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Wirtschaftsrecht
14.05.2009
Wirtschaftsrecht
: Reichweite prospektbezogener Plausibilitätsprüfung bei "spezialisierter" Anlagevermittlung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 05.03.2009
Aktenzeichen: III ZR 17/08
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:

      ZPO § 286
      ZPO § 563 Abs. 1 Satz 2

Zur Pflicht eines auf den Vertrieb von Beteiligungen an Windkraftanlagen spezialisierten Anlagevermittlers, den Emissionsprospekt auf Plausibilität zu überprüfen.


Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat

auf die mündliche Verhandlung vom 5. März 2009

durch

den Vorsitzenden Richter Schlick und

die Richter Dr. Herrmann, Hucke, Seiters und Schilling

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 22. November 2007 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an den 28. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger verlangt von dem Beklagten Schadensersatz wegen der Verletzung von Beratungspflichten im Zusammenhang mit einer Kapitalanlage.

Zum Jahresende 2001 gab der Kläger seinen landwirtschaftlichen Betrieb auf. Dies führte zur Aufdeckung stiller Reserven, die hohe Steuerforderungen nach sich zu ziehen drohten. Auf Anraten seines Steuerberaters suchte der Kläger deshalb eine Möglichkeit zu einer langfristigen Geldanlage mit hohen Verlustzuweisungen, um seine Steuerlast zu reduzieren. Durch Werbebroschüren, die im Büro des Steuerberaters auslagen, stieß der Kläger auf den Beklagten, dessen Geschäftstätigkeit ausweislich seiner Visitenkarte unter anderem die "Vermittlung von Beteiligungen an Windparks" war. Nach einem ersten Kontakt beteiligte sich der Kläger auf Vermittlung des Beklagten, der von Haus aus Landwirt ist, mit einer Einlage von 100.000 DM an dem Windpark P. I. Nach Rücksprache mit seinem Steuerberater wollte der Kläger seine Beteiligung aufstocken. Dies war jedoch bei diesem Windpark nicht mehr möglich. Deshalb wies der Beklagte den Kläger auf ein anderes Windparkprojekt bei O. hin und übersandte ihm am 1. Dezember 2001 einen Prospekt über dieses Vorhaben. Am 10. Dezember 2001 zeichnete der Beklagte eine Beteiligung von 50.000 EUR.

Der Windpark O. nahm am 30. April 2002 seinen Betrieb auf. Die tatsächlichen Erträge blieben erheblich unter den prognostizierten. Die Betreibergesellschaft wurde zahlungsunfähig und beantragte am 25. April 2005 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Die Windkraftanlage wurde abgebaut und anderweitig verwertet.

Der Kläger behauptet, der über den Windpark O. erstellte Emissionsprospekt weise eine Reihe von Mängeln auf, die dem Beklagten bei einer Plausibilitätsprüfung hätten auffallen müssen.

Gemeinsam mit 39 weiteren Anlegern hat der Kläger 14 mit der Konzeption, Vermittlung und Durchführung des Projekts befasste Personen, zu denen auch der Beklagte gehört, auf Schadensersatz in Anspruch genommen. In einem vor dem Landgericht Osnabrück geschlossenen Vergleich hat die Prospektverantwortliche die Verpflichtung übernommen, an den Kläger 22.547,70 EUR zu zahlen. Der Beklagte, der sich in einem weiteren Vergleich verpflichtet hatte, an den Kläger weitere 7.515,90 EUR zu zahlen, hat hingegen von dem ihm vorbehaltenen Widerrufsrecht Gebrauch gemacht.

Das Landgericht hat die Klage, mit der der Kläger die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 27.558,30 EUR verlangt hat, abgewiesen. Das Berufungsgericht hat den Beklagten nach einer Reduzierung der Klageforderung zur Zahlung von 23.352,06 EUR Zug um Zug gegen Abtretung der Rechte aus der Beteiligung verurteilt. Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision des Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der Beklagte hafte dem Kläger aus positiver Vertragsverletzung (in Verbindung mit Art. 229 § 5 EGBGB) im Zusammenhang mit einem Anlageberatungs- oder Anlagevermittlungsvertrag. Kapitalanlagevermittler seien unabhängig davon, ob sie besonderes Vertrauen genössen, verpflichtet, das Konzept der Anlage, die sie empfehlen wollten und bezüglich derer sie Auskunft erteilen sollten, wenigstens auf Plausibilität, insbesondere auf die wirtschaftliche Tragfähigkeit hin, selbst zu prüfen. Verfüge der Anlagevermittler nicht über objektive eigene Kenntnisse, etwa weil er eigene Informationen nicht eingeholt oder keine Prüfungsmöglichkeit gehabt habe, so dass er sich bei seiner Empfehlung ausschließlich auf nicht überprüfte Informationen des Kapitalsuchenden stütze, müsse er dies dem Interessenten offen legen. Der Beklagte habe eine Plausibilitätsprüfung unterlassen. Er habe sich vielmehr auf die Angaben im Emissionsprospekt einschließlich der darin enthaltenen unzutreffenden Ertragsberechnungen verlassen, dies dem Kläger jedoch nicht offenbart. Was eine Plausibilitätsprüfung ergeben hätte, könne offen bleiben. Die bestehenden Mitteilungspflichten habe der Beklagte jedenfalls fahrlässig verletzt. Die schuldhafte Pflichtverletzung sei auch ursächlich für die Anlageentscheidung des Klägers geworden. Soweit der Beklagte behaupte, der Kläger hätte die Anlage auch dann gezeichnet, wenn er ihn auf sämtliche geltend gemachten Prospektmängel hingewiesen hätte und sich der Beklagte insoweit auf das Zeugnis des Steuerberaters des Klägers berufe, sei dies kein geeigneter Beweisantritt. Es sprächen keine objektiven Umstände dafür, dass der Kläger die Absicht gehabt habe, sein Geld allein um der steuerlichen Vorteile willen unabhängig von den Risiken in den Windpark O. zu investieren. Der Kläger sei auch nicht durch den vor dem Landgericht Osnabrück abgeschlossenen Vergleich gehindert, die Restforderung von 23.352,06 EUR in voller Höhe geltend zu machen. Diesem habe erkennbar keine Gesamtwirkung im Verhältnis zum Beklagten zukommen sollen. Eine endgültige Regelung habe nur im Verhältnis der Parteien eintreten sollen, die an der Bereinigung mitgewirkt hätten.

II.

Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand. Die vorstehenden Erwägungen rechtfertigen noch nicht die Verurteilung des Beklagten zur Leistung von Schadensersatz an den Kläger.

1.

Dem Berufungsgericht ist im Ausgangspunkt darin zuzustimmen, dass der Beklagte zumindest als Anlagevermittler tätig geworden ist. Dies nimmt auch die Revision hin.

2.

a)

Als Anlagevermittler schuldete der Beklagte dem Kläger nach Maßgabe der in der Senatsrechtsprechung entwickelten Grundsätze eine richtige und vollständige Information über diejenigen tatsächlichen Umstände, die für den Anlageentschluss des Interessenten von besonderer Bedeutung waren (z.B.: BGHZ 158, 110, 116 ; Urteil vom 12. Juli 2007 - III ZR 145/06 - NJW-RR 2007, 1692 Rn. 8 jew. m.w.N.). Der Anlagevermittler muss das Anlagekonzept, bezüglich dessen er Auskunft erteilt, wenigstens auf Plausibilität, insbesondere wirtschaftliche Tragfähigkeit hin überprüfen. Ansonsten kann er keine sachgerechten Auskünfte erteilen (z.B.: Senatsurteile vom 12. Mai 2005 - III ZR 413/04 -WM 2005, 1219, 1220 und vom 13. Januar 2000 - III ZR 62/99 - WM 2000, 426, 427 ; Senatsbeschluss vom 21. Mai 2008 - III ZR 230/07 - [...] Rn. 5). Unterlässt er diese Prüfung, muss der Anlagevermittler den Interessenten hierauf hinweisen (z.B.: Senatsurteile vom 12. Mai 2005 und vom 13. Januar 2000 jew. aaO).

In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist weiter anerkannt, dass es als Mittel der Aufklärung genügen kann, wenn dem Interessenten statt einer mündlichen Aufklärung im Rahmen des Vertragsanbahnungsgesprächs ein Prospekt über die Kapitalanlage überreicht wird, sofern dieser nach Form und Inhalt geeignet ist, die nötigen Informationen wahrheitsgemäß und verständlich zu vermitteln, und dem Interessenten so rechtzeitig vor dem Vertragsschluss übergeben wird, dass sein Inhalt noch zur Kenntnis genommen werden kann (z.B.: Senatsurteil vom 12. Juli 2007 aaO, Rn. 9; BGH, Urteil vom 21. März 2005 - II ZR 140/03 - WM 2005, 833, 837 m.w.N.). Vertreibt der Vermittler, wie hier, die Anlage anhand eines Prospekts, muss er aber, um seiner Auskunftspflicht nachzukommen, im Rahmen der geschuldeten Plausibilitätsprüfung den Prospekt jedenfalls darauf überprüfen, ob er ein in sich schlüssiges Gesamtbild über das Beteiligungsobjekt gibt und ob die darin enthaltenen Informationen, soweit er das mit zumutbarem Aufwand zu überprüfen in der Lage ist, sachlich vollständig und richtig sind (Senatsurteile BGHZ aaO und vom 22. März 2007 - III ZR 218/06 - NJW-RR 2007, 925 Rn. 4; Senatsbeschluss vom 21. Mai 2008 aaO). Ist die Plausibilitätsprüfung des Prospekts unterblieben, hat der Anlagevermittler den Interessenten hierauf ebenfalls hinzuweisen (vgl. Senatsurteile vom 12. Juli 2007 aaO, S. 1693 Rn. 14 und vom 12. Mai 2005; Senatsbeschluss vom 21. Mai 2008 jew. aaO).

b)

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts unterließ der Beklagte schuldhaft sowohl die Plausibilitätsprüfung des Emissionsprospekts für den Windpark O. als auch die Aufklärung des Klägers über diesen Umstand. Damit verstieß er zwar gegen seine aus dem Vertrag mit dem Kläger folgenden Pflichten. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts genügt dies jedoch noch nicht, um eine Schadensersatzverpflichtung des Beklagten gegenüber dem Kläger zu begründen. Der Schutzzweck der Prüfungs- beziehungsweise Offenbarungspflicht des Anlagevermittlers ist nicht betroffen, wenn der Prospekt einer Plausibilitätsprüfung in den für die Anlageentscheidung wesentlichen Punkten standgehalten hätte (vgl. Senatsurteil vom 12. Juli 2007 aaO; vgl. auch BGH, Urteil vom 7. Oktober 2008 - XI ZR 89/07 - NJW 2008, 3700, 3701, Rn. 14). Hiernach ist jeweils festzustellen, ob eine (hypothetische) Untersuchung des Prospekts auf Plausibilität durch den Anlagevermittler Anlass zu Beanstandungen gegeben hätte. Hierzu hat das Berufungsgericht jedoch keine Feststellungen getroffen. Dies ist nachzuholen, da der Kläger mehrere Prospektmängel vorgetragen hat.

c)

Sollte sich im weiteren Verfahren ergeben, dass der Emissionsprospekt fehlerhaft war, stellt sich die weitere Frage, ob der Beklagte die Mängel bei einer Plausibilitätsprüfung hätte erkennen müssen. Insoweit obliegt ihm die Darlegungs- und Beweislast, da er die gebotene Prüfung nach den Feststellungen des Berufungsgerichts unterließ und er damit seine Pflichten gegenüber dem Kläger verletzte. Will er einwenden, die (etwaigen) Fehler des Prospekts seien für ihn auch bei der hypothetischen Plausibilitätsprüfung nicht zu entdecken gewesen, ist dies nicht mehr ein Problem des Schutzzwecks der Prüfungs- und Offenbarungspflicht, da dieser gerade bei Vorliegen von Prospektmängeln eingreift. Vielmehr würde der Beklagte den Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens erheben. Für dessen tatsächliche Voraussetzungen ist derjenige darlegungs- und beweisbelastet, der ihn geltend macht (z.B.: BGHZ 29, 176, 187 ; BGH, Urteil vom 25. November 1992 - VIII ZR 170/91 - NJW 1993, 520, 521 m.w.N.)

Hinsichtlich der von der Revision aufgeworfenen Frage, ob sich die Prüfungspflicht des Beklagten auch auf das den Energieertragsberechnungen im Prospekt zugrunde liegende Windgutachten erstreckte, weist der Senat für das weitere Verfahren auf folgendes hin: Die Plausibilitätsprüfung kann auch in gewissem Umfang Ermittlungspflichten einschließen, wenn es um Umstände geht, die nach der vorauszusetzenden Kenntnis des Anlagevermittlers Zweifel an der inneren Schlüssigkeit einer im Prospekt mitgeteilten Tatsache zu begründen vermögen. Andererseits dürfen an die Pflichten eines Anlagevermittlers keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden; der mit der notwendigen Überprüfung verbundene Aufwand muss ihm zumutbar sein (vgl. Senatsurteile BGHZ aaO und vom 22. März 2007 aaO; Senatsbeschluss vom 21. Mai 2008 aaO). Wo die Grenzen einer Prüfungspflicht im Einzelfall zu ziehen sind, hängt weit gehend davon ab, welche Informationen der Anleger konkret abfragt und welches Vertrauen der Vermittler in Anspruch nimmt (Senatsbeschluss vom 21. Mai 2008 aaO).

Für die Beurteilung der Streitsache wird insoweit zu berücksichtigen sein, dass sich der Beklagte speziell als Vermittler von "Beteiligungen an Windparks" bezeichnete. In solchen Fällen erwartet der Anleger regelmäßig nicht nur allgemeine wirtschaftliche Kenntnisse des Vermittlers, sondern weitergehendes, auch technisches Wissen im Zusammenhang mit diesem besonderen Wirtschaftszweig, zumal die Rentabilität der Anlage entscheidend von den technisch-meteorologischen Vorbedingungen abhängt. Einer etwaigen Überforderung kann der Vermittler ohne weiteres dadurch begegnen, dass er wahrheitsgemäß unzureichende Kenntnisse offen legt (vgl. Senatsbeschluss vom 21. Mai 2008 aaO).

Der Anleger wird deshalb regelmäßig erwarten können, dass der spezialisierte Anlagevermittler die Plausibilität der Prospektangaben über die zu erwartende Windausbeute überprüft. Dabei wird der Vermittler, wenn ihm nicht andere gleichwertige Erkenntnismöglichkeiten zur Verfügung stehen, die Prospektangaben mit den Ergebnissen der ihnen zugrunde liegenden Windgutachten abzugleichen haben. Ob er darüber hinaus verpflichtet ist, die Schlüssigkeit des Windgutachtens selbst zu überprüfen, hängt davon ab, welche Anforderungen dies stellt und welche Qualifikation der Anlagevermittler für sich in Anspruch genommen hat. Sofern der Vermittler sich nicht einer entsprechenden Ausbildung berühmt, kann von ihm regelmäßig nicht erwartet werden, dass er eine umfassende Überprüfung des Windgutachtens vornimmt, wenn und soweit dies ein meteorologisches oder sonstiges naturwissenschaftliches Studium voraussetzt. Die - wie der Senat nicht verkennt, schwierige - Abgrenzung zwischen den Wissensanforderungen, die an einen auf die Vermittlung von Beteiligungen an Windparks spezialisierten Anlagevermittler zu stellen sind, und den weitergehenden Kenntnissen, die der Anleger bei einem Vermittler ohne naturwissenschaftliche Ausbildung nicht mehr erwarten kann, obliegt im wesentlichen dem Tatrichter. Gleiches gilt für die Beurteilung, ob die Überprüfung der dem Emissionsprospekt zugrunde liegenden Windgutachten eine wissenschaftliche Ausbildung erfordert.

3.

Weiterhin ist für das neue Verfahren vor dem Berufungsgericht auf folgende Gesichtspunkte hinzuweisen.

a)

Die Rüge der Revision, die Vorinstanz habe die Vernehmung des als Zeugen angebotenen Steuerberaters des Klägers O. zu Unrecht unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG abgelehnt, ist unbegründet. Der Beklagte hat in seiner Berufungserwiderung den Steuerberater als Zeugen für die Behauptungen angeboten, für den Kläger habe Ende 2001 keine steuerlich vernünftige Alternative zur Anlage der 50.000 EUR in dem Windparkprojekt O. bestanden, und der Kläger hätte sich deshalb auch bei einer Aufklärung über die von ihm nunmehr geltend gemachten Risiken zu der Beteiligung entschlossen. Das Berufungsgericht hat die Zeugenvernehmung des Steuerberaters mit der Begründung abgelehnt, es sprächen keine objektiven Umstände dafür, dass der Kläger die Absicht gehabt habe, sein Geld allein um der steuerlichen Vorteile willen unabhängig von den Risiken der Anlage in den Windpark O. zu investieren. Der Beklagte habe nicht behauptet, der Kläger habe gegenüber seinem Steuerberater erklärt, er wolle die ihm vorgeschlagene Beteiligung unabhängig von den wirtschaftlichen Gefahren aus steuerlichen Gründen in jedem Fall eingehen. Über die steuerlichen Auswirkungen der Beteiligung an dem Windpark O. für den Kläger sei der Steuerberater nicht zu vernehmen, da das Interesse des Klägers an einer steuergünstigen Anlage nach der Lebenserfahrung allein noch nicht besage, dass es ihm ansonsten gleichgültig gewesen sei, wie es um die Rentabilität und die Sicherheit der Beteiligung bestellt gewesen sei.

Diese Erwägungen sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Ein substantiierter Beweisantrag zur Vernehmung eines Zeugen setzt zwar, wie der Revision zuzugestehen ist, nicht voraus, dass der Beweisführer sich auch darüber äußert, welche Anhaltspunkte er für die Richtigkeit der in das Wissen des Zeugen gestellten Behauptungen hat (Senatsbeschluss vom 1. August 2007 - III ZR 35/07 - [...] Rn. 7; BGH, Urteil vom 13. Juli 1988 - IVa ZR 67/87 -NJW-RR 1988, 1529). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht allerdings, wenn ein Zeuge über innere Vorgänge einer anderen Person vernommen werden soll, da solche Tatsachen einer direkten Wahrnehmung durch Dritte entzogen sind. In einem solchen Fall kann der Zeuge nur äußere Umstände bekunden, die einen Rückschluss auf den zu beweisenden inneren Vorgang zulassen. Es handelt sich deshalb um einen Indizienbeweis, bei dem der Richter vor der Beweiserhebung prüfen darf und muss, ob der Beweisantritt schlüssig ist (z.B.: Senat aaO; BGH, Urteile vom 30. April 1992 - VII ZR 78/91 - NJW 1992, 2489 und vom 13. Juli 1988 aaO).

Der vom Beklagten behauptete Entschluss des Klägers, die Beteiligung an dem Windpark O. unabhängig von den wirtschaftlichen Risiken der Anlage einzugehen, ist eine innere Tatsache, die lediglich einem Indizienbeweis zugänglich ist. Zutreffend hat das Berufungsgericht herausgestellt, dass der Beklagte eine entsprechende Äußerung des Klägers gegenüber seinem Steuerberater, die ein starkes Indiz für die vorgebrachte Haupttatsache gewesen wäre, nicht behauptet hat. Soweit das Berufungsgericht weiter ausgeführt hat, aus dem Umstand, dass die Beteiligung an dem Windpark O. die einzige realistische noch in Betracht kommende, steuerlich vernünftige Anlage gewesen sei, lasse sich nicht schließen, dass der Kläger diese ungeachtet der wirtschaftlichen Risiken vorgenommen hätte, handelt es sich um die Würdigung der Aussagekraft einer vom Beklagten vorgebrachten - in das Wissen des Steuerberaters gestellten - Hilfstatsache. Bei einem auf Indizien gestützten Beweis ist der Tatrichter grundsätzlich frei, welche Aussagekraft er den Hilfstatsachen im Einzelnen und in einer Gesamtschau für seine Überzeugungsbildung beimisst. Er stellt die den Indizien zukommenden Wahrscheinlichkeitsgrade und somit die sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen fest (BGH, Urteil vom 13. Juli 2004 - VI ZR 136/03 - NJW 2004, 3423, 3424) . Revisionsrechtlich ist seine Beweiswürdigung gemäß § 286 ZPO nur darauf zu überprüfen, ob er alle Umstände vollständig berücksichtigt und nicht gegen Denk- oder Erfahrungssätze verstoßen hat (z.B.: BGH, Urteile vom 26. Oktober 2004 - XI ZR 211/03 -NJW-RR 2005, 558 m.w.N. und vom 13. Juli 2004 aaO; vgl. auch Senatsurteil vom 13. Dezember 2007 - III ZR 163/07 - NJW 2008, 651, 652 Rn. 24). Unter Berücksichtigung dieses eingeschränkten Prüfungsmaßstabs sind die Ausführungen der Vorinstanz nicht zu beanstanden. Ihre Würdigung ist möglich, widerspruchsfrei, nachvollziehbar und lässt keine in dem Rechtsstreit vorgebrachten Tatsachen außer Acht (vgl. im Übrigen auch Senatsurteil vom 9. Februar 2006 - III ZR 20/05 - WM 2006, 668, 671) .

b)

Unbegründet ist weiterhin die Rüge der Revision, der Auffassung des Berufungsgerichts, der Kläger sei auch nicht durch den vor dem Landgericht Osnabrück abgeschlossenen Vergleich gehindert, seine Restforderung von 23.352,06 EUR in voller Höhe geltend zu machen, liege ein falsches Verständnis des Sachverhalts zugrunde. Die Revision bemängelt, anders als das Berufungsgericht meine, habe eine "Privilegierung" des Beklagten in der Weise, dass er wegen des Vergleichs nur in Höhe von 15 % der Schadenssumme hafte, nicht in Rede gestanden. Vielmehr habe der Beklagte einen Erlass in Höhe von lediglich 40 % der ursprünglichen Klagesumme durch den Vergleichsabschluss behauptet. Die Darstellung der Revision und der Sachverhalt, von dem das Berufungsgericht ausgegangen ist, widersprechen einander nicht. Nach dem Vergleichsvorschlag des Landgerichts Osnabrück, der von den Prospektverantwortlichen angenommen worden ist, sollten die Anleger insgesamt 60 % ihrer Investitionen zurückerstattet erhalten. Hiervon sollten, soweit Anlagevermittler eingeschaltet waren, diese 15 Prozentpunkte übernehmen und die Prospektverantwortlichen 45 Prozentpunkte (Protokoll der Sitzung der 7. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück vom 29. Mai 2006, S. 173 der Gerichtsakten). Durch den Vergleich sollten demnach den seinerzeitigen Beklagten 40 % der gegen sie gerichteten Forderungen "erlassen" werden. Von den verbleibenden 60 % sollte der hiesige Beklagte als Anlagevermittler 15 Prozentpunkte tragen.

c)

Soweit die Revision unter Hinweis auf andere oberlandesgerichtliche Entscheidungen (OLG Dresden BauR 2005, 1954, 1955 ; OLG Hamm [11. Zivilsenat] NJW-RR 1998, 486, 487 ; OLG Hamm [2. Zivilsenat] BauR 1997, 1056) die Auslegung des Vergleichs durch das Berufungsgericht beanstandet, nach der die Schadensersatzansprüche des Klägers gegen den Beklagten nicht begrenzt werden, ist folgendes anzumerken: Welche Wirkungen ein Vergleich mit einem Gesamtschuldner auch im Verhältnis zu anderen, nicht an ihm beteiligten Gesamtschuldnern hat, ist eine Frage der Interpretation im Einzelfall (OLG Hamm jeweils aaO), die als Auslegung eines Individualvertrags dem Tatrichter obliegt. Revisionsrechtlich relevante Fehler bei der Auslegung des vor dem Landgericht Osnabrück geschlossenen Vergleichs durch das Berufungsgericht sind nicht ersichtlich.

3.

In dem neuen Verfahren wird sich der 28. Zivilsenat des Berufungsgerichts, an den der Senat die Sache nach § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO verwiesen hat, auch mit den weiteren Beanstandungen der Revision zu befassen haben, auf die einzugehen im derzeitigen Verfahrensstadium kein Anlass besteht.


BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Verfahrensgang: OLG Hamm, 4 U 30/07 vom 22.11.2007
LG Münster, 15 O 477/06 vom 22.01.2007

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