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Wirtschaftsrecht
10.02.2011
Wirtschaftsrecht
KG Berlin: Rechtsfolgen der Insolvenzverfahrenseröffnung über das Vermögen eines Gesellschafters einer GbR

KG Berlin, Beschluss vom 28.12.2010 - 1 W 409/10

Leitsatz

Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts sowie durch die Aufhebung dieses Verfahrens wird die Vertretung der Gesellschaft betroffen, jedoch nicht deren Befugnis, über ein Grundstück zu verfügen, als dessen Eigentümerin die Gesellschaft im Grundbuch eingetragen ist.

§ 728 Abs 2 S 1 BGB, § 730 Abs 2 S 1 BGB, § 730 Abs 2 S 2 BGB, § 47 Abs 2 S 1 GBO

Sachverhalt

I. Die Beteiligte zu 1. verkaufte mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 26. August 2009 (UR-Nr. 5.../2009 des Notars Dr. T. F.) das im Rubrum bezeichnete Teileigentum an die Beteiligten zu 2. und 3. Die Beteiligte zu 1. wurde dabei von dem Geschäftsführer der Gesellschafterin zu 1.d) T. K. als vollmachtlosem Vertreter vertreten.

In Abschnitt XIII. des Vertrages bevollmächtigten Verkäufer und Käufer die Notariatsangestellte I. S., gegenüber dem Grundbuchamt alle Erklärungen abzugeben, die zur Durchführung dieses Vertrages erforderlich werden.

In der Folge genehmigten die Gesellschafter zu 1.b) und c) die beurkundeten Erklärungen. Anstelle des Gesellschafters zu 1.a), über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren bereits vor der notariellen Verhandlung eröffnet worden war, genehmigte der Insolvenzverwalter Dr. D. W. am 12. November 2009 unter Vorlage einer Insolvenzverwalterbescheinigung vom 10. November 2008. Die Beteiligten haben eine beglaubigte Fotokopie dieser Verwalterbescheinigung zu den Grundakten eingereicht, in deren Beglaubigungsvermerk vom 12. November 2009 der Notar bescheinigt, dass ihm das Original zu diesem Zeitpunkt vorgelegen habe.

In notarieller Verhandlung vom 24. Juni 2010 (UR-Nr. 3.../2010 des Notars Dr.T. F.) erklärte die Notariatsangestellte I. S. unter Bezugnahme auf die Vollmacht in der Urkunde vom 26. August 2010 (UR-Nr.5.../2010) für Verkäufer und Käufer die Auflassung sowie Antrag und Bewilligung für die Eintragung des Eigentumswechsels im Grundbuch.

Auf den Antrag des Notars vom 24. Juni 2010, der u.a. auf die Eigentumsumschreibung gerichtet war, gab das Grundbuchamt mit Zwischenverfügung vom 8. Juli 2010 zu Nr. 1 auf, eine Insolvenzverwalterbescheinigung im Original oder in Ausfertigung einzureichen, da das Bestehen der Verfügungsbefugnis grundsätzlich bis zum Zeitpunkt der Eintragung im Grundbuch zu belegen sei. Im Ausnahmefall könne auch eine beglaubigte Abschrift der Bescheinigung ausreichend sein, wenn der Notar zugleich bescheinige, dass ihm die Hauptschrift zeitnah zu der beantragten Eintragung vorgelegen habe.

Mit ihrer Beschwerde vom 18. August 2010 machen die Beteiligten geltend, die Vollmacht müsse nur bis zur Abgabe der Eintragungsbewilligung nachgewiesen werden, nicht bis zum Zeitpunkt ihrer verfahrensrechtlichen Verwendung.

Aus den Gründen

II. Das Rechtsmittel ist gemäß §§ 71 ff GBO zulässig. Es ist dahin auszulegen, dass die Beschwerde durch die Beteiligten zu 1., 2. und 3.. erhoben werden soll. Wenn der beurkundende Notar im Rahmen der vermuteten Vollmacht nach § 15 GBO Beschwerde einlegt, sind grundsätzlich alle Antragsberechtigten als Beschwerdeführer anzusehen, wenn sich nicht aus einer ausdrücklichen Angabe oder aus den Umständen etwas anderes ergibt (vgl. nur Demharter, GBO, 27. Aufl., § 15 Rdn. 20). Antrags- und beschwerdeberechtigt ist auf Verkäuferseite nur die Beteiligte zu 1. und nicht auch deren Gesellschafter oder der Insolvenzverwalter, weil sie als rechtsfähige Außengesellschaft selbst als Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist, so dass nur ihre dingliche Rechtsstellung durch die beantragte Eigentumsumschreibung einen Verlust erleidet.

III. Die Beschwerde ist auch begründet. Die (erneute) Vorlage einer Insolvenzverwalterbescheinigung ist weder zum Nachweis der Verfügungsberechtigung noch der Vertretungsmacht erforderlich.

Auflassung, Eintragungsantrag und Eintragungsbewilligung sind auf Veräußererseite im Namen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, bestehend aus den Gesellschaftern zu 1.a) bis 1.d), erklärt. Diese Bezeichnung ist nicht zu beanstanden. Gemäß § 891 i.V.m. § 899a BGB wird gegenüber jedermann und damit auch gegenüber dem Grundbuchamt widerlegbar vermutet, dass die gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 GBO im Grundbuch eingetragenen Personen Gesellschafter der Gesellschaft bürgerlichen Rechts sind. Der Insolvenzverwalter ist nicht Mitgesellschafter geworden. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters führt gemäß § 728 Abs. 2 S. 1 BGB zur Auflösung der Gesellschaft. Für die Beendigung der schwebenden Geschäfte, für die dazu erforderliche Eingehung neuer Geschäfte sowie für die Erhaltung und Verwaltung des Gesellschaftsvermögens gilt sie als fortbestehend, soweit der Zweck der Auseinandersetzung es erfordert (§ 730 Abs. 2 S. 1 BGB). Die Geschäftsführung steht von der Auflösung an allen Gesellschaftern gemeinschaftlich zu (§ 730 Abs. 2 S. 2 BGB). Im Rahmen der Gesamtgeschäftsführungsbefugnis nimmt der Insolvenzverwalter die Funktionen des Schuldners als Geschäftsführer wahr, da ihm gemäß § 80 InsO die Verwaltungs- und Verfügungsrechte hinsichtlich des zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögen des Schuldners und damit auch hinsichtlich des Gesellschaftsanteils des Schuldners zufallen (Ulmer/Schäfer in Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl., § 728 Rdn. 37f; Sprau in Palandt, BGB, 70. Aufl., § 728 Rdn. 2; Habermeier in Staudinger, BGB, 2002, § 728 Rdn. 22). Er handelt dabei nicht als Vertreter, sondern kraft des ihm übertragenen Amtes im eigenen Namen (Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., 3 80 Rdn. 79).

1. Die Beteiligte zu 1. ist verfügungsbefugt und zur Bewilligung der Eintragung des Eigentumswechsels berechtigt.

Das Grundbuchamt führt mit Recht aus, dass die Verfügungsbefugnis noch im Zeitpunkt der Eintragung vorliegen muss. Ein Anlass für Zweifel an der Verfügungsbefugnis der Beteiligten zu 1. ist hier jedoch nicht ersichtlich. Die Verfügungsmacht beruht auf der dinglichen Rechtsstellung des Rechtsinhabers, kraft derer ihm die Herrschaftsmacht über das Rechtsobjekt zusteht; die Verfügungsbefugnis ist die rechtliche Fähigkeit, von den aus der Verfügungsmacht fließenden materiell-rechtlichen Befugnissen Gebrauch machen zu können (Hügel, GBO, 2. Aufl., Verfügungsbeeinträchtigungen Rdn. 1). Die Beteiligte zu 1. ist als Rechtsinhaberin im Grundbuch eingetragen; Verfügungsbeeinträchtigungen ergeben sich weder aus dem Grundbuch, noch hat das Grundbuchamt sonst von solchen Kenntnis erlangt. Zwar wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens dem Insolvenzschuldner als Rechtsinhaber die Verfügungsbefugnis entzogen, während sie bei Beendigung des Insolvenzverfahrens an diesen zurückfällt, also einem etwa verfügenden Insolvenzverwalter wieder genommen wird (zu der streitigen Frage, ob für letzteren Fall § 878 BGB entsprechend gilt, vgl. KG, OLGE 26, 4; OLG Celle, DNotZ 53, 158; OLG Köln, MittRhNotK 81, 139; Demharter a.a.O. § 19 Rdn. 62; a.A. OLG Brandenburg, VIZ 1995, 365; Kössinger in Bauer/von Oefele, GBO, 2 Aufl., 3 19 Rdn. 173; Munzig in Kuntze/Ertl/Hermann/Eickmann, Grundbuchrecht, 6. Aufl., 3 19 Rdn. 129; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 14. Aufl., Rdn. 124). Das Insolvenzverfahren ist hier jedoch nicht über das Vermögen der Beteiligten zu 1., sondern über das Vermögen eines ihrer Gesellschafter eröffnet worden. Dies sowie die mögliche Aufhebung des Verfahrens betreffen zwar die Geschäftsführung (s.o.) und damit gemäß § 714 BGB auch die Vertretung der Gesellschaft, jedoch nicht ihre rechtliche Fähigkeit, von den aus ihrer fortbestehenden Verfügungsmacht als Rechtsinhaber fließenden materiell-rechtlichen Befugnissen Gebrauch machen zu können (Keller, NotBZ 2001, 397, 401; vgl. auch Bestelmeyer, RPfleger 2010, 169, 188). Der Umstand, dass der Gesellschafter während des Insolvenzverfahrens über seinen Gesellschaftsanteil nicht mehr verfügen und deshalb Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft nicht mehr selbst ausüben kann, stellt in dessen Person eine Verfügungsbeeinträchtigung dar (zur Frage, ob diese durch Insolvenzvermerk eintragungsfähig ist, vgl. OLG München, Beschluss vom 2. Juli 2010 - 34 Wx 62/10 - bei juris; OLG Rostock, NJW-RR 04, 260; Wilsch in Hügel a.a.O., Insolvenzrecht und Grundbuchverfahren Rdn. 75 m.w.N.). Eine Verfügung über das Grundeigentum, für die Verfügungsbefugnis bestehen muss, trifft nach Anerkennung der Rechts- und Grundbuchfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts jedoch die Gesellschaft selbst, wenn diese als Rechtsinhaber im Grundbuch eingetragen ist.

2. Die Beteiligte zu 1. ist bei Auflassung, Eintragungsantrag und Eintragungsbewilligung von der Notariatsangestellten I. S. wirksam vertreten worden. Die Vertretungsmacht ist durch die in der Form des § 29 GBO in Ausfertigung vorliegende Vollmacht in Abschnitt XIII. des Kaufvertrages nachgewiesen. Diese Vollmacht ist weiterhin wirksam; mit Recht hat das Grundbuchamt den Fortbestand der Vollmacht nicht angezweifelt. Ist der Bevollmächtigte im Besitz einer Vollmachtsurkunde, so hat das Grundbuchamt regelmäßig von dem Fortbestand der Vollmacht auszugehen (Demharter a.a.O. § 19 Rdn. 80). Sind ihm besondere Umstände bekannt, die auf die Möglichkeit eines Erlöschens hinweisen, hat es in freier Beweiswürdigung zu prüfen, ob die Vollmacht erloschen ist (Senat, RPfleger 2009, 147) und bei begründeten Zweifeln den Nachweis ihres Fortbestandes zu verlangen (BayObLG, RPfleger 1986, 90; OLG Hamm, FGPrax 2004, 266; 2005, 240; Demharter a.a.O.). Eine etwaige Veränderung in der Vertretungsbefugnis für die Beteiligte zu 1. durch eine mögliche Beendigung des Insolvenzverfahrens berührte die Wirksamkeit der von den seinerzeit vertretungsberechtigten Geschäftsführern und dem Insolvenzverwalter erteilten Vollmacht nachträglich nicht. Die von einem gesetzlichen oder organschaftlichen Vertreter erteilte Vollmacht erlischt nicht mit dem Ende der gesetzlichen oder organschaftlichen Vertretungsmacht (BayObLG, NJW 1959, 2119; Ackermann in Anwaltkommentar BGB, § 168 Rdn. 24; Schramm in Münchener Kommentar a.a.O. Rdn. § 168 Rdn. 13; Schilken in Staudinger a.a.O. § 168 Rdn. 24). Zwar endet nach h.M. die von einem Vertreter fremden Vermögens (Nachlass-, Insolvenz- oder Zwangsverwalter) erteilte Vollmacht grundsätzlich schon ihrem Inhalt nach mit der Beendigung der Verwaltung und Aufhebung der Vermögenssonderung (KGJ 41, 79; OLG Düsseldorf, ZEV 2001, 281; Ackermann a.a.O.; Schramm a.a.O. Rdn. 40; Ellenberger in Palandt a.a.O. § 168 Rdn. 4; a.A: Schilken in Staudinger a.a.O. § 168 Rdn. 24). Der Insolvenzverwalter über das Vermögen des Gesellschafters zu 1.a) hat die Vollmacht an die Notariatsangestellte jedoch nicht zu seiner Vertretung oder zur Vertretung des von ihm verwalteten Vermögens (Gesellschaftsanteil/Mitgliedschaft) erteilt, sondern - in Ausübung der Gesamt-Geschäftsführungsbefugnis für die Beteiligte zu 1. - zur Vertretung der Gesellschaft. Dem Inhalt einer solchen Vollmacht ist gerade nicht zu entnehmen, dass die Vertretungsmacht des Bevollmächtigten dadurch beschränkt sein sollte, dass sich in der Geschäftsführung und Vertretung der rechtsfähigen Gesellschaft eine Veränderung vollziehen könnte. Insoweit gilt nichts anderes als bei einem Wechsel in der organschaftlichen Vertretung einer juristischen Person.

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