde z.B. dadurch realisiert, dass nur der von diesem Hersteller produzierte Weichentyp ausgeschrieben wurde, ohne den vergaberechtlich erforderlichen Zusatz „oder vergleichbar“ hinzuzufügen. Insofern war für die ausschreibende Stelle häufig die Technik der bestimmende Faktor und nicht der Preis (vgl. Anlage K 35, S. 18, Fußnote 6).
Der Ablauf der Absprache war insgesamt als Spielregel so etabliert, dass es häufig keiner ausdrücklichen Einzelfallabsprache zwischen den beteiligten Unternehmen bei dem jeweiligen Projekt mehr bedurfte.
Nach den weiteren Feststellungen des Bundeskartellamtes im Bußgeldbescheid vom 18. Juli 2013 gab es insbesondere folgende Besondere Entwicklungen im Bereich Weichen (vgl. Anlage K 35, S. 19 ff.):
Zumindest von 2001 bis 2008 dienten die Sitzungen des sog. Arbeitskreises Marketing innerhalb des Fachverbandes Weichenbau bzw. innerhalb des Verbandes der Bahnindustrie e.V. (VDB) den Kartellunternehmen als Plattform für ihre regelmäßigen Projektabsprachen bei Weichen. Diese Sitzungen fanden fünf bis acht Mal pro Jahr statt. Bis 2006 kamen die Vertreter der deutschen Weichenhersteller - unter anderem die Nebenintervenientinnen zu 2), 3) und 4) sowie die Beklagte - im Fachverband Weichenbau zusammen.
Neben der klassischen Verbandstätigkeit diente der Arbeitskreis Marketing in erster Linie der Aufteilung von Projekten. Dies soll vor 2001 noch auf der Grundlage von Quoten geschehen sein. Mit der Zeit kamen die beteiligten Unternehmen überein, sich bei der Aufteilung der Projekte an Stammkunden zu orientieren bzw. Projekte jeweils dem Unternehmen zuzuteilen, das diesen Kunden zuvor beliefert hatte. Um das Entdeckungsrisiko dieser Strategie zu verringern, wurde gelegentlich von diesem Vorgehen abgewichen, indem einem Kartellunternehmen ein Projekt eines Kunden zugeteilt wurde, bei dem es nicht Stammlieferant war. Der Stammlieferant erhielt als Ausgleich einen Unterauftrag.
Hinsichtlich der Zuteilung von Neukunden galt: Wer zuerst von einem anstehenden Projekt erfahren hatte, konnte es in der Regel „buchen“, d.h. dieses Projekt für sich beanspruchen.
Zudem bestand zwischen den Weichenherstellern eine Kundenschutzregelung. Diese bewirkte, dass die Weichenhersteller weitgehend respektierten, wenn z.B. aufgrund der räumlichen Nähe eine besonders enge Beziehung eines Weichenherstellers zu einem bestimmten Kunden bestand.
Im Fachverband Weichenbau kam es auch immer wieder zu Diskussionen über Preiserhöhungen. Dies geschah insbesondere im Zusammenhang mit der Erhöhung der Vormaterialpreise. Die Kartellunternehmen verständigten sich mehrfach darauf, die Preiserhöhung entsprechend weiterzugeben. Es kam aber nicht zur Nennung konkreter Preise für einzelne Weichen. Dies war auch nicht notwendig, da die Kartellanten den Überblick über die jeweils verwendeten Angebotspreise hatten. Dies lag daran, dass das Unternehmen, das eine Ausschreibung absprachegemäß gewinnen sollte, den übrigen Mitbietenden Preise mitteilte, die diese bei den Ausschreibungen einsetzen sollten (Schutzangebote).
Zumindest im Zeitraum zwischen 2001 bis 2006 dienten die Sitzungen des Arbeitskreises Marketing im Fachverband Weichenbau der Aufteilung von aktuellen Projektausschreibungen. Mit den offiziellen Sitzungen des Arbeitskreises Marketing wollten sich die Vertreter der einzelnen Weichenhersteller nach außen hin einen institutionalisierten Rahmen für ihre Zusammenkünfte geben. Hauptzweck der Sitzungen war aber nicht das, was in die Protokolle zum Schein aufgenommen wurde, sondern die Besprechung der Projektaufteilung. Die Protokolle wurden bewusst so verfasst, dass sie den Anschein erweckten, als kämen die Weichenhersteller im Fachverband Weichenbau zusammen, um Verbandsarbeit zu leisten und kartellrechtlich zulässige Themen zu besprechen. Dies geschah vor dem Hintergrund der Sorge, dass die Kartellabsprache aufgedeckt wird.
Nach Auflösung des Fachverbandes Weichenbau im Jahr 2006 und der Überführung unter das Institutionelle Dach des VDB existierte dort ein Nachfolgegremium, das ebenfalls als Marketingausschuss, -arbeitskreis oder -arbeitsgruppe bezeichnet wurde. Auch dieses Gremium diente dazu, die Verteilung von aktuellen Projektausschreibungen abzusprechen. Umgesetzt wurde die Absprache nach wie vor durch den Bestandsschutz von Stammkunden, die exklusive Zuteilung von Neukunden und die Praktizierung der Kundenschutzregelung. Daneben fanden auch weiterhin Preisabsprachen statt.
Jedenfalls ab Anfang 2009, als der Marketingausschuss in der VDB-Fachgruppe Infrastruktur aufging, verlor der Marketingausschuss seine Bedeutung als Forum für die Absprachen der Weichenhersteller. Kontakte fanden nunmehr häufiger einzelfallbezogen und nicht mehr im Rahmen von Verbandstreffen statt. Dies war dadurch bedingt, dass sich die Stammkundenzuordnung und die damit einhergehende Vorgehensweise zwischen den Kartellanten in regional unterschiedlicher Ausprägung eingespielt hatten. Damit verbunden waren auch zunehmende E-Mail-Kontakte. Insgesamt war der Teilnehmerkreis über die Jahre weitgehend unverändert; die Umsetzung der Absprache erfolgte weiterhin über Schein- bzw. Schutzangebote sowie über die Beteiligung durch Unteraufträge als Gegenleistung.
Die Beklagte beteiligte sich an Absprachen im Bereich Weichen. Gegen sie erging am 10. März 2016 ebenfalls ein Bußgeldbescheid, der nicht bestandskräftig ist.
Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten Schadensersatz aus kartellbedingt überhöhten Preisen geltend. Streitgegenständlich waren im ersten Rechtszug sechs Beschaffungsvorgänge. Zwischen 2002 und 2011 erhielt die Beklagte von der Klägerin für vier reine Weichenprojekte sowie für zwei weichenlastige Projekte den Zuschlag; die Klägerin bezahlte für diese sechs Projekte an die Beklagte einen Gesamtbetrag in Höhe von 1.792.171,79 €. Im Einzelnen handelte es sich um folgende Beschaffungsvorgänge:
Am 19. März 2002 erteilte die Klägerin der Beklagten einen Auftrag zur Lieferung von zwei Federzungenvorrichtungen zu einem Gesamtpreis (netto) in Höhe von 33.846,40 €. Nach Lieferung stellte die Beklagte diesen Betrag am 31. Juli 2002 in Rechnung. Für dieses reine Weichenprojekt hatte die Klägerin am 26. Februar 2002 Preisanfragen an acht Unternehmen gerichtet. Neben der Beklagten hatten unter anderem die Nebenintervenientin zu 2), eine Rechtsvorgängerin der Nebenintervenientin zu 3), die SH. GmbH und weitere Kartellbeteiligte Angebote abgegeben. Die Beklagte erhielt mit dem günstigsten Angebot den Zuschlag (vgl. Anlagen K 8, K 23 S. 1).
Am 28. Januar 2003 erteilte die Klägerin der Beklagten den Auftrag zur Lieferung von fünf Federzungenvorrichtungen zu einem Gesamtpreis (netto) in Höhe von 90.723,60 €. Nach Lieferung stellte die Beklagte diesen Betrag am 7. Mai 2003 in Rechnung. Für dieses reine Weichenprojekt hatte die Klägerin am 15. Januar 2003 Preisanfragen an acht Unternehmen gerichtet. Neben der Beklagten hatten unter anderem die Nebenintervenientin zu 2), eine Rechtsvorgängerin der Nebenintervenientin zu 3), die SH. GmbH und weitere Kartellbeteiligte Angebote abgegeben. Die Beklagte erhielt mit dem günstigsten Angebot den Zuschlag (vgl. Anlagen K 7, K 24 S. 1).
Am 11. Juni 2003 erteilte die Klägerin der Beklagten einen Auftrag zur Lieferung einer Gleis- und Weichenanlage, M. Ring Ost, E.str. 128 zu einem Gesamtpreis (netto) in Höhe von 321.630,- €. Nach Lieferung stellte die Beklagte diesen Betrag mit Schreiben vom 22. September 2003 (260.000,- €) und 8. Oktober 2003 (61.630,- €) in Rechnung. Diesem reinen Weichenprojekt lag eine öffentliche Ausschreibung (offenes Verfahren) der Klägerin vom 3. April 2003 zugrunde. Auf die Ausschreibung hatten neben der Beklagten die Kartellbeteiligten SH. GmbH und v. K. GmbH sowie eine Kartellaußenseiterin Angebote abgegeben. Die Beklagte erhielt mit dem günstigsten Angebot den Zuschlag (vgl. Anlagen K 9, K 25 Teil 1).
Am 4. Oktober 2005 erteilte die Klägerin der Beklagten den Auftrag zur Lieferung einer Federzungenvorrichtung zu einem Gesamtpreis (netto) in Höhe von 21.707,50 €. Nach Lieferung stellte die Beklagte diesen Betrag am 9. Dezember 2005 in Rechnung. Für dieses reine Weichenprojekt hatte die Klägerin am 26. August 2005 Preisanfragen an insgesamt sechs Unternehmen gerichtet. Neben der Beklagten hatten die Nebenintervenientin zu 3) sowie die weiteren Kartellbeteiligten SH. GmbH, v. K. GmbH und H. GmbH & Co. KG Angebote abgegeben. Die Beklagte erhielt mit dem günstigsten Angebot den Zuschlag (vgl. Anlagen K 10, K 23 S. 2).
Am 23. Januar 2007 erteilte die Klägerin der Beklagten den Auftrag zur Lieferung von vier Rillenschienenweichen, vier Herzstücken in Monoblock-Sandwich-Bauweise und 40 mEgl gebogenes Rillengleis mit kopfvergüteter Schiene (im Folgenden: Beschaffungsvorgang R1.platz - Auftragserteilung für vier Rillenschienenweichen u. a.) zu einem Gesamtpreis (netto) in Höhe von 279.292,16 €. Nach Lieferung stellte die Beklagte diesen Betrag am 26. März 2007 in Rechnung. Für dieses weichenlastige Projekt (Weichenanteil: 97,76%) hatte die Klägerin am 8. Dezember 2006 Preisanfragen an acht Unternehmen gerichtet. Neben der Beklagten hatten die Nebenintervenientin zu 3) sowie die weiteren Kartellbeteiligten SH. GmbH und v. K. GmbH Angebote abgegeben. Die Beklagte erhielt mit dem günstigsten Angebot vom 21. Dezember 2006 den Zuschlag (vgl. Anlagen K 11, K 24 S. 2).
Am 25. Februar 2011 erteilte die Klägerin der Beklagten einen Auftrag zur Lieferung einer Monoblock-Zungenvorrichtung in Sandwich-Bauweise u. a. für das Gleisdreieck Nordbad zu einem Gesamtpreis (netto) in Höhe von 1.151.439,24 €. Nach Lieferung stellte die Beklagte mit Schreiben vom 29. April 2011, 3. Mai 2011 und 8. Juli 2011 einen Gesamtbetrag in Höhe von 1.057.768,10 € in Rechnung. Diesem weichenlastigen Projekt (Weichenanteil: 80,72%) lag eine öffentliche Ausschreibung zugrunde; die Klägerin hatte mit Bekanntmachung vom 11. Dezember 2010 im Amtsblatt der Europäischen Union im Zusammenhang mit im Jahr 2011 geplanten Gleisbaumaßnahmen einen sog. „Aufruf zum Wettbewerb“ veröffentlicht. Die Klägerin hatte am 1. Februar 2011 Angebotsunterlagen mit einer Leistungsbeschreibung (Leistungsverzeichnis Blankett) für das Projekt Gleisdreieck Nordbad an sechs Unternehmen übersandt. Auf die Ausschreibung hatten neben der Beklagten die Nebenintervenientin zu 3) sowie die weiteren Kartellbeteiligten v. K. GmbH und F. GmbH Angebote abgegeben. Die Beklagte erhielt mit dem günstigsten Angebot vom 15. Februar 2011 den Zuschlag (vgl. Anlagen K 12, K 25 Teil 2, BF 2).
Den Auftragserteilungen lagen jeweils die Allgemeinen Einkaufsbedingungen der Klägerin für Lieferungen und Leistungen (AEBL) bzw. die Zusätzlichen Vertragsbedingungen der Landeshauptstadt München zur Verdingungsordnung für Leistungen (ZV-VOL) zugrunde. Ziffer 10.1 AEBL und Ziffer 19 Abs. 3 ZV-VOL (Pauschalierter Schadensersatz bei Kartell- bzw. Submissionsabsprachen des Auftragnehmers) lauten (vgl. Anlage K 6):
Wird nach [Auftrags- bzw. Zuschlagserteilung] offenbar, dass das zugrundeliegende Angebot [nachweislich] durch Preisabsprache zustande kam oder dass der [Auftragnehmer bzw. Bieter] in anderer Weise den Wettbewerb eingeschränkt hatte, so hat der Auftragnehmer als Schadensersatz 5 v. H. der Auftragssumme an die [Klägerin bzw. Stadt] zu zahlen, es sei denn, dass eine andere Schadenshöhe nachgewiesen wird. Dies gilt auch, wenn der Vertrag gekündigt oder bereits erfüllt ist.
Die Klägerin machte erstinstanzlich von der Beklagten für die sechs Beschaffungsvorgänge Schadensersatz in Höhe von mindestens 454.038,43 € geltend. Zur Schadensberechnung holte sie ein Gutachten des I. e.V. ein (im Folgenden: I-Gutachten, vgl. Anlage K 33). Dabei wurden ausgehend von Daten der Klägerin und weiterer 49 Abnehmer die Preise für Oberbaumaterialien im Kartellzeitraum mit denen nach dem Kartell im Wege einer statistischen Regressionsanalyse verglichen. Auf der Grundlage dieses Gutachtens setzt die Klägerin zur Berechnung ihres Schadens für Rillen-Weichen 17%, für Weichen-Einzelteil Rille Herzstück 20,5%, für Weichen-Einzelteil Rille Zungenvorrichtung 36,8% sowie für Rillen-Schienen 30,3% der Angebotspreise der Beklagten als Kartellaufschlag an. Hilfsweise macht sie auf der Grundlage ihrer Allgemeinen Vertragsbedingungen einen pauschalierten Schadensersatz in Höhe von 89.635,90 € geltend.
Die Klägerin behauptet, sämtliche Beschaffungsvorgänge seien Gegenstand einer Absprache gewesen. Die Kartellabsprachen seien seitens der Beklagten insbesondere durch deren Prokuristen, den Zeugen B., koordiniert worden. Ihr sei durch kartellbedingte Preiserhöhungen jeweils ein Schaden entstanden; dabei stützt sich die Klägerin in erster Linie auf das I-Gutachten, nach dem statistisch signifikante Kartellaufschläge bestünden.
Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt,
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Schadensersatz in einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Höhe, mindestens jedoch in Höhe von 454.038,43 € nebst Zinsen nach folgender Staffelung zu zahlen:
a) aus einem Betrag i.H.v. 12.455,48 € in Höhe von vier Prozent p.a. ab dem 31. Juli 2002,
b) aus einem Betrag i.H.v. 33.386,28 € in Höhe von vier Prozent p.a. ab dem 7. Mai 2003,
c) aus einem Betrag i.H.v. 54.677,10 € in Höhe von vier Prozent p.a. ab dem 8. Oktober 2003,
d) aus einem Betrag i.H.v. 7.988,36 € in Höhe von fünf Prozentpunkten p.a. über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 9. Dezember 2005,
e) aus einem Betrag i.H.v. 86.893,54 € in Höhe von fünf Prozentpunkten p.a. über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 26. März 2007,
f) aus einem Betrag i.H.v. 258.637,67 € in Höhe von fünf Prozentpunkten p.a. über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 8. Juli 2011.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen. Sie behauptet, dass bei den Beschaffungsvorgängen R1.platz - Auftragserteilung für vier Rillenschienenweichen u. a. vom 23. Januar 2007 - sowie Gleisdreieck Nordbad - Auftragserteilung für eine Monoblock-Zungenvorrichtung in Sandwich-Bauweise u. a. vom 25. Januar 2011 - der Wettbewerb ausgeschlossen gewesen sei, da sich die Klägerin von vornherein auf eine patentgeschützte Technologie der Beklagten festgelegt habe. Der Beschaffungsvorgang Gleisdreieck Nordbad sei zudem ein Vertriebserfolg ihres Mitarbeiters L. gewesen; weder dieser noch der Prokurist B. seien in den Jahren 2010 und 2011 an Absprachen mit anderen Kartellanten beteiligt gewesen.
Die Beklagte hat den Nebenintervenientinnen zu 1) bis 4) sowie den weiteren Kartellbeteiligten v. K. GmbH, v. S. GmbH, T. GmbH & Co. KG, H. GmbH & Co. KG, B. E. GmbH, K. GmbH, H. GmbH und F. GmbH den Streit verkündet. Die Nebenintervenientinnen zu 1) bis 4) sind dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten.
Mit Teilend- und Grundurteil vom 28. Juni 2017, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, hat das Landgericht den Klageantrag dem Grunde nach für gerechtfertigt angesehen, soweit die Schadensersatzansprüche auf den Auftragserteilungen vom 19. März 2002, 28. Januar 2003, 11. Juni 2003, 4. Oktober 2005 und 23. Januar 2007 beruhen, und die Klage hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs Gleisdreieck Nordbad - Auftragserteilung für eine Monoblock-Zungenvorrichtung in Sandwich-Bauweise u. a. vom 25. Februar 2011 - abgewiesen. Nach Beweisaufnahme hat das Landgericht festgestellt, dass die Beklagte hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs Gleisdreieck Nordbad nicht an einer Absprache mitgewirkt habe und insoweit eine Kartellbetroffenheit nicht bestehe.
Gegen die teilweise Klageabweisung wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus dem ersten Rechtszug und beantragt,
I. Das Teilend- und Grundurteil des Landgerichts München I vom 28. Juni 2017 (Az.: 37 O 3331/15) wird wie folgt abgeändert:
1. Der Klageantrag auf Schadensersatz ist dem Grunde nach gerechtfertigt bezogen auf die sechs klägerischen Beschaffungsvorgänge, für die die Klägerin der Beklagten am 19. März 2002, am 28. Januar 2003, am 11. Juni 2003, am 4. Oktober 2005, am 23. Januar 2007 und am 25. Februar 2011 (Beschaffungsvorgang „Gleisdreieck Nordbad“) den Zuschlag erteilt hat.
2. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
II.
Zur Durchführung des Betragsverfahrens wird die Sache an das Landgericht München I zurückverwiesen.
Die Beklagte verteidigt insoweit das angegriffene Urteil und beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Nebenintervenientinnen zu 1) und 2) wenden sich gegen das Teilend- und Grundurteil vom 28. Juni 2017, soweit das Landgericht den Klageantrag hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs Romanplatz - Auftragserteilung für vier Rillenschienenweichen u. a. vom 23. Januar 2007 -dem Grunde nach für gerechtfertigt angesehen hat. Sie beantragen,
das Teilend- und Grundurteil des Landgerichts München I vom 28. Juni 2017, Az.: 37 O 3331/15, abzuändern und wie folgt zu erkennen:
1. Der Klageantrag auf Schadensersatz ist dem Grunde nach gerechtfertigt bezogen auf die vier klägerischen Beschaffungsvorgänge, für die die Klägerin der Beklagten am 19. März 2002, am 28. Januar 2003, am 11. Juni 2003 und am 4. Oktober 2005 den Zuschlag erteilt hat.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14. Juni 2018 Bezug genommen.
Die zulässige Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Die Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet.
Aus den Gründen
I.
Die von den Nebenintervenientinnen zu 1) und 2) geführte Berufung der Beklagten (vgl. BGH, Beschluss vom 23. August 2016 - VIII ZB 96/15 -, juris Tz. 15 m. w. N.) ist unbegründet. Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass die Klage hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs R1.platz - Auftragserteilung für vier Rillenschienenweichen u. a. vom 23. Januar 2007 - dem Grunde nach gerechtfertigt ist.
1. Der Erlass des Grundurteils nach § 304 ZPO ist zulässig. Ist ein Anspruch nach Grund und Betrag streitig, so kann das Gericht gemäß § 304 Abs. 1 ZPO über den Grund vorab entscheiden. Ein Zwischenurteil über den Grund darf nur ergehen, soweit alle Fragen, die zum Grund des Anspruchs gehören, erledigt sind und es nach dem Sach- und Streitstand zumindest wahrscheinlich ist, dass der Anspruch in irgendeiner Höhe besteht (st. Rspr., vgl. BGH NJW 2017, 265 Tz. 21 m. w. N.).
Das ist im Streitfall hinsichtlich der einzelnen Beschaffungsvorgänge der Fall. Die Beklagte hat die geltend gemachten bezifferten Schadensersatzansprüche schon dem Grunde nach in Abrede gestellt, indem sie insbesondere die Kartellbetroffenheit der einzelnen Beschaffungsvorgänge und das Bestehen eines Schadens bestritten hat. Streitig ist aber auch die Höhe des Schadens; insofern ist der Rechtsstreit noch nicht entscheidungsreif, da die Höhe des Schadensersatzanspruches ohne Beweisaufnahme nicht bestimmt werden kann.
2. Die Klage ist auch hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs R1.platz - Auftragserteilung für vier Rillenschienenweichen u. a. vom 23. Januar 2007 - dem Grunde nach gerechtfertigt.
a) Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch ist § 33 Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 i. V. m. § 1 GWB in der Fassung vom 7. Juli 2005 (im Folgenden: GWB 2005). Für den Schadensersatzanspruch ist das in dem jeweiligen Belieferungszeitraum geltende Recht anwendbar (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juni 2018 - KZR 56/16 -, juris Tz. 33 - Grauzementkartell II).
b) Die Beklagte hat in der Duplik vom 25. April 2016 eingeräumt, an kartellrechtlich relevanten Verhaltensweisen (ausschließlich) im Bereich Weichen beteiligt gewesen zu sein (Seite 2 = Bl. 197 d. A.). Zudem hat sie in der mündlichen Verhandlung vom 11. Januar 2017 vor dem Landgericht die Feststellungen des Bundeskartellamtes in Ziffer 3. Besondere Entwicklungen im Bereich Weichen des Bußgeldbescheides vom 18. Juli 2013 (Anlage K 35 - S. 19 ff.) zugestanden (vgl. S. 3 d. Protokolls vom 11. Januar 2017 = Bl. 345 d. A.). Auch die grundsätzliche Funktionsweise der Kundenschutzabsprachen gemäß Ziffer 2.3 des Bußgeldbescheides hat sie nicht substantiiert bestritten. Im Übrigen hat der Prokurist der Beklagten, der Zeuge B., in seiner Zeugenvernehmung vor dem Landgericht angegeben, dass er - bis ins Jahr 2009 - bei früheren Projekten durchaus Absprachen mit Mitbewerbern getroffen habe (vgl. S. 17 d. Protokolls vom 10. Mai 2017 = Bl. 430 d. A.). Damit steht fest, dass die Beklagte in München zumindest bis ins Jahr 2009 an Kartellabsprachen im Bereich Weichen entsprechend den Feststellungen des Bundeskartellamtes in Ziffer 3. Besondere Entwicklungen im Bereich Weichen des Bußgeldbescheides vom 18. Juli 2013 mitgewirkt hat.
c) Die Beklagte hat vorsätzlich gehandelt.
d) Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass der Beschaffungsvorgang R1.platz -Auftragserteilung für vier Rillenschienenweichen u. a. vom 23. Januar 2007 - kartellbefangen und die Klägerin somit vom Kartell betroffen ist.
Ob der Anspruchsteller durch den Kartellverstoß betroffen ist, ist nach § 286 ZPO festzustellen (vgl. BGH NJW 2016, 3527 Tz. 47 - Lottoblock II). Im Streitfall besteht ein Anscheinsbeweis dafür, dass die Auftragserteilung vom 23. Januar 2007 an die Beklagte nicht frei von Einflüssen des Kartells gewesen ist, die Klägerin hinsichtlich dieses Beschaffungsvorgangs also vom Kartell betroffen ist. Die Beklagte hat diesen Anscheinsbeweis nicht erschüttert.
aa) Die Darlegungs- und Beweislast für ihre konkrete Kartellbetroffenheit trägt die Klägerin. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind die Grundsätze über den Beweis des ersten Anscheins bei typischen Geschehensabläufen anwendbar, das heißt in Fällen, in denen ein bestimmter Sachverhalt feststeht, der nach der allgemeinen Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache oder auf einen bestimmten Ablauf als maßgeblich für den Eintritt eines bestimmten Erfolges hinweist. Dabei bedeutet Typizität nicht, dass die Ursächlichkeit einer Tatsache für den Erfolg bei allen Sachverhalten der Fallgruppe immer vorhanden sein muss; sie muss aber so häufig gegeben sein, dass die Wahrscheinlichkeit, einen solchen Fall vor sich zu haben, sehr groß ist (vgl. BGH NJW 2017, 1961 Tz. 19 Afierlife m. w. N.).
bb) Der Anschein der Kartellbetroffenheit ergibt sich hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs R1.platz dadurch, dass dieser sich in sachlicher, zeitlicher und räumlicher Hinsicht in die vom Bundeskartellamt für den Bereich Weichen festgestellte und von der Beklagten nicht bestrittene Kartellabsprache einfügt.
(1) In sachlicher Hinsicht fügt sich der Beschaffungsvorgang uneingeschränkt ein. Der Auftragserteilung für dieses weichenlastige Projekt (Weichenanteil: 97,76%) hat eine Preisanfrage der Klägerin an acht Unternehmen zugrunde gelegen. Neben der Beklagten haben die Nebenintervenientin zu 3) sowie die weiteren Kartellbeteiligten SH. GmbH - eine damalige 100%ige Tochterfirma der Nebenintervenientin zu 2), die Anfang 2011 mit dieser verschmolzen ist - und v. K. GmbH Angebote abgegeben. Die Beklagte hat mit dem günstigsten Angebot den Zuschlag erhalten (vgl. Anlagen K 11, K 24 S. 2).
Angebote haben somit ausschließlich Kartellanten abgegeben. Weichen waren auch Gegenstand des Kartells. In diesem Bereich sind Aufträge jedenfalls bis Ende 2008 vor allem im Rahmen der Sitzungen des Arbeitskreises Marketing innerhalb des Fachverbandes Weichenbau bzw. -nach dessen Auflösung im Jahr 2006 - innerhalb des VDB abgesprochen worden, woran unter anderem die Beklagte und die Nebenintervenientinnen zu 2) und 3) sowie die zum voestalpine-Konzern gehörende Nebenintervenientin zu 4) als Weichenhersteller beteiligt gewesen sind. Der Arbeitskreis Marketing hat dazu gedient, die Verteilung von aktuellen Projektausschreibungen abzusprechen. Umgesetzt sind die Absprachen insbesondere durch den Bestandsschutz von Stammkunden und die Praktizierung der Kundenschutzregelung worden. Daneben haben Preisabsprachen stattgefunden.
(2) Auch in zeitlicher Hinsicht fügt sich der Auftrag vom 23. Januar 2007 in die vom Bundeskartellamt festgestellte Dauer des Kartells von 2001 bis Mai 2011 ein.
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(3) In räumlicher Hinsicht fügt sich der Beschaffungsvorgang schon deshalb ein, da nach den Feststellungen des Bundeskartellamtes bestimmte Unternehmen, unter anderem die Nebenintervenientin zu 3) und die v. K. GmbH, bundesweit in allen Regionen an den Kartellabsprachen beteiligt gewesen sind (vgl. Anlage B 9, S. 8). Die SH. GmbH und die Beklagte haben bereits bei den den Auftragserteilungen vom 19. März 2002 (Anlage K 23 S. 1), 28. Januar 2003 (Anlage K 24 S. 1), 11. Juni 2003 (Anlage K 25 Teil 1) und 4. Oktober 2005 (Anlage K 23 S. 2) zugrunde liegenden Preisanfragen bzw. Ausschreibungen der Klägerin Angebote abgegeben.
(4) Es besteht somit in sachlicher, zeitlicher und räumlicher Hinsicht ein Anscheinsbeweis dafür, dass die Beklagte, die zuvor bereits am 19. März 2002, 28. Januar 2003, 11. Juni 2003 und 4. Oktober 2005 den Zuschlag für vier reine Weichenprojekte der Klägerin erhalten hatte, beim streitgegenständlichen weichenlastigen Beschaffungsvorgang R1.platz als „Spielführer“ bzw. Stammlieferant der Klägerin im Bereich Weichen der Nebenintervenientin zu 3), der SH. GmbH und der v. K. GmbH ihren „Nullpreis“ bzw. Schutzpreise mitgeteilt hat und diese aufgrund einer getroffenen Absprache entsprechend höhere Schutz- bzw. Scheinangebote abgegeben haben.
cc) Die Beklagte hat den Anscheinsbeweis der Kartellbetroffenheit nicht erschüttert. Insbesondere vermag ihr Vorbringen, die Klägerin habe sich in ihrer Preisanfrage vom 8. Dezember 2006 von vornherein auf die Technologie der Beklagten festgelegt, so dass der Wettbewerb ausgeschlossen gewesen sei und die Beklagte als Anbieter ihrer patentgeschützten Technologie keinerlei Interesse daran gehabt habe, den Wettbewerb im Hinblick auf diese Beschaffung zu beschränken, den Beweis des ersten Anscheins nicht zu erschüttern.
(1) Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Klägerin einen freien und unbeschränkten - und damit von den Kartellteilnehmern beschränkbaren - Wettbewerb für den Beschaffungsvorgang R1.platz eröffnet hat. Die Klägerin hat sich nicht von vornherein auf die Beklagte als Auftragnehmerin festgelegt.
aaa) Unstreitig handelt es sich bei der von der Klägerin in der Angebotsaufforderung vom 8. Dezember 2006 ausgeschriebenen Lieferung von vier Rillenschienenweichen, vier Herzstücken in Monoblock-Sandwich Bauweise u. a. um eine Technologie, für die die Beklagte Schutz durch ihr deutsches Patent Nr. 101 24 624 genießt (vgl. Anlage B1).
bbb) Die Klägerin hat indes dargetan, dass die technische Spezifikation Monoblock-Sandwich-Bauweise nach ihren Vergabe- und Vertragsunterlagen nicht zwingend zu erfüllen und alternative Ausführungen zulässig gewesen sind. Sie hat in den übersandten Ausschreibungsunterlagen und Leistungsbeschreibungen hersteller- und produktneutral formuliert; sie hat ihren Beschaffungsbedarf gerade nicht herstellerbezogen (Weichen der Beklagten) oder produktbezogen (Weichen mit der durch Patentschrift […] geschützten Sandwich-Bauweise) definiert.
Zwar enthalten die Angebotsunterlagen nicht den Zusatz oder vergleichbar. Die Klägerin hat jedoch in den Vorbemerkungen des mit der Preisanfrage vom 8. Dezember 2006 übersandten Schreibens vom 6. Dezember 2006 unter anderem ausgeführt (vgl. Anlage B 3):
– die Weichen sollen in Monoblockkonstruktion - Sandwich hergestellt werden, siehe Lieferbedingungen für Monoblockkonstruktionen, Stand August 2006;
– […]
– es ist anzustreben (wenn es Baulänge und -breite für den Transport zulassen), die Zungenvorrichtungen mit dem Herzstück verschweißt zu liefern;
– […] Mit den - vom Senat kursiv hervorgehobenen - Formulierungen sollen und anzustreben hat die Klägerin deutlich gemacht, dass zur Erfüllung der technischen Anforderungen der Ausschreibung eine Monoblockkonstruktion - Sandwich bzw. eine Verschweißung von Zungenvorrichtungen mit dem Herzstück nicht zwingend erforderlich und vergleichbare alternative Ausführungen zulässig sind.
ccc) Zudem sind die Angebote der Nebenintervenientin zu 3) und der weiteren Kartellbeteiligten SH. GmbH und v. K. GmbH in technischer Hinsicht zuschlagsfähig gewesen. Die Klägerin hat dargetan, dass alle Angebote in die 4. Stufe der vergaberechtlichen Angebotswertung (Preisprüfung) gelangt seien. In dem als Anlage K 24 (S. 2) für den Beschaffungsvorgang R1.platz vorgelegten Submissionsprotokoll sei dies insoweit vermerkt, als dort die Preise eingetragen seien. Dies geschehe nur bei Angeboten, welche die technischen Anforderungen der jeweiligen Ausschreibung erfüllten. Diesem Vortrag der Klägerin in der Replik vom 11. Januar 2016 (S. 18/20 = Bl. 136/138 d. A.) ist die Beklagte nicht entgegengetreten.
Ob die Mitbietenden im Jahr 2007 tatsächlich in der Lage gewesen wären, entsprechend ihren zuschlagsfähigen Angeboten Weichen in Monoblockkonstruktion - Sandwich oder Weichen mit einer vergleichbaren alternativen Technik zu liefern, dies nur unter Verletzung des Patentschutzes der Beklagten möglich gewesen wäre oder ob es sich bei den Angeboten der Mitkartellanten lediglich um Schein- bzw. Schutzangebote gehandelt hat, kann insoweit dahin stehen. Denn es ist nicht die Aufgabe der Klägerin gewesen, Angebote von Wettbewerbern auf etwaige Patentrechtsverletzungen hin zu überprüfen. Selbst dem vom Landgericht vernommenen Zeugen L., ein Vertriebsmitarbeiter der Beklagten, ist jedenfalls im Jahr 2011 bekannt gewesen, dass v. einen Nachbau gefertigt habe, ebenfalls in Monoblock-Technik (vgl. S. 4 d. Protokolls v. 10. Mai 2017 = Bl. 417 d. A.). Er sei damals noch davon ausgegangen, dass es sich um eine Mischkonstruktion gehandelt habe; aus heutiger Sicht wisse er, dass die Bauweise ebenfalls als Sandwich-Bauweise angesehen werde. Die Beklagte habe dieses Produkt aus ihrem Patent angegriffen; das Patentverletzungsverfahren habe [im Jahr 2016] mit der Feststellung einer Patentverletzung geendet [vgl. BGH GRUR 2017, 152 - Zungenbett]. Da selbst die Beklagte zu Beginn des Jahres 2011 von einer Mischkonstruktion ausgegangen ist und erst nach Aufdeckung des Kartells im Mai 2011 Patentverletzungsklage erhoben hat, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Klägerin im Jahr 2007 eine Patentverletzung bekannt gewesen ist. Dies hat die Beklagte schon nicht vorgetragen. Insoweit ist auch nicht maßgeblich, dass der Klägerin im Jahr 2007 das erst im Jahr 2011 für das Projekt A1-Straße eingeholte Gleichwertigkeitsgutachten hinsichtlich der von der v. K. GmbH angebotenen Technik noch nicht vorgelegen hat. Zur Einholung eines solchen Gutachtens im Jahr 2007 für das Projekt R1.platz hatte die Klägerin keine Veranlassung, da die Beklagte und nicht die v. K. GmbH das günstigste Angebot abgegeben hat.
ddd) Entgegen der Behauptung der Beklagten unter Berufung auf die Feststellungen des Bundeskartellamtes zur Funktionsweise der Absprache, wonach für die ausschreibende Stelle - im Falle einer kundenseitig gewünschten spezifischen Ausrichtung der Ausschreibung - häufig die Technik und nicht der Preis der bestimmende Faktor gewesen sei (vgl. Anlage K 35, S. 18, Fußnote 6), ist dies im Streitfall gerade nicht der Fall gewesen.
Die Klägerin hat dargetan, dass die ausgeschriebene Technik bzw. vergleichbare Alternativen zwar Voraussetzung für die Zuschlagsfähigkeit der Angebote gewesen seien. Im Falle der Erfüllung dieser technischen Anforderungen durch mehrere Bieter sei indes bei sämtlichen streitgegenständlichen Beschaffungsvorgängen der Angebotspreis alleiniges Zuschlagskriterium gewesen. Dass dem auch beim Beschaffungsvorgang R1.platz so gewesen ist, ergibt sich bereits aus dem Vergabevermerk vom 22. Januar 2007, wonach bei der Angebotswertung der Angebotspreis, nicht aber eine bestimmte hersteller- oder produktbezogene Technik maßgeblich gewesen ist (vgl. Anlage K 24).
Zudem hat die Klägerin für den - nicht streitgegenständlichen - B1. A1. Straße im Jahr 2011 der v. K. GmbH den Zuschlag erteilt. Auch insoweit hat die Klägerin in Ziffer 2.1.3 der zugrunde liegenden Leistungsbeschreibung vom 28. Januar 2011 eine Monoblock-Zungenvorrichtung in Sandwich-Bauweise ausgeschrieben (vgl. Anlage K 27). Auf die öffentliche Ausschreibung haben neben der Beklagten die v. K. GmbH, die Nebenintervenientin zu 3) und die F. GmbH Angebote abgegeben. In Ziffer 15. des Vergabevermerks vom 7. März 2011 (Begründung der Zuschlagserteilung / Vergabevorschlag des Vergabevermerks) heißt es: Günstigster Auftragnehmer (vgl. Anlage K 29). Obwohl die Klägerin bei diesem Projekt - wie bei den Beschaffungsvorgängen R1.platz und Gleisdreieck Nordbad - eine Monoblock-Zungenvorrichtung in Sandwich-Bauweise ausgeschrieben, eine Mischkonstruktion (Monoblock Zungenadaption mit angeschweißtem Zungenbett und Beischienen) sogar ausdrücklich ausgeschlossen und auch die Beklagte ein Angebot abgegeben hat, hat die Klägerin nicht der Beklagten, sondern der v. K. GmbH aufgrund des günstigsten Angebotspreises den Zuschlag erteilt. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin beim Beschaffungsvorgang R1.platz im Jahr 2007 der Beklagten auch dann den Zuschlag erteilt hätte, wenn nicht diese, sondern ein anderer Anbieter mit einem zuschlagsfähigen Angebot den günstigsten Preis geboten hätte, bestehen daher nicht.
(2) Da sich die Klägerin in ihrer Angebotsaufforderung vom 8. Dezember 2006 nicht von vornherein auf die Beklagte als Auftragnehmerin festgelegt hat, hatte die Beklagte auch ein Interesse daran, den Wettbewerb im Hinblick auf den Beschaffungsvorgang R1.platz zu beschränken und mit den weiteren Kartellbeteiligten Absprachen über die Auftragsvergabe und die Angebotspreise zu treffen.
Zudem ist nach den Feststellungen des Bundeskartellamtes mit dem System der Stammkunden häufig auch die kundenseitig gewünschte spezifische Ausrichtung von Ausschreibungen verknüpft gewesen. Durch die Kombination des Stammkundensystems mit spezifisch auf bestimmte Unternehmen zugeschnittenen Produkten in Leistungsverzeichnissen ist den einzelnen Kartellteilnehmern bereits vor einer Ausschreibung klar gewesen, auf wen das jeweilige Projekt bei einzelnen Kunden zulaufen musste (vgl. Anlage K 35, S. 18). Die bestehende Kundenschutzregelung hat bewirkt, dass die Weichenhersteller weitgehend respektiert haben, wenn - z.B. aufgrund der räumlichen Nähe - eine besonders enge Beziehung eines Weichenherstellers zu einem bestimmten Kunden bestanden hat (vgl. Anlage K 35, S. 20). Insoweit ist auch eine kundenseitig gewünschte spezifische Ausrichtung von Ausschreibungen unter den Kartellanten -ebenso wie das System der Stammkunden oder die Zuteilung von Neukunden - grundsätzlich respektiert worden.
Auch der Umstand, dass die Beklagte die Nebenintervenientin zu 3) und die v. K. GmbH aus der Verletzung ihres Patentes in Anspruch genommen hat, spricht nicht gegen die Kartellbetroffenheit. Die Beklagte hat erst in den Jahren 2011 und 2012 - nach Aufdeckung des Kartells im Mai 2011 - und damit mehr als vier Jahre nach der Auftragsvergabe für das Projekt R1.platz Verletzungsklage gegen ihre früheren Mitkartellanten erhoben. Ein derartiges Vorgehen erst nach Ende der wettbewerbsbeschränkenden Zusammenarbeit kann den Anscheinsbeweis für das Vorliegen einer Kartellabsprache vier Jahre zuvor nicht erschüttern.
e) Durch den schuldhaften Verstoß der Beklagten ist der Klägerin hinsichtlich des kartellbefangenen Beschaffungsvorgangs R1.platz mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden entstanden, auch wenn dessen Höhe noch offen ist.
aa) Ob der Klägerin aufgrund eines Verstoßes gegen das Kartellrecht ein Schaden entstanden ist, beurteilt sich nach § 287 Abs. 1 ZPO. Für die richterliche Überzeugungsbildung reicht daher eine deutlich überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit aus, dass ein Schaden entstanden ist (vgl. BGH a.a.O. Tz. 41 f. - Lottoblock II).
bb) Bei den im Bereich Weichen zwischen der Beklagten und ihren Mitkartellanten getroffenen Kundenschutzabsprachen besteht eine deutlich überwiegende Wahrscheinlichkeit i. S. d. § 287 Abs. 1 ZPO dafür, dass der Klägerin ein Schaden entstanden ist. Ebenso wie bei einem Quotenkartell besteht auch bei Kundenschutzabsprachen ein Anscheinsbeweis für eine kartellbedingte Preiserhöhung.
(1) Bei einem Quotenkartell spricht der erste Anschein dafür, dass es sich allgemein preissteigernd auswirkt (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 9. November 2016 - 6 U 204/15 Kart (2) -, juris Tz. 63 - Grauzementkartell). Es besteht ein Erfahrungssatz, dass die Gründung eines Kartells grundsätzlich der Steigerung des Gewinns der im Kartell beteiligten Unternehmen dient. Deshalb spricht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Kartell gebildet und erhalten wird, weil es höhere als am Markt erzielbare Preise erbringt. Damit ist es zugleich überwiegend wahrscheinlich, dass bei den Abnehmern der Kartellanten hierdurch ein Schaden verursacht wird (vgl. BGH a.a.O., Tz. 35 - Grauzementkartell II m. w. N.).
(2) Ebenso wie bei Quotenkartellen und reinen Preisabsprachen wird auch bei einem Kundenschutzkartell der Preiswettbewerb ausgeschaltet, indem dafür gesorgt wird, dass nicht der effizienteste Anbieter, sondern grundsätzlich der Stammlieferant oder Spielführer den jeweiligen Auftrag bekommt. Dadurch, dass er den „Null-Preis“ bzw. Schutzpreise seinen Mitkartellanten mitteilt, werden diese davon abgehalten, ihrerseits ein günstigeres Angebot abzugeben. Quotenund Kundenschutzabsprachen dienen gleichermaßen dazu, den Unternehmen Preissetzungsspielräume zu eröffnen, die sie erfahrungsgemäß auch nutzen. Andernfalls wären der mit der Koordination und deren Überwachung einer Kartellabsprache einhergehende Aufwand und das damit verbundene Risiko entbehrlich. Der Spielführer, der den Auftrag erhalten soll, hat bei Kundenschutzabsprachen im Vergleich zu einer Situation ohne entsprechende wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung einen geringeren Anreiz zur Senkung seiner Preise. Es liegt auf der Hand, dass dies typischerweise mit der Erhöhung des Preisniveaus einhergeht, zumal wenn mit den Kundenschutzabsprachen der Sinn und Zweck einer durchgeführten Ausschreibung konterkariert wird (vgl. Senat, Urteil vom 8. März 2018 - U 3497/16 Kart, juris Tz. 76 - Kartell der Schienenfreunde).
Im Übrigen ist es gemäß den - von der Beklagten zugestandenen - Feststellungen des Bundeskartellamtes im Bußgeldbescheid vom 18. Juli 2013 im Arbeitskreis Marketing immer wieder zu Diskussionen über Preiserhöhungen gekommen. Dies ist insbesondere im Zusammenhang mit der Erhöhung der Vormaterialpreise geschehen. Die Kartellunternehmen haben sich mehrfach darauf verständigt, die Preiserhöhung entsprechend weiterzugeben. Auch nach Auflösung des Fachverbandes Weichenbau im Jahr 2006 und der Überführung unter das Institutionelle Dach des VDB haben weiterhin Preisabsprachen stattgefunden. Daher besteht ein Anscheinsbeweis dafür, dass die Klägerin als unmittelbare Abnehmerin einer - im Bereich Weichen -Kartellbeteiligten für den Beschaffungsvorgang R1.platz einen überhöhten Preis bezahlt hat und ihr dadurch ein Schaden entstanden ist.
cc) Diesen Anscheinsbeweis hat die Beklagte nicht erschüttert.
(1) Der Anscheinsbeweis ist insbesondere nicht dadurch erschüttert, dass die Klägerin nach dem Vortrag der Beklagten die streitgegenständlichen Aufträge zu Preisen erhalten habe, die sogar unter den Nachkartellpreisen gelegen hätten. Dem kommt schon deshalb keine Bedeutung zu, weil auch nach Beendigung des Kartells regelmäßig noch mit preiserhöhenden Nachwirkungen des Kartells zu rechnen ist (vgl. BGH NJW 2012, 928 Tz. 84 - ORWI; BGH a.a.O., Tz. 36 - Grauzementkartell II), so dass ein Vergleich der Angebotspreise der Kartellanten aus dem Jahr 2006 mit den Nachkartellpreisen den Anscheinsbeweis der preissteigernden Wirkung nicht erschüttern kann. Zudem bleiben bei den von der Beklagten bei ihrem Vergleich herangezogenen Durchschnittspreisen die preisbildenden Faktoren - wie etwa der aktuelle Stahlpreis - außer Betracht. Die Preise bei konkreten Beschaffungsvorgängen und Durchschnittspreise dürfen daher nicht miteinander verglichen werden.
(2) Im Übrigen kann das von der Beklagten vorgelegte ökonomische Gutachten Potenzielle Schädigung der Kunden der [Beklagten] durch das „Weichenkartell“ (Anlage B 13) den Anscheinsbeweis einer kartellbedingten Preiserhöhung auch deswegen nicht erschüttern, weil die streitgegenständlichen sechs Beschaffungsvorgänge der Klägerin im Gutachten nicht berücksichtigt worden sind. Unter Anhang 6.3 des Gutachtens (S. 80) sind Kunden aufgelistet, die die Beklagte im Zeitraum 2001 bis 2015 beliefert hat und deren Belieferung in die Analyse einbezogen worden sind; die Klägerin befindet sich nicht darunter. Hieraus ergibt sich, dass die streitgegenständlichen Beschaffungsvorgänge der Klägerin gerade nicht Gegenstand der Analyse gewesen sind. Vielmehr werden als Kunden der Beklagten neben kommunalen Nahverkehrsunternehmen unter anderem die Nebenintervenientinnen zu 1) und 3) sowie die Kartellbeteiligten SH. GmbH, v. K. GmbH, K. GmbH und H. [H. GmbH] genannt. Dass die Beklagte während des Kartellzeitraums Weichen an Mitkartellanten - etwa im Rahmen von Unterbeauftragungen oder sonstigen Kompensationsgeschäften - ohne Kartellaufschlag geliefert hat, erscheint durchaus naheliegend und stellt die Aussagekraft des Gutachtens in Frage.
(3) Der Anscheinsbeweis der kartellbedingten Preiserhöhung ist im Streitfall auch nicht deswegen erschüttert, weil die patentgeschützte Technologie der Beklagten ohnehin teurer gewesen sein mag als andere Weichen-Technologien. Der Zeuge L. hat insoweit angegeben, dass er die Klägerin - hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs Gleisdreieck Nordbad im Jahr 2011 - anhand von Untersuchungen, insbesondere der bestehenden Anlage am R1.platz, davon habe überzeugen können, dass das Verschleißverhalten der Monoblock-Sandwich-Bauweise sehr gut sei, so dass es sich trotz des höheren Preises um die wirtschaftlich sinnvollere Lösung handele (vgl. S. 4 d. Protokolls vom 10. Mai 2017 = Bl. 417 d. A.).
Denn die Klägerin hat sich gerade nicht von vornherein auf die Beauftragung der Beklagten festgelegt; zudem haben Mitkartellanten in technischer Hinsicht zuschlagsfähige Angebote zu noch höheren Preisen abgegeben, was gerade für eine Preisabsprache bzw. die Abgabe von Schutzangeboten und einen kartellbedingten Preisaufschlag der Beklagten auch hinsichtlich ihrer patentgeschützten Technologie spricht. Daher kann es an dieser Stelle dahin stehen, ob die Klägerin hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs R1.platz schon allein deshalb vom Kartell betroffen und geschädigt ist, weil die Beklagte durch ihre langjährige Beteiligung an den wettbewerbsbeschränkenden Absprachen im Bereich Weichen an der preissteigernden Wirkung des Kartells mitgewirkt hat und die Klägerin gerade wegen der kartellbedingten Preiserhöhung anderer Weichen im Rahmen einer Kosten-Nutzen-Analyse auf die Technologie der Beklagten ausgewichen ist.
f) Im Streitfall kann auch kein anspruchsminderndes Mitverschulden der Klägerin aufgrund ihres Vergabeverhaltens gemäß § 254 BGB angenommen werden. Der Einwand des Mitverschuldens betrifft den Anspruchsgrund, so dass über ihn im Grundurteil zu entscheiden ist (vgl. Grüneberg in: Palandt, BGB, 77. Aufl. 2018, § 254 Rn. 72).
Auch wenn die Leistungsbeschreibung kundenspezifisch auf die Beklagte ausgerichtet gewesen sein sollte und dabei die technische Spezifikation eine Rolle gespielt haben sollte, wie dies nach den Feststellungen des Bundeskartellamtes beim Stammkundenmodell häufig der Fall gewesen ist, begründet dies kein Mitverschulden der Klägerin an dem Kartellverstoß der Beklagten. Die Klägerin hat dargetan, dass der Angebotspreis das alleinige Zuschlagskriterium gewesen ist und sie jeweils dem günstigsten Bieter den Zuschlag erteilt hat. Dass die Klägerin die Ausschreibung so gestaltet hat, dass von vornherein nur die Beklagte bzw. ein begrenzter Kreis von Anbietern überhaupt als Lieferant in Frage gekommen ist, die Beklagte als Stammlieferantin der Klägerin die auf sie zugeschnittenen Leistungsanforderungen erfüllt und aufgrund des günstigsten Angebotes auch - wie von der Klägerin gegebenenfalls gewünscht - den Zuschlag erhalten hat, führt nicht dazu, dass die Klägerin von den Kundenschutzabsprachen der Kartellanten und einem kartellbedingten Preisaufschlag der Beklagten Kenntnis hatte oder hätte haben müssen. Insofern ist nicht ersichtlich, wie ein Verschulden der Klägerin an der Schadensentstehung mitgewirkt haben sollte.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin hat Erfolg. Die Schadensersatzklage ist auch hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs Gleisdreieck Nordbad - Auftragserteilung für eine Monoblock-Zungenvorrichtung in Sandwich-Bauweise u. a. vom 25. Februar 2011 - dem Grunde nach gemäß § 33 Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 i. V. m. § 1 GWB 2005 gerechtfertigt.
1. Der Beschaffungsvorgang Gleisdreieck Nordbad - Auftragserteilung für eine Monoblock-Zungenvorrichtung in Sandwich-Bauweise u. a. vom 25. Februar 2011 - ist kartellbefangen; die Klägerin ist insoweit vom Kartell betroffen.
a) Nach den Feststellungen des Bundeskartellamtes zu den besonderen Entwicklungen im Bereich Weichen hat der Marketingausschuss jedenfalls ab Anfang 2009 seine Bedeutung als Forum für die Absprachen der Weichenhersteller verloren. Kontakte haben nunmehr häufiger einzelfallbezogen und nicht mehr im Rahmen von Verbandstreffen stattgefunden, da sich die Stammkundenzuordnung und die damit einhergehende Vorgehensweise zwischen den Kartellanten in regional unterschiedlicher Ausprägung eingespielt hatten. Insgesamt ist der Teilnehmerkreis über die Jahre weitgehend unverändert geblieben; die Umsetzung der Absprache ist weiterhin über Schein- bzw. Schutzangebote sowie über die Beteiligung durch Unteraufträge als Gegenleistung erfolgt (vgl. Anlage K 35, S. 21).
b) Am 25. Februar 2011 hat die Klägerin der Beklagten einen Auftrag zur Lieferung einer Monoblock-Zungenvorrichtung in Sandwich-Bauweise u. a. für das Gleisdreieck Nordbad zu einem Gesamtpreis (netto) in Höhe von 1.151.439,24 € erteilt. Diesem weichenlastigen Projekt (Weichenanteil: 80,72%) hat eine öffentliche Ausschreibung zugrunde gelegen; auf die Ausschreibung haben neben der Beklagten die Nebenintervenientin zu 3) sowie die weiteren Kartellbeteiligten v. K. GmbH und F. GmbH Angebote abgegeben (vgl. Anlagen K 25 Teil 2, BF 2).
Die Beklagte hat sich mit ihrem Angebot vom 11. Februar 2011 in Höhe von zunächst 1.174.938,- € am Vergabeverfahren beteiligt (vgl. Anlage K 12). Mit Schreiben vom 15. Februar 2011 hat der Zeuge B. der Klägerin einen Rabatt von 2% gewährt, so dass sich der Angebotspreis auf 1.151.439,24 € reduziert hat (vgl. Anlage K 36), worauf die Beklagte mit dem günstigsten Angebot den Zuschlag erhalten hat. Das zweitgünstigste Angebot hat die v. K. GmbH mit Schreiben vom 14. Februar 2011 in Höhe von zunächst 1.221.175,- € abgegeben (vgl. Anlage K 37). Durch Gewährung eines Rabattes von 1% hat diese am 15. Februar 2011 ihren Angebotspreis auf 1.208.963,25 € reduziert (vgl. Anlagen K 38, BF 2). Der Angebotspreis der Nebenintervenientin zu 3) hat nach Rabattgewährung 1.262.200,32 €, der der F. GmbH letztendlich 1.283.563,01 € betragen (vgl. Anlage BF 2).
Das Landgericht hat festgestellt, dass die Beklagte für das streitgegenständliche Projekt Gleisdreieck Nordbad den Zuschlag erhalten und die F. GmbH der Beklagten für dieses Projekt die Schienen zugeliefert hat.
c) Die Auftragserteilung vom 25. Februar 2011 ist nicht frei von Einflüssen des Kartells gewesen. Die Klägerin ist insoweit vom Kartell betroffen.
aa) Nach den im Berufungsverfahren nicht gesondert angegriffenen und insoweit gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zugrunde zu legenden Feststellungen des Landgerichts haben sich die Zeugen H. (v. K. GmbH), K. (Nebenintervenientin zu 3)) und N. (F. GmbH) im Januar 2011 in einer Münchener Gaststätte getroffen, um die von der Klägerin ausgeschriebenen Projekte unter sich aufzuteilen. Mitarbeiter der Beklagten sind bei dieser Absprache nicht persönlich anwesend gewesen. Die vom Landgericht vernommenen Zeugen H., K. und N. haben die Absprache unter sich bestätigt.
bb) Ergänzend trifft der Senat hierzu folgende Feststellungen:
(1) Bei den ausgeschriebenen Projekten, deren Aufteilung die Zeugen H., K. und N. im Januar 2011 in einer Münchener Gaststätte abgesprochen haben, hat es sich um die von der Klägerin mit Bekanntmachung vom 11. Dezember 2010 ausgeschriebenen Projekte Gleisdreieck Nordbad, A2. B2. Straße (vgl. Anlagen K 27, K 29) und L.latz (vgl. Anlagen K 26, K 28) gehandelt. Bei allen drei Projekten hat die Klägerin in den am 1. Februar 2011 (Gleisdreieck Nordbad), 2. Februar 2011 (A. B2. Straße) und 29. März 2011 (L.platz) übersandten Angebotsunterlagen die Technologie der Beklagten (Monoblock-Zungenvorrichtung in Sandwich-Bauweise) ausgeschrieben.
Der Zeuge H. hat angegeben, dass es Anfang 2011 eine Besprechung gegeben habe, an der er sowie die Zeugen K. und N. teilgenommen hätten. Es seien verschiedene Projekte in München und deren Aufteilung besprochen worden. Das Projekt A1. Straße sei an die v. K. GmbH gefallen; diese sei deshalb am Projekt Gleisdreieck Nordbad nicht interessiert gewesen (vgl. S. 8 d. Protokolls vom 10. Mai 2017 = Bl. 421 d. A.).
Der Zeuge K. hat angegeben, dass es bei der Absprache mit den Zeugen H. und N. nicht nur um das Projekt Gleisdreieck Nordbad, sondern auch um die Projekte A1. Straße und L.platz gegangen sei. Die Nebenintervenientin zu 3) habe das Projekt L.platz mit einer Unterbestellung für die Beklagte hinsichtlich Weichen und Kreuzungen „gebucht“, da in der Ausschreibung eine Technik enthalten gewesen sei, die nur die Beklagte habe anbieten können. Die Besprechung habe bereits vor der Versendung der Angebotsunterlagen stattgefunden; es sei aufgrund der guten Kontakte zur Klägerin bereits bekannt gewesen, dass die Technologie der Beklagten in den Ausschreibungsunterlagen enthalten sein werde. Mit der Ausschreibung für das Projekt Gleisdreieck Nordbad habe er sich nur nebensächlich befasst; diese habe ihn nicht interessiert, da Absprachen getroffen worden seien, wonach die Nebenintervenientin zu 3) für dieses Projekt nicht vorgesehen gewesen sei (vgl. S. 14 d. Protokolls vom 10. Mai 2017 = Bl. 427 d. A.).
Die Zeugen H. und K. haben im Rahmen ihrer Vernehmung zudem den Vortrag der Klägerin bestätigt, wonach sie das Projekt Gleisdreieck Nordbad gegenüber dem Bundeskartellamt - im Frühjahr 2011 nach Aufdeckung des Kartells - als Kartellprojekt benannt haben (vgl. S. 9, 15 d. Protokolls vom 10. Mai 2017 = Bl. 422, 428 d. A.).
(2) Für das Projekt A1. Straße haben neben der Beklagten die v. K. GmbH, die Nebenintervenientin zu 3) und die F. GmbH Ende Februar 2011 Angebote abgegeben. Die Klägerin hat der v. K. GmbH aufgrund des günstigsten Angebotspreises am 1. April 2011 den Zuschlag erteilt (vgl. Anlage K 29).
Für das Projekt L.platz haben neben der Beklagten die Nebenintervenientin zu 3) und die v. K. GmbH im April 2011 Angebote abgegeben. Die Klägerin hat der Nebenintervenientin zu 3) aufgrund des günstigsten Angebotspreises am 16. Mai 2011 den Zuschlag erteilt (vgl. Anlage K 28).
cc) Danach ist der Beschaffungsvorgang Gleisdreieck Nordbad jedenfalls Teil einer wettbewerbsbeschränkenden Absprache zwischen der Nebenintervenientin zu 3) und den weiteren Kartellbeteiligten v. K. GmbH und F. GmbH gewesen. Aufgrund der „Buchung“ der beiden anderen Münchener Projekte hatten die Nebenintervenientin zu 3) und die v. K. GmbH kein Interesse am Projekt Gleisdreieck Nordbad. Aufgrund der Absprache über die Aufteilung der drei Münchener Projekte Anfang des Jahres 2011 ist auch das Projekt Gleisdreieck Nordbad kartellbefangen und die Klägerin vom Kartell betroffen, weil sich die Kartellanten, die sich an der Absprache im Januar 2011 beteiligt hatten, nicht ernsthaft um das Projekt bemühten; insoweit kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte in diese Absprache eingebunden gewesen ist.
d) Entgegen der Auffassung der Beklagten hat die Klägerin hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs Gleisdreieck Nordbad einen freien und unbeschränkten - und damit von den Kartellteilnehmern beschränkbaren - Wettbewerb eröffnet. Die Klägerin hat sich insbesondere nicht von vornherein auf eine Beauftragung der Beklagten mit deren patentgeschützten Technologie -Monoblock-Zungenvorrichtung in Sandwich-Bauweise - festgelegt.
aa) Zwar hat der Zeuge L. der Klägerin unstreitig im Vorfeld der Ausschreibung von ihm vorformulierte Texte zur Verfügung gestellt und die Formulierungen mit der Klägerin im Einzelnen abgestimmt (vgl. Anlagen B 14, B 15, B 16, B 17); die von der Beklagten zur Verfügung gestellten Formulierungen (Anlage B 17) hat die Klägerin in den übersandten Angebotsunterlagen in Ziffer 2. (Ausführung) und Ziffer 3. (Weichen allgemein) des Leistungsverzeichnisses Blankett wörtlich übernommen (vgl. Anlage K 12). Der Zeuge L. hat dies in seiner Vernehmung bestätigt; ein Mitarbeiter der Klägerin habe ihn gebeten, Texte für die Ausschreibung zur Verfügung zu stellen, die die Technik der Beklagten beschreibe. Wenn er eine Technik anbiete, sei es eigentlich obligatorisch, dass er diese auch zur Verwendung in den Ausschreibungstexten beschreibe (vgl. S. 4/6 d. Protokolls vom 10. Mai 2017 = Bl. 417/419 d. A.).
bb) Diese Vorgehensweise ist auch mit den Feststellungen des Bundeskartellamtes vereinbar, wonach mit dem System der Stammkunden häufig auch die kundenseitig gewünschte spezifische Ausrichtung von Ausschreibungen verknüpft gewesen ist. So sind die einzelnen Unternehmen bei Ausschreibungen ihrer jeweiligen Stammkunden häufig an der Erstellung der Leistungsverzeichnisse beteiligt gewesen und haben auf diese Weise technisch und planerisch auf die Erstellung der Ausschreibungsunterlagen und Produktanforderungen Einfluss nehmen können. Die Kunden haben für die technische Vorbereitung von Projektausschreibungen z.B. um Textbausteine und Zeichnungen für die Ausschreibungen gebeten. Im Rahmen dieser Unterstützung ist die Ausschreibung auf die Technik des präferierten Herstellers zugeschnitten gewesen (vgl. Anlage K 35, S. 18).
cc) Die Klägerin hat indes dargetan, dass sie sich damit nicht von vornherein auf die Beauftragung der Beklagten festgelegt habe. Die ausgeschriebene Technik bzw. eine gleichwertige Alternative sei zwar Voraussetzung für die Zuschlagsfähigkeit eines Angebotes gewesen. Im Falle der Erfüllung dieser technischen Anforderungen durch mehrere Bieter sei jedoch bei sämtlichen streitgegenständlichen Beschaffungsvorgängen der Angebotspreis alleiniges Zuschlagskriterium gewesen (s. o. I. 2. d) cc) (2) ddd)).
Die Klägerin hat dies insbesondere dadurch belegt, dass sie hinsichtlich des parallelen B3. A1. Straße im Jahr 2011 der v. K. GmbH aufgrund des günstigsten Angebotspreises - nach Einholung eines Gleichwertigkeitsgutachtens - den Zuschlag erteilt hat, obwohl die Beklagte auch bei diesem Projekt ein Angebot mit ihrer patentgeschützten Technologie abgegeben hat. Auch insoweit hat die Klägerin in Ziffer 2.1.3 der zugrunde liegenden Leistungsbeschreibung vom 28. Januar 2011 eine Monoblock-Zungenvorrichtung in Sandwich-Bauweise ausgeschrieben und die von der Beklagten zur Verfügung gestellten Formulierungen in Ziffer 2. (Ausführung) und Ziffer 3. (Weichen allgemein) wörtlich übernommen (vgl. Anlage K 27).)
Dass sich die Klägerin nicht von vornherein auf die Beklagte als Auftragnehmerin bzw. deren Technologie festgelegt hat, hat selbst der Zeuge L. in seiner Vernehmung bestätigt. Er hat angegeben, dass er während der Ausschreibung des Beschaffungsvorgangs Gleisdreieck Nordbad davon ausgegangen sei, dass Mitbewerber an der Ausschreibung teilnehmen würden. Auch wenn man die exakt ausgeschriebene Technik nicht anbieten könne, sei es möglich, mit der ausschreibenden Stelle zu verhandeln und eine Alternative anzubieten. Das sei seine Erfahrung aus der Vergangenheit gewesen und werde auch dadurch belegt, dass die Klägerin ein Gutachten zur Gleichwertigkeit eines etwas abweichenden Produktes eingeholt habe. Darüber hinaus habe er ja gewusst, dass v. einen Nachbau habe (vgl. S. 5 d. Protokolls vom 10. Mai 2017 = Bl. 418 d. A.).
Im Übrigen haben hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs Gleisdreieck Nordbad neben der Beklagten auch die Nebenintervenientin zu 3), die v. K. GmbH und die F. GmbH in technischer Hinsicht zuschlagsfähige Angebote abgegeben. Die Klägerin hat dargetan, dass alle Angebote in die 4. Stufe der vergaberechtlichen Angebotswertung (Preisprüfung) gelangt seien (vgl. Anlage K 25 Teil 2). Aus den Angeboten der Mitkartellanten sei auch nicht ersichtlich gewesen, dass diese geplant hätten, die Technologie der Beklagten zu liefern; diese hätten insbesondere nicht angegeben, die Beklagte als Unterbeauftragte einzusetzen. Diesem Vortrag der Klägerin in der Replik vom 11. Januar 2016 (S. 18/20 = Bl. 136/138 d. A.) und im Schriftsatz vom 26. April 2017 (S. 3/4 = Bl. 381/382 d. A.) ist die Beklagte nicht entgegengetreten.
Ob die Mitbietenden tatsächlich in der Lage gewesen wären, entsprechend ihren zuschlagsfähigen Angeboten Weichen in Monoblockkonstruktion - Sandwich oder Weichen mit einer vergleichbaren alternativen Technik zu liefern, dies nur unter Verletzung des Patentschutzes der Beklagten möglich gewesen wäre oder ob es sich bei diesen Angeboten lediglich um Scheinbzw. Schutzangebote gehandelt hat, kann insoweit dahin stehen (s. o. I. 2. d) cc) (1) ccc)). Überdies steht aufgrund des für das Projekt A1. Straße eingeholten Gleichwertigkeitsgutachtens und der anschließenden Zuschlagserteilung an die v. K. GmbH vom 1. April 2011 fest, dass die v. K. GmbH im Jahr 2011 tatsächlich in der Lage gewesen ist, eine gleichwertige Technik zu liefern.
2. Im Streitfall besteht unter Würdigung aller Umstände und Heranziehung der Beweiserleichterung des § 287 Abs. 1 ZPO die für den Erlass eines Grundurteils ausreichende deutlich überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Klägerin durch die Auftragserteilung vom 25. Februar 2011 an die Beklagte ein Schaden entstanden ist.
a) Dies ergibt sich bereits daraus, dass das zweitgünstigste Angebot der v. K. GmbH in Höhe von zuletzt netto 1.208.963,25 € kartellbedingt überhöht gewesen ist; insoweit besteht ein Anscheinsbeweis (s. o. I. 2. e)). Da selbst nach Beendigung des Kartells regelmäßig noch mit preiserhöhenden Nachwirkungen des Kartells zu rechnen ist (vgl. BGH a.a.O., Tz. 84 - ORWI; BGH a.a.O., Tz. 36 - Grauzementkartell II), besteht im Streitfall erst recht ein Anscheinsbeweis dafür, dass die preiserhöhende Wirkung des Kartells noch kurz vor dessen Aufdeckung durch das Bundeskartellamt im Mai 2011 bestanden hat. Diesen Anscheinsbeweis hat die Beklagte auch nicht erschüttert (s. o. I. 2. e) cc)).
Hinzu kommt, dass sowohl die v. K. GmbH als auch die Nebenintervenientin zu 3) nach den Angaben der Zeugen H. und K. von vornherein chancenlose Angebotspreise abgegeben hätten, da sie aufgrund der vorangegangenen Absprache und der „Buchung“ der beiden anderen Münchener Projekte an einer Auftragserteilung für das Projekt Gleisdreieck Nordbad kein Interesse gehabt hätten. Nach den Angaben des Zeugen H. habe die v. K. GmbH für das Projekt Gleisdreieck Nordbad - anders als sonst - zwar kein Schutzangebot abgegeben. Da er jedoch aufgrund der Absprache an diesem Projekt nicht interessiert gewesen sei, habe die v. K. GmbH lediglich ein - mit im System hinterlegten Preisen - von vorneherein chancenloses Angebot abgegeben (vgl. S. 8 d. Protokolls vom 10. Mai 2017 = Bl. 421 d. A.). Der Zeuge K. hat angegeben, er gehe davon aus, dass er für das Projekt Gleisdreieck Nordbad „von der Ordnung her“ ein Angebot abgegeben habe; er habe aber nicht damit gerechnet, den Zuschlag zu bekommen, weil er unwirtschaftlich angeboten habe (vgl. S. 14 d. Protokolls vom 10. Mai 2017 = Bl. 427 d. A.).
Da das Angebot der Beklagten in Höhe von netto 1.151.439,24 € nur geringfügig (rund 4,7%) günstiger als das der v. K. GmbH in Höhe von netto 1.208.963,25 € gewesen ist, besteht eine deutlich überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass auch das Angebot der Beklagten noch über den Angebotspreisen gelegen hat, die ohne das Kartell und dessen preissteigernde Wirkung von der v. K. GmbH und den beiden weiteren an der Ausschreibung teilnehmenden Mitkartellanten abgegeben worden wären. In diesem Falle hätte die Klägerin aber nicht der Beklagten, sondern demjenigen Anbieter den Zuschlag erteilt, der das günstigste Angebot abgegeben hätte. Es besteht im Streitfall daher eine deutlich überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass die Angebote der v. K. GmbH und der weiteren Kartellanten - das Kartell hinweggedacht - jedenfalls unter 1.151.439,24 € gelegen hätten und der Angebotspreis der Beklagten, zu dem sie den Zuschlag erhalten hat, höher gewesen ist als der insoweit maßgebliche hypothetische Wettbewerbspreis. Nach rund zehnjähriger Dauer des Kartells erscheint ein kartellbedingter Preisaufschlag von mehr als 5% bei den Angeboten der an der Absprache im Januar 2011 beteiligten Kartellanten überwiegend wahrscheinlich.
b) Im Übrigen hat sich die Beklagte nach den Angaben ihres Prokuristen B., der der Klägerin am 15. Februar 2011 den 2%igen Rabatt gewährt (vgl. Anlage K 36) und insoweit als Vorgesetzter des Zeugen L. bei der Angebotsabgabe für den Beschaffungsvorgang Gleisdreieck Nordbad mitgewirkt hat, bis ins Jahr 2009 an Absprachen mit Mitbewerbern im Bereich Weichen für Projekte in München beteiligt (vgl. S. 17 d. Protokolls vom 10. Mai 2017 = Bl. 4d. A.). Unabhängig davon, ob die Beklagte vom Zeugen N. telefonisch in die Absprache der Zeugen H., K. und N. Anfang 2011 hinsichtlich der Aufteilung der drei anstehenden Münchener Projekten eingebunden worden ist oder gegebenenfalls in anderen Regionen Deutschlands auch noch in den Jahren 2009 bis 2011 an Kartellabsprachen mitgewirkt hat, hat sie als Kartellbeteiligte von den auf dem Privatmarkt im Bereich Weichen erzielbaren Preisen und den vorangegangenen Preisabsprachen Kenntnis gehabt. Zumindest von 2001 bis 2008 haben die Sitzungen des sog. Arbeitskreises Marketing innerhalb des Fachverbandes Weichenbau bzw. des VDB den Kartellunternehmen als Plattform für ihre regelmäßigen Projekt- und Preisabsprachen bei Weichen gedient. Auch nach Auflösung des Fachverbandes Weichenbau im Jahr 2006 haben weiterhin Preisabsprachen stattgefunden (Anlage K 35, S. 21). Zudem hatte die Beklagte im Rahmen der Auftragserteilungen vom 19. März 2002, 28. Januar 2003, 11. Juni 2003, 4. Oktober 2005 und 23. Januar 2007 unmittelbaren Einblick in die - kartellbedingte - Preisentwicklung im Bereich Weichen.
Auch wenn der Zeuge L. - wie von ihm in seiner Vernehmung angegeben - vom Bestehen eines Kartells bis Mai 2011 keine Kenntnis gehabt haben sollte, obwohl er im Jahr 2010 an einem einschlägigen Treffen mit Vertretern der Nebenintervenientin zu 3) sowie der weiteren Kartellbeteiligten v. K. GmbH, SH. GmbH und F. GmbH, bei dem über die Aufteilung des Projekt Gleiserneuerung Straßenbahnbetriebshof (2) E.str. 148 der Klägerin gesprochen worden ist, teilgenommen hat, ist es überwiegend wahrscheinlich, dass er sich bei der Kalkulation des Angebotspreises für das Projekt Gleisdreieck Nordbad an bekannten Preisen aus vorangegangenen Beschaffungsvorgängen orientiert hat.
Vor dem streitgegenständlichen Beschaffungsvorgang Gleisdreieck Nordbad hat die Beklagte zuletzt im Jahr 2010 an einer Ausschreibung der Klägerin für 50 Weichen teilgenommen und ein Angebot abgegeben. Dabei hat es sich um das Projekt Gleiserneuerung Straßenbahnbetriebshof (2) E.str. 148 gehandelt. An der öffentlichen Ausschreibung haben sich neben der Beklagten die Nebenintervenientin zu 3) und die Kartellbeteiligten v. K. GmbH, SH. GmbH und H. GmbH beteiligt. Den Zuschlag hat die SH. GmbH mit dem günstigsten Angebot erhalten (vgl. Anlagen K 39, K 40). Auch wenn der Zeuge L. im Rahmen seiner Vernehmung angegeben hat, dass er nicht mehr wisse, ob er für diesen Beschaffungsvorgang ein Angebot abgegeben hat - gemäß dem Angebot der Beklagten vom 2. August 2010 ist er Sachbearbeiter der Beklagten gewesen und hat das Angebot auch unterschrieben (vgl. Anlage K 39) -, ist davon auszugehen, dass er sich im Februar 2011 bei Erstellung des Angebots für das Projekt Gleisdreieck Nordbad an den Angebotspreisen der Beklagten aus den vorangegangenen Beschaffungsvorgängen R1.platz (2007) und Gleiserneuerung Straßenbahnbetriebshof (2) E.str. 148 (August 2010) orientiert hat. Im Übrigen sind jedenfalls dem Prokuristen B. die von den kartellrechtswidrigen Absprachen beeinflussten Angebotspreise der Beklagten und ihrer Mitkartellanten aus früheren Beschaffungsvorgängen bekannt gewesen.
3. Die Beklagte haftet auch für den kartellbedingt eingetretenen Schaden der Klägerin.
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts sei die Beklagte an der Absprache, die die Zeugen H., K. und N. im Januar 2011 in einer Münchener Gaststätte getroffen haben, um die von der Klägerin ausgeschriebenen Projekte unter sich aufzuteilen (s. o. II. 1. c)), nicht - auch nicht telefonisch - beteiligt gewesen. Der Zeuge L. habe glaubhaft ausgesagt, dass er bei der Absprache nicht dabei gewesen sei und auch nicht davon erfahren habe. Seine widerspruchsfreien Angaben sowie die detaillierte Schilderung seines Vertriebserfolges durch die Platzierung der Technik der Beklagten sprächen für seine Glaubwürdigkeit.
b) Es kann im Streitfall dahin stehen, ob der Zeuge L. telefonisch von der vorangegangenen Absprache der Zeugen H., K. und N. Anfang des Jahres 2011 über die Aufteilung der drei Münchener Projekte informiert worden ist, die Beklagte insoweit an der Absprache mitgewirkt und die F. GmbH durch einen Unterauftrag (Lieferung und Montage von Schienen) als Gegenleistung für die Abgabe eines Schutzangebots beteiligt hat. Es kann insbesondere offen bleiben, ob das Landgericht die hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs Gleisdreieck Nordbad erfolgte Unterbeauftragung der F. GmbH unter Berücksichtigung der vom Bundeskartellamt festgestellten Funktionsweise des Kartells hinreichend gewürdigt hat und ob insoweit konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten.
c) Denn aufgrund der vorangegangenen langjährigen Kartellbeteiligung kommt es auf die konkrete Mitwirkung der Beklagten an der streitgegenständlichen Absprache zwischen den Zeugen H., K. und N. im Januar 2011 nicht an. Die Beklagte ist nach den Angaben ihres Prokuristen B. zumindest bis ins Jahr 2009 an den wettbewerbsbeschränkenden Absprachen im Bereich Weichen beteiligt gewesen und hat dadurch an der preissteigernden Wirkung des Kartells jedenfalls seit dem Jahr 2002 über einen Zeitraum von mindestens sieben Jahren maßgeblich mitgewirkt.
Die Haftung eines Mitkartellanten nach § 33 Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 i. V. m. § 1 GWB 2005 für einen Kartellverstoß setzt nicht zwingend voraus, dass die einzelnen Beschaffungsvorgänge Gegenstand (neuerlicher) ausdrücklicher Absprachen unter direkter Beteiligung des in Anspruch genommenen Mitkartellanten gewesen sind (vgl. (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 9. November 2016 - 6 U 204/15 Kart (2) -, juris Tz. 64 - Grauzementkartell; Senat, Urteil vom 8. März 2018 - U 3497/16 Kart -, juris Tz. 191 - Kartell der Schienenfreunde). Haftet ein Kartellant aufgrund von Nachwirkungen des Kartells selbst für Schäden aus Beschaffungsvorgängen, die im Zeitraum nach der Beendigung des Kartells stattgefunden haben (vgl. BGH a.a.O., Tz. 36 - Grauzementkartell II), so ist erst recht von einer Haftung des Kartellanten für Schäden aus Beschaffungsvorgängen vor Auflösung des Kartells auszugehen, ohne dass es auf die konkrete Mitwirkung des Kartellanten an einer Einzelabsprache ankommt. Hierfür spricht maßgeblich der unionsrechtliche Effektivitätsgrundsatz. Danach kann jedermann Ersatz des ihm entstandenen Schadens verlangen, wenn zwischen dem Schaden und einem nach Art. 101 AEUV verbotenen Kartell oder Verhalten ein ursächlicher Zusammenhang besteht (vgl. BGH a.a.O., Tz. 34 - ORWI m. w. N.). Ein solcher ursächlicher Zusammenhang besteht im Streitfall, da die Beklagte durch ihre langjährige Beteiligung an den Kundenschutz- und Preisabsprachen im Bereich Weichen jedenfalls bis ins Jahr 2009 die preissteigernde Wirkung des Kartells und dadurch einen Schaden der Klägerin hinsichtlich der streitgegenständlichen Weichenlieferung für das Projekt Gleisdreieck Nordbad im Jahr 2011 zumindest mitverursacht hat. Auf die Mitwirkung der Beklagten an der Absprache Anfang 2011 kommt es auch wegen der vom Bundeskartellamt festgestellten und von der Beklagten nicht ausdrücklich bestrittenen Funktionsweise des Kartells nicht an; denn aufgrund der etablierten Spielregeln hat es häufig keiner ausdrücklichen Einzelfallabsprache bezogen auf ein konkretes Projekt bedurft, weil den Beteiligten ohnehin klar gewesen ist, welches Unternehmen zum Zuge kommen sollte (Anlage K 35, S. 19).
d) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Vortrag der Klägerin im Berufungsverfahren, es komme auf eine konkrete Kartellbetroffenheit des Beschaffungsvorgangs Gleisdreieck Nordbad bzw. eine Mitwirkung der Beklagten an der Absprache zwischen den Zeugen H., K. und N. aufgrund der generell preissteigernden Wirkung des Kartells nicht an, nicht als neues Angriffsmittel i. S. d. § 531 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Soweit die Klägerin der Meinung ist, dass es auf eine konkrete Kartellbetroffenheit gar nicht ankomme, handelt es sich schon nicht um ein Angriffsmittel, sondern um eine Rechtsauffassung. Auch beim Vortrag zur generell preissteigernden Wirkung des Kartells handelt es sich nicht um eine neues Angriffsmittel i. S. d. § 531 Abs. 2 ZPO. Die Klägerin hat bereits in der Klageschrift vorgetragen, dass die unter Beteiligung der Beklagten getroffenen Absprachen im Kartellzeitraum zu einer Erhöhung der Einkaufspreise für Oberbaumaterialien geführt hätten und dieser Effekt hinsichtlich aller streitgegenständlicher Beschaffungsvorgänge eingetreten sei. Ohne die Absprachen hätte sie die streitgegenständlichen Oberbaumaterialien zu erheblich günstigeren Preisen bei der Beklagten bezogen (S. 34 = Bl. 45 d. A.). Soweit die Klägerin erstmals im Berufungsverfahren das Vorliegen eines Preisschirmeffektes in Bezug auf Kartellaußenseiter behauptet hat, ist dieser Vortrag nicht entscheidungserheblich. Die Beklagte ist als langjährige Kartellbeteiligte gerade keine Kartellaußenseiterin.
3. Die Beklagte hat durch ihre Teilnahme an den kartellrechtswidrigen Absprachen zwischen 2002 und 2009 im Bereich Weichen vorsätzlich gehandelt. Ihrem Prokuristen B. ist auch bekannt gewesen, dass das Kartell noch zu Beginn des Jahres 2011 fortbestanden hat (vgl. S. 17 d. Protokolls vom 10. Mai 2017 = Bl. 430 d. A.).
4. Im Streitfall liegt auch kein anspruchsminderndes Mitverschulden der Klägerin aufgrund ihres Vergabeverhaltens gemäß § 254 BGB vor (s. o. I. 2. f)). Selbst wenn die Beklagte durch die Übernahme von Formulierungen der Beklagten im Leistungsverzeichnis vergaberechtswidrig gehandelt haben sollte, führt dies nicht dazu, dass die Klägerin von den (vorangegangenen) Kundenschutzabsprachen zwischen der Beklagten und ihren Mitkartellanten im Bereich Weichen sowie der kartellbedingten Preiserhöhung Kenntnis hatte oder hätte haben müssen. Insofern ist nicht ersichtlich, wie ein Verschulden der Klägerin an der Schadensentstehung mitgewirkt haben sollte.
5. Der Rechtsstreit war hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs Gleisdreieck Nordbad, für den die Klägerin der Beklagten am 25. Februar 2011 den Zuschlag erteilt hat, zur Entscheidung über die Höhe des Schadensersatzanspruchs unter Aufhebung des Verfahrens gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO an das Landgericht München I zurückzuverweisen (vgl. Heßler in: Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 538 Rn. 44). Die Klägerin hat die Zurückverweisung beantragt. Dabei hat der Senat im Rahmen der Ermessensausübung insbesondere berücksichtigt, dass die Beschaffungsvorgänge, für die die Klägerin der Beklagten am 19. März 2002, 28. Januar 2003, 11. Juni 2003 und 4. Oktober 2005 den Zuschlag erteilt hat, nicht in die Berufungsinstanz gelangt sind und das Landgericht insoweit ohnehin über die Höhe des Schadensersatzanspruchs verhandeln muss. Auch soweit die Berufung der Beklagten hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs R1.platz, für den die Klägerin der Beklagten am 23. Januar 2007 den Zuschlag erteilt hat, zurückgewiesen worden ist, bleibt das Betragsverfahren beim Landgericht anhängig. Es erscheint daher aus Gründen der Prozessökonomie sachgerecht, dass das Landgericht einheitlich über die Höhe des Schadensersatzanspruchs aller sechs klägerischen Beschaffungsvorgänge verhandelt.
III.
Der nach der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eingereichte nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 20. Juni 2018 bot keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen (§ 156 ZPO).
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1, § 101 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache erfordert, wie die Ausführungen unter B. zeigen, lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall.