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Wirtschaftsrecht
20.08.2020
Wirtschaftsrecht
OLG Frankfurt a. M.: Rechtliches Interesse des Rechtsschutzversicherers an Akteneinsicht

OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 16.7.2020 – 20 VA 19/19

ECLI:DE:OLGHE:2020:0716.20VA19.19.00

Volltext: BB-Online BBL2020-1858-6

Amtliche Leitsätze

1. Ein Rechtsschutzversicherer, der Deckung gewährt hat, hat regelmäßig ein rechtliches Interesse im Sinne des § 299 Abs. 2 ZPO an der Einsichtnahme in die Akten des Rechtsstreits, an dem sein Versicherungsnehmer beteiligt ist, wenn er prüfen will, ob ihm ein Kraft Gesetztes (§§ 86 Abs. 1 VVG) übergegangener Anspruch des Versicherungsnehmers gegen dessen Prozessbevollmächtigten zustehet (Anschluss an: OLG Hamm, Beschluss vom 21.01.2020; A: I-15 VA 35/19 und OLG Köln, Beschluss vom 06.08.2019, Az. 7 VA 12/19 und vom 12.08.2019 Az. 7 VA 17/19).

2. Gegen die Bewilligung von Akteneinsicht für einen nicht prozessbeteiligten Dritten steht dem Rechtsanwalt einer Partei des Prozesses im Grundsatz eine Antragsbefugnis aus § 24 Abs. 1 EGGVG nicht zu.

3. Ausnahmsweise kann der Rechtsanwalt durch die Bewilligung von Akteneinsicht aber drittbetroffene und im Verfahren nach den §§ 23 ff. EGGVG antragsbefugt sein; dies gilt dann, wenn dem Rechtschutzversicherer der von ihm vertretenen Partei als Drittem Akteneinsicht nach § 299 Abs. 2 ZPO bewilligt worden ist, weil dieser das Bestehen von nach § 86 Abs. 1 VVG auf ihn übergangener Schadensersatzansprüche gegen eben jenen Rechtsanwalt prüfen will.

Sachverhalt

I.

Bei der weiteren Beteiligten handelt es sich um einen Rechtsschutzversicherer, bei welchem der Antragsteller zu 1 rechtschutzversichert war bzw. ist.

Mit Schriftsatz vom 11.04.2019 wandte sich die Verfahrensbevollmächtigte der weiteren Beteiligten an das Landgericht Stadt1.

Sie erklärte, die weitere Beteiligte zu vertreten, und ersuchte in deren Namen um Einsichtnahme in die Akten des Rechtsstreits mit dem Aktenzeichen … (im Folgenden auch kurz: Ausgangsverfahren).

Sie führte dazu im Wesentlichen aus, die weitere Beteiligte habe als Rechtsschutzversicherer für den Kläger (den hiesigen Antragsteller zu 1) von diesem zu tragende Kosten im Innenverhältnis des Ausgangsverfahrens übernommen. Die weitere Beteiligte habe ihre Verfahrensbevollmächtigte beauftragt, Regressansprüche gemäß § 280 BGB, § 86 VVG gegen die Rechtsanwaltskanzlei zu prüfen, die den Antragsteller in dem Ausgangsverfahren vertreten hat (es handelt sich um die Antragstellerin zu 2, die vorliegend zugleich als Verfahrensbevollmächtigte des Beteiligten zu 1 auftritt).

Dem Gesuch war eine vom 08.04.2019 datierende Vollmachturkunde (in Kopie im Verwaltungsvorgang des Präsidenten des Landgerichts Stadt1 zum Aktenzeichen …) beigefügt, die mit einem Stempel der weiteren Beteiligten versehen und unleserlich unterzeichnet ist. Wegen der Einzelheiten der vorgenannten Dokumente wird auf diese verwiesen.

Mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten (der hiesigen Antragstellerin zu 2) vom 06.05.2019 (im vorbezeichneten Verwaltungsvorgang), auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird, widersprach der von dem Präsidenten des Landgerichts angehörte Antragsteller zu 1 als Kläger des Ausgangsverfahrens dem Akteneinsichtsgesuch. Er ließ dazu u. a. ausführen, die weitere Beteiligte habe ihr Verlangen nicht glaubhaft gemacht.

Auch bestehe ein rechtliches Interesse nicht. Das Oberlandesgericht Koblenz (Beschluss vom 04.11.2015, Az. 12 VA 4/15, zitiert nach juris) habe ein solches des Rechtsschutzversicherers angenommen, wenn der Versicherer ein Begehren (unmittelbar) gegen seinen Versicherten als Partei des Zivilprozesses richte und deshalb Akteneinsicht begehre. Der Versicherer müsse also im Versicherungsverhältnis agieren.

Diese Voraussetzungen seien vorliegend nicht erfüllt. Weder sei eine Partei des Ausgangsverfahrens Anspruchsziel der weiteren Beteiligten noch bewege sich diese als Versicherer innerhalb des Versicherungsverhältnisses.

Weshalb in dem Verhältnis zwischen der Einsichtnahme begehrenden Dritten und dem weiteren Dritten, zu welchem diese in keinem rechtlichen Verhältnis stehe, ein rechtliches Interesse bestehen solle, begründe die weitere Beteiligte nicht. Dies könne sie auch nicht, weil sie ein insoweit unzureichendes bloß wirtschaftliches Ausforschungsinteresse verfolge.

Mit dem vorliegend angefochtenen Bescheid vom 17.05.2019 bewilligte der Präsident des Landgerichts Stadt1 durch den von ihm mit der Entscheidung über Akteneinsichtsgesuche Dritter betrauten Richter am Landgericht der weiteren Beteiligten die Einsichtnahme in die Akten des Ausgangsverfahrens.

Zu den Gründen, wegen derer im Einzelnen auf den angefochtenen Bescheid (im Verwaltungsvorgang) verwiesen wird, führte er im Wesentlichen aus, dass die weitere Beteiligte ein rechtliches Interesse an der Akteneinsicht dargelegt habe.

Der rechtlich geschützte Interessenkreis der weiteren Beteiligten werde durch das Ausgangsverfahren unmittelbar berührt. Etwaige Schadensersatzansprüche des dortigen Klägers (des hiesigen Antragstellers zu 1) seien nach § 86 Abs. 1 S. 1 VVG auf die weitere Beteiligte übergegangen, soweit diese Kosten des Rechtsstreits übernommen habe.

Dass sich der Akte des Ausgangsverfahrens Anhaltspunkte für eine Pflichtverletzung entnehmen ließen, müsse weder dargetan noch glaubhaft gemacht werden. Dem Akteneinsicht begehrenden Dritten fehle solche Kenntnis nämlich in aller Regel.

Auch stehe dem Gesuch nicht entgegen, wenn die weitere Beteiligte von dem Klägervertreter bereits Unterlagen aus dem Ausgangsverfahren erhalten habe. Aus den Akten könnten sich Hinweise auf Pflichtverletzungen ergeben, so dass sie auf eine Einsichtnahme in die Gerichtsakten angewiesen sei, um sich einen verlässlichen Eindruck von einer möglichen Ersatzpflicht der Prozessbevollmächtigten zu verschaffen.

Im Rahmen der bei Bestehen des rechtlichen Interesses vorzunehmenden Ermessensentscheidung seien die schutzwürdigen Interessen der Parteien des Zivilprozesses, insbesondere an der Vertraulichkeit des Akteninhaltes, und das Informationsinteresse des Dritten abzuwägen. Das Informationsinteresse der weiteren Beteiligten an der Gewinnung von Informationen zur Prüfung von Schadensersatzansprüchen sei höher zu bewerten als das Interesse der Parteien an konkreten Inhalten des Rechtstreits. Solche seien nämlich weder vorgetragen noch ersichtlich.

Der Bescheid ist der Antragstellerin zu 2 für den Antragsteller zu 1 am 21.05.2019 zugestellt worden.

Diese hat mit bei dem Oberlandesgericht am 19.06.2019 eingegangenem Schriftsatz vom selben Tage (Bl. 3 ff. d. A.), auf den wegen seiner Einzelheiten verwiesen wird, erklärt, Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu stellen und diesen sogleich begründet.

Sie hat das Vorbringen im Verfahren vor der Justizverwaltung wiederholt und vertieft.

Sie hat u. a. ausgeführt, für die Glaubhaftmachung eines rechtlichen Interesses im Sinne des § 299 Abs. 2 ZPO, für welche die Regeln des § 294 ZPO gelten würden, genüge die Darlegung des Versicherungsverhältnisses zwischen der weiteren Beteiligten und dem Antragsteller gerade nicht.

Die weitere Beteiligte habe auch einen Nachweis über die behauptete Zahlung der Kosten des Ausgangsverfahrens nicht vorgelegt und diese nicht einmal beziffert. An der Glaubhaftmachung eines rechtlichen Interesses fehle es daher bereits.

Ein solches liege auch nicht vor. Die weitere Beteiligte hoffe lediglich, tatsächliche Angaben zu finden, welche zu dem Streitstoff des Ausgangsverfahrens keinen unmittelbaren Bezug hätten, ihr jedoch zu weiteren Nachforschungen Anlass geben könnten, um ihrerseits Ansprüche gegen die Prozessbevollmächtigten des Ausgangsverfahrens begründen zu können. Das rechtliche Interesse setze aber einen rechtlichen Bezug zum Streitstoff der einzusehenden Akte voraus.

Das Interesse der weiteren Beteiligten sei hingegen lediglich auf Ermittlung einzelner, in der Akte möglicherweise enthaltenen Fakten gerichtet, nicht jedoch auf umfassende Kenntnis des Rechtsstreits als solchem und des diesem zugrunde liegenden Sachverhalts. Dies begründe ein rechtliches Interesse nicht. Es gehe ihr allein um die Wahrnehmung wirtschaftlicher, nicht aber rechtlicher Interessen.

Ein rechtliches Interesse eines Rechtsschutzversicherers als Drittem könne - unter Verweis auf die schon bezeichnete Entscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz - ohnehin nur darin begründet liegen, dass dieser überprüfen wolle, wie die von ihm verauslagten Kosten verwendet worden seien.

Schließlich stünden einer Akteneinsicht durch die weitere Beteiligte als Rechtsschutzversicherer schutzwürdige Interessen ihres Versicherungsnehmers entgegen, die der Präsident des Landgerichts unberücksichtigt gelassen habe. U. a. sei zu berücksichtigen, dass sich in den Akten des Ausgangsverfahrens hochsensible Daten des Antragstellers zu 1 befänden, die sogar noch unter das Bankgeheimnis fielen und besonders schützenswert seien.

Die angefochtene Entscheidung verletze „die Antragstellerin“ in ihren Rechten auf informationelle Selbstbestimmung und effektiven Rechtsschutz.

Mit Schreiben seines Berichterstatters vom 28.06.2019 (Bl. 13 f. d. A.), auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat der Senat die Antragstellerin zu 2 u. a. darauf hingewiesen, dass nicht eindeutig erkennbar werde, ob der Antrag bei dem Senat in Vertretung einer Partei des Ausgangsverfahrens gestellt werde. Der Senat neige daher dazu, von einer Antragstellung durch die Rechtsanwaltsgesellschaft in eigenem Namen auszugehen.

Mit Schriftsatz vom 31.07.2019 (Bl. 37 ff. d A.) hat die Antragstellerin zu 2 erklärt, den Antrag auf gerichtliche Entscheidung sowohl in eigenem Namen als auch im Namen des Antragstellers zu 1 (des Klägers des Ausgangsverfahrens) zu stellen.

Die Antragstellerin zu 2 macht geltend, in Rechten, die Ausfluss ihrer Berufsausübungsfreiheit seien, und in ihrer Wettbewerbsfreiheit verletzt zu sein. Bei den in der Akte befindlichen Schriftsätzen handele es sich um geistiges Eigentum der jeweiligen Unterzeichner. Die Schriftsätze seien nicht dazu bestimmt, durch Rechtsschutzversicherer oder durch andere Rechtsanwälte, die solche vertreten, eingesehen zu werden.

Die Antragsteller beantragen,

den Bescheid des Präsidenten des Landgerichts Stadt1 vom 17.05.2019 (zunächst fehlerhaft: vom 21.05.2019), mit dem der weiteren Beteiligten auf den Antrag vom 11.04.2019, gemäß § 299 Abs. 2 ZPO Akteneinsicht in die Akte des Verfahrens … (Landgericht Stadt1) gewährt wurde, aufzuheben.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag als unzulässig, hilfsweise unbegründet zurückzuweisen.

Er hat u. a. darauf verweisen, dass eine gerichtliche Entscheidung gegen einen Bescheid vom 21.05.2019 beantragt worden sei; der maßgebliche Bescheid aber tatsächlich vom 17.05.2019 datiere.

Zudem habe die Antragstellerin zu 2, welche den Antrag in eigenem Namen gestellt habe, eine Verletzung in eigenen Rechten nicht glaubhaft gemacht.

Jedenfalls sei der Antrag unbegründet. Der angefochtene Bescheid sei nicht zu beanstanden; er gebe die bestehende Rechtslage zutreffend wieder. Ermessensfehler seien nicht zu erkennen.

Die Angriffe der Antragsteller griffen nicht durch.

Die rechtlichen Voraussetzungen eines rechtlichen Interesses der weiteren Beteiligten seien vorliegend gegeben. Der Antragsgegner hat insoweit im Wesentlichen die Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid wiederholt.

Die Angriffe gegen die Ermessensausübung seien ebenfalls nicht durchgreifend. Vorrangige Geheimhaltungsinteressen der Antragsteller bestünden nicht. Denn im Verhältnis der Partei zu dem finanzierenden Rechtsschutzversicherer müsse letzterer die Möglichkeit haben, berechtigte Schadensersatzansprüche zu verfolgen.

Mit Anwaltsschriftsatz vom 08.08.2019 (Bl. 57 ff. d. A.) hat die Verfahrensbevollmächtigte der weiteren Beteiligten erklärt, diese wolle sich an dem Verfahren beteiligen und ebenfalls beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Auch sie verteidigt den angefochtenen Bescheid.

Sie hat ebenfalls u. a. im Einzelnen Ausführungen dazu gemacht, dass ein rechtliches Interesse der weiteren Beteiligten vorliege. Ein solches sei insbesondere zu bejahen, wenn die Akteneinsicht zur Verfolgung oder Abwehr von Ansprüchen benötigt werde und ein rechtlichen Bezug zu dem Verfahren bestehe, in dem die Akteneinsicht begehrt werde.

So verhalte es sich vorliegend. Der weiteren Beteiligten könne aus übergegangenem Recht nach § 86 VVG i. V. m. dem Versicherungsvertrag nämlich ein Schadensersatzanspruch gegen den klägerischen Verfahrensbevollmächtigten zustehen, wozu sie weitere Ausführungen gemacht hat. Möglicherweise sei die Klageerhebung, mindestens aber die Einlegung der Berufung von Anfang an offensichtlich aussichtslos gewesen.

Der weiteren Beteiligten lägen Schriftsätze der Beklagten des Ausgangsverfahrens aus beiden Instanzen nicht vor. Aus der Berufungsinstanz läge ihr lediglich die Berufungsschrift im Entwurf vor.

Sie hat eine Schadensauskunft (Bl. 65 d. A.) vorgelegt, nach der die weitere Beteiligte für das Ausgangsverfahren Kosten in Höhe von 15.150,00 EUR getragen habe.

Die Antragsteller haben mit Anwaltsschriftsatz vom 16.08.2019 (Bl. 75 ff. d. A.) erwidert.

Sie haben gerügt, dass die Verfahrensbevollmächtigte der weiteren Beteiligten nicht ordnungsgemäß bevollmächtigt sei. Wer die Unterschriften unter der dem Einsichtnahmegesuch vom 24.04.2019 beigefügten Vollmachtsurkunde geleistet habe, sei völlig unklar. Die Namen seien in Gänze nicht lesbar. Es werde bestritten, dass die unterzeichnenden Personen zur Vollmachtserteilung befugt gewesen seien. Die Antragsteller haben ausgeführt, dass ausweislich eines Handelsregisterauszuges eine Vertretungsbefugnis der weiteren Beteiligten für ein Vorstandsmitglied gemeinsam mit einem anderen Vorstandsmitglied oder einem Prokuristen besteht.

Der Schriftsatz vom 31.07.2020 belege zudem eindrucksvoll, dass es sich bei dem Vorgehen der weiteren Beteiligten um ein rein auf Vermutungen gestütztes Handeln handele. Ausweislich ihres Vorbringens gehe die weitere Beteiligte nur von Ansprüchen aus, die möglicherweise bestehen könnten. Sie stelle nach eigenem Vortrag bloße Vermutungen an, so dass es sich bei dem Akteneinsichtsgesuch um eine bloße Ausforschungsmaßnahme handele.

Mit Schriftsatz vom 06.09.2019 (Bl. 87 ff. d. A.) haben die Verfahrensbevollmächtigten der weiteren Beteiligten erwidert und auf Anforderung des Senats entsprechend § 11 S. 3, 2 FamFG (vgl. Bl. 80 d. A.) eine Vollmachtsurkunde vom 30.08.2019 im Original (Bl. 91 d. A.) vorgelegt.

Die Antragsteller haben mit Anwaltsschriftsatz vom 23.09.2019 (Bl. 94 f. d. A.) erklärt, mit Nichtwissen zu bestreiten, wessen Unterschriften sich auf jener Vollmachturkunde befänden und dass jene Personen befugt gewesen seien, Vollmacht zu erteilen.

Die Verfahrensbevollmächtigte der weiteren Beteiligten hat mit Schriftsatz vom 10.10.2019 (Bl. 87 d. A.) mitgeteilt, dass die vorgelegte Vollmachtsurkunde von einem Vorstandsmitglied und einer Prokuristin der weiteren Beteiligten unterzeichnet worden seien, die sie jeweils namentlich bezeichnet haben.

Eine weitere Stellungnahme ist dazu nicht mehr erfolgt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auch auf deren zu den Akten gereichte Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Der Verwaltungsvorgang des Präsidenten des Landgerichts Stadt1 zum Aktenzeichen ... lag dem Senat vor.

Aus den Gründen

II.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung, der wie mit Schriftsatz vom 31.07.2019 klargestellt von Anfang an im Namen beider Antragsteller gestellt worden ist, ist nach § 23 Abs. 1 S. 1 EGGVG statthaft. Denn die Entscheidung eines Gerichtsvorstandes über ein nach § 299 Abs. 2 ZPO gestelltes Akteneinsichtsgesuch eines nicht prozessbeteiligten Dritten stellt einen Justizverwaltungsakt im Sinne des § 23 Abs. 1 S. 1 EGGVG dar (vgl. Senat, Beschluss vom 24.07.2007, Az. 20 VA 5/07, zitiert nach juris Tz. 17 m. w. N.).

Der Antragsteller zu 1 ist antragsbefugt gemäß § 24 Abs. 1 EGGVG. Denn er macht geltend, durch die mit dem angefochtenen Bescheid bewilligte Einsichtnahme in die Akten des Ausgangsverfahrens, an welchem er als Kläger beteiligt war, jedenfalls in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt zu sein.

Als antragsbefugt ist auch die Antragstellerin zu 2 anzusehen.

Zwar dient § 299 Abs. 2 ZPO vorrangig dem Schutz der Rechte der Parteien des Ausgangsverfahrens (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 06.08.2019, Az. 20 VA 12/19, zitiert nach juris Tz.18). Dies ergibt sich schon daraus, dass im Falle der Einwilligung der Parteien in die Akteneinsicht der Dritte ein rechtliches Interesse nicht glaubhaft machen muss. Die Vorschrift geht demnach im Grundsatz von einer Dispositionsbefugnis der Parteien im Hinblick auf eine Offenlegung des Akteninhaltes gegenüber Dritten aus. Der Gerichtsvorstand hat daher vor einer Bewilligung der Akteneinsicht die Parteien anzuhören, um zu klären, ob diese der Akteneinsicht zustimmen, und um diesen Gelegenheit zu geben, etwaige eigene schutzwürdige Belange geltend zu machen (vgl. Bacher in BeckOK ZPO, 36. Edition Stand: 01.03.2020, § 299 ZPO, Rn. 35a). Eine vergleichbare Rechtsposition räumt § 299 Abs. 2 ZPO einem Prozessbevollmächtigten aber nicht ein, so dass dieser an dem Verfahren vor der Justizverwaltung auch nicht selbst beteiligt ist, sondern insoweit Dritter ist.

Allerdings kann die Antragsbefugnis ausnahmsweise auch einem Dritten zustehen (vgl. Lückemann in Zöller, ZPO, 33. Aufl., § 24 EGGVG, Rn. 1). Weil die Ansprüche, wegen deren Prüfung die weitere Beteiligte Akteneinsicht begehrt, gerade gegen die Antragstellerin zu 2 selbst gerichtet sind, ist vorliegend ausnahmsweise von deren Drittbetroffenheit auszugehen, was zu ihrer Antragsbefugnis führt.

Der Umstand, dass die Antragstellerin zu 2 das Verfahren zugleich in eigener Sache und als Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers zu 1 führt, hat auf die Wirksamkeit der Antragstellung im Namen des letzteren keinen Einfluss. Zwar kann sich ein Interessengegensatz daraus ergeben, dass die Akteneinsicht im Hinblick auf Ansprüche begehrt wird, die ihre Grundlage in möglichen Pflichtverletzungen der Antragstellerin zu 2 als Prozessbevollmächtigte des Antragstellers zu 1 haben. Ob deshalb ein Interessenkonflikt im Sinne des § 43a Abs. 4 BRAO vorliegt, kann dahinstehen. Denn ein etwaiger Verstoß eines Rechtsanwaltes gegen die genannte Vorschrift führt nicht zur Unwirksamkeit der diesem erteilten Verfahrensvollmacht (vgl. BGH, Urteil vom 14.05.2009, Az. IX ZR 60/08, Tz. 12; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.12.2009, Az. I-24 U 107/09, Tz. 16; beide zitiert nach juris).

Der Antrag ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist dieser frist- und formgerecht bei dem Oberlandesgericht eingereicht worden, § 26 Abs. 1 EGGVG.

Dass in der Antragsschrift das Datum, unter welchem der angefochtene Bescheid erlassen worden ist, widersprüchlich angegeben ist - in dem Einleitungssatz zutreffend der 17.05.2019, in dem ausformulierten Antrag fehlerhaft der 21.05.2019 -, ist unschädlich und führt - entgegen der Auffassung des Antragsgegners - nicht zur Unzulässigkeit des Antrags. Denn der angefochtene Bescheid ist durch Bezugnahme auf dessen Inhalt, nämlich die Bewilligung der Einsichtnahme in die Akten des mit Aktenzeichen bezeichneten Ausgangsverfahren durch den Präsidenten des Landgerichts Stadt1, bereits bei dessen Anbringung so eindeutig angegeben worden, dass die fehlerhafte Datumsangabe 21.05.2019 zweifelsfrei als offensichtlicher Schreibfehler erkennbar ist. Die Antragsteller haben dies auch nachträglich klargestellt.

Als Antragsgegner ist nach dem Rechtsträgerprinzip (vgl. Lückemann in Zöller, a. a. O., § 23 EGGVG Rn. 28) vorliegend das Bundesland1 beteiligt, welches nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 der Anordnung über die Vertretung des Bundesland1 im Geschäftsbereich des Ministeriums der Justiz vom 20.03.2012 (StAnz. S. 411), zuletzt geändert durch Anordnung vom 19.04.2018 (StAnz. S. 632), in Verfahren nach den §§ 23 bis 30a EGGVG durch die Generalstaatsanwaltschaft vertreten wird. Unabhängig davon, ob der Rechtsgedanke des § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO in Verfahren nach den §§ 23 ff. EGGVG Anwendung findet, handelt es sich bei der genannten Vorschrift der VwGO um eine Regelung der gesetzlichen Prozess- bzw. Verfahrensstandschaft (vgl. BVerwG, Beschluss vom 09.09.2016, Az. 9 B 78/15, zitiert nach juris Tz. 8). Eine solche ergibt sich aber im Verfahren nach den §§ 23 ff. EGGVG jedenfalls nicht allein aus § 8 Nr. 3 FamFG, sondern allenfalls in Verbindung mit einer Verwaltungsvorschrift, welche die Verfahrensführungsbefugnis für den Rechtsträger der handelnden Behörde selbst zuordnet (so offensichtlich auch: BGH, Beschluss vom 17.03.2016, Az. IX AR (VZ) 1/15, zitiert nach juris, Tz. 9 unter Bezugnahme auf Ziff. I. 2 lit. e der Anordnung über die Vertretung der Freien und Hansestadt Hamburg im Geschäftsbereich der für die Justiz zuständigen Behörde vom 16. Februar 2012). Eine solche Zuordnung trifft die eingangs genannte, vorliegend geltende Vertretungsanordnung aber gerade nicht.

Die weitere Beteiligte hat durch Erklärung ihrer Verfahrensbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 08.08.2019 wirksam eine Hinzuziehung zu dem Verfahren beantragt. Durch Vorlage einer Vollmachtsurkunde im Original datierend vom 30.08.2019 (Bl. 91 d. A.) ist die Verfahrensvollmacht entsprechend § 11 FamFG i. V. m. §§ 81 ff. ZPO nachgewiesen. Die Verfahrensbevollmächtigte der weiteren Beteiligten hat auf die erneute Rüge der Antragsteller, wonach nicht erkennbar sei, wer die Vollmachtsurkunde gezeichnet habe, klargestellt, dass es sich um die Unterschriften des Vorstandes A und der Prokuristin B handele. Dem sind die Antragsteller nicht mehr entgegengetreten. Ausweislich einer von dem Senat durchgeführten Abfrage des elektronischen Handelsregisters waren die genannten Personen zum Zeitpunkt der Zeichnung auch gemeinsam für die weitere Beteiligte vertretungsbefugt. Dass deren Unterschriften nicht lesbar sind, so dass diese Namen daraus nicht erkennbar werden, ist unschädlich, weil sie hinreichend individuelle Züge aufweisen (vgl. zur Lesbarkeit: Toussaint in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl., § 80 ZPO, RN. 16).

In der nachträglichen Vollmachtserteilung ist vorliegend zugleich die schlüssig erklärte Genehmigung der bis dahin seitens der Verfahrensbevollmächtigten erfolgten Verfahrensführung zu sehen (vgl. BAG, Urteil vom 26.07.2007, Az. 8 AZR 707/06, Tz. 24; BVerwG, Urteil vom 31-08.1970, Az. III C 144.69, Leitsatz; beide zitiert nach juris; Pieckenbrock in BeckOK ZPO, 36. Edition, Stand: 01.03.2020; § 89 ZPO, Rn. 19).

Diese erstreckt sich vorliegend auch auf das vorangegangene Justizverwaltungsverfahren. Denn wenn die weitere Beteiligte in dem vorliegenden gerichtlichen Verfahren den sie begünstigenden Bescheid verteidigt, will sie erkennbar auch, dass das Gesuch, auf welches dieser ergangen ist, ihr zugerechnet wird. Ob die bereits mit dem Gesuch vorgelegte Vollmachtsurkunde zum Nachweis der Vollmacht geeignet war, muss daher hier nicht mehr geklärt werden.

Der Antrag hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Denn der Präsident des Landgerichts hat der weiteren Beteiligten zu Recht Einsichtnahme in die Akten des Ausgangsverfahrens bewilligt.

Für formelle Mängel des angefochtenen Bescheides gibt es keine Anhaltspunkte. Solche werden von den Antragstellern auch nicht gerügt.

Insbesondere ist die Entscheidung gemäß § 299 Abs. 2 ZPO von dem zuständigen Gerichtsvorstand getroffen worden, welcher diese zulässigerweise einem (Präsidial-)Richter übertragen hat (vgl. zur Übertragungsmöglichkeit auch auf den in der Rechtssache erkennenden Richter: Huber in Musielak / Voit, ZPO, 17. Aufl., § 299 ZPO, Rn. 5; Greger in Zöller, a. a. O., § 299 ZPO, Rn. 6).

Auch materiell-rechtlich ist der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden.

Ein der weiteren Beteiligten zuzurechnendes Einsichtnahmegesuch liegt - wie gesagt - vor.

Nach § 299 Abs. 2 ZPO kann der Vorstand des Gerichts ohne Einwilligung der Parteien die Einsicht der Akten nur gestatten, wenn ein rechtliches Interesse glaubhaft gemacht ist.

Der Antragsteller zu 1 als Kläger des Ausgangsverfahrens hat der Akteneinsicht widersprochen, so dass eine Einwilligung der Parteien nicht vorlag. Der Präsident des Landgerichts hat zu Recht angenommen, dass die weitere Beteiligte ihr rechtliches Interesse an der Einsichtnahme in die Akten des Ausgangsverfahrens dargelegt und glaubhaft gemacht hat.

Ein rechtliches Interesse des Dritten an der Akteneinsicht im Sinne des § 299 Abs. 2 ZPO setzt nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. z. B. Beschluss vom 21.06.2016, Az. 20 VA 20/15, zitiert nach juris Tz. 34 m. w. N.) voraus, dass dem Dritten zustehende Rechte durch den Akteninhalt berührt werden. Das rechtliche Interesse muss sich dabei unmittelbar aus der Rechtsordnung ergeben (vgl. Senat, Beschluss vom 23.07.2008, Az. 20 VA 3/08, zitiert nach juris Tz. 13). Das Verfahren selbst oder wenigstens der diesem zugrunde liegende Sachverhalt muss für die rechtlichen Belange des Gesuchstellers von konkreter Bedeutung sein. Ein rechtliches Individualinteresse an der Akteneinsicht liegt vor, wo persönliche Rechte des Akteneinsicht begehrenden Dritten durch den Akteninhalt auch nur mittelbar berührt werden, sofern ein rechtlicher Bezug zu dem Streitstoff der einzusehenden Akten besteht (vgl. Senat, Beschluss vom 18.01.2010, Az. 20 VA 6/09, zitiert nach juris Tz. 12). Besteht ein solcher rechtlicher Bezug, reichen demnach auch rechtlich begründete wirtschaftliche Interessen aus.

Hingegen genügen allein wirtschaftliche oder gesellschaftliche Interessen oder gar bloßes Interesse am Prozessgeschehen nicht, weil solche die Individualrechte des Dritten nicht betreffen.

Unter Heranziehung dieser Grundsätze - die der Präsident des Landgerichts zutreffend erkannt und angewendet hat - handelt es sich bei dem von der weiteren Beteiligten dargelegten Interesse an der von ihr begehrten Akteneinsicht um ein rechtliches Interesse im vorgenannten Sinne.

Wie bereits die Oberlandesgerichte Köln (Beschlüsse vom 06.08.2019, Az. 7 VA 12/19 und vom 12.08.2019, Az. 7 VA 17/19, beide zitiert nach juris) und Hamm (Beschluss vom 21.01.2020, Az. 15 VA 35/19, zitiert nach juris) entscheiden haben, deren Auffassung sich der Senat anschließt, liegt ein rechtliches Interesse regelmäßig dann vor, wenn - wie vorliegend - ein Rechtsschutzversicherer Einsichtnahme in die Akten des Rechtsstreits begehrt, dessen Kosten er getragen hat, und dieser vorträgt, er wolle Regressansprüche gemäß § 280 BGB, § 86 VVG gegen die von seinem Versicherungsnehmer mandatierte Rechtsanwaltskanzlei prüfen.

Dieses ergibt sich unter Heranziehung der eingangs dargestellten Grundsätze wie folgt:

Mindestvoraussetzung des rechtlichen Interesses ist wegen des erforderlichen rechtlichen Bezugs immer, dass ein auf Rechtsnormen beruhendes oder durch solche geregeltes, gegenwärtig bestehendes Verhältnis einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache vorliegt (vgl. BGH, Beschluss vom 05.04.2006, Az. IV AR (VZ) 1/06, zitiert nach juris Tz. 15).

Die weitere Beteiligte als Rechtsschutzversicherer steht zu dem Antragsteller als Kläger des Ausgangsverfahrens in einem solchen Rechtsverhältnis, das sich aus dem Versicherungsvertrag über eine Rechtsschutzversicherung im Sinne der §§ 125 ff. VVG ergibt (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 04.11.2015, Az. 12 VA 4/15, zitiert nach juris Tz. 11). Dabei ist es unerheblich, ob der Versicherungsvertrag zum Zeitpunkt des Akteneinsichtsgesuchs noch fortbestand. Denn auch nachvertraglich entfaltet das Versicherungsverhältnis rechtliche Wirkungen, insbesondere in Form von § 86 Abs. 1 S. 1 VVG auf den Versicherer übergegangenen Ersatzansprüchen des Versicherungsnehmers gegen einen Dritten, auf welche sich die weitere Beteiligte vorliegend beruft.

Gegenstand eines solchen Forderungsübergangs auf den Rechtsschutzversicherer können u. a. Ansprüche des Versicherten gegen den Rechtsanwalt auf Schadensersatz für von dem Rechtsschutzversicherer übernommene Prozesskosten sein (vgl. Voit in: Bruck / Möller, VVG, 9. Aufl. 2009, § 86 VVG, Rn. 119; OLG Köln, Beschluss vom 06.08.2019, 7 VA 12/19, zitiert nach juris Tz. 13).

Liegt ein Rechtsverhältnis vor, muss der Dritte - wie gesagt - mit der Akteneinsicht einen konkreten, sich aus diesem ergebenden rechtlich begründeten Zweck verfolgen.

Für die Annahme eines rechtlichen Interesses genügt es hingegen nicht, wenn der Dritte die Akten daraufhin untersuchen will, ob sich aus diesen erstmals Anhaltspunkte dafür ergeben, dass eine nach Art oder Anspruchsgegner vorher noch nicht näher feststehende Rechtsverfolgung erfolgversprechend sein könnte. In einem solchen Fall liegt eine unzulässige Ausforschung vor. Gleiches gilt, wenn der Dritte ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhaltes willkürliche Behauptungen aufstellt, um eigene Ansprüche erst zu begründen (vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 07.07.2016, Az. 20 K 5425/15, zitiert nach juris Tz. 35). Ein unzureichendes bloßes tatsächliches Ausforschungsinteresse liegt auch dann vor, wenn es dem Dritten lediglich darum geht, nur tatsächliche Informationen zur Durchsetzung eigener, in keinem rechtlichen Zusammenhang mit dem Streitstoff des Ausgangsverfahrens stehender Ansprüche zu gewinnen.

So verhält es sich vorliegend aber nicht. Vielmehr verfolgt die weitere Beteiligte mit der Akteneinsicht vorliegend ein von ihr dargelegtes konkretes Rechtsschutzziel, das auch in einem rechtlichen Bezug zu dem Streitstoff des Ausgangsverfahrens steht.

Gegenstand der von der weiteren Beteiligten beabsichtigte Rechtsverfolgung sind nämlich ausweislich des Akteneinsichtsgesuchs vom 11.04.2019 nach der Übernahme von Kosten des Ausgangsverfahrens gemäß § 86 Abs. 1 S. 1 VVG auf sie übergegangene Ansprüche ihres Versicherungsnehmers (des Antragstellers zu 1) gegen die diesen im Ausgangsverfahren vertretende Rechtsanwaltskanzlei (die Antragstellerin zu 2) aus § 280 BGB. Das Bestehen eines solchen Anspruchs ist auch nicht von vornherein ausgeschlossen. Die nicht ganz entfernte Möglichkeit des tatsächlichen Bestehens des geltend gemachten Anspruchs genügt aber für die Annahme des rechtlichen Interesses (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 21.01.2020, Az. 15 VA 35/19, Tz. 14; vgl. auch: Senat, Beschluss vom 01.02.2007, Az. 20 VA 13/06, Tz. 28; beide zitiert nach juris). Mehr musste die weitere Beteiligte - entgegen der Auffassung der Antragsteller - demnach auch nicht darlegen.

Das tatsächliche Bestehen des Anspruchs kann bei der Entscheidung über das Akteneinsichtsgesuch auch nicht abschließend und verbindlich geprüft werden. Die über die Akteneinsicht entscheidende Gerichtsverwaltung und ebenso der die Entscheidung der Gerichtsverwaltung auf Rechtmäßigkeit überprüfende erkennende Senat können nicht im Vorgriff auf eine Entscheidung des von dem Rechtsschutzversicherer anzurufenden Prozessgerichts darüber entscheiden, ob die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen eines solchen Anspruchs der weiteren Beteiligten aus übergegangenen Recht im Einzelnen vorliegen, zumal es dazu keine gefestigte Rechtsprechung der Prozessgerichte gibt (vgl. dazu auch: OLG Hamm, Beschluss vom 21.01.2020, Az. 15 VA 35/19, zitiert nach juris Rn. 14).

In tatsächlicher Hinsicht kann von dem Akteneinsicht begehrenden Dritten - wie auch der Präsident des Landgerichts zutreffend angeführt hat - zudem nicht verlangt werden, dass dieser schon dargelegt, dass die von ihm begehrten Informationen in der Akte des Ausgangsverfahrens tatsächlich enthalten sind. Denn die Kenntnisse dazu werden ihm in aller Regel fehlen. Dies gilt vorliegend besonders deshalb, weil die Antragstellerin zu 2 der weiteren Beteiligten die von ihr eingereichten Schriftsätze nicht vollständig vorgelegt hat, so dass die weitere Beteiligte schon die Verfahrensführung der bei ihr versicherten Partei des Rechtsstreits nicht in Gänze nachvollziehen kann.

Der mögliche Anspruch der weiteren Beteiligten, welcher Gegenstand der von ihr beabsichtigten Rechtsverfolgung ist, steht auch in dem erforderlichen rechtlichen Bezug zum Streitstoff des Ausgangsverfahrens.

Dies ergibt sich schon daraus, dass der Streitstoff des Ausgangsverfahrens insgesamt für die Beurteilung der übergegangenen Ansprüche der versicherten Partei gegen ihren Rechtsanwalt von Bedeutung ist, weil dieser selbst gleichsam den die Tatbestandmerkmale der Anspruchsgrundlage ausfüllenden Sachverhalt darstellt (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 21.01.2020, Az. 15 VA 35/19, zitiert nach juris Tz. 15). Es geht der weiteren Beteiligten demnach nicht um eine ausforschende Ermittlung nur einzelner Tatsachen ohne rechtlichen Bezug zum Ausgangsverfahren.

Auch steht der Annahme des erforderlichen rechtlichen Bezugs nicht entgegen, dass sich der mögliche Anspruch des Rechtsschutzversicherers als Drittem nicht gegen eine Partei des Ausgangsverfahrens richtet. Für eine derartige Einschränkung des rechtlichen Interesses - von der aber die Antragsteller ausgehen - bieten § 299 Abs. 2 ZPO und die dazu entwickelten Grundsätze keinen Anhalt. Das rechtliche Interesse, das zu verlangen ist, dient - wie dargelegt - der Abgrenzung zu Interessen, die Ihren Ursprung nicht in der Rechtsordnung haben. Zudem folgt die maßgebliche Rechtsbeziehung vorliegend aus dem Versicherungsvertragsverhältnis zwischen dem Kläger des Ausgangsverfahrens und dem Rechtsschutzversicherer als Drittem.

Dass vor diesem Hintergrund - wie aber die Antragsteller meinen - ein rechtliches Interesse des Rechtsschutzversicherers allein auf Fälle begrenzt wäre, in welchen dieser mit der Akteneinsicht klären will, ob zugunsten der bei ihr versicherten Partei ein gemäß § 86 Abs. 1 VVG übergangener Anspruch auf Kostenerstattung gemäß § 91 ZPO besteht, ist nicht ersichtlich. Auch aus der von den Antragstellern angeführten Entscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz (Beschluss vom 04.11.2015, Az. 12 VA 4/15, zitiert nach juris) ergibt sich nicht, dass dieses davon ausgegangen wäre, dass ausschließlich und abschließend in der dortigen Fallgestaltung ein rechtliches Interesse des Rechtsschutzversicherers an der Einsichtnahme der Akten des Verfahrens bestehen würde, dessen Kosten dieser gedeckt hat.

Die weitere Beteiligte hat die Voraussetzungen ihres rechtlichen Interesses auch glaubhaft gemacht.

Bei der Glaubhaftmachung im Sinne von § 294 ZPO handelt es sich um eine Art der Beweisführung, durch die nicht die volle Überzeugung, die „an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit“, sondern lediglich die überwiegende erhebliche Wahrscheinlichkeit eines zu beweisenden Sachverhalts vermittelt werden muss (vgl. BGH, Beschluss vom 11.09.2003, Az. IX ZB 37/03, zitiert nach juris Tz.8), welche nur mit Hilfe präsenter Beweismittel getroffen werden kann. Ob zur Überzeugungsbildung des Gerichts (bzw. bei der Entscheidung über ein Gesuch nach § 299 Abs. 2 ZPO der Gerichtsverwaltung) eine Beweiserhebung mit den zugelassenen Beweismitteln, auch im Sinne des § 294 ZPO, durchgeführt werden muss, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

Der Präsident des Landgerichts konnte vorliegend die von der weiteren Beteiligten dargelegten tatsächlichen Voraussetzungen ihres rechtlichen Interesses, nämlich deren Verhältnis zum Kläger des Ausgangsverfahrens und die Übernahme von Kosten des Ausgangsverfahrens, schon nach deren Vortrag, der Anhörung des Klägers und den dem Präsidenten aus den Akten des Ausgangsverfahrens bekannten Umständen als überwiegend wahrscheinlich ansehen.

Die weitere Beteiligte hat nämlich dargelegt, der Rechtsschutzversicherer des Klägers des Ausgangsverfahrens zu sein und dessen Kosten getragen zu haben. Der Präsident des Landgerichts hat anhand der Akten des Ausgangsverfahrens festgestellt, dass eine Kostentragung seitens der weiteren Beteiligten tatsächlich erfolgt ist. Der Antragsteller zu 1 - der der Akteneinsicht widersprechende Kläger des Ausgangsverfahrens - hat dagegen auch keine substantiierten Einwände erhoben.

Danach ist der Präsident des Landgerichts zutreffend davon ausgegangen, dass die weiteren Beteiligten ein rechtliches Interesse an einer Einsichtnahme in die Akten des Ausgangsverfahrens glaubhaft gemacht hat.

Ein von dem Dritten dargelegtes und glaubhaft gemachtes rechtliches Interesse führt - wie der Präsident des Landgerichts ebenfalls zutreffend angenommen hat - allerdings zu keinem Anspruch auf Gewährung der Akteneinsicht. Der Dritte hat vielmehr nur einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Bescheidung seines Ersuchens durch den Vorstand des Gerichts (vgl. Prütting in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl., § 299 ZPO, Rn. 23). Bei ihrer Ermessensentscheidung hat die Justizverwaltung insbesondere das Informationsinteresse des Dritten einerseits und schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen der Prozessparteien, die der Einsichtnahme nicht zugestimmt haben, andererseits abzuwägen (vgl. Senat, Beschlüsse vom 24.07.2007, Az. 20 VA 5/07, Tz. 20 und vom 18.01.2010, Az. 20 VA 6/09, 20 VA 9/09, Tz. 11; OLG Nürnberg, Beschluss vom 14.01.2014, Az. 4 VA 2218/13, Tz. 13; jeweils zitiert nach juris).

Der Senat überprüft die Ermessensausübung der Justizverwaltung gemäß § 28 Abs. 3 EGGVG nur dahingehend, ob die Justizverwaltung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten hat oder von dem ihr eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Dazu gehört insbesondere auch die Prüfung, ob die Justizverwaltung maßgebliche Gesichtspunkte, die bei der Entscheidung von Belang sein können, außer Acht gelassen oder falsch bewertet hat (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 06.01.1999; Az. 4 VAs 35/98, zitiert nach juris Rz. 6)

Vorliegend ist es nicht als ermessensfehlerhaft zu beanstanden, dass der Präsident des Landgerichts dem Informationsinteresse der weiteren Beteiligten den Vorrang vor Geheimhaltungsinteressen der Antragsteller eingeräumt hat.

Der Präsident des Landgerichts hat zutreffend ausgeführt, dass der Antragsteller zu 1 besondere Geheimhaltungsinteressen nicht geltend gemacht hat. Auch im Verfahren vor dem Senat sind solche - unabhängig davon, ob diese noch berücksichtigungsfähig wären - nicht dargelegt worden.

Die allgemeinen Ausführungen dazu, dass sich in den Akten des Ausgangsverfahrens hochsensible Daten des Antragstellers zu 1 befänden, die sogar noch unter das Bankgeheimnis fielen, lassen keine konkreten Geheimhaltungsinteressen des Antragstellers zu 1 gegenüber der weiteren Beteiligten oder deren Verfahrensbevollmächtigten erkennen. Zum einen ist davon auszugehen, dass dessen grundlegenden Daten zur Person (wie z. B. dessen Anschrift) der weiteren Beteiligten aus dem Versicherungsvertragsverhältnis ohnehin bereits bekannt sind. Gleiches gilt für Informationen zur Geschäftsbeziehung des Antragstellers zu 1 zu der im Ausgangsverfahren beklagten Bank. Denn solche sind Grundlage der Deckungszusage der weiteren Beteiligten gewesen.

Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Versicherungsnehmer aus dem Versicherungsvertrag gegenüber dem Versicherer aus § 86 Abs. 2 S. 1 VVG zur Mitwirkung bei der Durchsetzung der an letzteren übergangenen Ansprüche verpflichtet ist. Wegen dieser Pflicht haben etwa bestehende Geheimhaltungsinteressen des Versicherungsnehmers im Rahmen der Offenbarung von Informationen aus den Akten des Prozesses, dessen Kosten der Rechtsschutzversicherer getragen hat, ohnehin zurückzutreten (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 12.08.2019, Az. 7 VA 17/19, zitiert nach juris Tz. 14).

Dahinstehen kann vorliegend, ob Geheimhaltungsinteressen der Prozessbevollmächtigten des Ausgangsverfahren bei der von der Gerichtsverwaltung zu treffenden Abwägungsentscheidung überhaupt zu berücksichtigen sind (als nicht berücksichtigungsfähig sieht diese das OLG Köln an, Beschluss vom 12.08.2019, Az. 7 VA 17/19, zitiert nach juris Rn. 17). Da die Prozessbevollmächtigten sich gegen sie gerichteten Ansprüchen des Dritten ausgesetzt sehen, erscheint dies fraglich.

Jedenfalls stellt die allgemeine Berufung der Antragstellerin zu 2 auf ihre Berufsausübungs- und Wettbewerbsfreiheit mit dem Verweis darauf, dass die von ihnen erstellten Schriftsätze in den Akten deren geistiges Eigentum sind, keinen Gesichtspunkt dar, welche der Gerichtsvorstand bei der Interessenabwägung als gegen die Bewilligung einer Einsichtnahme sprechend hätte heranziehen müssen.

Zutreffend ist im Ausgangspunkt zwar, dass Anwaltsschriftsätze grundsätzlich als (wissenschaftliche) Schriftwerke nach UrhG § 2 Abs 1 Nr 1 einem Urheberrechtsschutz zugänglich sind (vgl. BGH, Urteil vom 17.04.1986, Az. I ZR 213/83, zitiert nach juris). § 299 Abs. 2 ZPO macht aber unter den dort genannten Voraussetzungen Akteninhalte und damit auch anwaltliche Schriftsätze grundsätzlich Dritten zugänglich, ohne dabei aber - wie schon ausgeführt - den Prozessbevollmächtigten eigene Beteiligungsrechte einzuräumen. In der Regel werden diese daher eine mit der Offenlegung ihrer Schriftsätze hinnehmen zu haben. Eine Verletzung ihrer Urheberrechte ergibt sich aus der bloßen Kenntnisnahme eines Dritten oder eines diesen vertretenden Rechtanwaltes zudem noch nicht unmittelbar.

Auch die Berufung auf das Recht auf effektiven Rechtsschutz, wobei unklar bleibt, ob dieses von dem Antragsteller zu 1 oder der Antragstellerin zu 2 geltend gemacht wird, lässt eine konkrete Rechtsverletzung bei Gewährung der Akteneinsicht an die weitere Beteiligte nicht erkennen. Eine nähere Auseinandersetzung der Gerichtsverwaltung mit diesem Gesichtspunkt im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung war nicht angezeigt.

Der Senat verkennt nicht, dass - wie schon das Oberlandesgericht Hamm in dem schon mehrfach zitierten Beschluss vom 21.01.2020 (Az. 15 VA 35/19, Tz. 13) ausgeführt hat - das Vorgehen der weiteren Beteiligten offensichtlich ein neues Geschäftsmodell der Rechtsschutzversicherer darstellt. Dies ergibt sich für den Senat aus der Vielzahl der diesem seit dem Jahr 2019 in diesem Zusammenhang angefallenen Verfahren, den genannten veröffentlichten Entscheidung der Oberlandesgerichte Hamm und Köln sowie weiteren Entscheidungen, die dem Senat in den ihm angefallenen Verfahren, von Beteiligten vorgelegt worden sind.

An den rechtlichen Voraussetzungen, die nach § 299 Abs. 2 ZPO zu erfüllen sind, ändert dieser Umstand aber nichts. Auch folgen daraus derzeit keine erkennbaren Anhaltspunkte für einen Ausschlusstatbestand, der einer Akteneinsicht entgegenstehen könnte.

Nach alledem erweist sich der angefochtene Beschluss als rechtmäßig. Der dagegen gerichtete Antrag auf gerichtliche Entscheidung war zurückzuweisen.

Da der Senat die Rechtsbeschwerde zulässt - dazu sogleich unten - hat er im Wege der einstweiligen Anordnung entsprechend § 64 Abs. 3 FamFG die Vollziehung des angefochtenen Bescheids des Präsidenten des Landgerichts ausgesetzt. Dieser hat erklärt, den Bescheid für die Dauer des Verfahrens vor dem Senat nicht zu vollziehen. Da der Bescheid und die Entscheidung des Senats auf Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung beruhen, erscheint ein Vollzug des Bescheides vor Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung im gerichtlichen Verfahren und ein damit drohender endgültiger Verlust der von der Antragstellerin angeführten Rechte weiterhin nicht gerechtfertigt. Überwiegende Interessen der weiteren Beteiligten, insbesondere ein ihr - oder ihrer Mandantschaft - drohender Rechtsverlust insbesondere wegen Zeitablaufs sind derzeit nicht erkennbar.

Die Verpflichtung der Antragsteller zur Tragung der Gerichtskosten ergibt sich bereits aus dem Gesetz, § 22 Abs. 1, § 32 Abs. 1, § 1 Abs. 2 Nr. 19 GNotKG.

Der Senat hat keine Gründe für die Anordnung der Erstattungsfähigkeit außergerichtlicher Kosten der unterliegenden Antragsteller gesehen, § 30 S. 1 EGGVG. Wegen des abschließenden Charakters der Kostennorm des § 30 S. 1 EGGVG gibt es für eine Anordnung einer Erstattung von außergerichtlichen Kosten der weiteren Beteiligten keine gesetzliche Grundlage, so dass auch insoweit keine Kostenerstattung stattfindet.

Die sich aus den vorgenannten gesetzlichen Regelungen ergebenden Kostenfolgen hat der Senat lediglich zur Klarstellung ausgesprochen.

Die Festsetzung des Geschäftswertes richtet sich nach § 36 Abs. 3 GNotKG. Benötigt der Dritte - wie vorliegend - die Akteneinsicht zur Geltendmachung eigener Ansprüche, ist ein Bruchteil der Höhe jener Ansprüche als Grundlage des festzusetzenden Wertes nach billigem Ermessen heranzuziehen. Da die weitere Beteiligte die Höhe solcher Ansprüche noch nicht näher beziffert hat, erscheint dem Senat auch unter Berücksichtigung der Höhe der von ihr getragenen Kosten des Ausgangsverfahrens die Festsetzung des Regelwertes sachgerecht.

Der Senat hat die Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung zugelassen, § 29 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGGVG. Die Frage, ob es zur Darlegung eines rechtlichen Interesses im Sinne des § 299 Abs. 2 ZPO genügt, dass der Dritte seine Eigenschaft als Rechtsschutzversicherer einer Partei des Prozesses, in dessen Akten er Einsicht begehrt, und die Verauslagung von Kosten des Rechtsstreits darlegt und ausführt, er wolle das Vorliegen von auf ihn übergegangener Regressansprüchen prüfen, ist von grundsätzlicher Bedeutung. Dies zeigt schon die Vielzahl solcher Verfahren, die dem Senat und auch anderen Oberlandesgerichten angefallen sind.

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