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Wirtschaftsrecht
05.11.2020
Wirtschaftsrecht
LG Dortmund: Richterliche Schätzung eines Kartellschadens – Schienenkartell

LG Dortmund, Urteil vom 30.9.2020 – 8 O 115/14 (Kart)

ECLI:DE:LGDO:2020:0930.8O115.14KART.00

Volltext: BB-ONLINE BBL2020-2575-1

Sachverhalt

Die Klägerin verantwortet als Körperschaft des öffentlichen Rechts den öffentlichen Nahverkehr in der Stadt XXX und Umgebung. Zur Erfüllung dieser Aufgaben beschafft die Klägerin Oberbaumaterialien, u.a. Schienen, Weichen und Schwellen. Sie macht Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit diversen Erwerbsvorgängen geltend, bei denen sie zum Teil selbst Partei des jeweils geschlossenen Vertrages wurde, zum Teil aus abgetretenem Recht für Beschaffungen der XXX1-AG, welche ihre Ansprüche an die Klägerin abgetreten hat und mit der Geltendmachung durch die Klägerin im Prozess einverstanden ist.

Die Beklagte zu 1. ist seit vielen Jahren tätig bei der Herstellung, dem Handel und dem Vertrieb von Weichen, Kreuzungen und sonstigen Teilen des Oberbaus von Schienenbahnen; die Beklagte zu 2. handelt mit Eisenbahnoberbaumaterialien und ist bei der Vorbereitung und Durchführung von Gleisoberbaumaßnahmen tätig. Im Jahr 2010 übertrug die Beklagte zu 1. im Wege der Umwandlung durch Abspaltung den Geschäftsbereich „Gleisbau“ auf die Beklagte zu 2.

Die Beklagte zu 3. - die Klägerin hat dieser gegenüber im Laufe des Prozesses den Rechtsstreit insgesamt für erledigt erklärt; die Beklagte zu 3. hat dieser Erledigungserklärung zugestimmt - ist Rechtsnachfolgerin betreffend sämtlicher Aspekte aus dem Geschäftsbereich Gleistechnik diverser Vorgängerfirmen und unterhielt im gesamten Kartellzeitraum fünf Produktionsstätten und acht Vertriebsniederlassungen für Gleisoberbaumaterialien in Deutschland.

Die Beklagten zu 4. und 5. gehören jeweils zum AAA-Konzern, welcher im Kartellzeitraum der zweitgrößte Anbieter von Gleisoberbaumaterialien in Deutschland war; die Beklagte zu 6. ist eine Gesellschaft österreichischen Rechts und gehört zum selben Konzern. Die Beklagte zu 7. entstand durch Formwechsel der BBB GmbH & Co. KG im Jahre 2006; die Rechtsvorgängerin firmierte 1998 als CCC GmbH, ab 2001 als CCC1 GmbH und gehörte bis zum Verkauf an AAA im Jahr 2001 zum CCC Konzern. Die Produktion von Oberbaumaterialien erfolgte in Werken in Duisburg, welche Ende des Jahres 2013 stillgelegt wurde.

Gegen die Beklagten wurden im Mai 2011 Bußgeldverfahren wegen Kartellverstößen eingeleitet. Am 18.07.2013 erließ das Bundeskartellamt gegen die Beklagten zu 1., 3. und 5. inzwischen bestandskräftige Bußgeldbescheide wegen kartellrechtswidriger Absprachen in Bezug auf Oberbaumaterialien in Höhe von insgesamt 97,64 Millionen Euro, wobei es insoweit zu einer einvernehmlichen Beendigung kam. Nach diesen Bescheiden waren die Adressaten gemeinsam mit der Beklagten zu 4., den Beklagten zu 6. und 7. sowie weiteren Unternehmen (im Folgenden „Kartellanten“; vgl. insoweit die Aufstellung der Beteiligten auf Seite 5 des Bescheides, Anlage K 1) an dem sogenannten „Kartell der Schienenfreunde“ beteiligt. Die Beklagte zu 4. hatte das Schienenkartell gegenüber dem Kartellamt aufgedeckt und war als Kronzeugin nicht Adressatin eines Bußgeldbescheides. Bei den Kartellanten handelte es sich um die wichtigsten Lieferanten von Oberbaumaterialien in ganz Deutschland.

Bei den kartellrechtswidrigen Absprachen handelte es sich um Preis-, Quoten- und Kundenschutzabsprachen. Nach Feststellung des Bundeskartellamtes bezweckten die Absprachen die Aufteilung von Ausschreibungen, Anfragen und Projekten unter den Kartellanten; dies in einem Zeitraum von mindestens 2001 bis 2011. Die Kartellanten teilten sich die Kunden u.a. anhand des „Stammkunden“- bzw. „Altkundenprinzips“ auf. Jedem Kartellbeteiligten wurden einzelne Kunden als Stamm- bzw. Altkunden zugeordnet, wobei Grundlage gewachsene Kundenbeziehungen und -vorlieben waren. Die anderen an den kartellrechtswidrigen Absprachen beteiligten Unternehmen schützten dieses Vorgehen, indem sie entweder bewusst keine Angebote für ihnen nicht zugewiesenen Projekte abgaben oder Angebote verspätet bzw. gezielt überteuert abgaben. Von dieser Vorgehensweise gab es gemäß den Feststellungen des Bundeskartellamtes gelegentlich Abweichungen, um Kundenzuweisungen zu verschleiern, wobei es in diesem Fall als Ausgleich Unteraufträge gab (vgl. zu den gesamten Feststellungen Anlage K 1). Koordiniert wurde all dies durch einen sogenannten „Spielführer“, dessen Rolle in der Regel durch das Unternehmen eingenommen wurde, welches den Auftrag erhalten sollte. Die Absprachen betrafen alle Oberbaumaterialien, also insbesondere Schienen, Weichen und Schwellen und erfassten sowohl Ausschreibungen und Anfragen bezüglich Produktkombinationen, bestehend aus mehreren Losen, als auch Ausschreibungen und Anfragen, die aus einzelnen Losen bestanden. Innerhalb des Kartells gab es diverse Mechanismen; über die Jahre hinweg entwickelte sich ein festes System, so dass aufgrund dieser eingeführten Spielregeln ausdrückliche Einzelfallabsprachen zu allen Projekten nicht erforderlich waren.

Absprachen über „weichenlastige“ Projekte wurden darüber hinaus auch im Zusammenhang mit Sitzung des Arbeitskreises Marketing, im Fachverband Weichenbau bzw. innerhalb des Verbandes der Bahnindustrie e.V. (VDB) getroffen; an diesen Absprachen waren üblicherweise Vertreter der Beklagten zu 1., ferner BBB, AAA, DDD GmbH, EEE GmbH und FFF GmbH beteiligt. Zumindest vor 2001 erfolgten die Absprachen nach Quoten, im Laufe der Zeit erfolgte ein Übergang zum Stammkundensystem. Darüber hinaus sprachen die Weichenhersteller auch über Preiserhöhungen. Bis zur Auflösung des Fachverbandes Weichenbau im Jahre 2006 dienten die Sitzungen des Arbeitskreises als Rahmen für die beschriebenen Absprachen. Nach Auflösung des Fachverbandes Weichenbau wurde die Projektaufteilung etc. in identischer Form im Marketingausschuss, auch Marketing-Arbeitskreis oder Marketing-Arbeitskreisgruppe genannt, weitergeführt. Anfang 2009 ging der Marketing-Ausschuss in der VDB-Fachgruppe Infrastruktur auf; zu diesem Zeitpunkt fanden die Absprachen häufiger einzelfallbezogen und nicht mehr im Rahmen von Verbandstreffen statt, was möglich war, da sich die Stammkundenaufteilung eingespielt hatte.

Die Beklagte zu 1. war im Zeitraum von 2001 bis 2011 laut Bußgeldbescheid an den kartellrechtswidrigen Verhaltensweisen beteiligt, wobei sie seit August 2008 nur noch vereinzelt an Absprachen beteiligt war.

Zusätzlich bestand innerhalb des Kartells der Schienenfreunde für den Produktbereich Schienen von 2001 bis 2011 eine kartellrechtswidrige Vertriebsvereinbarung zwischen der Beklagten zu 1. und den Beklagten zu 3. bis 7., auf deren Grundlage die Beklagte zu 3. Schienen, die von der Beklagten zu 7. hergestellt wurden, veräußerte. Diese Vertriebsvereinbarung wurde im Jahr 2001 im Zusammenhang mit der Veräußerung der Geschäftsanteile der Beklagten zu 7. von BBB an AAA geschlossen und im Jahr 2008 nochmals bekräftigt.

Die Klägerin trägt vor, dass sich ausweislich des Bußgeldbescheides die Beklagten im Zeitraum 2001 bis 2011 umfassend und bundesweit am Kartell der Schienenfreunde beteiligt hätten.

Die Klägerin ging ursprünglich aufgrund von 9 Erwerbsereignissen gegen die Beklagten vor.

Dabei handelt es sich zum einen um das „Baulos 81“, Herstellung von werksneuen Schienen (H/12110) (im Folgenden: „Erwerbsvorgang 1“). Im Rahmen dieses nationalen Ausschreibungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb der Klägerin zur Herstellung werkneuer Vignol- und Rillenschienen gab die ursprüngliche Beklagte zu 3. am 01.03.2004 ein Angebot in Höhe von 39.501,86 netto Euro ab. Zu den Einzelheiten wird auf Bl. 105 bis 106 d.A. Bezug genommen. Die Klägerin hat aus diesem Vorgang ursprünglich einen Schadensbetrag von rund 5.500 Euro abgeleitet. Sie hat sodann mit Schriftsatz vom 17.04.2019 (Bl. 960 d.A.) diesen Erwerbsvorgang gegenüber sämtlichen Beklagten für erledigt erklärt; sämtliche Beklagten haben sich der Erledigungserklärung angeschlossen.

Sodann trägt die Klägerin vor, aus dem Erwerbsvorgang „S 10.1, 1. BA (Bl. 106 d.A.),

E-Straße Roh- und Gleisbauarbeiten (H/11035)“ (im Folgenden: „Erwerbsvorgang 2“) einen Schaden erlitten zu haben. Auf das Verhandlungsverfahren ohne öffentliche Vergabebekanntmachung der Klägerin für das Projekt „Stadtbahnlinie III, Baulos S 10.01, 1. Bauabschnitt, Bahnhof E-Straße“, gab die Arbeitsgemeinschaft GGG/RRR, bestehend aus der GGG Bauunternehmung GmbH & Co. KG und der RRR Tief- und Straßenbau GmbH, am 09.02.2001 ein Angebot in Höhe von rund 1.554.000 Euro ab. Die Klägerin erteilte den Auftrag unter dem 06.04.2001. Zu den weiteren Einzelheiten dieses Erwerbsvorgangs sowie zu den daraus abgeleiteten Schadensbetrag wird auf Bl. 106/108 d.A. Bezug genommen. Die RRR Tief- und Straßenbau GmbH hat nach Behauptung der Klägerin sämtliche Schadensersatzansprüche aus dem vorliegenden Erwerbsvorgang an die Klägerin abgetreten. Die GGG Bauunternehmung GmbH & Co. KG ist in Insolvenz gefallen. Die Klägerin hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung klargestellt, im Hinblick auf diesen Erwerbsvorgang primär aus eigenem Recht, also unter dem Gesichtspunkt Preisschirmerwerbs und nur sekundär aus dem abgetretenen Recht vorzugehen.

Des Weiteren trägt die Klägerin vor, aus dem Auftrag „Baulos 29, 3. BA Roh-Oberbauarbeiten (H/11055)“ (im Folgenden: „Erwerbsvorgang 3“) geschädigt worden zu sein. Im Rahmen des europaweiten Ausschreibungsverfahrens (offenes Verfahren) der Klägerin vom 05./13.03.2004 zur Ausführung von Roh- und Oberbaumaterialien an der Stadtbahnlinie III, Baulos 29, 3. Bauabschnitt, gab die OOO GmbH & Co. KG am 13.07.2004 ein Angebot in Höhe von rund 1.723.000 Euro netto ab. Die Klägerin erteilte der OOO GmbH & Co. KG am 28.09.2004 einen entsprechenden Auftrag zu einem Gesamtnettobetrag von rund 1.637.000 Euro. Aus dem Leistungsverzeichnis ergibt sich, dass das Projekt zu einem gewissen Teil Gleisbauarbeiten betrifft. Diese Arbeiten ließ die OOO GmbH & Co. KG von der WWW Gleis- und Tiefbau GmbH & Co. KG als Nachunternehmen ausführen. Diese Gleisbauarbeiten betreffen auch die Lieferung von Oberbaumaterialien. Die im Rahmen dieses Bauprojekts an die Klägerin gelieferten Oberbaumaterialien hat die WWW Gleis- und Tiefbau GmbH & Co. KG ihrerseits nach klägerischer Behauptung bei der AAA Bahntechnik bezogen. Zum weiteren Inhalt des Auftrags sowie den daraus abgeleiteten Schäden und Werten, Skonti wird auf Bl. 108 bis 110 d.A. Bezug genommen.

Weitere Schäden macht die Klägerin aus dem Erwerbsvorgang „Baulos 55 b, Roh- und Gleisbauarbeiten (H/12121)“ (im Folgenden: „Erwerbsvorgang 4“) geltend. Im Rahmen eines nationalen Ausschreibungsverfahrens (offenes Verfahren) der Klägerin mit der Vergabenummer H/12121 vom 04.02.2005 zur Ausführung von Roh- und Gleisbauarbeiten an der Stadtbahnlinie V gab die MMM Bauunternehmen GmbH & Co. KG am 19.04.2005 ein Angebot in Höhe von rund 400.000 Euro netto ab. Mit Schreiben vom 24.05.2005 erteilte die Klägerin den entsprechenden Auftrag. Zu den weiteren Einzelheiten und dem daraus geltend gemachten Schaden wird auf Bl. 110 bis 112 d.A. Bezug genommen.

Ferner hat die Klägerin ursprünglich Ansprüche aus dem europaweiten Ausschreibungsverfahren (offenes Verfahren) bezüglich des Bauloses S 10, Oberbauarbeiten (H/11065) geltend gemacht (im Folgenden: „Erwerbsvorgang 5“). Diesbezüglich hat sie gegenüber sämtlichen Beklagten mit gleichem Schriftsatz wie beim ersten Erwerbsvorgang oben den Rechtsstreit für erledigt erklärt; sämtliche Beklagten haben sich dieser Erledigungserklärung angeschlossen.

Darüber hinaus geht die Klägerin aus dem Erwerbsvorgang ÖPNV-BP L 403, Gleisbaumaßnahme zwischen NS IX und Betriebshof L1 (2. Bestellung Lagerentnahme) (F/37999), Bl. 114 d.A. (im Folgenden: „Erwerbsvorgang 6“) vor. Auf die Preisanfrage der XXX1-AG (XXX1) vom 08.09.2004 zur Beschaffung von Rillenschienen zum o.g. Bauvorhaben gab die Beklagte zu 1. am 17.09.2004 ein Angebot in Höhe von rund 113.000 Euro netto ab und erhielt mit Schreiben der XXX1 vom 15.10.2004 den entsprechenden Auftrag zu einem Gesamtnettobetrag von 111.511,08 Euro . Der Auftrag wurde durch die Beklagte zu 1. ausgeführt und gegenüber der XXX1 wurden die aus Bl. 115 d.A. ersichtlichen Einzelrechnungen erstellt. Die Klägerin behauptet insoweit, die XXX1 habe diese Rechnungen bezahlt. Die Klägerin macht aus diesem Erwerbsvorgang einen kartellbedingten Schaden in Höhe von 33.787,86 Euro auf Basis eines von ihr behaupteten Kartellaufschlags von 30,3 % geltend. Zu den weiteren Einzelheiten insoweit wird auf Bl. 114 bis 116 d.A. Bezug genommen.

Die Klägerin trägt vor, aus diesem Erwerbsvorgang direkt wirtschaftlich geschädigt worden zu sein, da die XXX1 ihr die Beträge vollständig weiter berechnet habe. Die Klägerin geht ausweislich ihrer Erklärung in den Schriftsätzen und im Termin zur mündlichen Verhandlung primär aus eigenem Recht und erst sekundär aus durch die XXX1 abgetretenem Recht vor. Bezüglich der durch die Klägerin vorgetragenen Weiterberechnung wird auf die Anlage K 28 Bezug genommen.

Ferner geht die Klägerin aus dem Erwerbsvorgang ÖPNV/BP L403, Gleisbaumaßnahme zwischen NS IX und Betriebshof L1 (1. Bestellung F/37999) (im Folgenden: „Erwerbsvorgang 7“) vor. Im Rahmen eines nationalen Ausschreibungsverfahrens (beschränktes Verfahren) der XXX1 gab die Beklagte zu 1.) am 15.07.2005 ein Angebot in Höhe von rund 44.500 Euro netto ab. Sie erhielt mit Schreiben der XXX1 vom 21.07.2005 den entsprechenden Auftrag zu diesem Gesamtnettobetrag; im Hinblick auf die weiteren Einzelheiten wird auf Bl. 116 bis 118 d.A. Bezug genommen. Die Klägerin leitet aus diesem Erwerbsvorgang einen Schadensbetrag von 13.502,47 Euro auf Grundlage eines von ihr behaupteten Kartellaufschlags von 30,3 % ab. Auch hier geht die Klägerin primär aus eigenem Recht auf Grund der Weiterberechnung der Kosten für die Oberbaumaterialien und sekundär aufgrund der Abtretung der entsprechenden Ansprüche durch die XXX1 vor.

Zudem geht die Klägerin aus dem Erwerbsvorgang ÖPNV-Beschleunigungsprogramm Linie 403 (im Folgenden: „Erwerbsvorgang 8“) vor. Im Rahmen des nationalen Ausschreibungsverfahrens (offenes Verfahren) der XXX1 gab die Beklagte zu 1. ein Angebot in Höhe von 259.857 Euro ab. Sie erhielt mit Schreiben vom 15.11.2005 von der XXX1 den Auftrag zu einem Gesamtnettobetrag von 259.857 Euro netto. Wegen der weiteren Einzelheiten sind auf Bl. 118 bis 119 d.A. Bezug genommen. Die Klägerin macht aufgrund dieser Erwerbsvorgänge auf Grundlage eines von ihr behaupteten Kartellaufschlags in Höhe von 17 % einen Schadensbetrag von insgesamt 44.175,69 Euro geltend. Sie weist darauf hin, dass im Übrigen bezüglich dieses Erwerbsvorgangs ein pauschalierter Schadensersatz in Höhe von 15 vom 100 Vertragsbestandteil geworden sei. Die entsprechende Klausel lautet: „Wenn der Auftragnehmer aus Anlass der Vergabe nachweislich eine Abrede getroffen hat, die eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung darstellt, hat er 15 vom 100 der Abrechnungssumme an den Auftraggeber zu zahlen, es sei denn, dass ein Schaden in anderer Höhe nachgewiesen wird. Dies gilt auch, wenn der Vertrag gekündigt wird oder bereits erfüllt ist. Sonstige vertraglich(e) oder gesetzliche Ansprüche des Auftraggebers, insbesondere solche aus § 8 Nr. 2 bleiben unberührt.“; zu den weiteren Einzelheiten des Vertrages insoweit wird auf Anlage K 12 Bezug genommen. Auch hier geht die Klägerin primär aufgrund der Weiterleitung der Beträge, sekundär aufgrund der Abtretung der XXX1 vor.

Schließlich macht die Klägerin Ansprüche aus dem Erwerbsvorgang ÖPNV-Beschleunigungsprogramm Linie 403 geltend (im Folgenden: „Erwerbsvorgang 9“). Insoweit erteilte die XXX1 im Rahmen des europaweiten Ausschreibungsverfahrens (offenes Verfahren) der ARGE GGG/RRR aufgrund eines Angebots vom 12.10.2005 mit Schreiben vom 24.03.2006 den Auftrag zu einem Gesamtnettobetrag von 3.584.079,74 Euro. Zu den Einzelheiten dieses Auftrags wird auf Bl. 120 bis 123 d.A. Bezug genommen. Insoweit hat zunächst die ARGE die ihr zustehenden Schadensersatzansprüche an die XXX1 abgetreten. Zu den Einzelheiten wird auf Bl. 482 d.A. Bezug genommen. Die Klägerin geht insoweit abermals aus durch die XXX1 weitergereichten Ansprüchen primär und abgetretenen Ansprüchen sekundär vor.

Die Klägerin behauptet, dass sämtliche Rechnungen entweder durch sie selbst oder durch die XXX1 bezahlt worden seien. Sie behauptet ferner, dass die Kartell- und Submissionsabsprachen der am Kartell Beteiligten sämtliche der hier noch streitgegenständlichen Bezugsvorgänge betroffen hätten. Sie behauptet zudem, die jeweils von ihr behaupteten Schäden seien durch die Kartellabsprachen verursacht worden. Auch hätten die Kartellabsprachen zu Preisschirmeffekten geführt, die ebenfalls Auswirkungen im Rahmen der Erwerbsvorgänge gezeitigt hätten. Soweit auch auf pauschalisierte Schadensersatzansprüche nach Allgemeinen Geschäftsbedingungen abgestellt werde, seien diese Vertragsklauseln wirksam.

Die Klägerin bestreitet, eine Weiterwälzung des Schadens vorgenommen zu haben.

Zinsen stünden ihr ab Entstehung des Schadens, was hier mit der jeweiligen Auftragserteilung einhergehe, zu.

Die Klägerin bestreitet, sich in irgendeiner Weise ein Mitverschulden anrechnen lassen zu müssen.

Eine Verjährung der Ansprüche sei nicht gegeben, § 33 Abs. 5 GWB a.F. sei auch auf Altansprüche anwendbar.

Soweit die Projekte teilweise durch Zuwendungen gefördert worden seien, sei die Klägerin ebenfalls umfassend zur Geltendmachung des Schadens berechtigt, zumal der Schaden im vollen Umfange bei der Klägerin selber entstanden sei, eine Anrechnung von Förderungen auf den Schaden scheide nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus.

Die Klägerin beantragt,

1.                  die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin Schadensersatz zu zahlen in einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Höhe, mindestens jedoch in Höhe von 385.540,80 Euro nebst Zinsen in Höhe von jährlich 8 Prozentpunkten  über dem jeweiligen Basiszinssatz bis zum 28.07.2014 und in Höhe von jährlich 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz  ab dem 29.07.2014 aus 5.500,59 Euro seit dem 01.04.2004,aus weiteren 1.085,50 Euro seit dem 07.04.2001,aus weiteren 39.935,40 Euro seit dem 29.09.2004,aus weiteren 13.104,57 Euro seit dem 25.05.2005,aus weiteren 86.399,35 Euro seit dem 01.09.2005,aus weiteren 33.787,86 Euro seit dem 16.10.2004,aus weiteren 13.502,47 Euro seit dem 22.07.2005,aus weiteren 44.175,69 Euro seit dem 16.11.2005 undaus weiteren 148.049,47 Euro seit dem 25.03.2006,mit der Maßgabe, dass die mit Klageantrag Ziffer 1. geltend gemachten Ansprüche aus den streitgegenständlichen Erwerbsvorgängen Baulos 81, Herstellung von werksneuen Schienen (H/12110), Klage vom 18.12.2014 (Seite 105 bis 106 d.A.), sowie Baulos S 10, Oberbauarbeiten (H/11065), Klage vom 18.12.2014 (Seite 112 bis 114 d.A.), für erledigt erklärt werde.

2.                  Die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin Gutachterkosten in Höhe von 12.126,24 Euro nebst Zinsen in Höhe von jährlich 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen. Die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, die Klägerin von den Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.874,45 Euro freizustellen.

Gegenüber der Beklagten zu 3. hat die Klägerin den Rechtsstreit insgesamt für erledigt erklärt; diese hat sich der Erledigungserklärung angeschlossen.

Die verbleibenden Beklagten haben sich der Teilerledigung der Klägerin angeschlossen und beantragen im Übrigen,

die Klage abzuweisen.

Die Nebenintervenientinnen haben beantragt,

der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

Die Beklagten rügen zunächst, dass die Klage auf Grund unzulässiger Alternativität unter verschiedenen Gesichtspunkten unzulässig sei.

Zudem sei die Klage auch unbegründet, da die Klägerin bereits nicht substantiiert die Kartellbetroffenheit der streitgegenständlichen Erwerbsvorgänge dargelegt habe und eine umfassende Bindung nach § 33 Abs. 4 GWB a.F. nicht denkbar sei. Eine Umkehrung der Darlegungs- und Beweislast der Beweiserleichterung käme nicht in Frage. Zudem sei auch kein konkreter Nachweis einer Schädigung durch die Kartellabsprachen seitens der Klägerin geführt worden. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts sei genauso wenig wie ein Preisschirmeffekt substantiiert dargelegt.

Insbesondere sei nicht berücksichtigt, dass die Absprachen in unterschiedlicher zeitlicher und regionaler Intensität durchgeführt worden seien.

Ein Rückgriff auf pauschalisierte Schadensersatzklauseln sei nicht zulässig, insbesondere nicht, wie durch die Klägerin vorgenommen, hilfsweise.

Hingegen sei der Schaden dadurch entfallen, dass, wie dies im Nahverkehr regelmäßig geschehe, die Ticketpreise für den Endverbraucher erhöht worden seien und ein eventueller Schaden dadurch weitergewälzt worden sei.

Die geltend gemachten Zinsen seien nicht geschuldet, jedenfalls aber überhöht.

Zudem erheben die Beklagten die Einrede der Verjährung.

Die Weiterreichungen von Zahlungen der XXX1 an die Klägerin sowie die Abtretungen der XXX1 an die Klägerin werden von den Beklagten mit Nichtwissen bestritten.

Die Zahlungen der Klägerin bzw. der XXX1 an Drittfirmen werden von den Beklagten mit Nichtwissen bestritten. Die Beklagten zu 1. und 2. bestreiten mit Nichtwissen, dass die Aufträge mit den Drittfirmen überhaupt zustande gekommen sind.

Zudem müsse sich die Klägerin unter anderem aufgrund ihres Ausschreibungsverhaltens ein Mitverschulden anrechnen lassen.

Die Gutachterkosten seien nicht erstattungsfähig, da jeder Nachweis fehle; zudem werde die Bezahlung bestritten.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf die Anlagen Bezug genommen.

Aus den Gründen

A)

Die Klage ist zulässig.

Bedenken im Hinblick auf die bestimmte Angabe des Grundes nach § 253 Abs. 2 ZPO bestehen für die noch streitgegenständlichen Erwerbsvorgänge nicht mehr. Die Klägerin hat spätestens im Rahmen mündlichen Verhandlung im Einzelnen dargetan, in welcher Reihenfolge (eigenes Recht, abgetretenes Recht usw.) sie aus den einzelnen Erwerbsvorgängen Rechte ableiten will. Unklarheiten bestehen insoweit nicht mehr. Eine Klage insoweit auf unterschiedliche Lebenssachverhalte zu stellen ist zulässig, wenn, wie hier, klargestellt wird, dass es sich um Eventualverhältnisse handelt. Weitere Bedenken bestehen unter den Gesichtspunkten von §§ 260, 263, 267 ZPO nicht.

B)

Die Klage ist im Hinblick auf die Erwerbsvorgänge 6) bis 8) teilweise begründet, im Übrigen im nach den Erledigungserklärungen noch rechtshängigen Umfange unbegründet.

I.

Der Klägerin steht Schadensersatz im tenorierten Umfang aus den Erwerbsvorgängen 6) bis 8) zu.

1.

Der Klägerin steht im Hinblick auf den Erwerbsvorgang 6) (ÖPNV-BP L403) zunächst dem Grunde nach ein gesetzlicher Schadensersatzanspruch gemäß § 33 GWB in der vom 1. Januar 1999 bis zum 30. Juni 2005 geltenden, nach dem intertemporären Recht für den Erwerbsvorgang im Jahre 2004 maßgeblichen Fassung zu (zur Anwendbarkeit des zum Zeitpunkt des Erwerbsvorgangs geltenden Rechts vgl. BGH, U. v. 28.06.2011, KZR 75/10, BGHZ 190, 145 = WuW/E DE-R 3431 Rz. 13 – ORWI, ferner Kammer in LG Dortmund, 8 O 90/14, NZKart 2017, 86 ff, Rn 80 ff. - Schienenkartell). Nach dieser Vorschrift ist derjenige, der vorsätzlich oder fahrlässig gegen eine Vorschrift des GWB verstößt, die den Schutz eines anderen bezweckt, diesem zum Ersatz des aus dem Verstoß entstandenen Schadens verpflichtet. Bei den nach den Feststellungen des Bundeskartellamts vom 18. Juli 2013 verletzten Vorschriften des § 1 GWB bzw. Art.  81 Abs. 1 EG handelt es sich um Schutzgesetze im Sinne des § 33 S. 1 GWB (1999). Da es sich bei der Verabredung und Durchführung des von dem Bundeskartellamt geahndeten Vertriebskartells um eine gemeinschaftliche unerlaubte Handlung handelt, haften die kartellbeteiligten Beklagten zu 1. und zu 4. bis 7. gemäß §§ 830 Abs. 1 S. 1, 840 Abs. 1 BGB der Klägerin als Gesamtschuldnerinnen für die durch das Kartell verursachten Schäden. Die Beklagte zu 2. hat im Jahr 2010 im Wege einer Umwandlung durch Abspaltung den Geschäftsbereich „Gleisbau“ der Beklagten zu 1. erworben und haftet daher nach § 133 Abs. 1 S. 1 UmwG als Gesamtschuldnerin neben der Beklagten zu 1. für die vor Wirksamkeit der Spaltung bereits begründete Verbindlichkeit.

Für die Zeit nach Juli 2005, also im Hinblick auf die Erwerbsvorgänge 7) und 8), gilt § 33 Abs. 3 S. 1 mit Abs. 1 GWB in der ab Juli 2005 bis zum Eintritt der 9. GWB‑Novelle geltenden Fassung i.V.m. §§ 830, 840 BGB (vgl. so auch LG Dortmund, 8 O 90/14 aaO. mit Verweis auf BGH, KZR 75/10) wegen des – vorsätzlichen – Verstoßes gegen § 1 GWB bzw. Art 101 AEUV.

2.

Die schon im Tatbestand erwähnten im Bußgeldbescheid getroffenen Feststellungen des Bundeskartellamts sind der Entscheidung im vorliegenden Streitfall zugrunde zu legen. Im Übrigen werden hiermit auch sämtliche weiteren Feststellungen der Bußgeldescheide die hier die Beklagten betreffen der Entscheidung zugrunde gelegt.

Dies folgt für die Beklagten zu 1., 3. und 5., gegen die das Bundeskartellamt wegen des „Schienenkartells“ im Juli 2013 Bußgeldbescheide erlassen hat, bereits aus der Tatbestandswirkung des § 33 Abs. 4 GWB (2005). Diese Norm ist unabhängig vom Zeitpunkt des Kartellrechtsverstoßes anwendbar, wenn – wie im Streitfall – ein entweder bereits vor dem Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle (1. Juli 2005) oder hiernach eingeleitetes kartellbehördliches oder gerichtliches Verfahren wegen Verstoßes gegen eine Vorschrift des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen erst nach dem Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle bestandskräftig abgeschlossen worden ist (vgl. BGH, U. v. 12.06.2018, KZR 56/16, NZKart 2018, 315, Tz 30 ff. – Grauzementkartell II; OLG Düsseldorf, U. v. 22.08.2018, VI-U (Kart) 1/17, NZKart 2018, 477, Rn. 86 – Schienenkartell; so schon LG Dortmund, 8 O 90/14 Rn 95 - juris).

Darüber hinaus gilt für alle Beklagten, dass die Klägerin mit ihrem Vortrag die Feststellungen des Bundeskartellamts in den Prozess eingeführt und sich zu eigen gemacht hat, ohne dass die Beklagten diese Feststellungen bestritten haben, weshalb das die Feststellungen des Bundeskartellamts aufgreifende Vorbringen der Klägerin gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden anzusehen ist.

3.

Die Beklagten zu 1. und zu 4. bis 7. sowie die Beklagte zu 3., gegenüber der der Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, haben den vom Bundeskartellamt festgestellten Kartellrechtsverstoß vorsätzlich und somit schuldhaft begangen; gegen diese Beurteilung wenden die Beklagten mit Recht nichts ein.

4.

Auf die Frage, ob die genannten Erwerbsvorgänge von der Kartellrechtsverletzung „betroffen“ waren, kommt es aus Sicht der Kammer nicht an; die Frage ist aber gleichwohl zu bejahen.

a)

Nach Auffassung der Kammer kommt dem Merkmal der „Kartellbetroffenheit“ eine eigenständige Bedeutung nicht zu, soweit ein kausal durch die Kartellrechtsverletzung verursachter Schaden festzustellen ist (so zu Recht bereits Roth in FK-KartR, 92. Lief. 11.2018, § 33 a Rn. 24 ff.; ders., Zur Aktivlegitimation im deutschen Kartelldeliktsrecht, in: Europäisches, deutsches und internationales Kartellrecht – Festschrift für Dirk Schroeder zum 65. Geburtstag, Köln 2018, 709, 714 f.; vgl. zur Problematik nun auch Pohlmann, WRP 2020, 1242 ff., Tz 12 ff.; dies., Festschrift für Gerhard Wiedemann, 2020, S. 629 ff. und ferner Otto, ZWeR 2019, 354 ff.). Diese Feststellung muss zur Bejahung eines Schadensersatzanspruchs ohnehin getroffen werden; die herkömmlich erörterten Kausalitätsdimensionen wie die zeitliche, räumliche und sachliche Einpassung des jeweiligen Erwerbs in das Kartell können zwanglos auch im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität behandelt werden.

b)

Bei dem Merkmal der „Kartellbetroffenheit“ im Sinne des § 33 GWB – so wie es ganz überwiegend in Rechtsprechung und Literatur verstanden wird – handelt es sich um ein in den übrigen europäischen Rechtsordnungen überwiegend unbekanntes Merkmal (vgl. auch Begründung Referentenentwurf zur 10. GWB-Novelle S. 89/90). Als positiv nach den Maßstäben des § 286 ZPO festzustellendes Merkmal kann der Kartellbetroffenheit ohnehin kaum eigene Bedeutung zukommen; das Merkmal ist vielmehr inhaltsleer. Die gängige Definition des Merkmals geht hin zu einer auf der Kartellrechtsverletzung beruhenden „abstrakten Möglichkeit eines Schadens“ (Lahme/Ruster, NZKart, 2019, 199 mwN); teils wird gar eine „konkrete Beeinträchtigung“ gefordert (s. Fritzsche/Klöppner/Schmidt, NZKart 2016, 412, 415 sowie Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, 2. Aufl., S. 53 ff; Wagner, JZ 2019, 470; Ohlhoff in Kamann/Ohlhoff/Völcker, Kartellverfahren und Kartellprozess, § 26 Rn. 121), wobei es hier zu einer teilweisen Vermischung oder doch jedenfalls zu Unschärfen im Hinblick auf die Trennung der Begriffe „Kartellbetroffenheit“ und „Kartellbefangenheit“ kommt (vgl. dazu auch BGH, U. v. 11.12.2018, KZR 26/17, NZKart 2019, 101 – Schienenkartell I - Tz 59 einerseits und BGH, U. v. 28.01.2020, KZR 24/17, NZKart 2020, 136 – Schienenkartell II, Tz 26 a.E. andererseits).

Da für einen Schadensersatzanspruch aber, wie oben schon angesprochen, die Verletzung, also der Eintritt des Schadens, erforderlich ist, ist darin schon denklogisch eine vorangegangene Gefährdung – sei sie abstrakt oder konkret – mit enthalten; der Schadenseintritt umschließt evident jede Art von Gefährdung. Dies entspricht letztlich auch in vollem Umfang der Herangehensweise des Kartellsenats des BGH in Sachen „Grauzement II“ (KZR 56/16), der in der zitierten Entscheidung zu Recht allein von der Schadenswahrscheinlichkeit her argumentiert hat, ohne das Merkmal der „Kartellbetroffenheit“ auch nur zu erwähnen. Den Entscheidungen des BGH vom 11.12.2018 (KZR 26/17 – Schienenkartell I) und vom 28.01.2020 (KZR 24/17 - Schienenkartell II; nichts anderes gilt für die weiteren Entscheidungen KZR 23/17, KZR 25/17 und KZR 27/17) ist insoweit nicht zu entnehmen, dass all dies nunmehr keine Geltung mehr beanspruchen soll. Damit ist die dargestellte Auslegung der Kammer nicht nur mit einer weiter fortgeltenden Leitentscheidung des Bundesgerichtshofes vereinbar, sondern entspricht auch im besonderen Maße, wie im Folgenden zu zeigen ist, der Rechtsauffassung des EuGH.

Die weitergehende Auslegung, die dem Merkmal insbesondere in der jüngsten instanzgerichtlichen Rechtsprechung gegeben worden ist, wonach gar vertiefter klägerischer Vortrag dazu erforderlich sei, dass der einzelne Erwerbsvorgang Gegenstand einer Kartellabrede gewesen sei (z.B. OLG Nürnberg, B. v. 08.07.2019, 3 U 1876/18 Tz 86 – HEMA-Vertriebskreis II - juris, NZKart 2020, 38 = BeckRS 2019, 26970; auf gleicher Linie aber auch LG Nürnberg-Fürth, U. v. 17.10.2019, 19 O 9543/16 – KWR-Arbeitskreis, NZKart 2019, 678; LG Leipzig, U. v. 13.08.2019, 5 O 1850/15 – Schienenkartell, NZKart 2019, 614, Rn 81 ff.) ist bereits nicht mit der Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache „Kone“ (U. v. 05.06.2014, C-557/12, NZKart 2014, 263) und insbesondere nicht mit der Entscheidung in der Rechtssache „Otis“ (EuGH, C-435/18, EuZW 2020, 198) vereinbar. Ausweislich der Entscheidung in der Rechtssache „Kone“ kann auch der vom Kartellaußenseiter Erwerbende einen Schadensersatzanspruch innehaben. Dieser sog. „Preisschirmerwerb“ kann aber naturgemäß nicht Gegenstand einer Kartellabrede selber sein oder sich in eine Absprachepraxis einpassen lassen (vgl. aber LG Leipzig, aaO. Tz 83).

Aus Sicht des EuGH, wie sie sich in der Rechtssache Otis widerspiegelt, ist erkennbar nur das Vorhandensein eines ursächlichen Schadens für die grundsätzliche Möglichkeit des Bestehens eines Schadensersatzanspruchs erforderlich. Steht somit aber in der Tat jedermann, der einen kausal durch die Kartellrechtsverletzung bewirkten Schaden erlitten hat, ein Schadensersatzanspruch zu, können für diejenigen, die von dem Rechtsverletzer unmittelbar oder in einer Lieferkette, also mittelbar erworben haben, keine strengeren Regeln gelten (so ständige Rechtsprechung der Kammer, vgl. Landgericht Dortmund, 8 O 90/14 Kart – Schienenkartell; Landgericht Dortmund, 8 O 13/17 Kart – LKW-Kartell; zustimmend Thiede, NZKart 2017, 68; und Bellinghausen/Grothaus, NZKart 2018, 116, 117f).

c)

Selbst wenn mit der Rechtsprechung des BGH zum Schienenkartell aber das Merkmal der „Kartellbetroffenheit“ weiterhin zu berücksichtigen wäre, würde dies hier zu keinem anderen Ergebnis führen, ohne dass es auf die von den Parteien erörterten Fragen von Beweiserleichterungen ankäme.

aa)

Der BGH hat in seiner Entscheidung „Schienenkartell II“ (KZR 24/17 Tz 23 ff.) selber ausgeführt, dass der Kreis derjenigen, die berechtigt sind, einen Schadensersatzanspruch wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften des § 1 GWB sowie des Art. 101 AEUV geltend zu machen, sich im Ausgangspunkt nach den Vorschriften des GWB richte, allerdings – wenn ein Verstoß gegen Art. 101 AEUV in Rede stehe – die Vorgaben des Unionsrechts zu berücksichtigen seien, denen sowohl der Kreis der Anspruchsberechtigten und die Person des Ersatzpflichtigen als auch der Begriff des ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem nach Art. 101 AEUV verbotenen Verhalten und dem geltend gemachten Schaden zu entnehmen sein sollen (BGH, KZR 24/17, Tz 23 unter Verweis auf EuGH, C-295/04, EuZW 2006, 529 Rn. 61, 91 – Manfredi; EuGH, C-724/17, NJW 2019, 1197 Rn. 26 – Skanska; EuGH, C-435/18, EuZW 2020, 198 Rn. 27 ff. – Otis). Er hat weiter ausgeführt, dass – um die Durchsetzungskraft der Wettbewerbsregeln der Union zu erhöhen und Unternehmen von oft verschleierten wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen oder Verhaltensweisen abzuhalten -  nach der Rechtsprechung des EuGH jedermann Ersatz des Schadens verlangen könne, soweit nur zwischen dem Schaden und dem nach Art. 101 AEUV verbotenen Verhalten ein ursächlicher Zusammenhang bestehe. Eine weitergehende Einschränkung des Kreises der Anspruchsberechtigten ergebe sich aus dem Unionsrecht nicht. Damit seien nicht nur die Marktteilnehmer auf den von der Kartellabsprache betroffenen oder benachbarten Märkten – insbesondere die unmittelbaren und mittelbaren Abnehmer oder Lieferanten der Kartellbeteiligten sowie der Kartellaußenseiter berechtigt, Schadensersatzansprüche gegen die Kartellbeteiligten geltend zu machen. Vielmehr könne sich – unter Verweis auf die Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Otis - der Kreis der Anspruchsberechtigten auch auf sonstige Dritte erstrecken, auf deren Vermögensposition sich die Kartellabsprache wirtschaftlich nachteilig in Form eines verursachten Schadens ausgewirkt habe, was der Weite des Schutzbereichs des Art. 101 AEUV entspreche (BGH, KZR 24/17 Tz 24 - juris).

Aus Sicht der Kammer zeigt dies letztlich, dass es bei einer Kausalitätsbetrachtung im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität sein Bewenden haben muss, zumal nach der Rechtsprechung des Kartellsenats eine haftungsbegründende Kausalität ohnehin nicht zu berücksichtigen ist (vgl. BGH, KZR 25/14 Tz 43 - Lottoblock II und in der Sache auch – wenn auch in der Diktion ungenau – BGH, KZR 24/17 Tz 25, 26 - juris).

bb)

Aber auch wenn man mit dem BGH (KZR 24/17 Tz 25 - juris) unter dem Maßstab des § 286 ZPO weiterhin prüfen will, ob „dem Anspruchsgegner ein wettbewerbsbeschränkendes Verhalten anzulasten ist, das – vermittelt durch den Abschluss von Umsatzgeschäften oder in anderer Weise – geeignet ist, einen Schaden des Anspruchstellers mittelbar oder unmittelbar zu begründen,“ führt dies im Streitfall zu keiner anderen Bewertung. Die XXX1, welche einerseits nach der Behauptung der Klägerin die von ihr gemachten Aufwendungen an die Klägerin weitergereicht und letzterer zudem ihre möglichen Ansprüche abgetreten hat, erwarb unmittelbar von der Beklagten zu 1), also einer Kartellbeteiligten, Waren, welche Gegenstand der Kartellabsprache waren.

Damit wäre die Klägerin in jeder Alternative in der verlangten Weise „betroffen“, da sie – auch wenn sie primär auf die von ihr behauptete Weiterberechnung und nicht auf die von ihr ebenfalls behauptete Abtretung abstellt, durch welche sie ohnehin in die Stellung der XXX1 einrücken würde – durch die Weiterreichung notwendig in gleicher Weise wie die – ohnehin als Unternehmen der Stadtwerke aufs Engste mit der Klägerin verbundenen - XXX1 mit der Kartellrechtsverletzung in Berührung kam. Insoweit kann der herkömmlichen Einordnung folgend die Klägerin als unmittelbare und nicht etwa als mittelbare Erwerberin angesehen werden, obwohl auch die Einordnung als solche hier zu keinem abweichenden Ergebnis führen würde (vgl. dazu LG Dortmund, 8 O 13/17 Kart, Rn 46 ff. – juris; diese Unterscheidung durch Annahme einer einheitlichen Anspruchsinhaberschaft für Konzernunternehmen und ähnlich eng verbundene Rechtspersönlichkeiten für das Kartellrecht vermeidend jüngst auch Kersting, WuW 2019, 290, 297 f.; in eine ähnliche Richtung deutend jetzt offenbar auch BGH, U. v. 19.05.2020, KZR 8/18 – Schienenkartell IV - Tz 49 und 64 - juris).

5.

Aufgrund der mit Bindungswirkung nach § 33 IV GWB a.F. feststehenden Rechtsverletzung der Beklagten, welche zu einer gesamtschuldnerischen Haftung nach §§ 830, 840 BGB sämtlicher Kartellbeteiligter für aus den einzelnen Erwerbsvorgängen folgende Schäden führt (instruktiv BGH, U. v. 19.05.2020, KZR 70/17 Tz 30  ff. - Schienenkartell III – juris), ist der Klägerin im Hinblick auf die als kartellbefangen anzusehenden Erwerbsvorgänge 6) bis 8) ein Schaden entstanden. Für diese Aspekte streitet hier eine tatsächliche Vermutung.

a)

Mit dem Kartellsenat des BGH ist die Frage nach der Kartellbefangenheit einzelner Erwerbsvorgänge als gleichbedeutend mit der für den unionsrechtlich determinierten Schadensersatz maßgeblichen Frage nach dem ursächlichen Zusammenhang zwischen der Kartellabsprache und dem Vorliegen eines individuellen Schadens anzusehen (vgl. dazu BGH, KZR 24/17 Tz 27). Erweist sich, dass dem Anspruchsteller ein der Kartellabsprache zurechenbarer Schaden entstanden ist, steht zugleich fest, dass sich die verbotene Absprache nachteilig auf das Geschäft, insbesondere auf den gezahlten Preis, ausgewirkt hat; diese Gesichtspunkte sind im Rahmen der Schadensfeststellung Gegenstand der haftungsausfüllenden Kausalität (BGH, aaO., vgl. ferner Otto, ZWeR 2019, 354, 383 und 388; Lahme/Ruster, NZKart 2019, 196, 200; Hutschneider/Stieglitz, NZKart 2019, 363, 367).

Da der aus einem Verstoß gegen kartellrechtliche Verhaltensnormen folgende Schadensersatzanspruch unabhängig von der Verletzung eines bestimmten Rechtsguts entsteht, ist im Gegensatz zu deliktischen oder vertraglichen Schadensersatzansprüchen, welche die Verletzung eines Rechtsguts voraussetzen,  bereits der erste Schaden der haftungsausfüllenden Kausalität zuzuordnen (BGH, KZR 24/17 Tz 29 – Schienenkartell II; BGH KZR 25/14Rn 42 f.  – Lottoblock II mwN. – jeweils zitiert nach juris).

Der BGH hat in diesem Zusammenhang zu Recht ausgeführt, dass die an den Nachweis dieses Schadens zu stellenden Anforderungen sich nach dem deutschen Zivilprozessrecht richten, auch wenn der Begriff der haftungsausfüllenden Kausalität im Ausgangspunkt unionsrechtlich determiniert ist, weil nach dem Inhalt des Unionsrechts jeder Schaden, der in einem ursächlichen Zusammenhang mit einer Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV steht, nach dieser Vorschrift ersatzfähig ist, ohne dass es auf einen spezifischen Zurechnungszusammenhang ankäme (BGH, KZR 24/17 Tz 30 – juris mit Verweis auf EuGH, C-435/18 = NZKart 2020, 30 Tz 30 f. - Otis). Da es an einer näheren Ausgestaltung dieses Begriffs im Unionsrecht fehlt, obliegt es aber dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten, die Modalitäten der Ausübung und Durchsetzung des unionsrechtlich begründeten Schadensersatzanspruchs unter Einschluss des Kausalitätsbegriffs zu regeln (vgl. auch EuGH, NZKart 2014, 263 Tz 24 f. - Kone), wobei die Mitgliedstaaten nach den Grundsätzen der Effektivität und der Äquivalenz verpflichtet sind, die wirksame Anwendung der Wettbewerbsregeln und des sich aus ihnen ergebenden Schadensersatzanspruchs sicherzustellen (BGH, KZR 25/14 Tz 37 mwN – Lottoblock II - juris). Zu diesen Modalitäten zählen jedenfalls die Vorschriften über die zivilprozessrechtlichen Anforderungen an die richterliche Tatsachenfeststellung (vgl. zum Ganzen BGH, KZR 24/17 Tz 30; ferner Generalanwältin Kokott, Schlussanträge vom 29.07.2019, C-435/18 Tz 44 - Otis u.a./Land Oberösterreich.).

Dabei kann dahinstehen, ob dem BGH dahingehend zu folgen ist, dass es bei einem Quoten- und Kundenschutzkartell, wie es hier in Rede steht, an der für die Anwendung eines Anscheinsbeweises erforderlichen Typizität des Geschehensablaufs (BGH, KZR 24/17 Tz 31; ferner BGH, KZR 26/17 = NZKart 2019, 101 Tz 57 – Schienenkartell I; gleichlautend auch KRZ 23/17, 25/17 und 27/17; äußerst kritisch dazu OLG Düsseldorf, U. v. 23.01.2019, VI-U [Kart] 18/17, NZKart 2019, 101, Tz 67 ff.; anders offenbar auch noch BGH, KZR 56/16 – Grauzement II – Tz 30, 35 f.), fehlt. Diese Wertung ist jedenfalls insoweit der Kritik ausgesetzt, als dass sich zum einen die zitierten Urteile nicht mit den zahlreichen Studien zu Auswirkungen von Kartellen (vgl. Nachweise solcher Studien bei Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, 2. Aufl., S. 89, welche teils auch im „Praktischen Leitfaden zur Ermittlung des Schadensumfangs bei Schadensersatzklagen im Zusammenhang mit Zuwiderhandlungen gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union“, S. 50, Tz 139 ff. berücksichtigt sind) auseinandersetzen, welche durchweg zu dem Ergebnis gelangen, dass gleichsam wirkungslose Kartelle die Ausnahme sind (die „Oxera“-Studie beziffert diese auf lediglich 7 % aller Kartelle, vgl. dazu auch Leitfaden aaO.), was somit deutlich eher für eine Typizität sprechen würde. Zum anderen blendet diese Wertung auch ohne nähere Begründung den Umstand aus, dass im Gefolge der Richtlinie 2014/104/EU mit § 33a GWB n.F. eine gesetzliche Vermutung – also eine im Vergleich zum Anscheinsbeweis und seiner Typizität des Geschehensablaufs deutlich weitergehenden Regelung - geschaffen wurde, welche sich ausdrücklich auf die bislang anerkannten Erfahrungssätze der Rechtsprechung wie der Wissenschaft bezog, sodass der Gesetzgeber für den Zeitpunkt ab Geltung der neuen Vorschrift einen entsprechenden Erfahrungssatz also voraussetzt, ohne dass ein guter Grund dafür zu finden wäre, weshalb ein solcher Erfahrungssatz dann nicht vorher schon eingreift.

b)

Doch ergibt sich auch bei einer an den hier heranzuziehenden Maßstäben des § 287 ZPO orientierten Gesamtabwägung aller Sachverhaltsaspekte und Indizien unter Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zunächst nach freier Überzeugung der Kammer, dass die genannten Erwerbsvorgänge kartellbefangen waren und der Klägerin dem Grunde nach ein kartellbedingter Schaden entstanden ist. Für die richterliche Überzeugungsbildung reicht hier eine deutlich überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit aus, dass ein Schaden entstanden ist (vgl. BGH, U. v. 18.03.2004, IX ZR 255/00, NJW 2004, 1521, 1522; BGH, KZR 25/14 Tz 41 - Lottoblock II - juris).

aa)

Dabei war für die Kammer zunächst zu berücksichtigen, dass auch unter Zugrundelegung der Auffassung des Kartellsenats des BGH in Fällen wie dem Vorliegenden, in dem sich die Erwerbsvorgänge 6), 7) und 8) eindeutig zeitlich, räumlich und sachlich in die im Bescheid festgestellte Kartellabsprache einpassen lassen, eine tatsächliche Vermutung für den kartellbedingten Eintritt irgendeines, an dieser Stelle noch nicht näher zu beziffernden Schadens streitet.

Gegen die räumliche Einpassung spricht nicht, dass die Beklagte zu 1. darauf verweist, nur regional an Absprachen beteiligt gewesen zu sein. Denn nach den zugrunde zu legenden Feststellungen des Bundeskartellamts operierte das Kartell nicht nur bundesweit, sondern an ihm waren durchgängig jedenfalls die Beklagten zu 3. und 5. beteiligt, was für sich allein schon die Vermutung begründet, dass in kartellbefangener Zeit alle Ausschreibungen der hier interessierenden Gleisoberbaumaterialien (Schienen, Weichen) in Deutschland von dem Kartell erfasst gewesen sind (so in einem Parallelfall auch OLG Düsseldorf, U. v. 22.08.2018, VI-U (Kart) 1/17 Tz 99 f.). Ist im Einzelfall ein drittes Unternehmen, also hier die Beklagte 1. anstatt der übrigen Beklagten zum Zuge gekommen, spricht deshalb auf erste Sicht alles dafür, dass dies in Anwendung der Regeln des Kartells erfolgt ist. Soweit die Beklagte zu 1. in den Erwerbsvorgängen 6) bis 8) die Aufträge erhalten hat, ist dies bei vernünftiger und unbefangener Betrachtung der Dinge lediglich Ausdruck der Tatsache, dass dieses Unternehmen jedenfalls in der von dem Geschäft betroffenen Region tätig gewesen und mithin auch in Bezug auf dieses Geschäft an dem Kartell beteiligt gewesen ist (so zutreffend auch im genannten Parallelverfahren OLG Düsseldorf, aaO.).

Weitere gegen diese zeitliche, räumliche und sachliche Eingliederung sprechende Umstände führen die Beklagten jedenfalls im Hinblick auf die hier interessierenden Erwerbsvorgänge 6) bis 8) nicht an und solche sind auch sonst nicht ersichtlich.

bb)

Zugunsten des Abnehmers eines an einer Kartellabsprache beteiligten Unternehmens  streitet - im Sinne eines Erfahrungssatzes - eine auf der hohen Wahrscheinlichkeit eines solchen Geschehens beruhende tatsächliche Vermutung. Diese führt zu der Annahme, dass die im Rahmen des Kartells erzielten Preise im Schnitt über denjenigen liegen, die sich ohne die wettbewerbsbeschränkende Absprache gebildet hätten (BGH, KZR 24/17 – Schienenkartell II - Tz 40 – juris; vgl. ferner schon BGH, U. v. 08.01.1992, 2 StR 102/91, BGHSt 38, 186, 194; BGH, B. v. 28. Juni 2005, KRB 2/05 - Berliner Transportbeton I; B. v. 26. 02.2013, KRB 20/12, BGHSt 58, 158 Rn. 76 - Grauzementkartell I; BGH, KZR 56/16 Tz 35 – Grauzement II - juris). Denn bei einem Quoten- und Kundenschutzkartell wie dem hier in Rede stehenden Schienenkartell, kommt dem Erfahrungssatz nach der Rechtsprechung des BGH eine starke Indizwirkung für ein von der Kartellabsprache beeinflusstes Preisniveau zu (vgl. BGH, KZR 26/17 Tz 56 – Schienenkartell I). Diese Vermutung gewinnt laut BGH noch an Gewicht, je länger und nachhaltiger ein Kartell praktiziert wurde und je höher daher die Wahrscheinlichkeit ist, dass es Auswirkungen auf das Preisniveau gehabt hat, das sich infolge der Ausschaltung oder zumindest starken Dämpfung des Wettbewerbs eingestellt hat (BGH, aaO. Tz 55 f.; BGH, KRB 2/05 - Berliner Transportbeton I).

(a)

Dieser Erfahrungssatz wird, wie oben schon angedeutet, durch zahlreiche Studien gestützt. Zieht man nur die bekannte Oxera-Studie (Oxera, 2009: Quantifying Antitrust Damages: Towards Non-binding Guidance for Courts) heran, so zeigt diese, dass gerade einmal 7 % der Kartelle wirkungslos bleiben. Sind aber 93 % wirksam und beeinflussen somit die Preisgestaltung, so deutet schon dies aus Sicht der Kammer auf eine – deutlich – überwiegende Wahrscheinlichkeit und somit einen entsprechend starken Erfahrungssatz hin, dem im Rahmen der erforderlichen Einzelfallabwägungen bei vorzunehmender Gesamtschau aller Aspekte besonderes Gewicht zukommt. Bei dieser Beurteilung kann, anders als zur Substantiierung der Schadenshöhe selber (dies ablehnend etwa LG Dortmund, 8 O 75/19, NZKart 2020, 450, Tz 52 mwN - Sanitärkartell), auch auf Metastudien wie eben die Oxera-Studie zurückgegriffen werden. Denn es liegt auf der Hand, dass allgemeine Erfahrungssätze auf in solchen Studien erforschtem und zum Ausdruck kommenden allgemeinen Erfahrungswissen beruhen.

(b)

Eine weitere Stütze findet dieser Erfahrungssatz auch darin, dass – wie oben schon gezeigt – die EU-Kommission diese Ergebnisse im Rahmen des „Leitfaden(s) zur Ermittlung des Schadensumfangs bei Schadensersatzklagen im Zusammenhang mit Zuwiderhandlungen gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union“ bestätigte und sich zu eigen machte; dies hat sodann Niederschlag in der Schadensvermutung des Art. 17 Abs. 2 der Kartellschadensrichtlinie (Richtlinie 2014/104/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. November 2014) gefunden.

(c)

Wie vom BGH oben angedeutet, gewinnt der Erfahrungssatz vorliegend aufgrund zweier, sich aus dem durch den Bescheid festgestellten Sachverhalt ergebender und in die Gesamtabwägung einzustellender Aspekte weiteres Gewicht, nämlich durch die zeitliche Dauer des Kartells und seine hohe Marktabdeckung.

Der Bescheid hat einen Kartellzeitraum von über 10 Jahren festgestellt; die Erwerbe 6, 7 und 8 lagen in etwa in der Mitte dieses Zeitraums. Dies zeigt bereits, dass es sich notwendig um ein erfolgreiches, also auch preiswirksames Kartell gehandelt haben muss, denn aus wirtschaftlicher Sicht hätte es weder Sinn ergeben, den Aufwand zur Aufrechterhaltung des Kartells bis zu diesen Zeitpunkten zu betreiben noch das Entdeckungsrisiko zu tragen, wäre nicht eine entsprechende Kartellrendite auf der Habenseite zu verzeichnen gewesen. Der Umstand, dass die Erwerbe zu einem Zeitpunkt stattfanden, zu dem das Kartell bereits einige Jahre bestand, schließt auch jegliche Anfangsschwierigkeiten des Kartells und seiner Durchsetzung, die den BGH noch in seiner Entscheidung Schienenkartell I (KZR 26/17 Tz 62) haben zweifeln lassen, eindeutig aus, was ein klares Indiz auch für die Kartellbefangenheit der drei Erwerbsvorgänge ist.

Die Beklagten erreichten zudem ausweislich des Bußgeldbescheides eine Marktabdeckung von ca. 90 %. Aufgrund der Feststellungen des Bundeskartellamtes steht dieser Umstand mit Bindungswirkung auch für das gegenständliche Verfahren fest. Dabei ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass bereits ein erreichter Marktanteil von 60 % als ausreichend für das Bestehen der tatsächlichen Vermutung einer kartellbedingten Schädigung anzusehen ist (OLG Karlsruhe, U. v. 10.04.2019, 6 U 126/17 Kart, NZKart 2019, 351); umso stärker wiegt dieser Umstand hier.

(d)

Als weiterer Aspekt für die Kartellbefangenheit der drei Erwerbsvorgänge und einen so kartellbedingt entstandenen Schaden ist die während dieser Kartelldauer erkennbar vorherrschende hohe Kartelldisziplin zu nennen. Es spricht hier alles dafür, dass durchweg auf Kartellpreisniveau angeboten wurde, weil zum einen aufgrund des bestehenden Kartells mit seiner hohen Marktabdeckung nicht mit einem nennenswerten Preiswettbewerb zu rechnen war und somit auch gar kein Grund zum Ausscheren bestand. Zum anderen wären durch einen Kartellanten im Einzelfall gewährte deutlich günstigere Preise für die Übrigen „auffällig“ gewesen wären, nämlich wenn gerade nicht derjenige Kartellant, der für den Zuschlag ausersehen war, den Auftrag bekommen hätte. Für den Ausersehenen bestand aber überhaupt kein Grund, unterhalb des Kartellpreises anzubieten; ein solcher ist auch durch die Beklagten weder im vorliegenden Verfahren noch – soweit ersichtlich – in einem der zahlreichen Parallelverfahren vorgetragen worden. Zudem hat die Kammer bereits in anderem Zusammenhang schon ausgeführt, (LG Dortmund, U. v. 27.06.2018, 8 O 13/17 Kart, NZKart 2018, 328 Tz 60), dass der einzelne Anbieter bei einem bestehenden Quotenkartell kaum Anreiz zur Senkung seiner Preise hat, weil er sich durch die Preissenkung ohnehin keine zusätzlichen Marktanteile erschließen kann, sondern vielmehr größere Möglichkeiten zur Erhöhung seiner Preise hat, da er nicht Gefahr läuft, durch die Preiserhöhung Marktanteile an seine Wettbewerber zu verlieren (ähnlich OLG Karlsruhe, U. v. 31.07.2013, 6 U 51/12, Tz 55 - juris; ferner LG Hannover, 18 O 405/14, Tz 67 und 18 O 8/17 Tz 76 - juris).

(e)

Soweit von den Beklagten – ähnlich wie in Parallelfällen - eingewandt worden ist, in den Bereichen „Schienen“ und „Schwellen“ seien bezogen auf „nur“ 10 % bis 15 % des Gesamtmarktvolumens „ausdrückliche Absprachen“ getroffen worden, ist auch dies unerheblich (vgl. hierzu zutreffend OLG Karlsruhe, a.a.O.). Insbesondere kommt es in diesem Zusammenhang ganz offensichtlich nicht allein auf die „ausdrücklichen“ Absprachen der Kartellbeteiligten an; solche sind nach den zugrunde zu legenden Feststellungen des Bundeskartellamts nämlich weitgehend gar nicht (mehr) nötig gewesen, um das Kartell am Markt durchzusetzen (OLG Düsseldorf, VI-U Kart 18/17, NZKart 2019, 157 – Schienenkartell - Tz 97).

(f)

Vor diesem Hintergrund ändert sich deshalb auch nichts an dieser Bewertung, wenn sich die Beklagten auf eine unterschiedliche Intensität der einzelnen Absprachen berufen, weil ausweislich des Bußgeldbescheides stets mit demselben Grundverständnis, vergleichbarem Ablauf und ähnlicher Umsetzung gearbeitet wurde (vgl. S. 6 u. 13 des Bußgeldbescheides, Anlage K 1) und insgesamt ein hohes Organisationsniveau des Kartells errichtet war (s. auch in einem Parallelfall OLG Düsseldorf, VI-U Kart 11/17, BeckRS 2018, 29966).

(g)

Erkennbar neben der Sache liegt ferner der Beklagtenvortrag, wonach die Kartellabsprachen lediglich der gleichmäßigen Auslastung der Produktionsstätten gedient hätten. Dieser Einwand berührt nämlich die grundsätzliche Überlegung, dass den Kartellbeteiligten durch den durch das Kartell verabredeten „Kundenschutz“ ein bei einem funktionierenden Wettbewerb nicht gleichermaßen bestehender Spielraum zur Durchsetzung von Preiserhöhungen erwachsen ist, schon nicht im Ansatz. Dieser Spielraum ist von der Frage einer zu bejahenden oder aber zu verneinenden Kapazitätsauslastung einzelner Kartellteilnehmer unabhängig. Denn bei einer zwischen Wettbewerbern vorgenommenen Aufteilung von Absatzquoten oder Kunden wird der typische Unternehmer versuchen, seinen Gewinn zu maximieren; dass Preissetzungsspielräume ohne Grund ungenutzt bleiben, liegt völlig fern. Dies gilt im Grundsatz selbst dann, wenn ein einzelner Kartellbeteiligter an seinen Kapazitätsgrenzen operiert. Auch in diesem Fall ist das Kartell regelmäßig kausal für die Durchführung von Preiserhöhungen des betreffenden Unternehmens; denn dieses kann wegen des Kartells, anders als bei funktionierendem Wettbewerb, auch nach Erreichen seiner Kapazitätsgrenzen seine Preise weiter erhöhen, ohne Marktanteile zu verlieren (so schon OLG Düsseldorf, U. v. 22.08.2018, VI-U (Kart) 1/17, NZKart 2018, 477 = WuW 2018, 541, Tz 116 mwN - Schienenkartell). Ob bei einer Auslastung der Kapazitäten aller Kartellbeteiligten zu den maßgeblichen Zeitpunkten der streitbefangenen Erwerbsgeschäfte im Ergebnis eine andere Beurteilung gerechtfertigt wäre, kann auf sich beruhen; insoweit fehlt es bereits an jedwedem Sachvortrag der Beklagten. Dieser Einwand ist im Übrigen auch in zahlreichen parallel gelagerten Fällen des „Schienenkartell-Komplexes“ mit Recht verworfen worden (vgl. etwa OLG Düsseldorf, VI U Kart 18/17 Tz 96 - juris; OLG Karlsruhe, U. v. 10.03.2017, 6 U 58/15 (Kart]; OLG München, U. v. 08.03.2018, U 3497/16 Kart, NZKart 2018, 230, Tz 78 - Schienenkartell).

(h)

Zu keiner anderen Bewertung führt insoweit der regelmäßig durch die Beklagten im Rahmen des „Schienenkartell-Komplexes“ gehaltene Vortrag, die „lediglich“ auf eine verbesserte Auslastung der Produktionskapazitäten gerichtete Funktionsweise des Kartells werde dadurch bestätigt, dass nach der Aufdeckung des Kartells ein Teil dieser Kapazitäten weggefallen und die Preise im Ergebnis gestiegen seien (vgl. dazu etwa auch BGH, KZR 26/17, Tz 58 – Schienenkartell I). Zum einen berührt die genannte Behauptung den oben dargelegten Umstand, dass bei einer Aufteilung von Quoten bzw. Kunden der typische Unternehmer unabhängig von der Frage einer Auslastung seiner Kapazitäten seine kartellbedingten Preissetzungsspielräume regelmäßig zur Erhöhung seiner Preise nutzen wird, schon im Tatsächlichen nicht. Zum anderen haben vorliegend die Beklagten auch keinen substantiierten Sachvortrag zu einer solchen Preissteigerung nach Aufdeckung des Kartells gehalten. Soweit im Streitfall die Beklagten reklamiert haben, hinsichtlich der streitbefangenen Erwerbsvorgänge hätten die insoweit vereinnahmten Preise unterhalb der von der Klägerin dargelegten Durchschnittspreise bestimmter Produktarten im Kartellzeitraum und zum Teil auch in der Nachkartellzeit gelegen, dringt dieser Einwand nicht durch.

Insoweit können die Beklagten nicht mit dem von der Klägerin eingeholten Privatgutachten („IAW-Gutachten“) argumentieren (s. auch OLG Düsseldorf, VI U Kart 1/17 Tz 128 mwN - juris). Dieses von insgesamt fast 50 Abnehmern von Gleisoberbaumaterialien in Deutschland beauftragte Gutachten diente schon im Ansatz nicht der Ermittlung eines konkreten (Einzelfall-)Schadens, sondern vielmehr dazu, ein geeignetes Modell für die Schätzung der durchschnittlichen kartellbedingten Preisaufschläge zu entwickeln und dieses mithilfe anerkannter statistischer Methoden zu schätzen (vgl. OLG Düsseldorf, aaO. Tz 129). Zudem bildet dieses Gutachten unter einer Zusammenfassung von Produktarten (z.B. „Vignolschienen“, „Rillenschienen“) lediglich Durchschnittspreise ab, in welche ein breites Spektrum von nach Beschaffenheit und Ausstattung unterschiedlichen Produkten eingeflossen ist und die zudem auf der Grundlage statistisch gewichteter Einzelpreise ermittelt sind und sich auf den gesamten Kartellzeitraum von etwa einem Jahrzehnt beziehen. Damit fehlt es naturgemäß an jeglicher Vergleichbarkeit der Einzelpreise der von den streitbefangenen Erwerbsvorgängen betroffenen Produkte mit den im Privatgutachten ermittelten Durchschnittspreisen (s. OLG Düsseldorf, aaO. Tz 131). Schließlich errechnen sich die im Gutachten ausgewiesenen Durchschnittspreise aus Liefergeschäften, welche die Kartellbeteiligten mit insgesamt 49 Gleisoberbaumaterialien abnehmenden Verkehrsunternehmen geschlossen haben, die in ihrer Gesamtheit flächendeckend über das Bundesgebiet verteilt geschäftsansässig sind. Es liegt auf der Hand, dass eine sachliche Vergleichbarkeit der streitbefangenen Beschaffungspreise mit den im Gutachten ausgewiesenen Durchschnittspreisen ein über die verschiedenen Kartellunternehmen und Lieferregionen hinweg weitgehend homogenes Preisgefüge für sämtliche Produkte voraussetzen würde, wofür hier weder Sachvortrag geleistet wurde noch sonstige Anhaltspunkte bestehen (vgl. dazu mit näheren Ausführungen in einem Parallelfall schon OLG Düssldorf, aaO. Tz 137).

Nichts anderes folgt aus dem durch die Beklagten vorgelegten Privatgutachten („Nera“-Gutachten; insoweit wird auf Bl. 819 ff. d.A. Bezug genommen). Dieses stellt schon dem Titel nach nur eine „kritische Würdigung des IAW-Gutachtens“ dar und ist bereits deshalb naturgemäß nicht geeignet, zu anderen Ergebnissen zu kommen, wenn auf das IAW-Gutachten – wie soeben gezeigt – für den hier relevanten Punkt nichts zu stützen ist. Zudem ist nicht ersichtlich, dass diesem Privatgutachten der komplette, bei der beauftragenden Partei vorhandene Daten- und Wissensbestand zugrunde gelegen hätte. Denn die Beklagten verfügten notwendig über das überlegene Wissen der Abspracheinhalte. Dieses Wissen ist aber erkennbar an keiner Stelle in die Begutachtung eingeflossen; vielmehr nimmt das „Nera“-Gutachten im Ausgangspunkt dieselben statistischen und sonstigen Betrachtungen vor, wie jedes andere Gutachten dies auch ohne den Einfluss von Sonderwissen tun würde. Ein Parteigutachten stellt indes nichts anderes als Parteivortrag dar; dieser muss ausweislich § 138 Abs. 1 ZPO „vollständig und der Wahrheit gemäß“ sein. An der Vollständigkeit fehlt es hier dann aber schon im Ansatz (vgl. zu generellen Substantiierungsanforderungen an den Vortrag von Kartellanten auch KG Berlin, U. v. 28.06.2018, 2 U 13/14 Kart, NZKart 2018, 376 Tz 58 ff. und in diese Richtung generell auch Kühnen, NZKart 2019, 515, 520).

Auch unabhängig von diesen Aspekten ist der vor allem durch die Beklagten zu 1. und 2. bemühte Vergleich mit den im IAW-Gutachten ausgewiesenen Durchschnittspreisen auch ganz konkret nicht zielführend, weil die Durchschnittspreise einen ausgesprochen langen Betrachtungszeitraum von insgesamt 13 Jahren abbilden. Welches durchschnittliche Preisniveau zu den Zeitpunkten der Erwerbsvorgänge 6) bis 8), also in den Jahren 2004 und 2005 bestanden hat, bleibt indes unklar und die Beklagten haben insoweit keinen substantiieren Sachvortrag gehalten. Insbesondere ist nach dem Sach- und Streitstand nicht auszuschließen, dass zu den hier interessierenden Zeitpunkten jeweils ein von den oben genannten Durchschnittspreisen erheblich nach unten abweichendes durchschnittliches Preisniveau geherrscht hat, das keinen vernünftigen Zweifel an einer kartellbedingten Preisüberhöhung zulässt (so mit Recht schon zu einem parallel gelagerten Fall OLG Düsseldorf, U. v. 22.08.2018, VI‑U (Kart) 1/17 Tz 133 - juris). Auch dieser Punkt streitet demnach im Rahmen einer Gesamtabwägung aller Aspekte und Indizien nicht zugunsten der Beklagten gegen die Annahme eines kartellbedingten Schadens im Rahmen der drei Erwerbsvorgänge.

(i)

Soweit die Beklagte zu 1. – wie auch in Parallelverfahren – darauf hingewiesen hat,  man habe „umfangreiche interne Ermittlungen“ geführt, jedoch „keinerlei Hinweise auf eine Kartellbefangenheit“ gefunden, geht dies schon deshalb ins Leere, weil es für ein Kartell geradezu wesenstypisch ist, dass Absprachen zu seiner Begründung und Durchführung einer Geheimhaltung unterliegen (zutreffend auch OLG Jena, U. v. 22.02.2017, 2 U 583/15 Kart, NZKart 2017, 540 = WuW 2017, 204 Tz 77 – Schienenkartell). Die Teilnehmer eines Kartells sind allein schon im Interesse der Vermeidung von straf- oder ordnungswidrigkeitsrechtlichen Sanktionen bestrebt, zur Aufdeckung des Kartells womöglich geeignete Beweismittel – wie etwa schriftliche Dokumente oder E-Mail-Korrespondenz – entweder gar nicht erst entstehen zu lassen oder aber bei aufkommender Entdeckungsgefahr zu vernichten bzw. unzugänglich zu halten. Dies gilt vorliegend umso mehr, als das Bundeskartellamt bezüglich der Durchsetzung des Kartells auch Feststellungen über eine nicht verschriftlichte Kommunikation zwischen den Kartellteilnehmern, namentlich zum Beispiel in Gestalt von Telefongesprächen oder Besprechungskreisen (Sitzungen), getroffen hat (vgl. zum Ganzen OLG Düsseldorf, VI-U (Kart) 1/17 Tz 110 mwN). In Anbetracht des Ausgeführten haben die Beklagten schon keinen substantiierten Vortrag dazu gehalten, welche Maßnahmen zur Aufklärung einer zu bejahenden oder aber auszuschließenden Kartellbefangenheit des streitbefangenen Erwerbsvorgangs ausreichend und erforderlich gewesen und von ihr konkret ergriffen worden seien; dies geht zu ihren Lasten (so auch in einem Parallelfall OLG Düsseldorf, aaO.).

(j)

Soweit schließlich vorliegend und in zahlreichen Parallelverfahren weitere Aspekte für die Beklagtenseite fruchtbar gemacht werden, wie etwa Ausklammerungen von Geschäften unterhalb bestimmter Umfänge o.ä., sind solche im Hinblick auf die hier relevanten Erwerbsvorgänge nicht relevant und im Übrigen durchweg auch nicht zielführend, wie der 1. Kartellsenat des OLG Düsseldorf mehrfach ausgeführt hat (statt aller: OLG Düsseldorf, aaO.).

(k)

Da schließlich auch eine nochmalige Gesamtabwägung aller durch die Parteien vorgebrachten Aspekte zu keinem abweichenden Ergebnis führt, ist die Kammer vorliegend aufgrund der zugunsten der Klägerin streitenden tatsächlichen Vermutung vom Eintritt eines kartellbedingten Schadens dem Grunde nach im Hinblick auf die Erwerbsvorgänge 6) bis 8) mit der nach § 287 ZPO erforderlichen Sicherheit überzeugt.

6.

Aufgrund des engen Zusammenhangs zwischen dem „Ob“ des Schadens und der Schadenshöhe (so ausdrücklich BGH, KZR 24/17 Tz 54 – Schienenkartell II) ist daher gleichzeitig aufgrund dieser Sachverhaltsaspekte der Weg für die Schätzung der Schadenshöhe nach § 287 ZPO eröffnet.

a)

Bei der auf diesem Wege erfolgenden Bemessung der Schadensersatzhöhe ist von folgenden rechtlichen Grundsätzen auszugehen:

Die Schadensersatzverpflichtung des Kartellbeteiligten nach § 33 Abs. 3 GWB a.F. hat nach Art und Umfang des zu leistenden Schadensersatzes nach den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen, also nach den §§ 249 ff. BGB zu erfolgen. Der Kartellgeschädigte ist somit gemäß § 249 Abs. 1 BGB so zu stellen, wie er ohne den Kartellverstoß gestanden hätte. Soweit – wie dies bei dem vorliegenden Kartell, aber auch regelmäßig bei durch gleich wirkende Kartelle erlittenen Vermögensschäden der Fall ist – eine Naturalrestitution nicht möglich ist, ist gemäß § 251 Abs. 1 BGB Schadensersatz in Geld zu leisten. Zu ersetzen ist demnach die Differenz zwischen dem Kartellpreis und dem fiktiven Wettbewerbspreis („kontrafaktischer Preis“; zum Ganzen Kühnen, NZKart 2019, 515, 516). Vorliegend ist demnach der Kartellschaden konkret anhand der mit den Kartellmitgliedern abgeschlossenen Liefergeschäfte zu ermitteln.

Bei dieser Schadensberechnung hat das Gericht von der Möglichkeit des § 287 Abs. 2 ZPO Gebrauch zu machen, also die Höhe des entstandenen Schadens nach freier Überzeugung zu schätzen, wenn die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgeblichen Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teils der Forderung in keinem Verhältnis steht. Das gilt bereits allgemein (statt aller Zöller-Greger, § 287 ZPO, Rn 2, 6; ferner zum Ganzen Kühnen, NZKart 2019, 515, 516) und wird überdies durch § 33 Abs. 3 S. 3 GWB a.F. sowie § 33a Abs. 3 S. 1 GWB klargestellt.

Steht demnach wie im vorliegenden Fall dem Grunde nach fest, dass eine Forderung besteht, so kommt dem Anspruchsinhaber, also hier der Klägerin, bezüglich der Höhe gemäß § 287 Abs. 2 ZPO die Beweiserleichterung des § 287 Abs. 1 ZPO zugute. Im Unterschied zu den strengen Anforderungen des § 286 Abs. 1 ZPO reicht insoweit eine erhebliche, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit für die richterliche Überzeugungsbildung aus. Auch ist es unschädlich, wenn der klägerische Vortrag zu den Anknüpfungstatsachen für eine solche Schätzung Lücken oder Unklarheiten enthält; dies rechtfertigt regelmäßig nicht, dem jedenfalls in irgendeiner Höhe Berechtigten jeden Ersatz zu versagen (explizit Kühnen, aaO.). Der Tatrichter hat insoweit vielmehr die Option, nach pflichtgemäßem Ermessen zu beurteilen, ob nach § 287 ZPO nicht wenigstens die Schätzung eines Mindestbetrages möglich ist; eine solche Schätzung scheidet erst aus, wenn sie mangels jeglicher konkreter Anhaltspunkte völlig in der Luft hinge und daher willkürlich wäre (BGH, U. v. 17.12.2014, VIII ZR 88/13, NJW 2015, 934 ff. mwN; Kühnen, aaO.).

b)

Bei dem somit nach § 287 ZPO zu ermittelnden kontrafaktischen Preis handelt sich um einen fiktiven Preis, der sich nicht feststellen, sondern nur annäherungsweise aufgrund von Anknüpfungstatsachen bestimmen lässt. Nach dem gegenwärtigen Stand der Rechtsprechung (vgl. BGH, U. v. 09.10.2018, KRB 51/16, mwN, NZKart 2019, 146 – Flüssiggas I) kommen mehrere Ermittlungsmethoden in Betracht, welche allerdings für den Kartellgeschädigten durchweg mit gravierenden Unwägbarkeiten und Nachteilen verbunden sind und daher in vielen Fällen für die vom Gesetzgeber gewünschte effektive Durchsetzung von Kartellschadensersatzansprüchen nicht hinreichend geeignet erscheinen (zutreffend Kühnen, aaO.).

So wird im Rahmen von Begutachtungen zur Ermittlung des kontrafaktischen Preises regelmäßig eine Vergleichsmarktbetrachtung durchgeführt, bei der entweder aus der Preisentwicklung auf zeitlich, sachlich oder räumlich benachbarten Märkten oder aus den Preisen, die sich auf dem kartellbefangenen Markt in kartellfreier (Vor- oder Nachkartell-) Zeit gebildet haben, auf den fiktiven Wettbewerbspreis geschlossen wird. Dies ist im vorliegenden Fall schon deshalb mit erheblichen Schwierigkeiten und Unwägbarkeiten verbunden, weil ein Vergleichsmarkt sich von vornherein nur dann als Anknüpfungspunkt für die Schätzung des fiktiven Wettbewerbspreises eignet, wenn er kartellfrei ist (darauf weist mit Recht Kühnen, NZKart 2019, 515, 517 hin). Dies lässt sich hier schon deshalb nicht mehr zweifelsfrei feststellen, da sich aus dem Bußgeldbescheid selbst ergibt (Anlage K 1, S. 6, Fn 3), dass in Teilen Deutschlands die Kartellabsprachen bereits seit den 80er Jahren betrieben worden sind. Zwar ist dies keine Feststellung, die an der Bindungswirkung des Bescheides nach § 33 Abs. 4 GWB a.F. teilnimmt, doch kommt dieser Angabe aus Sicht der Kammer jedenfalls insoweit starke Bedeutung zu, als dass erkennbar kein sicherer zeitlicher und räumlicher Vergleichsmarkt zur Verfügung steht.

Zudem müsste im Rahmen einer solchen Vergleichsmarktbetrachtung sodann Marktveränderungen wie etwa veränderten Rohstoffpreisen oder sonstigen Betriebskosten oder Veränderungen in der Marktstruktur Rechnung getragen werden, die zwischen der Vorkartellzeit und der schadensbegründenden Kartellzeit eingetreten sind. Jedoch können die räumlich oder sachlich benachbarten Märkte in ihrer Marktstruktur (Anzahl und Bedeutung der Marktteilnehmer, Wettbewerbsintensität auf dem Markt, rechtliche oder tatsächliche Rahmenbedingungen auf dem Markt) so erhebliche Unterschiede gegenüber dem kartellbefangenen Markt aufweisen, dass die Preisentwicklung auf jenen Märkten tragfähige Rückschlüsse auf den fiktiven Wettbewerbspreis nicht zulässt (vgl. zu entsprechenden Problemen auch schon KG Berlin, U. v. 01.10.2009, 2 U 10/03 Kart Tz 74 – Transportbeton - juris). Auf diese Aspekte kommt es im konkreten Fall hier in Ermangelung eines geeigneten Vergleichsmarktes zwar schon nicht an. Jedoch zeigt dies, mit welchem zeit- und kostenintensiven Ermittlungsaufwand die Vergleichsmarktbetrachtung für den Anspruchsteller im Regelfall verbunden sein wird (hierzu sowie insgesamt zur Kritik an der praktischen Anwendbarkeit der Vergleichsmarktbetrachtung Kühnen, aaO.). Dieser Aufwand wird regelmäßig nicht nur Kartellgeschädigte mit geringeren Schadenssummen von der Geltendmachung ihres Schadensersatzanspruchs abhalten, was erkennbar den vom deutschen Gesetzgeber verfolgten generalpräventiven Zweck des Kartellschadensersatzes, Unternehmen von der Begehung von Kartellverstößen abzuschrecken (vgl. BT-Drs. 15/3640, S. 2, 35 f., 43, 54), konterkariert (so auch Kühnen, aaO.)

Gleichfalls nicht zielführend ist die Vorgehensweise, den ohne Kartell vermutlich bestehenden Wettbewerbspreis durch einen kostenbasierten Vergleich anhand einer Überprüfung von Preisbildungsfaktoren zu bestimmen. Die Preiskalkulation und die ihr zugrunde liegenden Preisbildungsfaktoren unterfallen dem Geheimwettbewerb (so zu Recht Kühnen, NZKart 2019, 515, 518). Weder der kartellgeschädigte Abnehmer noch ein womöglich durch das Gericht zur Ermittlung weiterer Anknüpfungstatsachen beauftragter Sachverständiger verfügt über diesbezügliche Kenntnisse oder die Möglichkeit, sich diese mit noch vertretbarem und zumutbarem Aufwand zu verschaffen. Daher ist die Methode des kostenbasierten Vergleichs zur Bestimmung eines Kartellschadens praktisch ungeeignet (vgl. Kühnen, aaO.). Daran ändert auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Nachweis eines Ausbeutungsmissbrauchs im Wege der Kostenkontrolle nichts (vgl. Kühnen, aaO.). Danach ist nicht erforderlich, dass der Kläger die Kalkulation des in Anspruch genommenen Normadressaten mit sämtlichen Preisbildungsfaktoren vorträgt. Vielmehr können für den Nachweis eines Ausbeutungsmissbrauchs einzelne Preisbildungsfaktoren Bedeutung gewinnen, von denen anzunehmen ist, dass auf ihrer Grundlage kalkulierte Preise bei wirksamem Wettbewerb auf dem Markt nicht durchgesetzt werden können; daraus wiederum kann sich ein Indiz für einen missbräuchlich überhöhten Preis ergeben, was wiederum eine sekundäre Darlegungslast des beklagten Normadressaten auslöst (statt aller BGH, B. v. 09.07.2019, KZR 110/18, mwN). Für die Ermittlung des fiktiven Wettbewerbspreises ist eine solche Kostenkontrolle nicht ausreichend, weil der Preis, der sich im Wettbewerb gebildet hätte, eben nicht anhand einzelner, sondern nur anhand aller preisrelevanten Faktoren bestimmt wird (mit Recht Kühnen, aaO.).

Schließlich scheidet hier auch das Verfahren einer marktinternen Vergleichsanalyse unter Heranziehung der Preisdaten von Kartellaußenseitern aus. Diese Ermittlungsmethode ist nach Auffassung des BGH (U. v. 09.10.2018, KRB 51/16, NZKart 2019, 146 – Flüssiggas I - mwN) mit hohen Schätzunsicherheiten behaftet und kann allenfalls nachrangig angewendet werden. Auch wenn es – so der BGH – bei einem Kundenschutzkartell grundsätzlich nachvollziehbar sei, dass sich die Preise der Kartellmitglieder ohne die Zuwiderhandlung den niedrigeren Preisen von Kartellaußenseitern angenähert hätten, weil sich ohne die protektive Wirkung durch das Kartell der Wettbewerbsdruck auf die Kartellmitglieder erhöht hätte, was für eine (hypothetische) Verringerung auch von deren Preisniveau spreche, sei die Quantifizierung der hypothetischen Preisentwicklung schwierig. Die Methode zählt laut BGH zudem nicht zu den ökonomisch allgemein anerkannten Schätzverfahren, weil beispielsweise Einflüsse des Kartells auf die Preissetzung der Kartellaußenseiter (sog. Preisschirmeffekt) zu erwarten seien. In aller Regel sei die Betrachtung eines kartellfreien Vergleichsmarkts oder ein kostenbasierter Vergleich vorzuziehen und komme eine marktinterne Vergleichsanalyse nur in Frage, wenn das Kartellgericht im Einzelfall die Geeignetheit der Methode darlege und dabei auch deren Schwachpunkte im konkreten Fall und den Korrekturbedarf wegen möglicher systematischer Schätzfehler eingehend analysiere und in den Urteilsgründen mitteile (BGH, aaO.). Diese in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs formulierten Vorbehalte gegen die Anwendung der marktinternen Vergleichsanalyse begründen nicht allein für den kartellgeschädigten Anspruchsteller ein ganz erhebliches – und nicht selten prohibitives – Prozessrisiko (so schon Kühnen, aaO.), sondern zeigen, dass die Methode in Fällen wie dem vorliegenden, in denen gerade auch aus Preisschirmerwerben vorgegangen wird, gar nicht in Betracht kommen kann. Denn bereits der klägerischen Behauptung folgend existiert gar kein tauglicher, vom Kartell unbeeinflusster Datensatz. Schon deshalb kann der darlegungs- und beweisbelastete Kläger gar nicht gehalten sein, nach dieser Methode Vortrag zu halten oder einen Beweis zu führen, denn seine Behauptung, es läge – auch – ein Preisschirm vor, würde dies ersichtlich ad absurdum führen.

Damit ist letztlich im konkreten Fall aus den geschilderten Gründen erkennbar keine der vorherrschenden Methoden geeignet, die Schadensschätzung zu unterstützen. Hinzu kommt der Aspekt der bekanntlich horrend hohen Kosten für ein in diesem Zusammenhang zur vollständigen Aufklärung aller maßgeblichen Umstände einzuholendes Sachverständigengutachten (regelmäßig mindestens eine niedrige sechsstellige Summe, vgl. Weitbrecht, WuW 2015, 959, 968 sowie Thiede, EuZW 2020, 279, 285) was durch die im konkreten Verfahren geltend gemachten, mit den Aufwendungen der anderen Auftraggeber aufzuaddierenden Kosten des IAW-Gutachtens bestätigt wird). Selbst wenn vorliegend eine der geschilderten Methoden überhaupt zum Erfolg führen könnte und somit ein Sachverständigengutachten auf Grundlage dieser Methode einzuholen wäre, würde der damit verbundene Aufwand und die Kosten angesichts der Höhe der nach den diversen Erledigungserklärungen überhaupt noch rechtshängigen Forderung erkennbar außer Verhältnis zur Bedeutung des noch streitigen Teils der Forderung i.S.v. § 287 Abs. 2 ZPO stehen.

c)

Deshalb ist hier eine alternative Ermittlung des fiktiven Wettbewerbspreises erforderlich.

Nach einer im Vordringen befindlichen Ansicht (Kühnen, NZKart 2019, 515 ff.), der sich die Kammer anschließt, können Art, Inhalt und Umfang der streitbefangenen Kartellabsprache sowie die Einzelheiten ihrer Umsetzung hinreichende Anknüpfungspunkte für die Schätzung des kartellbedingten Preisaufschlags liefern, gepaart mit einer Gesamtschau weiterer Sachverhaltsaspekte. Dies würde selbst dann gelten, wenn auch eine andere Ermittlungsmethode (insbesondere eine Vergleichsmarktbetrachtung) in Frage kommt, solange sich im Entscheidungsfall die näheren Umstände der Kartellabsprache und ihrer Umsetzung als Anknüpfungstatsachen für eine Schätzung des kartellbedingten Preisaufschlags nach § 287 Abs. 2 ZPO eignen (so zu Recht Kühnen, NZKart 2019, 515, 519). Erst recht gilt dies, wenn - wie hier - schon aufgrund der Sachverhaltsbesonderheiten die Anwendung der herkömmlichen Methoden scheitern muss oder doch durchgreifenden Zweifeln unterliegt. Gestützt wird dies auch dadurch, dass es der Gesetzgeber in der 9. GWB-Novelle gerade bei dem Verweis auf § 287 ZPO in § 33a Abs. 3 S. 2 GWB belassen hat, verbunden mit der Aufforderung an die Rechtsprechung, „Mut zur Schätzung“ zu beweisen (so der für die Umsetzung der Kartellschadensersatzrichtlinie - 2014/104/EU – federführend zuständige Dr. Jungbluth auf dem Forum Unternehmensrecht, Düsseldorf 2016, nach Pipoh, Tagungsbericht, NZKart 2016, 226).

Die Gesamtschau sämtlicher einschlägiger Sachverhaltsaspekte ergibt hier, dass als nach § 287 ZPO zu schätzender Mindestschaden von einem kartellbedingten Aufschlag bei jedem der Erwerbsvorgänge 6) bis 8) von 15 % des Nettopreises auszugehen ist.

d)

Hierbei hat sich die Kammer von folgenden Erwägungen leiten lassen:

Wie schon oben zur Frage der Kartellbefangenheit und des Schadenseintritts dem Grunde nach ausgeführt, entspricht es einem Erfahrungssatz, dass die Beteiligten eines Kartells unzulässige wettbewerbsbeschränkende Absprachen treffen, gerade weil sie sich von deren Umsetzung einen wirtschaftlichen Erfolg versprechen, den sie ohne die verbotene Verhaltenskoordinierung nicht glauben erzielen zu können. Dies muss schon deshalb gelten, weil die Bildung und Praktizierung des Kartells für sie im Allgemeinen und im hier vorliegenden Sachverhalt im Besonderen mit einem erheblichen tatsächlichen Aufwand verbunden ist (darauf hinweisend auch KG Berlin, 2 U 10/03 Kart Tz 74 – Transportbeton - juris). Im Falle der Aufdeckung drohen überdies äußerst empfindliche Geldbußen; ein Risiko, welches den Kartellanten nicht nur während der Aufrechterhaltung des Kartells ganz allgemein bewusst ist, sondern das sich vorliegend auch in erheblicher Weise verwirklicht hat (s. auch Kühnen, NZKart 2019, 515, 518).

Wie Preiskartelle dienen sodann auch die im vorliegenden Fall gegebenen Kundenschutz- und Quotenabsprachen der Steigerung des Gewinns der Kartellbeteiligten, da auch hier die typischen Mechanismen, die einen Kartellaufschlag ermöglichen, eingreifen. Das Unternehmen, dem im Kartell eine bestimmte Absatzquote zugewiesen ist, muss sich im Wettbewerb nicht oder nur noch ganz eingeschränkt gegen Konkurrenten behaupten; aufgrund des beeinträchtigten Wettbewerbs muss es bei einer Preisanhebung im Allgemeinen nicht befürchten, seine Kunden zu verlieren. Ein kaufmännisch vernünftiges Verhalten zugrunde gelegt, werden die kartellbeteiligten Unternehmen die durch das Quotenkartell eröffneten Preissetzungsspielräume zur Gewinnmaximierung nutzen und ihre Preise so weit als eben möglich anheben (so auch schon KG Berlin, aaO. Tz 41). Diese kartellbedingte Preisanhebung ist umso wahrscheinlicher, je länger und nachhaltiger das Kartell praktiziert wird (vgl. Kühnen, aaO.).

Als wichtiger Faktor ist im vorliegenden Fall demnach die lange Dauer des Kartells insgesamt zu berücksichtigen, welche die Stabilität und das Funktionieren der Mechanismen des Kartells widerspiegelt. Ferner ist der Umstand zu beachten, dass das Kartell im Zeitpunkt der hier in Rede stehenden Erwerbe bereits einige Jahre lief, was sehr stark dafür spricht, dass es sich hier um eine fruchtbare Phase des Kartells gehandelt haben muss, gerade weil es danach viele weitere Jahre betrieben wurde, also erkennbar allgemeine Prosperität für die Beteiligten mit sich brachte. Schon diese Aspekte deuten darauf hin, dass gewiss nicht nur einige wenige Prozent Kartellaufschlag erzielt wurden.

Hinzu kommt die hohe Marktabdeckung von über 90 %, die unter dem Dach des Kartells in der Lage war, eine Marktmacht zu schaffen, welche den Unternehmen preislich hohe Gestaltungsspielräume zubilligen musste. Die Unternehmen konnten naheliegenderweise preislich schalten und walten, wie es im Rahmen der allgemeinen, auch für einen Monopolisten geltenden wirtschaftlichen Regeln (Grenznutzen etc.) sowie des Umstandes, dass natürlich kein Verdacht bei Kunden durch überzogene Preise hervorgerufen werden durfte, möglich ist.

Bei der Schätzung der Höhe der Preisanhebung war zudem zu berücksichtigen, dass es für die kartellbeteiligten Unternehmen die wirtschaftliche Vernunft gebot, das mit einer Aufdeckung des Kartells verbundene erhebliche Bußgeldrisiko und das aus dem Kartellverstoß erwachsende Schadensersatzrisiko (einschließlich Zinsen und Prozesskosten) nur dann in Kauf zu nehmen, wenn der aus dem kartellbedingten Preisaufschlag mögliche Mehrgewinn dazu in einem angemessenen Verhältnis stand (darauf weist explizit KG Berlin, aaO. Tz 74, hin). Auch dies zeigt, dass es – zumal bei einem lang andauernden, also grundsätzlich erfolgreich ins Werk gesetzten Kartell wie dem vorliegenden - völlig ausgeschlossen werden kann, dass Unternehmen ein Kartell betreiben, um den Wettbewerbspreis um nur ganz unbedeutende Prozentpunkte anzuheben. Das Argument gewinnt dabei an Gewicht, je länger und nachhaltiger die Kartellabsprache praktiziert worden ist (darauf weist mit Recht Kühnen, aaO. hin), was vorliegend, wie aufgezeigt, der Fall gewesen ist.

Ferner gilt, dass je länger, organisierter und disziplinierter ein Kartell betrieben wird, desto nachhaltiger und wirksamer der Wettbewerb beschränkt wird und desto größer der durch das Kartell hinzugewonnene Preiserhöhungsspielraum ist (darauf weist auch Kühnen, NZKart 2019, 515, 519 hin). Vorliegend spricht, wie oben bereits erwähnt, schon aufgrund der im Bescheid geschilderten Organisations- und Operationsstruktur des Kartells alles für eine hohe Kartelldisziplin der Beteiligten. Drei bis vier Jahre nach Kartellbeginn ist nicht nur davon auszugehen, dass das Kartell sich gleichsam in einem eingeschwungenen Zustand befand. Es wäre auch, da häufig Ausschreibungen Grundlage der Auftragsvergabe waren, den anderen Beteiligten naheliegenderweise aufgefallen, wenn die Kartelldisziplin nicht eingehalten worden wäre, denn dann hätte notwendig ein anderer als der in Aussicht genommene den Auftrag erhalten, was kaum hätte verborgen bleiben können und gewiss zu Erklärungsnöten auf den regelmäßig stattfindenden Treffen geführt hätte. Zudem ist schon wegen des oben Gesagten nicht davon auszugehen, dass der in Aussicht genommene Beteiligte, der den Auftrag bekommen sollte, ohne Not gleichsam unter dem erzielbaren Kartellpreis angeboten hätte. Solches ist auch durch die Beklagtenseite nicht im Ansatz substantiiert vorgetragen.

Ferner spricht für einen nicht nur leicht angehobenen Kartellpreis, dass der durch das Kartell entstehende Preiserhöhungsspielraum nicht zuletzt auch durch die Ausweichmöglichkeiten der Marktgegenseite bestimmt wird. Bestehen Bedarfsdeckungsalternativen, wird der kartellbedingte Preiserhöhungsspielraum begrenzt sein; müssen die Abnehmer zur Deckung ihres Bedarfs von den kartellbeteiligten Unternehmen beziehen, verschafft das dem Kartell einen größeren Spielraum für Preiserhöhungen (dazu auch Kühnen, aaO.). Hier sind angesichts der kartellunterworfenen Güter weder Substitutionsgüter ersichtlich, auf welche die Erwerber hätten umsteigen können, noch sind angesichts der Marktabdeckung des Kartells kaum nicht dem Kartell angehörige Mitbewerber in einer auch nur einigermaßen relevanten Größenordnung ersichtlich, denen sich die Erwerber hätten zuwenden können, zumal dann auch die Frage zu stellen ist, ob außerhalb des räumlichen Marktes überhaupt die erforderlichen Qualitäten zu haben gewesen wären.

Zwar ist generell die Preissensibilität der Marktgegenseite zu berücksichtigen (Kühnen, aaO.), die hier aber insoweit zu vernachlässigen ist, als dass die Ausschreibungen gerade zu einem wettbewerbskonformen Preis führen sollten, weshalb eine unternehmensinterne Kontrolle der Angemessenheit der Preise schon aufgrund der Art der Preisfindung nur begrenzt für die Erwerber möglich war.

Damit gilt insgesamt, dass es vorliegend insgesamt der kaufmännischen Vernunft für die kartellbeteiligten Unternehmen entsprach, den kartellrechtswidrig vergrößerten Preissetzungsspielraum weitmöglichst ausschöpfen (s. auch OLG Düsseldorf, U. v. 22.08.2018, VI-U Kart 1/17, NZKart 2018, 478 ff. – Schienenkartell; Kühnen, aaO.). Besondere Umstände, die eine gemäßigte Preisanhebung nahelegen würden, sind praktisch nicht ersichtlich.

e)

Den konkreten Wert hat die Kammer nun – wie oben schon angegeben – auf einen Mindestbetrag von 15 % kartellbedingten Preisaufschlags geschätzt.

Der wichtige Ankerpunkt für die Schätzung dieses Mindestschadens ergab sich dabei aus dem Sachverhalt selber in Form des in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Erwerbsvorgang 8) verankerten Wertes gleicher Höhe.

Die Annahme von 15 % knüpft insoweit an einen objektivierbaren Wert an, da der kartellbeteiligte Vertragspartner sich mit der Intention, im Rahmen des Erwerbsgeschäfts Kartellrecht zu verletzen und die vereinbarte Vertragsstrafe von 15 % im Entdeckungsfalle möglicherweise zu verwirken, sich sehenden Auges der Gefahr, einen Schadensersatz in dieser Höhe leisten zu müssen, ausgesetzt hat. Dies werden wirtschaftlich denkende Vertragsparteien wie die Beklagten allein dann riskieren, wenn der zu erwartende Kartellgewinn jedenfalls dieser drohenden Gefahr entspricht. Daher kann auf diesen Wert als Mindestwert abgestellt werden.

Ein Kartellaufschlag von 15 % erscheint aus Sicht der Kammer auch im Übrigen in der Lage, die oben im einzelnen skizzierten Aspekte und Ziele abzubilden und angesichts der Länge des Kartellzeitraums schon im Zeitpunkt der Erwerbe hier die Risiken abzudecken. Er ist auch insoweit maßvoll, als dass nicht davon auszugehen ist, dass bei den Erwerbern unmittelbar Argwohn ob stark erhöhter Preise geweckt werden könnte; ein Umstand, der ohnehin gewisse Zweifel an dem durch das IAW‑Gutachten angegebenen Wert von 30,3 % im Bereich der Rillenschienen nährt.

Schon aus diesem Grunde musste der durch die Klägerin geltend gemachte Wert von 30,3 % bzw. 17 % hier zurückstehen. Hinzu kam, dass angesichts der schon oben geschilderten Schwächen, an denen das IAW-Gutachten leidet, die dort gefundenen, letztlich nur einen Durchschnitt aller Kartellzeiträume und -regionen abbildenden Werte hier nicht für die konkreten Einzelfälle herangezogen werden konnten. Auch das durch die Beklagten vorgelegte Gutachten musste aus den genannten Gründen unberücksichtigt bleiben. Stattdessen stand der Kammer hier ein in auf die konkreten Fälle zu beziehender, valider und objektivierbarerer Mindestwert zur Verfügung.

f)

Dieser (Mindest-)Wert ist auch im Übrigen plausibel.

Er ist – insoweit sind selbstverständlich gerade auch die berechtigten Belange der Beklagtenseite berücksichtigt worden - leicht unterhalb des Durchschnitts der Mediane bekannter Studien angesiedelt (vgl. Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, 2. Aufl., S. 89 und den dazu unterbreiteten Vortrag der Klägerin Bl. 1153 d.A.) und benachteiligt die Beklagtenseite folglich nicht. Ein deutliches Überschreiten des Wertes war indes auch nicht veranlasst, da die Betreiber der Bahnen seit Jahrzehnten Oberbaumaterialien bezogen und somit naturgemäß über gewisse Markt- und Preiskenntnisse und somit eine Preissensibilität verfügten, aufgrund derer völlig überzogene Aufschläge auffällig geworden wären.

Zudem befindet sich der Wert exakt auf dem Median anderer, in Entscheidungen europäischer Gerichte zu findender Kartellaufschläge (vgl. Nachweise bei Laborde, Cartel damages actions in Europe: How courts have assessed cartel overcharges [2019 ed] S. 5 sowie weitere, den hier angenommenen Wert stützende Statistiken bei Rengier, Cartel Damages Actions in German Courts, Journal of European Competition Law & Practice, Volume 11, Issue 1-2, January-February 2020, S. 72 ff). Zu einem Wert von 15 % kamen auch aufgrund einer ähnlichen Schätzung auf Grundlage allgemein zugänglicher Untersuchungen etwa auch spanische Gerichte in neueren Entscheidungen (z.B. Juzgado de lo Mercantil N°. 1 de Pontevedra, U. v. 30.08.2019, ECLI: ES:JMPO:2019:975, F.D. Rn. 4 und Juzgado de lo Mercantil N°. 1 de Pontevedra, U. v. 10.09.2019, ECLI: ES:JMPO:2019:976, F.D. Rn. 4.).

Damit konnte dieser objektiv aus dem Sachverhalt ableitbare Wert hier als Mindestschaden zugrunde gelegt werden.

7.

Es war auch nicht veranlasst, anstelle oder neben bzw. zur Unterstützung der hier vorgenommenen Schätzung den Beweisantritten durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nachzukommen.

Insoweit ist zunächst auf die Ausführungen oben zum Verhältnis der hier angewandten Methode zu im Rahmen von Gutachten verwendeten Methoden zu verweisen (s. auch Kühnen, NZKart 2019, 515, 518).

Zudem hat der Kartellsenat des BGH ausgeführt, dass zwar für die nach § 287 ZPO vorzunehmende Gesamtwürdigung gutachterliche Stellungnahmen zu berücksichtigen sein können. Der Tatrichter ist nach § 287 Abs. 1 S. 2 ZPO aber bei der Frage, ob er ein Sachverständigengutachten einholt, freier gestellt als im Rahmen der Tatsachfeststellung nach § 286 ZPO (so explizit BGH, KZR 24/17 Tz 46 f.), denn § 287 ZPO schränkt das Gebot der Erschöpfung von Beweisanträgen mit der Folge ein, dass das Gericht an Beweisanträge nicht gebunden ist (BGH, aaO., ferner schon BGH, U. v. 09.10.1990, VI ZR 291/89, NJW 1991, 1412, 1413). Daher kann im Unterschied zu den Anforderungen des § 286 Abs. 1 ZPO der Tatrichter von einer weiteren Beweisaufnahme absehen, wenn ihm bereits hinreichende Grundlagen für ein Wahrscheinlichkeitsurteil zur Verfügung stehen (BGH, aaO., ferner schon BGH, U. v. 13.06.1996, IX ZR 233/95, NJW 1996, 2501, 2502).  Zwar ist stets zu beachten, dass der (Gegen-)Beweisantritt zu einer Haupttatsache auch bei Anwendung der Maßstäbe des § 287 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht auf Grund der Würdigung von Indiztatsachen übergangen werden darf (vgl. BGH, KZR 24/17 Tz 37; BGH, B. v. 07.12.2006, IX ZR 173/03, NJW-RR 2007, 500 Rn. 10; U. v. 06.06.2013, IX ZR 204/12, NJW 2013, 2345 Rn. 17). Ein unmittelbarer Beweis der Haupttatsache oder ihres Gegenteils wird aber im vorliegenden Zusammenhang kaum in Betracht kommen (so ausdrücklich BGH, KZR 24/17 Tz 37 im Rahmen eines Parallelfalls aus dem Schienenkartell). Insbesondere wird ein solcher Beweis nicht dadurch angetreten, dass für die Entstehung oder das Fehlen eines Schadens Sachverständigenbeweis angeboten wird. Denn auch der Sachverständige wird die Frage, ob der von den Beklagten geforderte Preis einem hypothetischen Marktpreis entsprach, der sich ohne die Kartellabsprache eingestellt hätte, nur aufgrund einer sachverständigen Bewertung der gegebenen Anknüpfungstatsachen und einem darauf beruhenden Schluss von den vorliegenden Indizien auf die unter Beweis gestellte Haupttatsache beantworten können (BGH, aaO.).

Vielmehr lassen sich – wie hier geschehen - die für eine Schadensschätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO erforderlichen Anknüpfungstatsachen, namentlich die konkreten Umstände der Absprache und ihrer Umsetzung, regelmäßig schon dem kartellbehördlichen Bußgeldbescheid entnehmen (so ausdrücklich schon Kühnen, NZKart 2019, 515, 519 f.). Eignen sich – wie hier - die näheren Umstände der Kartellabsprache und ihrer Umsetzung als Anknüpfungstatsachen für eine Schätzung des kartellbedingten Preisaufschlags nach § 287 Abs. 2 ZPO, steht diese Art der Ermittlung des Preisaufschlages dem Gericht unabhängig davon zur Verfügung, ob auch eine andere Ermittlungsmethode (insbesondere eine Vergleichsmarktbetrachtung) in Frage kommen kann (vgl. dazu ebenfalls Kühnen, NZKart 2019, 515, 520 sowie bereits die Ausführungen oben). Denn Voraussetzung für eine Schadensschätzung ist lediglich das Vorliegen geeigneter – und nicht der bestmöglichen – Anknüpfungstatsachen (Kühnen, aaO.). Dies muss umso mehr gelten, wenn, wie oben näher dargelegt, aufgrund der Sachverhaltsspezifika die wesentlichen anerkannten Ermittlungsmethoden versagen müssen, und somit ohnehin die Einholung eines Sachverständigengutachtens kaum weiteren Erkenntnisgewinn zu erbringen vermag; dieser Aspekt wird sehr anschaulich durch die von den Parteien vorgelegten Gutachten dokumentiert, welche, wie ebenfalls aufzeigt, unzulänglich waren.

Dieses Vorgehen wahrt auch zugleich in vollem Umfange die berechtigten Belange und Interessen der kartellbeteiligten Unternehmen. Diese können bei dieser Vorgehensweise ganz allgemein nicht nur den für eine Schadensschätzung vorgebrachten Anknüpfungstatsachen entgegentreten, sondern überdies die Schätzung eines zu hohen Kartellschadens dadurch verhindern, dass sie den durch das Kartell tatsächlich realisierten Preisaufschlag nachvollziehbar aufdecken (so mit Recht Kühnen, aaO. und der Sache nach bereits KG Berlin, 2 U 10/03 Kart Tz 76; die Nichtzulassungsbeschwerde gegen diese Entscheidung wurde zurückgewiesen, vgl. BGH, B. v. 08.06.2010, KZR 45/09). Die Kammer hat mit Hinweisbeschluss vom 06.11.2019 auf die hier angewendete Möglichkeit der Ermittlung eines Preisaufschlages unter Hinweis auf die dazu maßgeblichen Stellen in der wissenschaftlichen Literatur hingewiesen, ohne dass diesbezüglich in substantiierter Weise näherer Vortrag gehalten worden wäre.

8.

Damit sind für die Erwerbsvorgänge 6) bis 8) jeweils als nach § 287 ZPO zu schätzender Mindestschaden kartellbedingte Preisaufschläge von 15 % anzunehmen.

Da die Klägerin bezüglich des Erwerbsvorgangs 8) klargestellt hat, primär aus einem frei festzustellenden, von ihr selber aus ihrem aus Gutachten entnommenen Wert und lediglich sekundär aus der Vertragsstrafenklausel ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgehen zu wollen und die Kammer in diesem Sinne auch im Rahmen dieses Erwerbsvorgangs eine Schätzung nach § 287 ZPO vorgenommen hat, kam es hier auf die weiteren, zwischen den Parteien streitigen Aspekte in Bezug auf die Anwendbarkeit und Wirksamkeit der Klausel nicht an.

Die Schadenshöhe beträgt insoweit für den Erwerbsvorgang 6) ausgehend von einem Nettobetrag von 111.511,08 Euro unter Heranziehung des geschätzten Kartellaufschlages von 15 % somit 16.726,66 Euro.

Für den Erwerbsvorgang 7) ergibt sich ausgehend von einem Nettobetrag von 44.562,60 Euro ein Betrag von 6.684,39 Euro.

Für den Erwerbsvorgang 8) stehen grds. Nettobeträge von 166.960 Euro und 92.897 Euro in Rede. Von letzterer Position sind 2.357 Euro netto für die Gleisrahmen abzuziehen, da die Beklagtenseite insoweit zu Recht gerügt hat (vgl. Bl. 238 d.A.), dass nicht erkennbar sei, inwieweit Gleisrahmen den Kartellabsprachen unterworfen gewesen seien. Daher ist auf einen Nettobetrag von insgesamt 257.500 Euro abzustellen, woraus ein Schadensbetrag von 38.625 Euro folgt.

9.

Soweit die Beklagten zu 1. und 2. mit dem verschiedentlich benutzen Passus des „angeblich gezahlten Preises“ im Rahmen ihrer Klageerwiderung (z.B. Bl. 329 d.A.) die Begleichung der Rechnungen durch die XXX1 bestreiten, bleibt dies erfolglos.

Soweit damit ein Bestreiten mit Nichtwissen im Sinne von § 138 Abs. 4 ZPO beabsichtigt ist, ist dieses prozessual unbeachtlich, weil die Frage der Bezahlung der Rechnung(en) Gegenstand eigener Wahrnehmung der Beklagten zu 1. als Vertragspartnerin ist, wofür aus Gründen der Konzernverbundenheit auch die Beklagte zu 2. einzustehen hat. Auch kann hierin nicht ausnahmsweise ein prozessual zulässiges Bestreiten mit einem „Nichtmehrwissen“ gesehen werden, wie dies in auch in Parallelfällen vorgenommen wurde (s. OLG Düsseldorf, VI U Kart 1/17 Tz 165), zumal keinerlei Vortrag dazu geleistet wurde, dass die Beklagten den ihrem eigenen Wahrnehmungsbereich zuzurechnenden Hergängen des Eingangs/Nichteingangs der Rechnungszahlung keine Kenntnis mehr haben und sich ohne Erfolg und unter zumutbarer Ausschöpfung aller in Betracht kommenden Erkenntnisquellen darum bemüht hätten, sich notwendigen Informationen zu beschaffen (OLG Düsseldorf, aaO.).

Schließlich wäre auch ein einfaches Bestreiten vorliegend vor dem Hintergrund von § 138 Abs. 2 und 3 ZPO nicht ausreichend, weil hier zu einem – angesichts des klägerischen Vortrags zu den Zahlungen (vgl. etwa Bl. 1156 ff. d.A.) erforderlichen - substantiieren Bestreiten naheliegender Weise auch die Erklärung gehört hätte, weshalb keinerlei außergerichtliche oder gerichtliche Auseinandersetzungen wegen einer Nicht- oder Minderzahlung geführt wurden, obwohl namhafte Beträge in Rede standen und auch weiterhin ersichtlich Aufträge angenommen und ausgeführt wurden. Im Übrigen gilt ohnehin, dass ein urkundlich belegter Vortrag nicht ohne weiteres gleichsam ins Blaue hinein bestritten werden kann (vgl. etwa Thomas/Putzo-Seiler, 40. Aufl., § 138 ZPO Rn 8).

Angesichts dieses – aus diversen Parallelfällen (statt aller OLG Düsseldorf, aaO.) den Beklagten auch als solches bekannten - unzureichenden Bestreitens brauchte dem Beweisantritt der Klägerin nicht gefolgt werden.

Soweit die Beklagten zu 4. bis 7. die hier interessierende Zahlung mit Nichtwissen bestreiten wollen – es ist nicht völlig klar, ob dies vom sonstigen Bestreiten mit Nichtwissen, auf das im Folgenden noch einzugehen ist, umfasst sein soll - ist dies aber ebenfalls unbeachtlich.

Zwar ist die Frage der Rechnungsbegleichung nicht Gegenstand des eigenen Wahrnehmungsbereichs dieser beklagten Parteien und auch im Hinblick auf § 61 ZPO ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den Beklagten um einfache Streitgenossen handelt, die der Klägerin grundsätzlich jeweils selbständig gegenüberstehen und die grundsätzlich nicht daran gehindert sind, Angriffs- oder Verteidigungsmittel selbständig vorzutragen und sich hierbei gegebenenfalls auch in Widerspruch zu anderen Streitgenossen zu setzen (vgl. etwa BeckOK-ZPO-Dressler, § 61 Rz. 6; Musielak/Voit-Weth, § 61 Rz. 6, alle mwN).

Jedoch rechtfertigt dies – wie den Beklagten bereits aus diversen Parallelfällen bekannt ist - in Anbetracht der Umstände des Streitfalls das Bestreiten mit Nichtwissen nicht. Ein Bestreiten mit Nichtwissen ist nach § 138 Abs. 4 ZPO nicht nur hinsichtlich solcher Tatsachen unzulässig, die eigene Handlungen der Partei oder Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind. Im Rahmen von § 138 Abs. 4 ZPO sind vielmehr solche Vorgänge im eigenen Geschäfts- und Verantwortungsbereich der Partei den eigenen Handlungen und Wahrnehmungen gleichgestellt, hinsichtlich deren sich die Partei in zumutbarer Weise die notwendigen Informationen beschaffen kann (so in einem Parallelfall auch OLG Düsseldorf, U. v. 22.08.2018, VI-U (Kart) 1/17Tz 166). Ein Bestreiten mit Nichtwissen ist hinsichtlich solcher Tatsachen erst zulässig, wenn die Partei ihrer insoweit bestehenden Pflicht zur Informationsbeschaffung nachgekommen ist (vgl. zum Ganzen OLG Düsseldorf, aaO.; ferner Musielak/Voit-Stadler, § 138 Rz. 17). Eine im vorbezeichneten Sinne zumutbare Informationsbeschaffung wird zum Beispiel unter dem Gesichtspunkt einer arbeitsteiligen Unternehmensorganisation in Betracht kommen, wenn die Partei selbst für den betreffenden Vorgang bestimmte Personen eingeschaltet hat und Arbeiten unter ihrer Anleitung, Aufsicht oder Verantwortung ausgeführt worden sind (vgl. Musielak/Voit-Stadler, a.a.O.; BeckOK-ZPO-von Selle, § 138 Rz. 26 mwN). Die Annahme einer Erkundigungspflicht der Partei ist aber nicht von vornherein auf solche Fälle zu beschränken, in denen die Partei auf Grund vertraglicher Beziehungen und womöglich auch in Gestalt von vertraglichen Weisungsbefugnissen mit dritten Personen verbunden ist, die über eine Kenntnis von im Prozess erheblichen Tatsachen verfügen oder verfügen könnten. Eine solche Betrachtungsweise würde zu kurz greifen, da es im Rahmen von § 138 Abs. 4 ZPO allein darum geht, ob eine Partei, die aus eigener Wahrnehmung von einer im Prozess erheblichen Tatsache keine Kenntnis hat, sich bei ihr zumutbarer Bemühung um Aufklärung die erforderlichen Informationen beschaffen kann (vgl. in diesem Sinne BGH, U. v. 15.11.1989, I ZR 46/89 = BGHZ 109, 205, Tz 16; OLG Düsseldorf, aaO.). Eine Pflicht der Partei zur Informationsbeschaffung im Rahmen von § 138 Abs. 4 ZPO kommt deshalb richtigerweise auch dann in Betracht, wenn die Partei aus gemeinschaftlich begangener unerlaubter Handlung gemäß §§ 830, 840 BGB in Gesamtschuldnerschaft mit dritten Personen eine deliktische Schadensersatzhaftung trifft und es im Prozess um Tatsachen geht, die den Wahrnehmungsbereich von neben der Partei mithaftenden Personen betreffen. Einem Gesamtschuldner ist es regelmäßig zuzumuten, sich die zur Rechtsverteidigung notwendigen Informationen von den anderen Gesamtschuldnern zu beschaffen; dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass ein entsprechender Auskunftsanspruch aus der sich aus § 426 Abs. 1 BGB ergebenden Verpflichtung des Mitschuldners folgt, unbegründete Ansprüche von dem Freistellungsgläubiger abzuwehren (zutreffend OLG Karlsruhe, U. v. 09.11.2016, 6 U 204/15 Kart (2), NZKart 2016, 595 = WuW 2017, 43 Tz 65 – Grauzementkartell mit Verweis auf BGH, U. v. 15.10.2007, II ZR 136/06, NJW-RR 2008, 256 Rz. 22; zudem OLG Düsseldorf, aaO.). So verhält es sich auch im Streitfall. Wie oben bereits dargelegt, haften in Zusammenhang mit den streitbefangenen Erwerbsvorgängen 6) bis 8) der Klägerin die Beklagten 1. und 2. sowie 4. bis 7. als Gesamtschuldnerinnen dem Grunde nach auf Kartellschadensersatz. Die Beklagten zu 4. bis 7. haben aber nicht aufgezeigt, dass sie sich hinsichtlich der Frage der Begleichung der die hier interessierenden Vorgänge betreffenden Rechnungen bei der Beklagten zu 1. – Lieferantin – oder der Beklagten zu 2. um Aufklärung bemüht haben, ihnen eine solche Aufklärung unzumutbar oder diese aussichtslos ist. Für eine Unzumutbarkeit oder Aussichtslosigkeit solcher Aufklärungsbemühungen spricht auch im Übrigen nichts; eine dahingehende Annahme ist, wie sich von selbst versteht, insbesondere nicht damit zu rechtfertigen, dass die Beklagten zu 1. und 2. ihrerseits – wie oben ausgeführt – die Rechnungsbegleichung unzulässig und folglich unbeachtlich mit Nichtwissen bestritten haben.

10.

Die durch die Beklagten ursprünglich mit Nichtwissen bestrittene Weiterreichung der Zahlungen durch die XXX1 sind durch die Klägerin mittels der Anlagen K 28 und K 29 nachgewiesen worden. Dem sind die Beklagten nicht mehr substantiiert entgegengetreten; auch im Übrigen wurde gegen diese Nachweise nichts mehr eingewendet, weshalb hier vor dem Hintergrund von § 138 Abs. 3 ZPO die Weiterreichung somit der Entscheidung zugrunde gelegt werden kann. Im Übrigen gelten auch die obigen Erwägungen entsprechend.

Auf die – ebenfalls bestrittenen – Abtretungen der Ansprüche durch die XXX1 an die Klägerin kommt es somit schon nicht mehr an, da die Klägerin klargestellt hat, primär aus eigenem Recht vorzugehen und ihr somit nach dem zuvor Gesagten ein eigener Schaden entstanden ist.

11.

Soweit diese Erwerbsvorgänge durch öffentliche Zuwendungen gefördert worden sind, führt dies weder zum Ausschluss noch zur Minderung des Anspruchs der Klägerin auf Kartellschadensersatz, auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung.

Soweit Zuwendungen der öffentlichen Hand geflossen sind, sind diese in das Vermögen der Klägerin übergegangen. Das streitbefangene Erwerbsgeschäft hat sie daher komplett mit eigenen Mitteln bestritten; im Grundsatz ist ihr selbst deshalb auch der volle Schaden entstanden (so in einem Parallelfall auch OLG Düsseldorf, VI-U (Kart) 1/17Tz 156-160 - juris).

Zwar kommt, dem Kartellsenat des BGH folgend, der Einwand der Vorteilsausgleichung grundsätzlich auch dann in Betracht, wenn dem Geschädigten Zuwendungen eines öffentlich-rechtlichen Aufgabenträgers zufließen und diese Zuwendungen in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem Schadensereignis stehen (BGH, KZR 8/18 Tz 47 – Schienenkartell IV - juris). Dies soll etwa der Fall sein, wenn die öffentlich-rechtlichen Zuwendungen - auch der Höhe nach - in Abhängigkeit von einzelnen Erwerbsvorgängen des Zuwendungsempfängers und zweckgebunden gewährt werden. Dem Kartellsenat folgend hat in einem solchen Fall der Abnehmer des Kartellbeteiligten den ihm entstandenen Schaden vollständig oder teilweise an den Zuwendungsgeber weitergereicht, der dann aus Sicht des BGH - unter Bezugnahme auf die Entscheidung in der Rechtssache Otis des EuGH (U. v. 12.12.2019, C-435/18) - seinerseits grundsätzlich zur Geltendmachung eines kartellrechtlichen Schadensersatzanspruchs berechtigt wäre (BGH, KZR 8/18, aaO.).

Ob dem hier zu folgen ist, kann dahinstehen. Denn dem Kartellsenat folgend kommt eine Vorteilsanrechnung jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn es an einem solchen adäquat-kausalen Zusammenhang mangelt (BGH, KZR 8/18, aaO.). Vorliegend ist die Höhe der Zuwendungen ersichtlich nicht kausal auf den Kartellrechtsverstoß zurückzuführen, zumal die Beklagten keinen Sachvortrag dazu gehalten haben, ob die Zuschüsse überhaupt von den Preisen für die im Streitfall betroffenen Produkte abhingen und zu welchen Bedingungen die Zuschüsse gewährt wurden (OLG Düsseldorf, aaO.). Insoweit trifft die Beklagten schon mit Rücksicht auf das unionsrechtliche Gebot der effizienten Durchsetzung privater Kartellschadensersatzansprüche die Darlegungs- und Beweislast (vgl. OLG Düsseldorf, aaO.).

Aus Sicht der Kammer steht einer den Schaden der Klägerin ausschließenden oder mindernden Anrechnung der öffentlichen Zuwendungen - unbeschadet der vorstehenden Ausführungen - in wertender Hinsicht aber gerade auch der Rechtsgedanke des § 843 Abs. 4 BGB entgegen (so auch OLG Düsseldorf, aaO.). Die Vorschrift drückt, wie in der Rechtsprechung anerkannt ist, einen allgemeinen Rechtsgedanken des Inhalts aus, dass der Schädiger nicht durch Leistungen Dritter entlastet werden darf, die von diesen entweder aufgrund gesetzlicher Pflicht oder auch freiwillig erbracht werden und die ihm nach dem Sinn der schadensrechtlichen Vorschriften nicht zugutekommen sollen (vgl. etwa BGH, U. v. 05.02.2013, VI ZR 363/11, NJW 2013, 1151 Rz. 23; OLG Düsseldorf, aaO.). Dieser Rechtsgedanke ist auch hier einschlägig. Die im Zusammenhang mit der Beschaffung bzw. Instandhaltung der für den öffentlichen Personennahverkehr erforderlichen Infrastruktur gewährten Zuwendungen der öffentlichen Hand haben keinesfalls den Sinn, denjenigen Schädiger zu entlasten, der unter Ausnutzung eines von ihm begangenen Verstoßes gegen das Kartellverbot seine Waren oberhalb des hypothetischen Wettbewerbspreises anbietet. Wie im Falle der Eingliederung eines Zuwendungsempfängers in den Bundeshaushalt (vgl. hierzu OLG Düsseldorf, aaO. und BGH, U. v. 04.04.2000, XI ZR 48/99, NJW 2000, 3062 [3063]) rechtfertigen auch aus öffentlichen Mitteln erbrachte (Infrastruktur-)Zuwendungen an ein kommunal bzw. regional tätiges Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs nicht, den Schädiger im Wege der Vorteilsausgleichung zu entlasten (vgl. in diesem Sinne auch OLG Düsseldorf, aaO.).

12.

Die Beklagten können auch nicht mit dem Einwand gehört werden, die Klägerin habe den Schaden auf die nächste Marktstufe weitergewälzt, nämlich - womöglich im Wege der Fahrpreiserhöhung – durch Weitergabe an die Nahverkehrskunden. Der Sache nach handelt es sich bei dem Weiterwälzungseinwand („Passing-on-Einwand“) ebenfalls um den Einwand der Vorteilsausgleichung (BGH, KZR 75/10 Tz 57 ff. - ORWI – juris). Auch hier muss demnach die Preiserhöhung, die der Geschädigte gegenüber seinen Abnehmern durchsetzen kann, in adäquatem Kausalzusammenhang mit dem kartellbedingten Preisaufschlag stehen (BGH, aaO., Tz 58, 59), weshalb auch hier im Einklang mit dem unionsrechtlichen Effektivitätsgebot die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen der Vorteilsausgleichung und insbesondere der Kausalität des Vorteils beim Schädiger liegt (BGH aaO., Tz 64). Die Beklagten sind ob ihres eher oberflächlichen Vortrages hierzu dieser ihnen obliegenden Darlegungslast schon nicht hinreichend nachgekommen, doch kann dies hier aufgrund der Besonderheiten des Falles auch dahinstehen; gleichfalls kommt es nicht  auf die Frage an, ob die Klägerin womöglich eine sekundäre Darlegungslast traf (vgl. dazu BGH, KZR 8/18 Tz 52 ff. – Schienenkartell IV), obwohl dies nach dem Ansatz des BGH ohnehin nicht der Fall sein dürfe (s. BGH, KZR 8/18 Tz 62).

Denn schon aufgrund von im Rahmen des Vorteilsausgleichs allgemein zu berücksichtigender Wertungsgesichtspunkte (vgl. BGH, KZR 75/10 Rn. 58 - ORWI; BGH, X ZR 126/13, MDR 2015, 13, Tz 14; BGH, VII ZR 81/06, BGHZ 173, 83, Tz 18 mwN; LG Dortmund, 8 O 13/17 Kart, NZKart 2018, 382, Tz 121 ff; Topel, in: Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts, 3. Aufl. 2016, § 50, Rn. 101; die Anwendung solcher Wertungsgesichtspunkte ist auch in anderen europäischen Ländern anerkannt, so für die Niederlande Hoge Raad, U. v. 08.07.2016, ECLI:NL:HR:2016:1483, Nr. 4.4.3 - TenneT/ABB und für das Vereinigte Königreich CAT, U. v. 14.07.2016, CAT 11, Az. 1241/5/7/15 Rn. 484(5) - Sainsbury"s/Mastercard) ist der Weiterwälzungseinwand hier ausgeschlossen.

Schon im Rahmen einer Lieferkette auf ein und demselben Markt werden - so denn eine Weitergabe eines Kartellaufschlages überhaupt stattfand - regelmäßig spätestens beim Endverbraucher, je nach Länge der Lieferkette aber auch schon auf vorherigen Marktstufen, derartig geringe Schäden ankommen, dass diese nicht mit einer Schadensersatzklage verfolgt werden und der Kartellant somit faktisch von seiner Schadensersatzverpflichtung frei würde (vgl. dazu Bien in FS Möschel, 2011, 131, 132; Hirner/Mayr-Riedel, wbl 2016, 366, 367; Klumpe/Thiede, BB 2016, 3011, 3012; Podszun/Kreifels, GWR 2017, 67, 68., und insbesondere der Sache nach jetzt auch BGH, KZR 8/18 Tz 62- Schienenkartell IV). Der Erwerber der hier in Rede stehenden Fahrscheine wäre aber in der Sache ein solcher Endverbraucher, weshalb gerade in Fällen wie diesen hier völlig unwahrscheinlich ist, dass derart geringe Schäden verfolgt werden.

Schon unter diesen Gegebenheiten muss die Zulässigkeit des Weiterwälzungseinwandes verneint werden (vgl. dazu etwa Polster/Steiner, ÖZK 2014, 48; Petrasincu, WuW 2016, 330, 332; Seegers WuW 2017, 236, 238; in die Richtung wohl auch Kersting/Podszun, 9. GWB-Novelle, 2017, Kap. 7 Rn 82; und Hoffer/Innerhofer, Öbl 2013, 257, 261; wie hier bereits Kammer in LG Dortmund, 8 O 13/17 und in diese Richtung zuvor schon in LG Dortmund, 8 O 90/14 Kart und 8 O 25/16 Kart Tz 95 - juris; offengelassen letztlich in BGH, KZR 8/18 Tz 62). Denn um eine Nichthaftung der Kartellanten, die es - wie nicht zuletzt auch von der Richtlinie und schon durch den BGH in ORWI (KZR 75/10 Tz 75) gefordert - zu verhindern gilt, ist eine andere Lösung de lege lata mangels kollektiver Rechtsschutzelemente (vgl. dazu Faure/Weber, JETL 2015, 163 ff., Klumpe/Thiede, BB 2016, 3011, 3012) nicht vorhanden, zumal auch die Möglichkeit der Vorteilsabschöpfung durch das Bundeskartellamt oder Verbände nach §§ 34, 34a GWB keine Alternative darstellt (LG Dortmund, aaO., ferner Petrasincu, WuW 2016, 331, 332).

Dass dies die Kartellbeteiligten auch nicht unbillig in die Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme bringt, zeigt sich im konkreten Fall schon konkret daran, dass kein einziger Rechtsstreit bekannt ist, in dem Kartellbeteiligte des Schienenkartells von Verbrauchern aufgrund überhöhter Ticketpreise in Anspruch genommen worden wären (in diese Richtung instruktiv auch BGH, KZR 8/18 Tz 62 – Schienenkartell IV); angesichts des Zeitablaufs ist eine solche Inanspruchnahme auch nun gänzlich ausgeschlossen.

Die Kammer hält darüber hinaus auch daran fest, dass in Fällen wie dem Vorliegenden das Bestehen eines für den Weiterwälzungseinwand erforderlichen Anschlussmarktes (vgl. dazu auch BGH, KZR 75/10 Tz 47 – ORWI - und jetzt BGH, KZR 8/18 Tz 58 f. – Schienenkartell IV) Zweifeln unterworfen ist. Denn in Bezug auf den Verkauf von Fahrscheinen ist ein solches Marktgeschehen auf einem Folgemarkt überhaupt nicht ersichtlich, und zwar weder auf Anbieter-, noch auf Abnehmerseite. Auf Anbieterseite steht isoliert die Klägerin, denn die U-Bahn- oder Straßenbahnlinien sind weder untereinander, noch gegen solche anderer Städte austauschbar. Dem Geschäftsgegenstand fehlt es aus Sicht der Marktgegenseite an der Substituierbarkeit. Erst recht ist ein Marktgeschehen nicht auf der Nachfrageseite ersichtlich, da es sich dort um Endverbraucher handelte, die naturgemäß nicht miteinander um Fahrtickets konkurrieren (so auch schon die Kammer in LG Dortmund, U. v. 28.06.2017, 8 O 25/16 Kart, NZKart 2017, 440, Tz 96).

Aber auch wenn man mit dem BGH (KZR 8/18 Tz 58 sowie Roth in Frankfurter Kommentar, § 33c GWB Rn. 30) einen solchen Anschlussmarkt hier annehmen bzw. den Gedanken verfolgen will, dass die Klägerin bei einem fehlenden Markt "erst recht" in der Weitergabe des Kartellaufschlages frei war (so LG Berlin, 16 O 193/11, Tz 60 – juris), so ist doch zu berücksichtigen, dass die Preisbildung bei Fahrtickets, anders als diejenige beim Weiterverkauf von Waren, in keiner unmittelbaren Relation zum Einkaufspreis für bestimmte Infrastruktur steht, sondern eine Fülle anderer Faktoren für die Bestimmung maßgeblich sind (dazu auch BGH, aaO., Tz 59). Nicht allein Schienen, Weichen und Schwellen erzeugen Kosten, sondern in gleicher Weise das Personal, die Bahnen selbst sowie die Energieträger, um nur einige Faktoren aufzuzählen. Die Kosten für Investitionen in Gleisoberbaumaterialien finden damit lediglich Eingang in eine Mischkalkulation, werden aber nicht eins zu eins an den Kunden weitergegeben. Der Spielraum für die Weitergabe kartellbedingter Aufschläge wird dadurch erheblich eingeschränkt. Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass der den Fahrgästen abverlangte Fahrpreis jedenfalls nicht ausschließlich das Ergebnis einer kaufmännischen Kalkulation bildet, sondern soziale Faktoren wie der Zugang der Bevölkerung zu bezahlbarer "Mobilität" in hohem Maß eine Rolle spielen. Dass die Fahrpreise selbst nicht kostendeckend sein können, folgt schon aus den üblichen Ermäßigungen für bestimmte Gruppen (Schwerbehinderte, Arbeitslose), die - eine Kostendeckung des Normaltarifs unterstellt - dann in jedem Fall unter dieser Grenze blieben (vgl. zum Ganzen LG Dortmund, aaO., Tz 97; insgesamt zustimmend Seifert, NZKart 2020, 350 ff.).

Auf den darüber hinaus einschlägigen Aspekt, dass die Nahverkehrsunternehmen des Ruhrgebiets und auch die Klägerin nachgerade durchweg nicht in der Lage sind, den von ihnen verantworteten Personenverkehr kostendeckend zu betreiben, weshalb auch schon in der Sache mit den Erwägungen des 1. Kartellsenats des OLG Düsseldorf (U. v. 22.08.2018, VI-U (Kart) 1/17 Rn. 146 ff.- juris) eine Weiterwälzung ausschiede, kommt es nach all dem hier schon nicht an.

Soweit an einigen dieser Erwägungen u.a. unter dem Gesichtspunkt ökonomischer Forschungen Kritik geübt wird (vgl. etwa Maier-Rigaud/Heller/Hanspach, WuW 2019, 561 - 568) verkennt diese Kritik, dass es sich hier, vor allem bei den Erwägungen zu Streuschäden, um einen Fall rechtlicher Wertung und nicht um eine ökonomische Begründung handelt. Die Anwendung rechtlicher Wertungen wird aber durch die Zuordnung des Weiterwälzungseinwandes zum Institut der Vorteilsausgleichung gerade eröffnet und kann somit selbst dann erfolgen, wenn aus ökonomischer Sicht eine Weiterwälzung durchaus wahrscheinlich erscheinen mag.

13.

Ein Mitverschulden der Klägerin nach § 254 BGB wegen ihres Vergabeverhaltens kann auf der Grundlage des hierzu gehaltenen, eher schwach substantiierten und im Wesentlichen nur auf wenige Passagen des Bußgeldbescheides abstellenden Beklagtenvortrags nicht angenommen werden. Selbst wenn die Klägerin bei manchen Aufträgen nur die Angebote einiger Unternehmen oder gar nur ein Angebot der Beklagten eingeholt haben mag – bei den hier relevanten Erwerbsvorgängen 6) bis 8) spricht nichts dafür - genügt dies nicht zur Annahme eines Mitverschuldens, zumal kartellbedingt ohnehin mit dem entsprechend "günstigsten" Angebot zu rechnen gewesen wäre. Dass die Ausschreibungen zudem womöglich kundenspezifisch ausgerichtet waren und dabei technische Spezifikationen eine Rolle gespielt haben mögen, liegt letztlich in der Natur der Sache und begründet keinen Verstoß gegen die bei Ausschreibung erforderliche Sorgfalt (so schon LG Dortmund, U. v. 21.12.2016, 8 O 90/14 (Kart), NZKart 2017, 86, Tz 149 und ausführlich in einem Parallelfall OLG Düsseldorf, VI-U(Kart) 1/17 Tz 173 - juris)

14.

Auch geht die durch die Beklagtenseite erhobene Einrede der Verjährung ins Leere.

Dies versteht sich angesichts der im Jahre 2014 erhobenen Klage von selbst für die Erwerbsvorgänge aus dem Jahre 2005. Doch ist auch der Erwerbsvorgang aus dem Jahr 2004 aufgrund der Klageerhebung in 2014 nicht verjährt.

Für nach dem 31.12.2001 entstandene Ansprüche gilt die kenntnisunabhängige zehnjährige Verjährungsfrist, beginnend ab ihrer Entstehung (§ 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB). Anhaltspunkte für eine Kenntnis beziehungsweise grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin im verjährungsrelevanten Zeitraum liegen nicht vor.

Die Verjährung wurde nach § 33 Abs. 5 GWB durch die Einleitung des Bußgeldverfahrens im Mai 2011 bis mindestens 18. Januar 2014, also bis sechs Monate nach dem Datum des Bußgeldbescheides (vgl. § 33 Abs. 5 S. 2 GWB, § 204 Abs. 2 S. 1 BGB) gehemmt.

Die Frage, ob die mit Wirkung zum 01. Juli 2005 eingeführte Bestimmung des § 33 Abs. 5 GWB auf zu diesem Stichtag noch nicht verjährter "Altfälle" anwendbar ist, ist höchstrichterlich nun eindeutig zugunsten der Anwendbarkeit auf Altfälle entschieden (vgl. BGH, KZR 56/16, NZKart 2018, 315 Tz 55 ff. – Grauzement II; so zuvor LG Dortmund, 8 O 90/14 (Kart) Tz 158 – juris). Der Gesetzgeber hat eine Übergangsvorschrift nicht bestimmt, weshalb der allgemeine, etwa in Art. 169 Abs. 1 EGBGB kodifizierte Grundsatz eingreift, wonach neue gesetzliche Vorschriften betreffend die Hemmung der Verjährung auch auf unter der Geltung des alten Rechts entstandene, bei Inkrafttreten der neuen Bestimmung aber noch nicht verjährter Ansprüche Anwendung finden. Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn - wie hier - die Entscheidung des Bundeskartellamtes erst nach dem Inkrafttreten der Norm Bestands- bzw. Rechtskraft erhielt, da dann weder eine unzulässige Gesetzesrückwirkung noch eine sonstige Enttäuschung schutzwürdigen Vertrauens desjenigen vorliegt, gegen den sich die Entscheidung richtet, was gerade auch für die Frage der Anwendbarkeit des § 33 Abs. 5 S. 1 GWB zum Tragen kommen muss (so ausdrücklich OLG Düsseldorf, VI U 3/14 Tz 45 - juris). Daher führte das vom Bundeskartellamt betriebene Verfahren zu einer Verjährungshemmung im Verhältnis der Klägerin zu den Beklagten, wofür im Übrigen auch der Zweck der Norm, die privatrechtliche Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen zu erleichtern, streitet (zum Ganzen bereits LG Dortmund, aaO. Tz 158 ff.).

15.

Damit bestehen für die Erwerbsvorgänge 6) bis 8) Schadensersatzansprüche im tenorierten Umfange.

II.

Die Schadensersatzforderungen bezüglich der im Übrigen noch rechtshängigen, nicht übereinstimmend für erledigt erklärten Erwerbsvorgänge 2), 3), 4) und 9) sind indes unbegründet.

Im Hinblick auf den Erwerbsvorgang 2) will die Klägerin primär unter dem Gesichtspunkt eines Preisschirmerwerbs vorgehen. Die Voraussetzungen der Entstehung eines Preisschirms hat sie allerdings trotz Hinweises im Termin zur mündlichen Verhandlung sowie im darauffolgenden Hinweisbeschluss nicht substantiiert vorgetragen.

Zu den Anforderungen, die der 1. Kartellsenat des OLG Düsseldorf – dem die Kammer insoweit folgt – an den substantiierten Vortrag zur Entstehung eines Preisschirmes stellt, gehört insbesondere dezidierter Vortrag zum Grad der Substituierbarkeit der Leistungsangebote der Kartellanten bzw. der Kartellaußenseiter, ferner zur Homogenität oder Heterogenität der betroffenen Wirtschaftsgüter, zum Grad der Produktdifferenzierung, zum Vorliegen oder Nichtvorliegen (materieller oder immaterieller) Wechselkosten, zur Art des Wettbewerbes, zur Dauer des Kartellverstoßes, zur Markttransparenz, zum Grad der Marktabdeckung des Kartells, zur Intensität des Restwettbewerbes unter den Kartellaußenseitern, zu Produktionskosten, zu Kapazitätsbeschränkungen, sowie zu sonstigen verhaltensökonomischen Momenten (OLG Düsseldorf, 08.05.2019, VI U (Kart) 11/18, NZKart 2019, 354, 355; zu diesen Anforderungen siehe auch BGH, 09.10.2018, KRB 51/16, NZKart 2019, 146, 151 Tz 71 – Flüssiggas I; ferner LG Stuttgart, 30.01.2020, 30 O 9/18, BeckRS 2020, 784 Tz 60 – LKW-Kartell; Coppik/Haucap, WuW 2016, 50; Stühmeier, WuW 2017, 379).

Die Kammer verkennt nicht, dass aufgrund der zur Verfügung stehenden Informationen die Klägerin schwerlich zu sämtlichen Aspekten wird vortragen können. Allerdings ist der wesentliche Aspekt aus den oben genannten Kriterien die Markttransparenz, welche nachgerade unabdingbar für die Entstehung eines Preisschirms ist. Insoweit hat der 1. Kartellsenat des OLG Düsseldorf im oben zitieren Urteil zu einem völlig vergleichbaren Fall aus dem Schienenkartell ausgeführt: „Eine Markttransparenz im Sinne einer Preistransparenz [ist] bei dem hier zu beurteilenden Submissionskartell ist nicht ersichtlich. Bei Ausschreibungen bleiben die von den einzelnen Bietern angebotenen Preise nach den Regeln des Vergaberechts geheim. Dies bedeutet, dass auch Kartellaußenseiter, … von den konkreten Preisen der Mitbieter keine Kenntnis erlangen, und zwar nicht einmal nachträglich … Die pauschale Behauptung der Klägerin zu 4., Kartellaußenseiter hätten `durch Marktbeobachtung´ um die Preise der mit ihnen in Wettbewerb stehenden Kartellanten gewusst, `da das von den Kartellanten bestimmte Preisniveau omnipräsent´ gewesen sei, entbehrt vor diesem Hintergrund ganz offensichtlich jeglicher Substantiierung.“

Nicht anders liegt der Fall hier; die Anforderungen, die das OLG München in der durch die Klägerin in Bezug genommenen Entscheidung gestellt hat („Im Übrigen hat sich die Kartellaußenseiterin G. GmbH seit dem Jahr 2001 bundesweit an zahlreichen Ausschreibungen für Schienenlieferungen beteiligt; daher besteht im Streitfall eine deutlich überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass sie im Kartellzeitraum die auf dem Markt erzielbaren Preise beobachtet, das – kartellbedingt – erhöhte Preisniveau für Vignolschienen erkannt und als strategische Reaktion spätestens im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Ausschreibung Anfang 2005 auch ihre eigenen Preise erhöht hat. … Die konkreten Vorgaben in den Ausschreibungen haben es auch Kartellaußenseitern wie der G. GmbH ermöglicht, die Ausschreibung zu bewerten und ihre eigene Preissetzung mit der beobachteten Preisentwicklung – jedenfalls im Bereich Vignolschienen – abzugleichen.“, vgl. OLG München, 08.03.2018, U 3497/16 Kart, NZKart 2018, 230 = BeckRS 2018, 6691 Tz 11) sind dabei erkennbar zu pauschal und auch nicht mit der durch den BGH in den neuen Entscheidungen zum Schienenkartell (s. BGH, KZR 26/17, 24/17, 25/17, 27/17) geforderten Einzelfallbetrachtungen in Einklang zu bringen.

Schließlich wurde das durch die Klägerin ferner in Bezug genommene Urteil des LG Köln (31 O 540/14, BeckRS 2018, 28252) durch das OLG Düsseldorf (VI U Kart 12/18, BeckRS 2019, 30802) in Gänze schon aus prozessualen Gründen aufgehoben und zurückverwiesen. Dieses Urteil war im Übrigen im Hinblick auf den hier relevanten Aspekt gleichlautend mit dem Urteil des LG Köln (31 O 236/15, BeckRS 2018, 28251) und auch unter dem gleichen Tag erlassen worden; letzteres wurde aber eben durch das hier näher diskutierte Urteil des OLG Düsseldorf (VI U Kart 11/18) aufgehoben.

Insbesondere ist neben diesen allgemeingültigen Aspekten ganz konkret in Bezug auf den Erwerbsvorgang 2) zu berücksichtigen, dass die Auftragserteilung im April 2001 stattfand; der Kartellzeitraum begann erst kurz davor, soweit er durch den Bußgeldbescheid festgestellt ist. Es ist durch die Klägerin weder vorgetragen noch anderweitig überhaupt nur im Ansatz ersichtlich oder gar denkbar, dass der Gesamtmarkt derart schnell auf eine kartellbedingte Preiserhöhung seinerseits mit einer Erhöhung hätte reagieren können.

Damit scheidet bezüglich des Erwerbsvorgang 2) ein Schadensersatzanspruch unter dem Aspekt eines Preisschirmerwerbs aus.

Nichts anderes ergibt sich unter dem Gesichtspunkt eines mittelbaren Erwerbs bzw. des Erwerbs aus abgetretenem Recht, auf den sich die Klägerin hilfsweise stützt. Entgegen der erteilten Hinweise hat die Klägerin keinen näheren Vortrag darüber gehalten, inwieweit die Vorerwerber den Erwerb im zeitlichen und räumlichen Zusammenhang der Kartellabsprache getätigt haben; insbesondere ist nicht vorgetragen, dass der Erwerb bei einem Kartellbeteiligten erfolgt ist. Dies wäre aber sowohl für einen Anspruch nach den Regeln eines mittelbaren Erwerbs wegen Weiterwälzung der Schadenssumme aus dem unmittelbaren Erwerb als auch für einen Anspruch aufgrund der Abtretung von Ansprüchen aus dem unmittelbaren Erwerb nötig. Denn beide Alternativen setzen einen solchen Vortrag zwingend voraus, weil ansonsten die Kartellbefangenheit der erworbenen Güter schon nicht festgestellt werden kann, denn der unmittelbare Erwerber müsste in beiden Varianten zeitlich, räumlich und sachlich dem Kartellregime unterfallende Güter beim Rechtsverletzer erworben haben, was aber hier weder unter dem zeitlichen Aspekt noch unter dem Aspekt des Herstellers der Güter vorgetragen oder sonst ersichtlich ist. Soweit nicht vorgetragen werden kann, dass der Erwerb überhaupt bei einem der Kartellbeteiligten erfolgte, käme abermals nur ein Preisschirmerwerb der Zedenten in Betracht, doch ist nach dem oben Gesagten ein solcher schon unter dem Zeitaspekt erst recht nicht feststellbar; Vortrag dazu wurde auch nicht gehalten.

Damit ist insgesamt ein Schadensersatzanspruch für den Erwerbsvorgang 2) unter keinem Gesichtspunkt substantiiert vorgetragen.

Nichts anderes ergibt sich im Hinblick auf die Erwerbsvorgänge 3), 4) und 9). Die Klägerin geht bezüglich jedes Vorgangs primär aus einem Preisschirmerwerb vor, hat aber trotz der gegebenen gerichtlichen Hinweise weder hinreichenden Vortrag zur Entstehung eines solchen gehalten noch substantiiert den Erwerb ihrer Vorerwerberin dargetan, sodass auch hier weder ein Anspruch aus eigenem Recht noch aus abgetretenem Recht schlüssig vorgetragen ist. Denn jeweils hätte entweder vorgetragen werden müssen, dass der Vorerwerber von einem Kartellbeteiligten selber im Kartellzeitraum erwarb oder dass er nach den Regeln des Preisschirmerwerbs kartellbeaufschlagte Ware erwarb. An solchem Vortrag mangelt es aber erkennbar jedenfalls für die Erwerbsvorgänge 4) und 9). Soweit die Klägerin für den Erwerbsvorgang 3) den Bezug der Walter Gasthaus bei der Beklagten zu 4) vorträgt, mangelt es aber an weiterem substantiierten Vortrag zur Frage, wann dieser Erwerb erfolgt ist, sodass sich die Kartellbefangenheit insoweit in zeitlicher Hinsicht nicht feststellen lässt.

Die zudem bestehenden Problematiken der wirksamen Abtretung angesichts der Insolvenzen im Rahmen der Erwerbsvorgänge 2) und 9) können vor diesem Hintergrund dahinstehen.

III. Zinsen

Zinsen kann die Klägerin für die Erwerbsvorgänge 6) bis 8) jeweils nur ab Rechtshängigkeit nach § 291 BGB und nur in der tenorierten Höhe aus § 288 BGB verlangen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin besteht der Anspruch aber nicht bereits ab Auftragserteilung, sondern mit der Wendung "ab Schadensentstehung" kann die Klägerin die Zinsen erst ab dem Zeitpunkt der Zahlung verlangen, da ihr erst ab diesem Zeitpunkt die Nutzung des jeweiligen Geldbetrages entzogen ist (so schon Kammer in LG Dortmund, U. v. 21.12.2016, 8 O 90/14 (Kart) Rn. 153 - juris).

Einen genauen Zeitpunkt für die geleisteten Zahlungen hat die Klägerin für die hier einschlägigen Erwerbsvorgänge auch mit ihrem vertieften Vortrag im letzten Schriftsatz nicht angegeben (vgl. Bl. 1156 f. d.A.). Der angebotene Zeugenbeweis war diesbezüglich nicht zu erheben, da eine Beweisaufnahme zunächst entsprechenden Vortrag voraussetzen würde. Ein erneuter gerichtlicher Hinweis darauf, dass die entsprechenden Aspekte nicht vorgetragen sind, war nicht erforderlich, da bereits der Schriftsatz selber zeigt, dass sich die Klägerin der Problematik bewusst war und auch schon mehrfach Vortrag dazu gehalten hatte.

Diese hier vorgenommene Wertung schließt die Ausführungen, wonach das Bestreiten der Zahlungen durch die Beklagten unwirksam erfolgte, nicht aus; es bleibt dabei, dass der Vortrag der Klägerin, wonach die Zahlungen im Zusammenhang mit den Rechnungslegungen erfolgt sind, nicht wirksam nach § 138 ZPO bestritten wurde. Gleichwohl kann mangels entsprechender Hinweise hier nicht der genaue Zeitpunkt festgestellt werden, wie dies aber für die Feststellungen zum Zinslauf aus § 849 BGB oder §§ 286, 288 BGB erforderlich wäre, weshalb es dem Grunde nach bei der Verzinsung aus § 291 BGB verbleibt.

Damit kommt es auf sämtliche Streitpunkte der Parteien bezüglich der Zinsforderung im Übrigen hier nicht an.

Ab Rechtshängigkeit hat die Klägerin somit einen Anspruch auf Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus § 291 BGB, wobei sich die Höhe des Zinssatzes aus § 288 Abs. 1 S. 2 BGB ergibt. Eine darüberhinausgehende Zinsforderung besteht nicht, da es sich der vorliegenden Schadensersatzforderung nicht um eine Entgeltforderung handelt (vgl. LG Dortmund aaO., Tz 154, so auch schon BGH, U. v. 06.11.2013, KZR 58/11 - VBL-Gegenwert I, NZKart 2014, 31 Tz 67)

IV. Kosten Sachverständigengutachten

Die Kosten des IAW-Gutachtens kann die Klägerin nicht ersetzt verlangen. Dabei kann offenbleiben, ob diese schon deshalb nicht ersatzfähig sind, weil das Gutachten in der Sache nicht tauglich war, um eine Schadensschätzung zu unterstützen. Jedenfalls ist – obwohl die Beklagten den fehlenden Schadensnachweis teils schon in der Klageerwiderung angemahnt haben – durch die Klägerin die Zusammensetzung des geltend gemachten Betrages von rund 12.000 Euro in keiner Weise substantiiert worden. Dabei war zu berücksichtigen, dass bekanntlich das Gutachten durch rund 50 Auftraggeber eingeholt wurde, und die Kosten somit also naheliegender Weise nach einem bestimmten Schlüssel von jedem einzelnen zu tragen waren. Jedoch sind weder die Gesamtkosten belegt oder auch nur vorgetragen worden, noch hat die Klägerin das Zustandekommen des geltend gemachten Schadensbetrages dargetan. Auch diesbezüglich war ein weiterer gesonderter Hinweis der Kammer nicht erforderlich, da die Klägerin erkennbar angesichts des Bestreitens der Beklagten den ihr möglichen – allerdings unzulänglichen - Vortrag geleistet hat.

V.

Die Freistellung von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten kann die Klägerin ebenfalls unter Schadensersatzgesichtspunkten verlangen, indes nur in Höhe von 831,20 Euro. Dies entspricht einer 0,65 Gebühr gemäß Ziffer 2300 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG (1,3 Gebühr geteilt durch 2) aus dem ausgeurteilten Wert als Streitwert zuzüglich der Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsleistungen gemäß Ziffer 7002 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG. Vertiefter Vortrag war entgegen der Auffassung der Beklagten nicht erforderlich, da angesichts der Komplexität dieses Falles und der auch notwendigen Verhandlungen über Verjährungsverzichte die Notwendigkeit der Einschaltung eines Anwalts schon im außergerichtlichen Verfahren auf der Hand liegt.

VI.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 91a, 101 ZPO.

Soweit die Beklagte zu 3. vorliegend aufgrund übereinstimmender Erledigungserklärung faktisch aus dem Rechtsstreit ausschied, war sie als ursprünglich gesamtschuldnerisch mit den übrigen Beklagten in Anspruch Genommene noch deklaratorisch der Vollständigkeit der Kostenformel halber zu erwähnen. Auch wenn ansonsten gilt, dass soweit außergerichtlich über die Kosten ein Vergleich erzielt wurde, keine Entscheidung mehr veranlasst ist (Thomas/Putzo-Hüßtege, § 91 ZPO Rn 20),  muss doch zumindest deklaratorisch eine Erwähnung des jeweiligen Prozessrechtsverhältnisses erfolgen, wenn es sich insoweit um einen von mehreren, ursprünglich streitgenössisch agierenden Gesamtschuldnern handelt.

Eine im Rahmen der Kostenentscheidung vorzunehmende Ermäßigung des Gebührenstreitwerts aufgrund der Teilerledigungen war hier nicht vorzunehmen, da bereits sämtliche Gebühren – sowohl nach GKG als auch nach RVG – zum alten, höheren Ausgangsstreitwert entstanden sind.

Im Rahmen der in der einheitlichen Kostenentscheidung zu verteilenden Kosten bezüglich der Teilerledigungen ist die Kammer davon ausgegangen, dass es der Billigkeit entspricht, bei den erledigten Erwerbsvorgängen die Kostenanteile als gegeneinander aufgehoben i.S.v. § 98 ZPO zu werten, weil in beiden Vorgängen nicht nur tatsächliche Aspekte aufzuklären gewesen wären, sondern auch schwierige – u.a. insolvenzrechtliche - Fragen zu klären gewesen wären, einer Klärung solcher Rechtsfragen dient § 91a ZPO aber nicht (vgl. Zöller-Althammer, § 91a ZPO Rn 27).

Unter Berücksichtigung dessen entspricht die Kostenquote sodann dem jeweiligen Unterliegensanteil der Parteien gemessen am Gesamtstreitwert, wobei hier die Baumbach´sche Kostenformel anzuwenden war.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 709 ZPO.

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