R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
Wirtschaftsrecht
21.11.2019
Wirtschaftsrecht
EuGH: Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten – Statusänderung – Verschmelzung durch Aufnahme eines Instituts in die einem anderen Mitgliedstaat zugehörige Muttergesellschaft

EuGH, Urteil vom 14.11.2019 – C‑255/18, State Street Bank International GmbH gegen Banca d’Italia

ECLI:EU:C:2019:967

Volltext: BB-ONLINE BBL2019-2817-1

Tenor

1. Der Begriff der Statusänderung im Sinne von Art. 12 Abs. 2 der Delegierten Verordnung (EU) 2015/63 der Kommission vom 21. Oktober 2014 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf im Voraus erhobene Beiträge zu Abwicklungsfinanzierungsmechanismen ist dahin auszulegen, dass er einen Vorgang wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, durch den die Aufsicht einer nationalen Abwicklungsbehörde über ein Institut infolge einer grenzüberschreitenden Fusion durch Aufnahme in dessen Muttergesellschaft im Laufe des Jahres endet, umfasst, so dass dieser Vorgang die Pflicht dieses Instituts zur Entrichtung der gesamten für das fragliche Beitragsjahr fälligen ordentlichen Beiträge unberührt lässt.

2. Art. 12 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2015/63 ist dahin auszulegen, dass er auf eine Situation anwendbar ist, in der die grenzüberschreitende Fusion durch Aufnahme eines in einem Mitgliedstaat ansässigen Instituts in dessen in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Muttergesellschaft und der damit einhergehende Untergang dieses aufgenommenen Instituts im Jahr 2015 erfolgten, als weder die nationale Abwicklungsbehörde noch der nationale Fonds von dem ersten Mitgliedstaat formell eingerichtet und die Beiträge noch nicht berechnet waren.

3. Art. 104 der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates ist dahin auszulegen, dass ein in einem Mitgliedstaat ansässiges Institut, das mit einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Muttergesellschaft durch Aufnahme fusioniert wurde, bevor die nationale Abwicklungsbehörde des ersten Mitgliedstaats einen außerordentlichen Beitrag eingeführt hat, nicht zur Zahlung dieses Beitrags verpflichtet ist.

Aus den Gründen

1          Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2014, L 173, S. 190) und der Delegierten Verordnung (EU) 2015/63 der Kommission vom 21. Oktober 2014 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf im Voraus erhobene Beiträge zu Abwicklungsfinanzierungsmechanismen (ABl. 2015, L 11, S. 44).

2          Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der State Street Bank International GmbH (im Folgenden: SSBI) und der Banca d'Italia über die Zahlung von Beiträgen zum nationalen Abwicklungsfonds in Italien.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 2014/59

3          In den Erwägungsgründen 103 bis 105 der Richtlinie 2014/59 heißt es:

„(103) … Unbeschadet der Rolle der Zentralbanken, die dem Finanzsystem selbst in angespannten Zeiten Liquidität zur Verfügung stellen, ist es wichtig, dass die Mitgliedstaaten Finanzierungsmechanismen einrichten, mit denen verhindert wird, dass die erforderlichen Mittel aus den nationalen Haushalten finanziert werden. Vielmehr sollte die gesamte Finanzbranche die Stabilisierung des Finanzsystems finanzieren.

(104) Grundsätzlich sollten Mitgliedstaaten ihre nationalen Finanzierungsmechanismen im Wege eines unter der Kontrolle von Abwicklungsbehörden stehenden Fonds einrichten, der für die in dieser Richtlinie dargelegten Zwecke zu verwenden ist. …

(105) Grundsätzlich sollten die Beiträge von der Branche erhoben werden, und zwar vor der Einleitung einer Abwicklungsmaßnahme und unabhängig davon. Sollte die Vorfinanzierung zur Deckung der Verluste oder Kosten, die sich aus dem Rückgriff auf die Finanzierungsmechanismen ergeben, nicht ausreichen, müssen zusätzliche Beiträge zur Deckung dieser zusätzlichen Kosten oder Verluste erhoben werden.“

4          In Art. 100 Abs. 1, 4 und 5 der Richtlinie heißt es:

„(1) Die Mitgliedstaaten schaffen einen oder mehrere Finanzierungsmechanismen, durch die für eine effektive Anwendung der Abwicklungsinstrumente und ‑befugnisse durch die Abwicklungsbehörde gesorgt wird.

(4) Für die Zwecke des Absatzes 3 müssen Finanzierungsmechanismen insbesondere über folgende Befugnisse verfügen:

a) die Befugnis, im Voraus Beiträge gemäß Artikel 103 zu erheben, um die Zielausstattung gemäß Artikel 102 zu erreichen;

b) die Befugnis, nachträglich außerordentliche Beiträge gemäß Artikel 104 zu erheben, wenn die unter Buchstabe a genannten Beiträge nicht ausreichen, und

c) die Befugnis, Kreditvereinbarungen zu schließen und andere Formen der Unterstützung gemäß Artikel 105 zu vereinbaren.

(5) Außer in den nach Absatz 6 entsprechend zulässigen Fällen richtet jeder Mitgliedstaat seinen nationalen Finanzierungsmechanismus im Wege eines Fonds ein, dessen Inanspruchnahme für die in Artikel 101 Absatz 1 dargelegten Zwecke durch seine Abwicklungsbehörde ausgelöst werden kann.“

5          Art. 102 Abs. 1 der Richtlinie lautet:

„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die im Rahmen ihrer Finanzierungsmechanismen verfügbaren Mittel bis zum 31. Dezember 2024 mindestens 1 % der gedeckten Einlagen aller in ihrem Hoheitsgebiet zugelassenen Institute entsprechen. Die Mitgliedstaaten können eine über diesen Betrag hinausgehende Zielausstattung festsetzen.“

6          Art. 103 („Im Voraus erhobene Beiträge“) der Richtlinie 2014/59 bestimmt:

„(1) Um die in Artikel 102 genannte Zielausstattung zu erreichen, stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die Beiträge mindestens jährlich bei den in ihrem Hoheitsgebiet zugelassenen Instituten sowie Unionszweigstellen erhoben werden.

(4) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Verpflichtung, die in diesem Artikel vorgesehenen Beiträge zu entrichten, nach nationalem Recht durchsetzbar ist und dass die fälligen Beiträge in vollem Umfang gezahlt werden.

Die Mitgliedstaaten sehen geeignete Registrierungs‑, Rechnungslegungs- und Berichtspflichten sowie sonstige Verpflichtungen vor, um sicherzustellen, dass fällige Beiträge in vollem Umfang entrichtet werden. Die Mitgliedstaaten führen ferner Maßnahmen ein, die sicherstellen, dass die ordnungsgemäße Abführung der Beiträge in angemessener Form überprüft wird. …

(5) Die gemäß diesem Artikel erhobenen Beiträge werden ausschließlich für die in Artikel 101 Absatz 1 genannten Zwecke verwendet.

(7) Der Kommission wird die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte im Einklang mit Artikel 115 zu erlassen, in denen das Konzept der Beitragsanpassung entsprechend dem Risikoprofil von Instituten gemäß Absatz 2 dieses Artikels unter Berücksichtigung aller folgenden Aspekte festgelegt wird:

(8) Der Kommission wird die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte im Einklang mit Artikel 115 zu erlassen …

…“

7          In Art. 104 der Richtlinie heißt es:

„(1) Reichen die verfügbaren Finanzmittel nicht aus, um Verluste, Kosten und sonstige Aufwendungen im Zusammenhang mit der Nutzung der Finanzierungsmechanismen zu decken, stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass von den in ihrem Hoheitsgebiet zugelassenen Instituten außerordentliche nachträglich erhobene Beiträge erhoben werden, um die zusätzlichen Aufwendungen zu decken. Die Berechnung der Höhe der auf die einzelnen Institute entfallenden außerordentlichen nachträglich erhobenen Beiträge erfolgt gemäß den in Artikel 103 Absatz 2 festgelegten Regeln.

(2) Für die gemäß diesem Artikel erhobenen Beiträge gilt Artikel 103 Absätze 4 bis 8.

…“

8          Art. 130 Abs. 1 der Richtlinie bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten erlassen und veröffentlichen bis zum 31. Dezember 2014 die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um dieser Richtlinie nachzukommen. Sie teilen der Kommission unverzüglich den Wortlaut dieser Vorschriften mit.

Die Mitgliedstaaten wenden diese Vorschriften ab 1. Januar 2015 an.

…“

Delegierte Verordnung 2015/63

9          Art. 4 der Delegierten Verordnung lautet:

„(1) Die Abwicklungsbehörden setzen den von den einzelnen Instituten zu zahlenden jährlichen Beitrag entsprechend deren Risikoprofil fest; dies geschieht auf der Grundlage der vom jeweiligen Institut gemäß Artikel 14 beigebrachten Informationen und unter Anwendung der in diesem Abschnitt dargelegten Methodik.

(2) Die Abwicklungsbehörde setzt den jährlichen Beitrag gemäß Absatz 1 auf der Grundlage der jährlichen Zielausstattung des Abwicklungsfinanzierungsmechanismus und unter Berücksichtigung der gemäß Artikel 102 Absatz 1 der Richtlinie 2014/59/EU bis zum 31. Dezember 2024 zu erreichenden Zielausstattung sowie auf der Grundlage des auf Quartalsbasis berechneten durchschnittlichen Betrags der im vorangegangenen Jahr gedeckten Einlagen aller in ihrem Zuständigkeitsbereich zugelassenen Institute fest.“

10        Art. 12 („Neu beaufsichtigte Institute und Statusänderungen“) der Verordnung sieht vor:

„(1) Wird ein Institut neu und nur für einen Teil eines Beitragszeitraums unter Aufsicht gestellt, wird der anteilige Beitrag durch Anwendung der in Abschnitt 3 dargelegten Methodik auf den im folgenden Beitragszeitraum berechneten Jahresbeitrag ermittelt, und zwar entsprechend der Zahl der vollen Monate des Beitragszeitraums, in denen das Institut der Beaufsichtigung unterliegt.

(2) Eine Statusänderung eines Instituts, einschließlich kleiner Institute, während des Beitragszeitraums wirkt sich nicht auf die Höhe des im betreffenden Jahr zu zahlenden jährlichen Beitrags aus.“

11        Art. 14 Abs. 1 der Verordnung bestimmt:

„(1) Gemäß Artikel 32 der Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates [vom 26. Juni 2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates (ABl. 2013, L 182, S. 19)] legen die Institute der Abwicklungsbehörde bis spätestens 31. Dezember des dem Beitragszeitraum vorangehenden Jahres den letzten gebilligten Jahresabschluss zusammen mit dem Bericht des Abschlussprüfers oder der Prüfungsgesellschaft vor.“

12        Art. 20 Abs. 1 bis 4 der Delegierten Verordnung 2015/63 bestimmt:

„(1) … Hinsichtlich der im Jahr 2015 zu entrichtenden Beiträge teilen die Abwicklungsbehörden den einzelnen Instituten abweichend von Artikel 13 Absatz 1 ihre Entscheidung über die Festsetzung des von ihnen zu zahlenden jährlichen Beitrags bis spätestens 30. November 2015 mit.

(2) Hinsichtlich der im Jahr 2015 zu entrichtenden Beiträge ist der laut Entscheidung gemäß Artikel 13 Absatz 3 geschuldete Betrag abweichend von Artikel 13 Absatz 4 bis zum 31. Dezember 2015 zu zahlen.

(3) Abweichend von Artikel 14 Absatz 4 sind die der Abwicklungsbehörde gemäß dem genannten Absatz im Jahr 2015 vorzulegenden Informationen bis spätestens 1. September 2015 zu übermitteln.

(4) Abweichend von Artikel 16 Absatz 1 teilen die Einlagensicherungssysteme der Abwicklungsbehörde bis zum 1. September 2015 die Informationen zur Höhe der gedeckten Einlagen per 31. Juli 2015 mit.“

13        Nach Art. 21 der Verordnung gilt diese ab dem 1. Januar 2015.

Italienisches Recht

14        Art. 78 des gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 180/2015 vom 16. November 2015 zur Umsetzung der Richtlinie 2014/59 in das nationale Recht (GURI Nr. 267 vom 16. November 2015) bestimmt:

„Zur Verwirklichung der Abwicklungsziele … werden bei der Banca d’Italia ein oder mehrere Abwicklungsfonds eingerichtet. …“

15        Art. 81 des Dekrets sieht vor:

„(1) Bis 31. Dezember 2024 beträgt die Gesamtmittelausstattung der Abwicklungsfonds 1 % der gedeckten Einlagen, die sich am Stichtag des letzten Jahresabschlusses der beitragspflichtigen Institute ergeben, der von ihnen genehmigt wurde. …

(2) Damit die in Abs. 1 genannte Höhe erreicht wird, werden die Beiträge im Einklang mit Art. 82 auf Jahresbasis zeitlich so gleichmäßig wie möglich berechnet und eingezogen, wobei auch die prozyklischen Auswirkungen zu berücksichtigen sind, die ihre Zahlung auf die Finanzlage der beitragspflichtigen Institute haben kann.“

16        Art. 82 Abs. 1 des Dekrets lautet:

„Banken mit satzungsmäßigem Sitz in Italien und italienische Zweigstellen von Banken aus Drittstaaten zahlen an die Abwicklungsfonds ordentliche Beiträge auf Jahresbasis in Höhe des Betrags, den die Banca d’Italia in Einklang mit den Vorgaben der Europäischen Kommission gemäß Art. 103 Abs. 7 der Richtlinie [2014/59] bestimmt.“

17        Art. 83 Abs. 1 des Dekrets sieht vor:

„Reicht die Mittelausstattung nicht aus, um die Maßnahmen nach Art. 79 Abs. 1 zu bestreiten, zahlen Banken mit satzungsmäßigem Sitz in Italien und italienische Zweigstellen von Banken aus Drittstaaten an die Abwicklungsfonds außerordentliche Beiträge zur Deckung der zusätzlichen Lasten in der von der Banca d’Italia bestimmten Höhe.“

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

18        Die SSBI ist eine Bank mit satzungsmäßigem Sitz in Deutschland.

19        Bis zum 5. Juli 2015 war sie über die State Street Bank SpA (im Folgenden: SSB Italia) in Italien tätig.

20        Ab dem 6. Juli 2015 – nach einer Fusion durch Aufnahme – führte SSBI, die SSB Italia aufgenommen hatte, ihre Tätigkeit in Italien über eine Zweigstelle fort.

21        In den Jahren 2015 und 2016 verlangte die Banca d'Italia als Abwicklungsbehörde von SSBI die Zahlung im Voraus erhobener Beiträge (im Folgenden: ordentliche Beiträge) und außerordentlicher nachträglich erhobener Beiträge (im Folgenden: außerordentliche Beiträge) für das Jahr 2015. Im Einzelnen forderte sie mit Schreiben vom 23. und 26. November 2015 sowie vom 1. April und 25. Mai 2016 von SSBI 1 275 606 Euro an ordentlichen Beiträgen bzw. 3 826 819 Euro an außerordentlichen Beiträgen.

22        SSBI hat beim vorlegenden Gericht eine Klage auf Aufhebung dieser Rechtsakte erhoben, mit der sie sich sowohl gegen die Zahlung des ordentlichen Beitrags als auch gegen die Zahlung des außerordentlichen Beitrags wendet.

23        Sie hat ihre Klage auf mehrere Gründe gestützt und macht insbesondere geltend, dass sie zu dem Zeitpunkt, als diese Beiträge von ihr gefordert worden seien, in Italien nur über eine Zweigstelle tätig gewesen sei. Sie sei daher nicht in Italien, sondern in Deutschland beitragspflichtig gewesen.

24        Außerdem seien die Einrichtung eines unabhängigen Organs, durch das die Banca d'Italia ihre Rolle als Abwicklungsbehörde ausübe, am 22. September 2015 und die Errichtung des italienischen Abwicklungsfonds am 18. November 2015 – also nach der Fusion durch Aufnahme – erfolgt, so dass ihr keine Beitragspflicht hätte auferlegt werden dürfen.

25        Auch aus Art. 12 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2015/63 ergebe sich keine Beitragspflicht zum italienischen Abwicklungsfonds. Zudem stützten die Bestimmungen des Art. 20 Abs. 4 der Verordnung ihre Ansicht, dass die Abwicklungsbehörde nicht die Situation der SSBI zum 31. Dezember 2014, sondern die zum 31. Juli 2015 als Referenzgrundlage nehmen müsse.

26        Folglich sei die Delegierte Verordnung 2015/63 im Zeitraum vom 1. Januar bis zum 5. Juli 2015 auf sie nicht anwendbar, was dazu führe, dass für sie keine Beitragspflicht bestehe.

27        Hilfsweise hat SSBI beantragt, dass sie nur die ordentlichen Beiträge zu leisten habe, die dem Zeitraum entsprächen, in dem SSB Italia in Italien tätig gewesen sei.

28        Die Banca d'Italia hat das Vorbringen von SSBI zurückgewiesen und deren Beitragspflicht bekräftigt. Sie hat insbesondere vorgetragen, dass die deutsche Abwicklungsbehörde die Fusion durch Aufnahme von SSB Italia nicht habe berücksichtigen können und das Nichtbestehen einer Beitragspflicht in Italien entgegen dem Vorbringen von SSBI dazu geführt hätte, dass SSBI weder in Italien noch in Deutschland beitragspflichtig gewesen wäre.

29        Im vorliegenden Fall sei daher Art. 12 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2015/63 anwendbar, da die Beitragspflicht zum italienischen Abwicklungsfonds alle Banken mit satzungsmäßigem Sitz in Italien und darüber hinaus alle Zweigstellen von zu diesem Zeitpunkt außerhalb der Europäischen Union ansässigen Banken treffe.

30        Unter diesen Umständen hat das Tribunale amministrativo regionale per il Lazio (Regionales Verwaltungsgericht Latium, Italien) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Gehört zu den „Statusänderungen“, die sich nach Art. 12 der Delegierten Verordnung nicht auf die Beitragspflicht auswirken, auch die im Beitragszeitraum erfolgte Fusion durch Aufnahme eines zuvor unter die Aufsicht einer nationalen Abwicklungsbehörde gestellten Instituts in die einem anderen Mitgliedstaat zugehörige Muttergesellschaft, und gilt diese Regel auch in dem Fall, dass die Fusion und der damit einhergehende Untergang des Instituts im Jahr 2015 erfolgten, d. h. zu einem Zeitpunkt, als die nationale Abwicklungsbehörde und der nationale Fonds von dem Mitgliedstaat noch nicht formell eingerichtet und die Beiträge noch nicht berechnet waren?

2. Ist Art. 12 der Delegierten Verordnung in Verbindung mit deren Art. 14 und den Art. 103 und 104 der Richtlinie 2014/59 dahin auszulegen, dass ein Institut auch im Fall einer im Lauf des Beitragsjahrs erfolgten Fusion durch Aufnahme in eine Muttergesellschaft aus einem anderen Mitgliedstaat zur vollständigen Zahlung des Beitrags für das Jahr verpflichtet ist und nicht – in analoger Anwendung der Vorschrift in Art. 12 Abs. 1 der Delegierten Verordnung für „neu unter Aufsicht gestellte“ Institute – anteilig für die Monate, in denen das Institut selbst unter die Aufsicht der Abwicklungsbehörde des ersten Mitgliedstaats gestellt war?

3. Gelten entsprechend der Richtlinie 2014/59, der Delegierten Verordnung und der das System der Instrumente zur Bewältigung von Bankenkrisen regelnden Grundsätze dieselben für den ordentlichen Beitrag aufgestellten Regeln und insbesondere Art. 12 Abs. 2 der Delegierten Verordnung in Bezug auf den Zeitpunkt der Ermittlung der beitragspflichtigen Institute und auf die Beitragshöhe auch für den außerordentlichen Beitrag, wenn man seine Natur und die für seine Erhebung vorgeschriebenen Voraussetzungen bedenkt?

Zu den Vorlagefragen

Zum ersten Teil der ersten Frage und zur zweiten Frage

31        Mit dem ersten Teil der ersten Frage und mit der zweiten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob der Begriff der Statusänderung im Sinne von Art. 12 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2015/63 dahin auszulegen ist, dass er einen Vorgang wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden umfasst, durch den die Aufsicht einer nationalen Abwicklungsbehörde über ein Institut infolge einer grenzüberschreitenden Fusion durch Aufnahme in dessen Muttergesellschaft während des Beitragszeitraums endet, und ob dieser Vorgang folglich die Pflicht eines Instituts zur Entrichtung der gesamten für das fragliche Beitragsjahr fälligen ordentlichen Beiträge unberührt lässt.

32        Insoweit ist zum einen festzustellen, dass nach ständiger Rechtsprechung aus den Anforderungen sowohl der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts als auch des Gleichheitsgrundsatzes folgt, dass die Begriffe einer Vorschrift des Unionsrechts, die für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Tragweite nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten müssen (Urteil vom 11. April 2019, Tarola, C‑483/17, EU:C:2019:309, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33        In Art. 12 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2015/63 wird für die Ermittlung von Sinn und Tragweite des Begriffs der Statusänderung nicht ausdrücklich auf die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten verwiesen. Für die Anwendung der Delegierten Verordnung ist der Begriff daher als autonomer Begriff des Unionsrechts anzusehen, der in allen Mitgliedstaaten einheitlich auszulegen ist.

34        Zum anderen ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs bei der Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts ihr Wortlaut, der Kontext, in den sie sich einfügt, und das mit ihr verfolgte Ziel zu berücksichtigen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Mai 2019, PF [Generalstaatsanwalt von Litauen], C‑509/18, EU:C:2019:457, Rn. 28).

35        Was als Erstes die am Wortlaut orientierte Auslegung des Begriffs der Statusänderung im Sinne von Art. 12 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2015/63 anbelangt, ist festzustellen, dass dieser Begriff – wie aus Nr. 58 der Schlussanträge des Generalanwalts hervorgeht – jede Art von Änderung der rechtlichen oder tatsächlichen Situation eines Instituts erfasst, die Auswirkungen auf die Anwendung von Art. 12 Abs. 2 der Delegierten Verordnung haben kann.

36        Diese Auslegung von Art. 12 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2015/63 wird durch die Wendung „einschließlich kleiner Institute“ bestätigt, die zeigt, dass eine Änderung der Größe eines Instituts, die für die Anwendung der Bestimmungen auf kleine Institute relevant ist, nur eine der von dieser Bestimmung erfassten Situationen darstellt.

37        Als Zweites ist hinsichtlich des Kontexts, in den sich Art. 12 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2015/63 einfügt, darauf hinzuweisen, dass Art. 12 Abs. 1 dieser Verordnung bestimmt, dass neue Institute, die nur für einen Teil des Beitragszeitraums unter Aufsicht gestellt werden, lediglich zeitanteilig ordentliche Beiträge zum Abwicklungsfonds eines Mitgliedstaats zahlen müssen, die anhand der Zahl der vollen Monate des Beitragszeitraums berechnet werden, in denen das Institut der Beaufsichtigung unterliegt.

38        Somit bezieht sich Art. 12 Abs. 2 der Delegierten Verordnung, der bestimmt, dass sich eine Statusänderung eines Instituts nicht auf die Pflicht zur Entrichtung der im betreffenden Jahr zu zahlenden jährlichen ordentlichen Beiträge auswirkt, allgemein auf Änderungen, die ein Institut betreffen können, während Art. 12 Abs. 1 dieser Verordnung die Berechnungsmethode präzisiert, die ausnahmsweise für ein Institut gilt, das nur für einen Teil des Beitragszeitraums unter Aufsicht gestellt wird.

39        Art. 12 Abs. 1 der Delegierten Verordnung 2015/63 ist, da er eine Ausnahme von der allgemeinen Regel des Abs. 2 dieses Artikels einführt, eng auszulegen, so dass eine Auslegung über den einzigen, in dieser Verordnung ausdrücklich vorgesehen Fall hinaus unzulässig ist (vgl. entsprechend Urteile vom 1. Dezember 2011, Painer, C‑145/10, EU:C:2011:798, Rn. 74, und vom 6. Juni 2019, Weil, C‑361/18, EU:C:2019:473, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

40        Folglich ist bei einem Vorgang, der eine Statusänderung im Sinne des Art. 12 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2015/63 darstellt, der Beitrag grundsätzlich nicht gemäß Art. 12 Abs. 1 dieser Verordnung zu berechnen.

41        Als Drittes ergibt sich hinsichtlich des mit der Richtlinie 2014/59 und der Delegierten Verordnung 2015/63 verfolgten Zieles aus Art. 102 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 der Richtlinie sowie aus Art. 4 Abs. 2 der Delegierten Verordnung, dass die jährliche Erhebung der ordentlichen Beiträge eingeführt wurde, um sicherzustellen, dass die im Rahmen der Finanzierungsmechanismen der Mitgliedstaaten verfügbaren Mittel bis zum 31. Dezember 2024 mindestens 1 % der gedeckten Einlagen aller in ihrem Hoheitsgebiet zugelassenen Institute entsprechen.

42        Um dieses Ziel zu erreichen, schreiben Art. 4 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 bis 3 der Delegierten Verordnung 2015/63 der nationalen Abwicklungsbehörde vor, die geschuldeten Beiträge anhand der Rechnungslegungsdaten im letzten, zum 31. Dezember des dem Beitragszeitraum vorangehenden Jahres vorliegenden gebilligten und beglaubigten Jahresabschluss, dem der Bericht des Abschlussprüfers oder der Prüfungsgesellschaft beizufügen ist, festzusetzen.

43        Wie der Generalanwalt in Nr. 72 seiner Schlussanträge dargelegt hat, wären die Abwicklungsbehörden, wenn sie etwaigen während des betreffenden Rechnungsjahrs erfolgten Änderungen der rechtlichen und finanziellen Situation der Institute Rechnung tragen müssten, kaum in der Lage, die im Folgejahr geschuldeten ordentlichen Beiträge zuverlässig zu berechnen und damit das Ziel zu verfolgen, bis zum 31. Dezember 2024 mindestens 1 % der gedeckten Einlagen aller im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats zugelassenen Institute zu erreichen.

44        Damit die nationalen Abwicklungsbehörden die Beiträge berechnen und somit das mit der Richtlinie 2014/59 und der Delegierten Verordnung 2015/63 verfolgte Ziel erreichen können, ist der in Art. 12 Abs. 2 der Delegierten Verordnung vorgesehene Begriff der Statusänderung daher weit auszulegen, so dass er u. a. eine im Beitragszeitraum stattfindende grenzüberschreitende Fusion durch Aufnahme erfasst.

45        Diese Auslegung von Art. 12 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2015/63 wird auch durch das Ziel der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2014 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Abwicklungsfonds sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 (ABl. 2014 L 225, S. 1) bestätigt, deren Umsetzung die Richtlinie 2014/59 und die Delegierte Verordnung auch vorbereiten sollen.

46        Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die in der Richtlinie und der Delegierten Verordnung vorgesehene Einrichtung nationaler Abwicklungsfonds im Jahr 2015 mit der Einrichtung eines einheitlichen Abwicklungsfonds unter den der Bankenunion angehörenden Mitgliedstaaten im Jahr 2016 auf der Grundlage der Verordnung Nr. 806/2014 verbunden wurde, um die nationalen Abwicklungsfonds schrittweise zu ersetzen. Das zwischenstaatliche Übereinkommen, in dem die Einrichtung des einheitlichen Abwicklungsfonds näher geregelt ist, sieht in Art. 3 Abs. 3 und 5 vor, dass auch Beiträge, die gemäß den Art. 103 und 104 der Richtlinie 2014/59 vor dem Beginn der Anwendung dieses Übereinkommens, d. h. dem 1. Januar 2016, erhoben wurden, auf den einheitlichen Abwicklungsfonds übertragen werden müssen.

47        Demzufolge kann sich der Begriff der Statusänderung nicht auf Änderungen eines Instituts in einem Mitgliedstaat beschränken und mehrere Mitgliedstaaten betreffende Änderungen wie beispielsweise grenzüberschreitende Fusionen durch Aufnahme ausschließen. Aus demselben Grund ist das Vorbringen, dass dem aufgenommenen Institut der Abwicklungsfonds des Mitgliedstaats, an den es ordentliche Beiträge entrichtet habe, nicht zugutekommen könne, zurückzuweisen.

48        Nach alledem ist auf den ersten Teil der ersten Frage und auf die zweite Frage zu antworten, dass der Begriff der Statusänderung im Sinne von Art. 12 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2015/63 dahin auszulegen ist, dass er einen Vorgang wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, durch den die Aufsicht einer nationalen Abwicklungsbehörde über ein Institut infolge einer grenzüberschreitenden Fusion durch Aufnahme in dessen Muttergesellschaft im Laufe des Jahres endet, umfasst, so dass dieser Vorgang die Pflicht dieses Instituts zur Entrichtung der gesamten für das fragliche Beitragsjahr fälligen ordentlichen Beiträge unberührt lässt.

Zum zweiten Teil der ersten Frage

49        Mit dem zweiten Teil der ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 12 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2015/63 dahin auszulegen ist, dass er auf eine Situation anwendbar ist, in der die grenzüberschreitende Fusion durch Aufnahme eines in einem Mitgliedstaat ansässigen Instituts in dessen in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Muttergesellschaft und der damit einhergehende Untergang dieses aufgenommenen Instituts im Jahr 2015 erfolgten, als weder die nationale Abwicklungsbehörde noch der nationale Fonds von dem ersten Mitgliedstaat formell eingerichtet und die Beiträge noch nicht berechnet waren.

50        Zunächst ist festzustellen, dass die Delegierte Verordnung ab dem 1. Januar 2015 in allen ihren Teilen verbindlich war und in allen Mitgliedstaaten unmittelbar galt. Folglich war die Verordnung zum Zeitpunkt der grenzüberschreitenden Fusion durch Aufnahme des betreffenden Instituts in seine Muttergesellschaft in Kraft.

51        Sodann ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 2014/59, die die Mitgliedstaaten in den Art. 101 bis 104 verpflichtet, von nationalen Behörden geführte und durch Erhebung der Beiträge finanzierte nationale Abwicklungsfonds einzurichten, in Art. 130 Abs. 1 vorsieht, dass die Mitgliedstaaten bis zum 31. Dezember 2014 die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen müssen, um dieser Richtlinie nachzukommen, und diese Vorschriften ab dem 1. Januar 2015 anwenden müssen.

52        Nach der Vorlageentscheidung ist die italienische Maßnahme zur Umsetzung dieser Richtlinie in das nationale Recht erst am 16. November 2015 in Kraft getreten, was bedeutet, dass zum Zeitpunkt der grenzüberschreitenden Fusion durch Aufnahme des betreffenden Instituts in seine Muttergesellschaft weder die nationale Abwicklungsbehörde noch der nationale Fonds in Italien formell eingerichtet waren.

53        Allerdings enthält Art. 20 der Delegierten Verordnung 2015/63 Übergangsbestimmungen, um die Fristen für die Erhebung der ordentlichen Beiträge für das erste Beitragsjahr, das Jahr 2015, zu regeln.

54        So heißt es in Art. 20 Abs. 1 der Delegierten Verordnung, dass die nationalen Abwicklungsbehörden hinsichtlich der im Jahr 2015 zu entrichtenden Beiträge den einzelnen Instituten abweichend von Art. 13 Abs. 1 der Delegierten Verordnung ihre Entscheidung über die Festsetzung des von ihnen zu zahlenden jährlichen Beitrags bis spätestens 30. November 2015 mitteilen können.

55        Insoweit führt das vorlegende Gericht aus, dass die Banca d'Italia in ihrer Eigenschaft als italienische nationale Abwicklungsbehörde am 18. November 2015 den nationalen Abwicklungsfonds eingerichtet und am 23. und 26. November 2015 von den Instituten, einschließlich der Klägerin des Ausgangsverfahrens, die Entrichtung der ordentlichen und außerordentlichen Beiträge verlangt hat.

56        Daraus folgt, dass der italienische Staat die Richtlinie 2014/59 zu einem Zeitpunkt in das nationale Recht umgesetzt hat, der es gemäß den Übergangsbestimmungen des Art. 20 der Delegierten Verordnung 2015/63 der Banca d'Italia als nationaler Abwicklungsbehörde ermöglichte, ab dem Jahr 2015 von den Instituten gemäß Art. 102 und Art. 103 Abs. 1 der Richtlinie die Entrichtung der ordentlichen Beiträge zu verlangen.

57        Dass zu dem Zeitpunkt, zu dem die Banca d'Italia die Entrichtung der Beiträge verlangte, das betreffende Institut infolge einer grenzüberschreitenden Fusion durch Aufnahme nicht mehr bestand, ist in diesem Zusammenhang unerheblich, da die nationalen Abwicklungsbehörden – wie in Rn. 42 des vorliegenden Urteils bereits ausgeführt – die geschuldeten ordentlichen Beiträge anhand der Rechnungslegungsdaten im letzten, zum 31. Dezember des dem Beitragszeitraum vorangehenden Jahres vorliegenden gebilligten und beglaubigten Jahresabschluss festsetzen müssen.

58        Nach alledem ist auf den zweiten Teil der ersten Frage zu antworten, dass Art. 12 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2015/63 dahin auszulegen ist, dass er auf eine Situation anwendbar ist, in der die grenzüberschreitende Fusion durch Aufnahme eines in einem Mitgliedstaat ansässigen Instituts in dessen in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Muttergesellschaft und der damit einhergehende Untergang dieses aufgenommenen Instituts im Jahr 2015 erfolgten, als weder die nationale Abwicklungsbehörde noch der nationale Fonds von dem ersten Mitgliedstaat formell eingerichtet und die Beiträge noch nicht berechnet waren.

Zur dritten Frage

59        Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Richtlinie 2014/59 und die Delegierte Verordnung 2015/63 dahin auszulegen sind, dass ein in einem Mitgliedstaat ansässiges Institut, das mit einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Muttergesellschaft durch Aufnahme fusioniert wurde, bevor die nationale Abwicklungsbehörde des ersten Mitgliedstaats einen außerordentlichen Beitrag eingeführt hat, zur Zahlung dieses Beitrags verpflichtet ist.

60        Die Banca d’Italia trägt vor, die Antwort auf diese Frage ergebe sich aus der Delegierten Verordnung 2015/63, insbesondere aus ihrem Art. 12 Abs. 2. Bereits aus der Überschrift der Verordnung geht jedoch hervor, dass diese die im Voraus erhobenen Beiträge, d. h. die jährlichen Beiträge, betrifft. Auch in Art. 12 Abs. 2 dieser Verordnung ist nur vom jährlichen Beitrag die Rede.

61        Die Antwort auf die dritte Frage kann sich daher nur aus der Auslegung von Art. 104 der Richtlinie 2014/59 ergeben, der – wie seine Überschrift zeigt – „außerordentliche nachträglich erhobene Beiträge“ betrifft. Allerdings lassen sich weder dem Wortlaut von Art. 104 der Richtlinie noch dem dort in Bezug genommenen Art. 103 Abs. 2 und 4 bis 8 der Richtlinie, der für die ordentlichen Beiträge gilt, Anhaltspunkte dafür entnehmen, auf welchen Zeitpunkt abzustellen ist, um zu ermitteln, welche Institute den außerordentlichen Beitrag zahlen müssen, und dessen Höhe zu berechnen. Daher ist Art. 104 der Richtlinie anhand seines Kontextes und der Ziele auszulegen, die mit der Regelung, zu der er gehört, verfolgt werden (vgl. entsprechend Urteil vom 10. Juli 2019, Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände, C‑649/17, EU:C:2019:576, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

62        Gemäß Art. 104 Abs. 1 der Richtlinie 2014/59 stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass von den in ihrem Hoheitsgebiet zugelassenen Instituten außerordentliche nachträglich erhobene Beiträge erhoben werden, wenn die verfügbaren Finanzmittel nicht ausreichen, um Verluste, Kosten und sonstige Aufwendungen im Zusammenhang mit der Nutzung der Finanzierungsmechanismen zu decken.

63        Wie der Generalanwalt in den Nrn. 86 und 87 seiner Schlussanträge dargelegt hat, unterscheidet sich der außerordentliche Beitrag somit vom ordentlichen Beitrag durch den Zeitpunkt und den Zweck seiner Erhebung. So lässt sich der Zeitpunkt der Erhebung der außerordentlichen Beiträge kaum vorhersehen, da er vom Zeitpunkt der das Defizit im Fonds verursachenden Abwicklungsvorgänge abhängt. Die außerordentlichen Beiträge sind daher nicht auf dieselbe Weise planbar wie die ordentlichen Beiträge, die anhand der Rechnungslegungsdaten im letzten, zum 31. Dezember des dem Beitragszeitraum vorangehenden Jahres vorliegenden gebilligten und beglaubigten Jahresabschluss festgesetzt und für das Beitragsjahr erhoben werden.

64        Der in Art. 14 Abs. 1 der Delegierten Verordnung 2015/63 vorgesehene Zeitpunkt des 31. Dezembers des dem Beitragszeitraum vorangehenden Jahres ist auch im Hinblick auf das mit dem außerordentlichen Beitrag verfolgte Ziel unerheblich. Mit dieser nachträglich erhobenen Abgabe soll nämlich erreicht werden, dass zu dem Zeitpunkt, zu dem die Erhebung beschlossen wird, alle der Aufsicht der nationalen Behörde unterliegenden Institute einen Beitrag leisten, wobei insbesondere ihre tatsächliche finanzielle Leistungsfähigkeit und ihre tatsächliche Gefährdung durch das Risiko eines finanziellen Ausfalls zu diesem Zeitpunkt berücksichtigt werden. Demzufolge kann zur Zahlung dieses Beitrags kein Institut verpflichtet sein, das zu dem Zeitpunkt, zu dem die Erhebung beschlossen wurde, infolge der Fusion durch Aufnahme in eine in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Muttergesellschaft nicht mehr der Aufsicht der nationalen Behörde unterlag.

65        Während der ordentliche Beitrag nämlich von allen Instituten geschuldet wird, die zumindest für einen Teil des Jahres von der Deckung durch das nationale Abwicklungssystem profitieren, ist die Erhebung eines außerordentlichen Beitrags bei einem nicht mehr durch das nationale Abwicklungssystem gedeckten Institut nur in einem geringeren Maße durch ein Risiko gerechtfertigt, das dem System durch die Tätigkeit dieses Instituts entsteht.

66        Nach alledem ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 104 der Richtlinie 2014/59 dahin auszulegen ist, dass ein in einem Mitgliedstaat ansässiges Institut, das mit einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Muttergesellschaft durch Aufnahme fusioniert wurde, bevor die nationale Abwicklungsbehörde des ersten Mitgliedstaats einen außerordentlichen Beitrag eingeführt hat, nicht zur Zahlung dieses Beitrags verpflichtet ist.

stats