BGH: Rücknahme der Anmeldung eines Zusammenschlussvorhabens - Phonak/GN Store
BGH , Beschluss vom 20.4.2010 - KVR 1/09 Vorinstanz: BKartA vom 11.4.2007 - B 3 33101 Fa 578/06; Vorinstanz: OLG Düsseldorf vom 26.11.2008 - Aktenzeichen VI-Kart 8/07 (V) | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Leitsätze Zur Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde in Fusionskontrollsachen nach Aufgabe des Zusammenschlussvorhabens - a) Unter dem Gesichtspunkt der Präjudizierung kann sich das erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht mehr ergeben, wenn sich die Marktverhältnisse bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der Rechtsbeschwerdeinstanz so wesentlich geändert haben, dass die Begründung der erledigten Untersagungsverfügung keine prägende Bedeutung für die Prüfung eines künftigen Zusammenschlussvorhabens mehr haben kann (Fortführung von BGHZ 174, 179 - Springer/ProSieben). - b) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der erledigten Untersagungsverfügung ist der Zeitpunkt der Erledigung des Verfahrens in der Hauptsache. GWB § 40 Abs. 1 Satz 1 Die Anmeldung eines Zusammenschlussvorhabens kann bis zum Erlass einer verfahrensabschließenden Verfügung grundsätzlich jederzeit zurückgenommen werden. GWB § 19 Abs. 3 Satz 2 - a) Ähnlich große Marktanteile sind nicht schon als solche ein Indiz für eine Binnenwettbewerb ausschließende enge Reaktionsverbundenheit marktstarker Unternehmen; über längere Zeit unveränderte Marktanteile können jedoch im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung als für ein marktbeherrschendes Oligopol sprechender Umstand berücksichtigt werden. - b) Besteht trotz ungünstiger Strukturmerkmale tatsächlich Wettbewerb unter den als Mitglieder eines Oligopols in Betracht kommenden Unternehmen, so kann dieser nicht allein deshalb als unwesentlich angesehen werden, weil eine hohe Markttransparenz jedem Unternehmen eine kurzfristige Reaktion auf Wettbewerbsvorstöße der anderen ermöglicht. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Amtliche Normenkette: GWB § 71 Abs. 2;
| ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
|
Marktanteilsentwicklung im Kundensegment 201 - 600 EUR |
2003 | 2004 | 2005 | 2006 | |
in % | in % | in % | in % | |
Siemens | 45-50 | 50-55 | 40-45 | 45-50 |
Phonak | 10-15 | 10-15 | 15-20 | 15-20 |
Oticon | 10-15 | 10-20 | 20-25 | 20-25 |
GN ReSound | 7,5-12,5 | 7,5-12,5 | 7,5-12,5 | 7,5-12,5 |
Widex | 15-20 | 10-15 | 7,5-12,5 | <5% |
Die Marktanteilsentwicklung im Listenpreissegment über 750 EUR zeige, dass es zwischen Siemens, Phonak und Oticon in den Jahren 2004/2005 zu Marktanteilsverschiebungen gekommen sei. | RN 62 |
Marktanteilsentwicklung im Kundensegment über 750 EUR |
2003 | 2004 | 2005 | 2006 | |
in % | in % | in % | in % | |
Siemens | 25-30 | 25-30 | 30-35 | 25-30 |
Phonak | 20-25 | 10-15 | 30-35 | 30-35 |
Oticon | 20-25 | 30-35 | 15-20 | 20-25 |
GN ReSound | 10-15 | 10-15 | 10-15 | 5-10 |
Widex | 15-20 | 15-20 | 5-10 | 5-10 |
(2) | RN 64 |
Rechtsfehlerhaft hat das Beschwerdegericht bei seiner Würdigung dieses Marktgeschehens nicht beachtet, dass die von ihm festgestellte Entwicklung der Marktanteilsdaten erfahrungsgemäß gegen die Entstehung eines marktbeherrschenden Oligopols spricht. |
Das Beschwerdegericht hat insbesondere den ökonomischen Grundsatz unbeachtet gelassen, dass eine Angleichung von Marktanteilen zunächst regelmäßig das Ergebnis eines Wettbewerbsprozesses ist, bei dem nachfolgende Wettbewerber zu nach Marktanteilen führenden Unternehmen aufschließen. Auch eine Angleichung der Kräfteverhältnisse durch eine gegen das führende Unternehmen gerichtete "Aufholfusion" kann wirksamen Wettbewerb fördern (vgl. Ruppelt in Langen/Bunte aaO § 19 Rdn. 81; Richter in Wiedemann aaO § 20 Rdn. 102). Soweit der Bundesgerichtshof dem erreichten Marktanteil eine hohe Bedeutung beigemessen hat, weil er grundsätzlich die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens ausweise und seine Verhaltensspielräume für die Zukunft erkennen lasse (BGH, Beschl. v. 7.3.1989 - KVR 3/88, WuW/E 2575, 2580 - Kampffmeyer-Plange; BGHZ 79, 62, 68 - Klöckner/Becorit), ging es um die Frage, ob ein Zusammenschluss die Entstehung einer einzelmarktbeherrschenden Stellung erwarten ließ. Dafür, ob die für die Annahme eines Oligopols erforderliche Reaktionsverbundenheit zwischen Unternehmen besteht, ergibt sich aus den Marktanteilen als solchen jedoch nichts. Auch wenn mehrere Unternehmen über einen vergleichbaren Marktanteil verfügen, bedeutet das nicht, dass damit verbundene Verhaltensspielräume im Wettbewerb ungenutzt bleiben. Als Indiz für Marktverhältnisse, bei denen die möglichen Oligopolmitglieder von Wettbewerbsvorstößen abgehalten werden, hat der Senat deshalb auch nicht die Symmetrie der Marktanteile für erheblich gehalten, sondern die Symmetrie der Unternehmen hinsichtlich der Produktpalette, der verwendeten Technologie und der Kostenstruktur. Dies sind Strukturmerkmale, die es grundsätzlich ermöglichen, auf Wettbewerbsvorstöße entsprechend zu reagieren. | RN 65 |
bb) | RN 70 |
Als nicht frei von Rechtsfehlern erweist sich ferner die Annahme des Beschwerdegerichts, zwischen Siemens, Phonak und Oticon herrsche tatsächlich kein wesentlicher Preis- und Innovationswettbewerb. |
(1) | RN 71 |
Das Beschwerdegericht ist zwar von einem Rabatt- und Konditionenwettbewerb der Hörgerätehersteller ausgegangen und hat dazu ausgeführt: Diese gewährten den Hörgeräteakustikern individuell ausgehandelte Rabatte auf die Listenpreise, wobei höhere Mengen nicht mehr oder weniger gleichmäßig zu höheren Gesamtvergünstigungen führten. Es hat aber diesen Rabattund Konditionenwettbewerb der Hersteller mit der Begründung für nicht wesentlich erachtet, Preisnachlässe könnten nur dann einen wesentlichen Preiswettbewerb begründen, wenn sie den Wettbewerbern erst derart verzögert bekannt würden, dass eine gewisse reaktionsfreie Zeit bleibe, um durch den Preisvorstoß einen für einen Marktanteilszuwachs erforderlichen Vorsprung zu erlangen. |
(2) | RN 72 |
Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts hängt die Bedeutung eines zwischen den beteiligten Unternehmen bestehenden Rabatt- und Konditionenwettbewerbs für die Prognose, ob die Wettbewerbsbedingungen wesentlichen Wettbewerb zwischen den Mitgliedern des Oligopols erwarten lassen (§ 19 Abs. 3 Satz 2 GWB), nicht entscheidend davon ab, in welchem Ausmaß Markttransparenz besteht. Die Markttransparenz ist zwar im Zusammenwirken mit wirksamen Abschreckungs- und Sanktionsmitteln ein entscheidendes Indiz für eine enge Reaktionsverbundenheit und damit für ein dauerhaft einheitliches Verhalten der Mitglieder des möglichen Oligopols. Wesentlicher Binnenwettbewerb ist aber nicht schon dann ausgeschlossen, wenn Strukturmerkmale eine enge Reaktionsverbundenheit der Unternehmen erwarten lassen; erforderlich ist vielmehr, dass auch tatsächlich kein nennenswerter Wettbewerb zwischen ihnen stattfindet (BGHZ 178, 285 Tz. 39, 41, 44 - E.ON/Stadtwerke Eschwege). Ergibt die Prüfung der Marktverhältnisse, dass trotz ungünstiger Strukturmerkmale tatsächlich nennenswerter Wettbewerb besteht, so kann dieser Wettbewerb nicht mit der Begründung als unwesentlich unberücksichtigt bleiben, es herrsche Markttransparenz, die den Wettbewerbern eine kurzfristige Reaktion auf einen Wettbewerbsvorstoß ermögliche. |
(3) | RN 73 |
Zwar gibt es, wie das Bundeskartellamt zutreffend ausgeführt hat, keinen Erfahrungssatz, demzufolge das individuelle Aushandeln von Rabatten zwischen Herstellern und Händlern für funktionsfähigen Wettbewerb zwischen den Herstellern spricht. Das Beschwerdegericht hat aber bei seinen Feststellungen auf das von Phonak vorgelegte Schaubild Bezug genommen, nach dem dieses Unternehmen seinen 15 wichtigsten Kunden bei höherer Mengenabnahme keine gleichmäßig höheren Gesamtvergünstigungen gewährt. Es hat hieraus auf eine individuelle Bestimmung der Rabatte geschlossen. Diese uneinheitliche Konditionengestaltung und die von Phonak vorgelegten internen Marktanalysen, in denen starker Wettbewerb unter den marktstärksten Unternehmen beschrieben wird, sprechen nach wirtschaftlicher Erfahrung für einen lebhaften Rabattwettbewerb zwischen den Herstellern. Eine andere Ursache für die deutliche Konditionendifferenzierung lässt sich den Feststellungen des Beschwerdegerichts nicht entnehmen. Vielmehr hat das Beschwerdegericht festgestellt, dass die Hörgeräteakustiker aufgrund der Zersplitterung der Nachfragerseite über keine auf hohen Abnahmemengen basierende Verhandlungsstärke verfügen. Wenn zwei der vom Bundeskartellamt befragten Hörgeräteakustiker gleichwohl angegeben haben, sie spielten die Hersteller im Rabattwettbewerb untereinander aus, bestätigt dies gleichfalls das Bestehen eines wirksamen Konditionenwettbewerbs. |
(4) | RN 75 |
Das Beschwerdegericht hat auch den Wettbewerbsvorstoß von Oticon im Jahr 2005 rechtsfehlerhaft gewürdigt. Es hat ausgeführt: Oticon habe 2005 zwar als erster Hersteller ein Hörgerät mit einigen High-End-Qualitäten in ein weit darunter liegendes Preissegment eingeführt; Siemens und Phonak hätten aber innerhalb von etwa sechs Monaten mit technisch vergleichbaren Geräten nachgezogen, so dass Oticon keinen für die Ausdehnung des Marktanteils erforderlichen Vorsprung habe erreichen können. Bei dieser Würdigung hat das Beschwerdegericht die Entwicklung des Marktanteils von Oticon in dem Preissegment 201 bis 600 EUR in den Jahren 2004 bis 2006 unberücksichtigt gelassen. Nach den hierzu getroffenen Feststellungen hat sich der Marktanteil von Oticon von 10 bis 20% im Jahr 2004 auf 20 bis 25% im Jahr 2005 erhöht und hat Oticon diesen deutlich vergrößerten Marktanteil im Jahr 2006 behaupten können. Die Tabelle zur Marktanteilsentwicklung in diesem Preissegment zeigt darüber hinaus, dass Oticon im Jahr 2005 zumindest von Siemens in erheblichem Umfang Marktanteile gewonnen hat. Die Folgerung des Beschwerdegerichts, dass Oticon durch seinen Wettbewerbsvorsprung keinen für die Ausdehnung des Marktanteils erforderlichen Vorsprung habe erreichen können, wird damit von seinen Feststellungen nicht getragen. |
(5) | RN 76 |
Das Beschwerdegericht hat zwischen Phonak, Siemens und Oticon Qualitäts- und Innovationswettbewerb festgestellt, den es bei Hörgeräten für wichtiger als Preiswettbewerb hält. Es hat diesen Qualitäts- und Innovationswettbewerb aber für nicht wesentlich erachtet, weil die Unternehmen in Form der Kreuzlizenzierungsabkommen, die Phonak sowohl mit Siemens als auch mit Oticon geschlossen habe, Vorkehrungen dafür getroffen hätten, dass zwischen ihnen künftig keine wettbewerbsrelevanten Informationsvorsprünge entstehen könnten. Auch mit diesen Erwägungen hat das Beschwerdegericht dem tatsächlichen Wettbewerbsverhalten aus Rechtsgründen ein zu geringes Gewicht bei der Prognose zugemessen, ob ein wesentlicher Wettbewerb zu erwarten ist. |
c) | RN 80 |
Damit erweist sich auch die Gesamtwürdigung des Beschwerdegerichts als rechtsfehlerhaft, im Zeitpunkt der Erledigung der Beschwerde Mitte August 2007 habe ein marktbeherrschendes Oligopol aus Siemens, Oticon und Phonak bestanden und die Oligopolvermutung des § 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 GWB sei nicht widerlegt. Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben. |
D. | RN 81 |
Der Senat kann selbst in der Sache entscheiden. Ob ein Zusammenschluss ein marktbeherrschendes Oligopol i.S. des § 19 Abs. 2 und 3 Nr. 1 GWB verstärkt oder begründet, hat zwar grundsätzlich der Tatrichter aufgrund einer Gesamtwürdigung der strukturellen Wettbewerbsbedingungen und der tatsächlichen Wettbewerbsverhältnisse zu beurteilen (vgl. BGHZ 178, 285 Tz. 26 - E.ON/Stadtwerke Eschwege; BGH, Beschl. v. 22.6.1981 - KVR 5/80, WuW/E 1824, 1828 - Tonolli - Blei- und Silberhütte Braubach). Erweist sich diese Gesamtwürdigung aber als fehlerhaft, so kann das Rechtsbeschwerdegericht, wenn eine weitere Sachaufklärung nicht geboten ist und eine fehlerfreie Gesamtwürdigung nur ein Ergebnis zulässt, eine abschließende Entscheidung in der Sache treffen (vgl. BGHZ 81, 322, 343 - Original-VW-Ersatzteile II). So liegt es hier. Entsprechend dem Hauptantrag der Rechtsbeschwerde ist auszusprechen, dass die Untersagungsverfügung des Bundeskartellamts vom 11. April 2007 rechtswidrig war. |
I. | RN 82 |
Das Beschwerdegericht hat sich auf die umfassenden Ermittlungen des Bundeskartellamts zu den Marktverhältnissen gestützt. Die dabei vom Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen, an die das Rechtsbeschwerdegericht in den Grenzen des § 76 Abs. 4 GWB gebunden ist, lassen eine abschließende Entscheidung zu. Eine weitere Sachaufklärung ist nicht erforderlich. |
II. | RN 83 |
Nach diesen Feststellungen bestand im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt wesentlicher Binnenwettbewerb zwischen Siemens, Oticon und Phonak auf dem sachlich relevanten Absatzmarkt, der ein marktbeherrschendes Oligopol dieser Unternehmen ausschloss. Das angemeldete Zusammenschlussvorhaben konnte deshalb zu keiner Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung führen. |
III. | RN 85 |
Die angefochtene Untersagung war auch nicht deshalb rechtmäßig, weil der beabsichtigte Zusammenschluss - wie vom Bundeskartellamt angenommen - die Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung in Form eines Oligopols aus Siemens, Oticon und Phonak erwarten ließ. Es war nicht anzunehmen, dass der wesentliche Binnenwettbewerb zwischen diesen Unternehmen beseitigt worden wäre, wenn Phonak die Ressourcen von GN ReSound zugewachsen wären. |
1. | RN 86 |
Wie sich aus der angefochtenen Verfügung ergibt, beruhte die Erwartung des Bundeskartellamts, der Zusammenschluss führe zur Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung, maßgeblich auf Zweifeln daran, dass vor dem Zusammenschluss wesentlicher Wettbewerb zwischen den drei marktstärksten Unternehmen bestand. Diese Zweifel waren nach dem Vorstehenden unbegründet. Die Untersagung des Zusammenschlusses kann daher nicht mit der Annahme gerechtfertigt werden, ein ohnehin schon erhebliches oligopolistisches Parallelverhalten wäre durch den Erwerb von GN ReSound verstärkt worden. |
2. | RN 87 |
Die Feststellungen des Beschwerdegerichts lassen es auch nicht zu, auf die Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung im Falle einer Addition der Marktanteile von Phonak und GN ReSound zu schließen. Phonak hätte dadurch zu Siemens aufgeschlossen und sich etwas von dem Wettbewerber Oticon abgesetzt, der in den Jahren 2005 und 2006 über einen etwa gleich großen Marktanteil verfügte. Im Ergebnis wären hiernach die Marktanteile zwischen Siemens, Phonak und Oticon ungleicher verteilt worden. Anhaltspunkte dafür, dass durch eine derartige Marktanteilsverschiebung der zuvor wirksame Binnenwettbewerb beeinträchtigt worden wäre, sind weder festgestellt noch ersichtlich. |
3. | RN 88 |
Entgegen der Auffassung des Bundeskartellamts kann die Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung ebenso wenig damit begründet werden, mit GN ReSound wäre der einzige preisaktive Wettbewerber aus dem Markt ausgeschieden. Das Beschwerdegericht hat zur Preisstrategie von GN Re-Sound keine abschließenden Feststellungen getroffen; es hat allerdings ausgeführt, in vier von 13 Händlerantworten sei dieses Unternehmen als preisaggressivster Hersteller eingestuft worden. Einen der Annahme eines marktbeherrschenden Oligopols entgegenstehenden wirksamen Außenwettbewerb hat das Beschwerdegericht indessen nicht festgestellt. Es kann ohne weitere Anhaltspunkte nicht erwartet werden, dass die Schwächung eines vom Beschwerdegericht - von den Verfahrensbeteiligten unbeanstandet - als unwesentlich angesehenen Außenwettbewerbs durch Wegfall eines preisaktiven Wettbewerbers den bestehenden wesentlichen Binnenwettbewerb zwischen Siemens, Phonak und Oticon beseitigt hätte. Solche Anhaltspunkte sind hier weder festgestellt noch durch weitere Sachaufklärung zu erwarten. Vielmehr hat das Beschwerdegericht festgestellt, die unternehmerische Stärke von GN ReSound liege - neben der Marktposition in Deutschland - insbesondere in seinem Patentportfolio, seinem technologischen Potential im High-End-Bereich und seinen Produktionskapazitäten. Dann war nach wirtschaftlicher Erfahrung zu erwarten, dass Phonak versuchen würde, mit dem durch eine erhebliche Investition beim Zusammenschluss erkauften Entwicklungspotential einen Wettbewerbsvorsprung zu erzielen. |
4. | RN 89 |
Bei Vollzug des Zusammenschlusses im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt August 2007 wäre zudem jedenfalls aufgrund des zum 31. Dezember 2006 beendeten Kreuzlizenzierungsabkommens mit Siemens kein Transfer von GN ReSound-Technologie an Siemens erfolgt. Das Kreuzlizenzierungsabkommen zwischen Phonak und Oticon hatte vor dem Zusammenschluss wesentlichen Innovationswettbewerb zwischen den Unternehmen nicht verhindert und ließ dies auch nach einem Zusammenschluss von Phonak und GN ReSound nicht erwarten. Auf jeden Fall kann das Abkommen zwischen Phonak und Oticon aber deshalb keine Erwartung der Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung infolge des Zusammenschlusses begründen, weil Phonak als Zusage angeboten hatte, dieses Abkommen bei Freigabe des Zusammenschlusses zu beenden. Es konnte dann nicht mehr Grundlage für einen Technologie- und Know-How-Transfer von GN ReSound an Oticon sein. |
Diese Zusage hätte das Bundeskartellamt annehmen müssen. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts steht es nicht im pflichtgemäßen Ermessen des Bundeskartellamts, einen Zusammenschluss zu untersagen oder unter Beifügung von Bedingungen und Auflagen freizugeben. Die Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung i.S. des § 19 Abs. 2 und 3 GWB ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Daher unterliegt die Frage, ob eine angebotene Nebenbestimmung die Untersagungsvoraussetzungen entfallen lässt, grundsätzlich uneingeschränkter gerichtlicher Kontrolle. Allerdings ist bei dieser Prüfung zu beachten, dass sie eine in die Zukunft gerichtete Prognoseentscheidung erfordert. Eine Freigabe unter Nebenbestimmungen ist nur zulässig, aber auch geboten, wenn dadurch die nach § 36 Abs. 1 GWB kritische Verschlechterung der Marktstruktur wirksam verhindert werden kann (Ruppelt in Langen/Bunte, Kartellrecht, 10. Aufl., § 40 GWB Rdn. 28). Das war hier der Fall. Soweit die Verschlechterung in einem vertraglich vereinbarten Technologietransfer von GN ReSound an Oticon gesehen wurde, konnte sie wirksam verhindert werden, wenn dieses Abkommen zum Zeitpunkt des Zusammenschlusses von Phonak und GN ReSound beendet wurde. Einer Prognoseentscheidung bedarf es in diesem Zusammenhang nicht. Auf eventuelle Nachwirkungen des Lizenzabkommens nach seiner Beendigung kommt es hier nicht an, weil allein die Wettbewerbswirkungen eines Zusammenschlusses von Phonak und GN ReSound zu betrachten sind. | RN 90 |
5. | RN 92 |
Die Erwartung der Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung kann ferner nicht damit begründet werden, dass an dem ZVEI-Meldesystem nach dem Zusammenschluss nur noch vier statt bisher fünf Unternehmen mit nennenswerten Marktanteilen im Inland beteiligt gewesen wären und sich die Aussagekraft des Meldesystems sowie die Preistransparenz auf dem relevanten Markt dadurch erhöht hätten. Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts kam dem ZVEI-Meldesystem nur beschränkte Bedeutung zu, weil wesentliche Wettbewerbsparameter bei Hörgeräten Qualität und Innovationen sind und nicht der Preis. Sofern der Rückgang der Teilnehmerzahl, wie vom Bundeskartellamt angenommen, zur kartellrechtlichen Unzulässigkeit des ZVEI-Meldesystems geführt hätte, wäre es ohnehin sofort zu beenden gewesen und hätte die strukturellen Wettbewerbsbedingungen nach dem Zusammenschluss nicht mehr beeinflussen können. Phonak und GN ReSound hatten zudem angeboten, sich nicht mehr an dem Meldesystem zu beteiligen. |
6. | RN 93 |
Entgegen der Ansicht des Bundeskartellamts ist es für die Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung schließlich ohne Bedeutung, dass sich infolge des Zusammenschlusses die Mehrheitsverhältnisse in den Gesellschafterversammlungen von HIMPP und HIMSA verändert hätten. Das Beschwerdegericht hat ohne Rechtsfehler festgestellt, dass von diesen Gemeinschaftsunternehmen keine wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen ausgehen. |
E. | RN 94 |
Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 Satz 1 GWB. |