OLG Frankfurt: Rechtsweg für insolvenzrechtlichen Rückgewähranspruchs wegen Beiträgen an Sozialeinrichtung
OLG Frankfurt, Beschluss vom 06.08.2012 - 19 W 33/12
Leitsatz
Für eine Klage, mit der ein insolvenzrechtlicher Rückgewährungsanspruch wegen Beiträgen, die die Beklagte als Sozialeinrichtung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 6 ArbGG von der Gemeinschuldnerin als Arbeitgeberin erlangt hatte, ist der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet.
Sachverhalt
I. Der Kläger macht gegen die beklagte Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes anfechtungsrechtliche Rückgewähransprüche geltend wegen Beitragszahlungen, die die Gemeinschuldnerin als Arbeitgeberin an die Beklagte erbracht hatte. Die Beklagte hat sich gegen die vor dem Landgericht erhobene Klage mit der Rüge der Unzulässigkeit des Rechtsweges verteidigt. Durch Beschluss vom 09.05.2012 hat das Landgericht den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Wiesbaden verwiesen. Gegen diesen ihm am 11.05.2012 formlos übersandten Beschluss hat der Kläger am 24.05.2012 sofortige Beschwerde eingelegt mit der Begründung, dass entsprechend der Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt/Main im Beschwerdeverfahren 23 W 24/11 für den anfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruch der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet sei.
Aus den Gründen
II. Die sofortige Beschwerde ist nicht begründet. Das Landgericht hat zu Recht den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Wiesbaden verwiesen.
Zwar ist der geltend gemachte Rückgewähranspruch aus insolvenzrechtlicher Anfechtung bürgerlich-rechtlicher Natur (BGH, Beschl. v. 24.03.2011, IX ZB 36/09, Rn. 5; Beschl. d. Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 27.09.2010, GmS-OGB 1/09, Rn. 6, jeweils juris). Dieser Umstand ist jedoch für das Verhältnis zwischen den ordentlichen Gerichten und der Arbeitsgerichtsbarkeit nicht rechtswegbegründend. Ob für eine bürgerlich-rechtliche Rechtstreitigkeit der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten oder der zu den Gerichten für Arbeitssachen gegeben ist, bestimmt sich nach dem prozessualen Streitgegenstand. Erfüllt dieser einen der Tatbestände der § 2 ff. ArbGG, ist der - eine ausschließliche Zuständigkeit begründende - Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet (Gemeinsamer Senat a.a.O., Rn. 7).
Der Streit über die Rückgewähr der von der Gemeinschuldnerin an die Beklagte geleisteten Beträge nach § 143 Abs. 1 InsO ist ein Rechtsstreit im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 6 ArbGG. Er betrifft die Rückabwicklung einer arbeitsrechtlichen Leistungsbeziehung, da er sich gegen die Beklagte als Sozialeinrichtung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4b ArbGG richtet, die von der Gemeinschuldnerin als Arbeitgeberin berufsgenossenschaftliche Beiträge aufgrund von Ansprüchen, die mit Arbeitsverhältnissen in rechtlichem oder unmittelbar wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, erhalten hatte. Der klagende Insolvenzverwalter hat für die Dauer des Insolvenzverfahrens prozessual die Stellung als Arbeitgeber im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 6 ArbGG (Gemeinsamer Senat a.a.O., Rn. 16 ff.).
Der Umstand, dass in dem Rechtsverhältnis, das diesem Rechtsstreit zugrunde liegt, nicht auch die Schutzbestimmungen des Arbeitsgerichtsgesetzes gerade zu Gunsten der Arbeitnehmer zum Tragen kommen, steht der Qualifizierung des prozessualen Streitgegenstandes als eines Tatbestandes des § 2 Abs. 1 Nr. 6 ArbGG nicht entgegen (ebenso OLG Frankfurt, Beschl. v. 30.12.2011, 4 W 35/11, nicht veröffentlicht). Die abweichende Auffassung des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt/Main (23 W 24/11), der in einem vergleichbaren Fall den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten als gegeben ansieht, weil die vom Gemeinsamen Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes genannten Kriterien für die Eröffnung des Rechtsweges zu den Arbeitsgerichten nur den Sonderfall einer Klage aus dem Arbeitsverhältnis gegen einen Arbeitnehmer beträfen und maßgeblich auf Erwägungen zum Schutz des Arbeitsnehmers beruhten, folgt der Senat danach nicht.
Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, da sein Rechtsmittel keinen Erfolg hat (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Der Festsetzung des Beschwerdewertes liegt das Interesse des Klägers zugrunde, wegen seiner außergerichtlichen Kosten einen prozessualen Kostenerstattungsanspruch gegen die Beklagte zu erlangen, welcher nur nach den vom ordentlichen Gericht anzuwendenden Bestimmungen der ZPO in Betracht kommt.
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde folgt daraus, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und mit Rücksicht auf die abweichende Rechtsauffassung des 23. Zivilsenats im Hause die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO).