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Wirtschaftsrecht
27.02.2014
Wirtschaftsrecht
OLG Hamm: Recht der Zivilgerichte auf Einsicht in Akten über Kartellordnungswidrigkeiten

OLG Hamm, Beschluss vom 26.11.2013 - 1 VAs 116/13 - 120/13 und 122/13


Amtliche Leitsätze


1. In Strafakten befindliche Bonusanträge von Kartellanten stehen der Gewährung von Akteneinsicht an ein Zivilgericht durch die Staatsanwaltschaft nicht prinzipiell entgegen. Gleiches gilt für in Strafakten befindliche vertrauliche Entscheidungen der Europäischen Kommission.


2. In den Fällen des § 474 Abs. 1 StPO wird als Regelfall Akteneinsicht gewährt. Sowohl der für den Zivilprozess maßgebliche Beibringungsgrundsatz als auch die Systematik der abgestuften Akteneinsicht in § 147, § 406e, § 474 und § 475 StPO stehen der Aktenübersendung an ein Zivilgericht auf dessen Anforderung nicht entgegen.


3. Bonusanträge in Kronzeugenprogrammen stellen trotz der den Kartellanten zugesicherten Vertraulichkeit keine ungewöhnliche Art von Daten im Sinne des § 477 Abs. 4 Satz 2 StPO dar.


StPO §§ 147, 406e, 474, 475


Sachverhalt


Die Antragstellerinnen wenden sich mit ihren Anträgen gegen die im Schreiben vom 13.6.2013 mitgeteilte Absicht der Staatsanwaltschaft Düsseldorf, dem LG Berlin in einem dort anhängigen Zivilprozess Einsicht in die Verfahrensakten 130 Js 14/07 zu gewähren.


In dem beim LG Berlin anhängigen Verfahren (96 O 200/10 Kart) werden die Antragstellerinnen auf Schadensersatz wegen Kartellverstößen in Anspruch genommen.


Das Verfahren 130 Js 14/07 wurde bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf aufgrund einer Anzeige des Bundeskartellamtes sowie eines Zufallsfundes im Rahmen einer Durchsuchung bei verschiedenen Firmen des U-L-Konzerns, vormaliges Aktenzeichen der Staatsanwaltschaft Düsseldorf: 130 Js 2/06, eingeleitet. Es steht im Zusammenhang mit dem sog. Aufzugs- und Fahrtreppenkartell: Im Sommer 2003 wurde die Europäische Kommission darüber informiert, dass möglicherweise ein Kartell zwischen den vier größten europäischen Herstellern von Aufzügen und Fahrtreppen mit Geschäftstätigkeit in der Europäischen Union bestehe. Nach Durchsuchungen in den Geschäftsräumen von mehreren Gesellschaften, stellten u.a. die die Antragstellerinnen Anträge nach der sog. Europäischen Kronzeugenregelung und teilweise zusätzlich einen sog. Kronzeugenantrag beim Bundeskartellamt. Sowohl die Europäische Kommission als auch das Bundeskartellamt sichern in ihren Kronzeugenregelungen die Vertraulichkeit von Angaben zu, die im Rahmen von Kronzeugenanträgen gemacht werden.


In ihrer Entscheidung vom 21.2.2007 (Entscheidung K(2007) 512 endg.) verhängte die Kommission Geldbußen in Höhe von insgesamt mehr als 992 Mio. Euro verhängt.


Durch Urteil des EuG vom 13.7.2011 (T-144/07 u.a.) wurden die Geldbußen gegen die Unternehmen der U-L-Gruppe herabgesetzt. Die beim EuG eingereichten Klagen der Gesellschaften der Unternehmensgruppen L (Urteil vom 13.7.2011, T - 151/07) und P (Urteil vom 13.7.2011, T-145/07) blieben ohne Erfolg. Ihre hiergegen eingelegten Rechtsmittel hat der EuGH am 15.6.2012 (Antragstellerin zu 6., C-494/11 P) bzw. am 24.10.2013 (Antragstellerin zu 5., C-510/11 P) zurückgewiesen.


Das bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf geführte Verfahren 130 Js 14/07 richtete sich u. a. wegen des Verdachts wettbewerbsbeschränkender Absprachen bei Ausschreibungen gemäß § 298 StGB gegen mehrere Mitarbeiter der Antragstellerinnen. Die Verfahren wurden allesamt gemäß §§ 153, 153a oder 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf gewährte bislang allein den Verteidigern der Beschuldigten Einsicht in die Akten. Akteneinsichtsgesuche von Dritten sind bislang - nach jeweils versagter Zustimmung seitens der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerinnen - abgelehnt worden.


Mit Schreiben vom 13.6.2013 hat die Staatsanwaltschaft Düsseldorf den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerinnen mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, dem LG Berlin die beantragte Akteneinsicht zu gewähren. Dem Schreiben war ein umfangreicher Vermerk beigefügt, in dem die Gründe für die in Aussicht gestellte Aktenübersendung im Einzelnen dargelegt wurden. Die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerinnen haben hiergegen jeweils einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Das Bundeskartellamt hat ebenfalls Stellung genommen und sich im konkreten Fall ausdrücklich gegen eine Herausgabe des Bonusantrages samt ihn begleitender Bonusunterlagen ausgesprochen. Die Anträge auf gerichtliche Entscheidung blieben in der Sache ohne Erfolg


Aus den Gründen


II. ... 1. ... 2. ... Die Gewährung von Einsicht in die bei der Staatsanwaltschaft geführten oder - wie hier - abgeschlossenen Ermittlungsverfahren richtet sich nach den §§ 474 ff. StPO. Da die Entscheidung, ob Akteneinsicht in dem vorliegenden Verfahren nach den §§ 474 Abs. 1, 477 Abs. 2, Abs. 4, 478 StPO zu versagen oder zu gewähren ist, nach den vorgenannten Vorschriften nicht lediglich im pflichtgemäßen Ermessen der Staatsanwaltschaft liegt und daher gemäß § 28 Abs. 3 EGGVG nicht lediglich auf eine rechtsfehlerfreie Ermessensentscheidung hin zu überprüfen ist, unterliegt die seitens der Staatsanwaltschaft Düsseldorf getroffene Entscheidung auch unbeschränkt der gerichtlichen Nachprüfung.


Die seitens der Staatsanwaltschaft Düsseldorf getroffene Entscheidung, dem LG Berlin in dem dort anhängigen Verfahren 96 O 200/10 Akteneinsicht in die Akten 130 Js 14/07 zu gewähren, ist rechtmäßig erfolgt. Zutreffend hat die Staatsanwaltschaft auf der Grundlage der §§ 474, 477 und 478 StPO geprüft, ob dem Gesuch des LG Berlin stattzugeben ist und dies im Ergebnis bejaht.


Akteneinsichtsrecht des LG Berlin in seiner Eigenschaft als Zivilgericht


a) Nach § 474 Abs. 1 StPO erhalten Gerichte, Staatsanwaltschaften und andere Justizbehörden Akteneinsicht, wenn dies für Zwecke der Rechtspflege erforderlich ist.


Entgegen der seitens der Antragstellerinnen vertretenen Ansicht ist die Staatsanwaltschaft zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass das LG Berlin auch in seiner Eigenschaft als Zivilgericht dem Anwendungsbereich des § 474 Abs. 1 StPO unterfällt. Denn § 474 Abs. 1 StPO regelt die Gewährung der Einsicht in Strafakten an alle Gerichte, Staatsanwaltschaften und andere Justizbehörden für Zwecke der Rechtspflege. Entscheidend ist danach, ob die Behörde funktional als Justizbehörde handelt, also die Auskunft oder die Akteneinsicht gerade in dieser Eigenschaft und für ein bestimmtes Verfahren begehrt (vgl. Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Auflage 2010, § 474 Rdnr. 3 und 4; SK-StPO, 4. Auflage 2013, § 474 Rdnr. 7 und 8). Da das LG Berlin in dem dort anhängigen Schadensersatzprozess 96 O 200/10 um Akteneinsicht ersucht, liegen diese Voraussetzungen eindeutig vor.


In den Fällen des § 474 Abs. 1 StPO wird von vornherein und als Regelfall Akteneinsicht gewährt (vgl. SK-StPO, a. a. O., § 474 Rdnr. 9). Aufgrund des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift des § 474 Abs. 1 StPO kann sowohl der für den Zivilprozess maßgebliche Beibringungsgrundsatz als auch die Systematik der abgestuften Akteneinsicht in § 147, § 406e, § 474 und § 475 StPO zu keiner anderen Beurteilung führen. Zwar richtet sich das Akteneinsichtsrecht einer Partei in einem Zivilprozess, die Akteneinsicht begehrt, um in den Akten erwartete Erkenntnisse im Zivilverfahren vortragen zu können, nach den §§ 475, 477 StPO, wohingegen sich die Einsicht eines Zivilgerichtes, wenn es - wie hier - Akteneinsicht etwa auf einen Beweisantrag hin verlangt, nach den weniger strengen Regeln der §§ 474, 477 StPO beurteilt. Diese vergleichsweise erleichterte Akteneinsicht für die Justiz ist damit zu erklären, dass ihr Einsichtsrecht nach der Intention des Gesetzgebers höher bewertet wird und außerdem davon auszugehen ist, dass die Justiz die Erforderlichkeit der Akteneinsicht zuvor sorgfältig unter Abwägung aller Umstände geprüft hat (vgl. Löwe-Rosenberg, a. a. O., § 474 Rdnr. 1). In den Fällen der §§ 147, 406e und 475 StPO kann eine Informationsübermittlung an Private grundsätzlich nur über einen Rechtsanwalt und bei Vorliegen eines entsprechenden berechtigten Interesses erfolgen. Die „Vorschaltung" eines Rechtsanwaltes soll dem Interesse der Rechtspflege dienen und gewährleisten, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach allen Seiten ausreichend geschützt wird, ohne dass die Informationsmöglichkeiten unvertretbar eingeengt würden (vgl. Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Änderung und Ergänzung des Strafverfahrensrechts - StVÄG 1999, BT-Drucks. 14/1484, S. 26). Einer weitergehenden „Vorschaltung" bzw. Kontrolle bedarf es jedoch dann nicht, wenn (Zivil-)Gerichte um Aktenübersendung ersuchen. Der Gesetzgeber geht also davon aus, dass für Zwecke der Rechtspflege generell die Kenntnis des gesamten Akteninhalts einerseits nötig, andererseits aber auch gerechtfertigt ist, obwohl damit in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung besonders weitgehend eingegriffen werden kann (vgl. SK-StPO, a. a. O., § 474 Rdnr. 9).


Prüfung der Erforderlichkeit der Akteneinsicht obliegt der ersuchenden Justizbehörde


Die Staatsanwaltschaft ist in der hier streitgegenständlichen Verfügung vom 13.06.2013 auch zutreffend davon ausgegangen, dass die Prüfung, ob die Kenntnis des Akteninhalts für die anfordernde Stelle nach § 474 Abs. 1 StPO erforderlich ist, nach § 477 Abs. 4 S. 1 StPO bei der ersuchenden Stelle, hier also dem LG Berlin, liegt. Denn nach § 477 Abs. 4 S. 1 StPO trägt der Empfänger, soweit dieser eine öffentliche Stelle oder ein Rechtsanwalt ist, die Verantwortung für die Zulässigkeit der Übermittlung. Von der die Akteneinsicht begehrenden Justizbehörde ist also die Erforderlichkeit zu prüfen und auch zu verantworten, wobei sie die Notwendigkeit der Akteneinsicht in ihrem Ersuchen nicht näher darlegen muss; vielmehr kann die ersuchte Behörde vom Vorliegen dieser Voraussetzung ohne Weiteres ausgehen (vgl. OLG Schleswig, Urteil vom 14.8.2012, 11 U 128/10, zitiert nach juris, Rdnr. 36; OLG Stuttgart, Beschluss vom 5.12.2006, 4 VAs 14/06, zitiert nach juris, Rdnr. 21; Löwe-Rosenberg, a. a. O., § 477 Rdnr. 16; Meyer-Goßner, a. a. O., § 474 Rdnr. 4, Karlsruher-Kommentar, StPO, 6. Auflage 2008, § 474 Rdnr. 2). Die ersuchte Stelle muss auch keine weiteren Nachforschungen anstellen (vgl. Graf, StPO, 2. Auflage 2012, § 474 Rdnr. 9). Sie hat die Akteneinsicht zu gewähren, ihr steht kein Ermessen zu (vgl. SK-StPO, a. a. O., § 474 Rdnr. 13; Löwe-Rosenberg, a. a. O., § 474 Rdnr. 7; Graf, a. a. O., § 474 Rdnr. 10).


Die übermittelnde Stelle nimmt lediglich die abstrakte Zuständigkeitsprüfung vor, ...


Gemäß § 477 Abs. 4 S. 2 StPO prüft die übermittelnde Stelle in diesem Fall im Wege einer Schlüssigkeitsprüfung also nur, ob das Übermittlungsersuchen im Rahmen der Aufgaben des Empfängers liegt, es handelt sich um eine abstrakte Zuständigkeitsprüfung (vgl. SK-StPO, a. a. O., § 477 Rdnr. 39).


Nach den in der Verfügung der Staatsanwaltschaft Düsseldorf vom 13.6.2013 dargestellten Überlegungen ist dies von dem zuständigen Staatsanwalt nach Prüfung angenommen worden. Zutreffend ist dieser davon ausgegangen, dass das LG Berlin die Akteneinsicht in einem dort anhängigen Schadensersatzprozess begehrt, in welchem vermeintlich benachteiligte Unternehmen diejenigen Unternehmen wegen Kartellverstößen in Anspruch nehmen, gegen deren Mitarbeiter sich das dort geführte Ermittlungsverfahren 130 Js 14/07 richtete. Dass das Übermittlungsersuchen danach im Rahmen der Aufgaben des LG Berlin liegt, bedarf keiner weiteren Ausführungen.


... die keinen Abwägungsausfall hinsichtlich der schutzwürdigen Interessen der Antragstelleinnen zur Folge hat


Entgegen dem Vortrag der Antragstellerinnen führt diese beschränkte Prüfung auf Seiten der ersuchten Stelle (hier der Staatsanwaltschaft Düsseldorf) auch nicht dazu, dass jeglicher Schutz sensibler Dokumente ausscheide bzw. ein Abwägungsausfall hinsichtlich der schutzwürdigen Interessen der Antragstelleinnen die Folge sei, da - so die Antragstellerinnen - die ersuchende Stelle (hier das LG Berlin) mangels Aktenkenntnis eine insoweit anzustellende Prüfung gar nicht vornehmen könne.


Zunächst ist - worauf im Folgenden noch näher einzugehen sein wird - festzustellen, dass die seitens der ersuchten Stelle (hier der Staatsanwaltschaft) nach § 474 Abs. 1 StPO vorzunehmende Schlüssigkeitsprüfung sie nicht von einer Prüfung etwaiger gesetzlich normierter Versagungsgründe im Sinne der § 477 Abs. 2, Abs. 4 und § 478 Abs. 2 StPO befreit (vgl. SK-StPO, a. a. O., § 474 Rdnr. 13). An der Verantwortung der ersuchenden Stelle (hier das LG Berlin) ändert sich durch diese Pflicht zur besonderen (Mit-)Prüfung der ersuchten Stelle nichts (vgl. SK-StPO, a. a. O., § 477 Rdnr. 39 a.E.). Das heißt, dass das LG Berlin auch nach Übersendung der Akten in eigener Verantwortung und Zuständigkeit wird prüfen müssen, inwieweit eine Verwendung der durch die Akteneinsicht erlangten Daten im Zivilprozess unter Berücksichtigung schützenswerter Interessen der dortigen Beklagten erfolgen kann. Denn die Zulassung der Aktenbeiziehung durch das LG Berlin führt nicht notwendigerweise zur (vollumfänglichen) Akteneinsicht seitens der Klägerinnen des dortigen Verfahrens und damit zu den von den Antragstellerinnen geltend gemachten Rechtsnachteilen. Denn nach der zivilgerichtlichen Rechtsprechung ergibt sich aus § 299 ZPO kein Recht der Parteien zur Einsichtnahme in beigezogene Akten fremder Behörden. Nur sofern diese Akten bei der Entscheidung Verwertung finden sollen, können die Parteien gemäß Art. 103 Abs. 1 GG verlangen, dass ihnen diese Akten zur Kenntnisnahme vorgelegt werden (vgl. BGH NJW 1952, 305, 306; Münchener Kommentar, ZPO, 4. Auflage 2013, § 299 Rdnr 6.).


Dass sich das LG der nach § 474 Abs. 1 StPO notwendigen eigenen Prüfung der Erforderlichkeit entgegen dem Vorbringen der Antragstellerinnen bewusst war und eine solche auch bereits vor Aktenanforderung und ohne (genaue) Kenntnis des Akteninhalts vorgenommen hat, ergibt sich aus dem Schreiben des Vorsitzenden der Kammer vom 30.4.2013. Indem der Vorsitzende der Kammer auf Seiten 2 und 3 dieses Schreibens unter Bezugnahme auf Entscheidungen des OLG Düsseldorf und des EuG auf eine insoweit vorzunehmende Interessensabwägung verweist und u.a. mitteilt, dass das Vorliegen von auch heute noch schützenswerten Geschäftsgeheimnissen einer konkreten Darlegung im Einzelfall bedarf, hat es aus Sicht des Senates ausreichend deutlich gemacht, dass es sich der eigenen Prüfung der Erforderlichkeit - auch bei zukünftiger Verwertung der Aktenbestandteile und dann notwendigerweise zu erfolgender Akteneinsicht der Prozessparteien - sehr wohl bewusst ist.


Dass das LG Berlin im Übrigen eine Aktenbeiziehung auch unter Berücksichtigung des den Zivilprozess bestimmenden Beibringungsgrundsatzes für erforderlich hielt, bedarf aus Sicht des Senates keiner weiteren Erörterung. Das LG wird auch nach Erhalt und Einsicht in die Akte den Grundsatz, dass es allein den Parteien eines Zivilverfahrens obliegt, den Prozessstoff beizubringen, bei eventueller Verwertung einzelner der Akte zu entnehmender Informationen zu berücksichtigen wissen ...


Eine weitergehende Prüfung der Zulässigkeit der Aktenübermittlung i. S. d. § 477 Abs. 4 S. 2 StPO ist im Streitfall nicht gegeben


b) Eine weitergehende Prüfungspflicht der übermittelnden Stelle, hier der Staatsanwaltschaft Düsseldorf, könnte sich aus § 477 Abs. 4 S. 2 StPO ergeben, nämlich wenn besonderer Anlass zu einer weitergehenden Prüfung der Zulässigkeit der Übermittlung bestehen würde. Ausweislich des Vermerks der Staatsanwaltschaft Düsseldorf vom 13.6.2013, dort Seite 5, Punkt 2. g) dd), hat sie eine solch (weitergehende) Prüfung nicht vorgenommen, sondern war der Ansicht, dass sich eine aus § 477 Abs. 4 S. 2 StPO ergebende Interessensabwägung zwischen dem Informationsinteresse der Klägerinnen im Zivilverfahren und den Rechten der Antragstellerinnen als beteiligten Unternehmen von dem LG Berlin vorzunehmen sei. Zudem hat sie sich auf den Standpunkt gestellt, dass diese Interessensabwägung ihr „aus zuvor genannten Gründen" nicht möglich sei.


Sofern die Staatsanwaltschaft ihrerseits nach § 477 Abs. 4 S. 2 StPO zu einer weitergehenden Prüfung im vorliegenden Fall verpflichtet gewesen wäre, diese aber bei ihrer Entscheidung nicht vorgenommen hätte, könnte die von ihr getroffene Entscheidung rechtsfehlerhaft im Sinne des § 28 Abs. 1 S. 1 EGGVG sein, mit der weiteren Folge, dass bei einer daraus folgenden Rechtsverletzung der Antragstellerinnen, die Maßnahme (in Aussicht gestellte Akteneinsichtsgewährung), aufzuheben wäre.


Dies ist jedoch nicht der Fall.


Denn das Begehren bezieht sich nicht auf eine ungewöhnliche Art von Daten


aa) Ein besonderer, die weitergehende Prüfung der Zulässigkeit im Sinne des § 477 Abs. 4 S. 2 StPO gebietender Anlass wird z.B. dann angenommen, wenn das Ersuchen unschlüssig oder widersprüchlich erscheint, wenn sich das Begehren auf eine ungewöhnliche Art von Daten bezieht oder wenn nach den Erfahrungen der ersuchten Stelle die Kenntnis der verlangten Daten normalerweise für den angegebenen Zweck nicht erforderlich ist (vgl. Löwe-Rosenberg, a. a. O., § 477 Rdnr. 16; SK-StPO, a. a. O., § 477 Rdnr. 39). Ebenso wie die Antragstellerinnen ist auch das Bundeskartellamt der Ansicht, dass es sich bei Bonusanträgen bzw. Angaben aus Kronzeugenanträgen um eine solch ungewöhnliche Art von Daten handele. Nach Ansicht der Antragstellerin zu 6. stelle auch die vertrauliche Fassung der Bußgeldentscheidung der Europäischen Kommission eine ungewöhnliche Art von Daten dar.


Weder handelt es sich bei den Angaben aus den Bonusanträgen ...


(1) Bonusanträge in sogenannten Kronzeugenprogrammen bieten Kartellanten, die sich dem Bundeskartellamt oder der Europäischen Kommission offenbaren und so zur Aufdeckung von Kartellen beitragen, die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen die Geldbuße erlassen oder jedenfalls reduziert zu bekommen. Die Kooperationswilligkeit der Kartellanten, die zur Aufdeckung und Verfolgung von Kartellen führt, wird demnach in Form der Nichtfestsetzung oder Ermäßigung von Geldbußen belohnt. Sowohl die Europäische Kommission als auch das Bundeskartellamt sichern den Kronzeugen dabei die vertrauliche Behandlung von Informationen zu, die die Kartellanten freiwillig zur Aufklärung zur Verfügung gestellt haben. So heißt es in Nr. 22 der Bekanntmachung Nr. 9/2006 des Bundeskartellamtes über den Erlass und die Reduktion von Geldbußen in Kartellsachen - Bonusregelung - vom 7.3.2006: „Das Bundeskartellamt wird Anträge privater Dritter auf Akteneinsicht bzw. Auskunftserteilung im Rahmen des gesetzlich eingeräumten Ermessens grundsätzlich insoweit ablehnen, als es sich um den Antrag auf Erlass oder Reduktion der Geldbuße und die dazu übermittelten Beweismittel handelt". Eine entsprechende Regel findet sich in der Mitteilung der Kommission über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (2006/C 298/11), dort Randnummer 33: „Einsicht in Unternehmenserklärungen wird nur den Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte gewährt, [...]. Anderen Parteien wie z.B. Beschwerdeführern wird keine Einsicht in Unternehmenserklärungen gewährt. [...]"


Diese den Kartellanten zugesicherte Selbstbindung des Bundeskartellamtes und der Europäischen Kommission führt auch angesichts der den Kartellanten zugesicherten Vertraulichkeit nicht dazu, dass Bonusanträge damit zu einer ungewöhnlichen Art von Daten würden. Denn die in Bonusanträgen enthaltenen freiwillig herausgegebenen Informationen stellen letztlich nichts anderes als eine selbstbelastende Einlassung von an Ordnungswidrigkeiten Beteiligten dar. Dass diese Einlassung im Rahmen einer Kronzeugenregelung mit zugesicherter Vertraulichkeit erfolgt, lässt diese hinsichtlich des Inhaltes nicht zu Informationen bzw. Daten anderer oder ungewöhnlicher Art werden. Wenn Kronzeugen in gleicher Weise wie Betroffene bzw. Beschuldigte in sonstigen Bußgeld- oder Strafverfahren auf ihr verfassungsrechtlich abgesichertes Recht auf Selbstbelastungsfreiheit verzichten, indem sie eine selbst belastende Aussage tätigen, die in sogenannten Kronzeugenanträgen ihren Niederschlag findet, kann dies jedenfalls keine andere Bewertung der darin enthaltenen Informationen als solcher bewirken. Dies gilt auch bei Berücksichtigung des Umstands, dass Kronzeugenprogramme mit entsprechenden Bonusanträgen als wirksame Instrumente zur Aufdeckung und Beendigung von Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht angesehen werden und eine Beeinträchtigung dieser Wirksamkeit drohen könnte, wenn Dokumente eines Kronzeugenverfahrens an Personen, die Schadensersatzklagen erheben, übermittelt würden. Die seitens der Kartellanten erteilten Informationen erhalten dadurch zwar eine besondere Bedeutung, werden aber nicht zu Informationen anderer oder ungewöhnlicher Art.


Auch bei dem in den Ermittlungsakten befindlichen Teil der vertraulichen Entscheidung der Europäischen Kommission vom 21.2.2007 (Seiten 61 bis 86) handelt es sich aus demselben Grunde nicht um eine ungewöhnliche Art von Daten, sondern schlicht um die detaillierte Darstellung ordnungswidrigen Handelns.


Danach hat insoweit jedenfalls für die Staatsanwaltschaft Düsseldorf kein besonderer Anlass zu einer weitergehenden Prüfung der Zulässigkeit der Übermittlung bestanden.


... noch aus den Kronzeugenanträgen und aus der vertraulichen Bußgeldentscheidung um ungewöhnliche Datenarten


(2) Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Antragstellerinnen sich hinsichtlich des seitens des Bundeskartellamtes übersandten Kronzeugenantrages der Antragstellerinnen zu 1. bis 4. und hinsichtlich des in den Akten befindlichen Teils der vertraulichen Entscheidung der Kommission auf eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 12 und 14 GG (Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen) und Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG (Recht auf informationelle Selbstbestimmung) berufen.


Dass die geltend gemachte (Grundrechts-)Verletzung hier nicht dazu führen kann, dass die Staatsanwaltschaft im vorliegenden Fall einen Ausnahmefall des § 477 Abs. 4 StPO annehmen musste, ergibt sich zunächst aus der Systematik der §§ 474 ff. StPO. Mit den §§ 474 bis 476 StPO wollte der Gesetzgeber die Befugnis zur Einsicht in alle Akten, die bei der Wahrnehmung der Aufgabe der Strafverfolgung angefallen sind, abschließend und umfassend regeln (vgl. SK-StPO, a. a. O., § 474 Rdnr. 10). Wie bereits ausgeführt, legt § 474 Abs. 1 StPO dabei die Gewährung von Akteneinsicht an Gerichte als einen Regelfall fest. So heißt es in dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung zu dem Strafverfahrensänderungsgesetz 1999 unter § 474, Seite 26, auch: „Nach Absatz 1 erhalten Gerichte, Staatsanwaltschaften und Justizbehörden (vgl. § 23 EGGVG) zu Zwecken der Rechtspflege grundsätzlich die erforderliche Akteneinsicht [...]." Diesen Grundsatz unterstützend geht § 477 Abs. 4 StPO auch von einer Verantwortung des Empfängers für die Zulässigkeit der Übermittlung aus, soweit dieser eine öffentliche Stelle ist. Mit dieser gesetzgeberisch gewollten grundsätzlichen Privilegierung wäre es aber nicht vereinbar, wenn jede Geltendmachung einer Verletzung der Rechte aus Art. 12, 14 GG oder Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG in Gestalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung dazu führen würde, dass von dem grundsätzlichen Regelungskonzept der §§ 474 Abs. 1 und 477 Abs. 4 StPO abzuweichen wäre. Denn mit der Gewährung von Akteneinsicht geht nahezu immer auch die Einsicht bzw. Verwendung personenbezogener oder wie hier betriebsbezogener Informationen einher.


Da in der Praxis als Geschäftsgeheimnisse insbesondere Markt- und Bezugsanteile, Einzelumsätze, Lieferantenstruktur und gewährte Konditionen sowie Einstandspreise eingestuft werden (vgl. Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, 2. Auflage 2009, § 56 Rdnr. 9), dürften die in den Vermerken zum Bonusantrag der Antragstellerinnen ... gemachten Angaben sowie die ... Angaben der vertraulichen Kommissions-Entscheidung als Geschäftsgeheimnisse zu werten sein.


Allerdings erscheint im Hinblick auf das mittlerweile eingetretene Alter der diesen Dokumenten zugrundeliegenden Informationen von mindestens knapp 10 Jahren, der Grad der Vertraulichkeit dieser Informationen eher gering. In diesem Zusammenhang hat das Gericht der europäischen Union in einer Entscheidung vom 22.5.2012 (T-344/08) ausgeführt, dass sich die nachteiligen Folgen, die sich aus der Verbreitung einer wirtschaftlich sensiblen Information ergeben können, mit zunehmenden Alter abschwächen, wobei das Gericht von einer 5-Jahres-Grenze als nicht starre Regel spricht (EuG, a. a. O., zitiert nach juris, Rdnr 139 ff.). Dabei verkennt der Senat nicht, dass - wie von der Antragstellerin zu 6. vorgetragen - das EuG beispielsweise in einer Entscheidung vom 13.9.2013 (T-380/08) unter Bezugnahme auf Art. 4 Abs. 7 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 vom 30.5.2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission entschieden hat, dass auch bei bis zu 30 Jahre alten Informationen noch ein schützenswertes geschäftliches Interesse bestehen kann (EuG, Urteil vom 13.9.2013, Rdnr. 99 f.). Dies nimmt der Senat bei den in der Akte befindlichen Dokumenten bzw. den darin enthaltenen Informationen jedoch nicht mehr an. Aus Sicht des Senates sind die in den streitgegenständlichen Akten enthaltenen Informationen jedenfalls als wirtschaftlich nicht mehr sensibel einzustufen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag der Antragstellerinnen, die sich in ihren Antragsschriften lediglich pauschal auf den ihnen (generell) zustehenden Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen oder das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und die ihnen zugesicherte Vertraulichkeit berufen. Warum einzelne Informationen gerade im Hinblick auf den Zeitablauf noch schützenswert sein sollen, teilen sie nicht konkret mit. Auch ergibt sich aus dem Umstand, dass die Europäische Kommission bei der Veröffentlichung der Entscheidung vom 21.2.2007 bestimmte Passagen - auch auf den in den Akten befindlichen Seiten 61 bis 86 - geschwärzt hat, keine andere Beurteilung. Der Senat verkennt an dieser Stelle nicht, dass die Antragstellerinnen zum gegenwärtigen Zeitpunkt möglicherweise deshalb nicht dezidierter vortragen und die aus ihrer Sicht bislang vertraulich behandelten (Geschäfts-)Informationen nicht benennen, weil sie diese gegebenenfalls nicht von sich aus „preisgeben" wollen. Das führt allerdings unter Bezugnahme auf obige Ausführungen dazu, dass das lediglich pauschale Berufen auf eine Verletzung der Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 sowie Art. 12 und 14 des Grundgesetzes im konkreten Fall nicht dazu führen kann, einen Ausnahmefall im Sinne des § 477 Abs. 4 S. 2 StPO anzunehmen, der eine weitergehende, hier aber nicht erfolgte Prüfung der Staatsanwaltschaft notwendig gemacht hätte.


Berücksichtigt man in diesem Zusammenhang noch den Umstand, dass Tatsachen, aus denen sich ein Verstoß gegen die Vorschriften des GWB ergibt, in der Regel keine schützenswerten Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse darstellen, da nichtige Vereinbarungen und verbotene Verhaltensweisen schon als solche von der Rechtsordnung missbilligt werden (vgl. Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, a. a. O, § 56 Rdnr. 11; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.8.2012, V - 4 Kart 5 + 6/11 (OWi), zitiert nach BeckRS 2012, 18635, S. 6, BB 2012, 2459 m. BB- Komm. Kapp/Hummel), ist ein von den Antragstellerinnen geltend gemachter Ausnahmefall im Sinne des § 477 Abs. 4 S. 2 StPO nicht anzunehmen.


Zu Bedenken ist in diesem Zusammenhang darüber hinaus, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an einer Versagung der Akteneinsicht - anders als in der Regelung des § 475 Abs. 1 S. 2 StPO - bei § 474 StPO gerade nicht als Prüfungskriterium benannt wird (vgl. Löwe-Rosenberg, a. a. O., § 474 Rdnr. 6) ...


Die Akteneinsicht war auch nicht nach § 477 Abs. 2 S. 1 StPO zu versagen


c) Gemäß § 477 Abs. 2 S. 1 StPO sind Auskünfte und Akteneinsicht zu versagen, wenn der Übermittlung Zwecke des Strafverfahrens, auch die Gefährdung des Untersuchungszwecks in einem anderen Strafverfahren, oder besondere bundesgesetzliche oder entsprechende landesgesetzliche Verwendungsregelungen entgegenstehen. Die Staatsanwaltschaft hat dies näher geprüft und im Ergebnis - zu Recht - verneint.


Denn weder stand die Gefährdung des Untersuchungszwecks in einem anderen Strafverfahren der Übermittlung zwingend entgegen ...


aa) Zunächst ist die Staatsanwaltschaft Düsseldorf zutreffend davon ausgegangen, dass der Übermittlung der Verfahrensakte 130 Js 14/07 Zwecke des Strafverfahrens nicht entgegenstehen und auch der Hinderungsgrund der Gefährdung des Untersuchungszwecks in einem anderen Strafverfahren nicht durchgreift.


Da das Strafverfahren 130 Js 14/07 bereits abgeschlossen ist, können Zwecke dieses Strafverfahrens der Übermittlung nicht (mehr) entgegenstehen. Denn nach dem Wortlaut dieses weiten Begriffs (Zwecke des Strafverfahrens) in § 477 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 StPO kommt es allein auf die Belange des konkreten Verfahrens und auf die Frage zu erwartender schwerwiegender Nachteile für dieses an (vgl. SK-StPO, a. a. O., § 477 Rdnr. 4; Löwe-Rosenberg, a. a. O., § 477 Rdnr. 3).


Auch die Gefährdung des Untersuchungszwecks in einem anderen Strafverfahren steht der Übermittlung zwingend entgegen, soweit sie der entscheidenden Stelle bekannt ist (vgl. Löwe-Rosenberg, a. a. O., § 477 Rdnr. 3a).


Entgegen der Ansicht der Antragstellerinnen fällt unter diesen Versagungsgrund jedoch nicht die rein theoretische und abstrakte Möglichkeit, dass durch eine Übermittlung des Kronzeugenantrages oder des Teils der vertraulichen Fassung des Bescheids der Kommission die zukünftige Kooperationsbereitschaft potentieller Kartellanten herabgesetzt würde, mit der weiteren möglichen Folge, dass die Effektivität der Kartellverfolgung wesentlich verringert würde. Um die Einsicht zu versagen, bedarf es einzelfallbezogener Gründe; nicht ausreichend sind Erwägungen, die lediglich allgemein auf die Effektivität der Strafverfolgung abstellen (vgl. Meyer-Goßner, a. a. O., § 477 Rdnr. 4 i. V. m. § 406e Rdnr. 6a). Dies gilt umso mehr, als vorliegend kein privater Dritter, sondern ein Gericht die Akteneinsicht begehrt. Eine danach erforderliche Abwägung einzelfallbezogener Gründe setzt aber notwendigerweise das Bestehen eines konkreten (Straf-/Bußgeld-)Verfahrens voraus. An diesen bzw. der Kenntnis solcher mangelt es hier, so dass die Staatsanwaltschaft zu Recht den Versagungsrund des § 477 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 StPO als nicht gegeben angesehen hat.


Der Senat teilt an dieser Stelle nicht die Ansicht des Amtsgerichts Bonn in dem Beschluss vom 18.1.2012 (51 Gs 53/09), das in seiner Entscheidung zu der Frage der etwaigen Gefährdung des Untersuchungszwecks in einem anderen Verfahren abweichend von der o.a. Kommentarliteratur auf die rein abstrakte Erwägung abgestellt hat, dass bei einer zu gewährenden Akteneinsicht in Bonusanträge sich Beteiligte an einer wettbewerbsrechtlichen Zuwiderhandlung künftig davon abhalten ließen, von der Bonusregelung Gebrauch zu machen (AG Bonn, Beschluss vom 18.1.2012, 51 Gs 53/09, zitiert nach juris, Rdnr. 20 ff.). Allerdings unterscheidet sich der hier zu entscheidende Sachverhalt ohnehin von dem Sachverhalt, der der Entscheidung des Amtsgerichts Bonn vom 18.1.2012 (51 Gs 53/09) zugrunde lag und von den seitens des Amtsgerichts Bonn infolgedessen angestellten rechtlichen Erwägungen. In dem Verfahren vor dem Amtsgericht Bonn ging es um Akteneinsicht, die Geschädigte eines Kartells zur Geltendmachung zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche über § 406e StPO begehrten. Das Amtsgericht Bonn hat entschieden, dass den Antragstellern Akteneinsicht in Bonusanträge sowie freiwillig herausgegebene Informationen und Unterlagen, Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse sowie interne Vorgänge nicht zustehe. Im vorliegenden Verfahren begehrt ein (Zivil-)Gericht über § 474 Abs. 1 StPO Akteneinsicht und nicht ein geschädigter Dritter über § 406e StPO. Die seitens des Amtsgerichts Bonn in der konkreten Entscheidung vorgenommene Interessensabwägung (Informationsinteresse der dortigen Antragsteller gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Kartellanten), die im Ergebnis zugunsten der Kartellanten ausgefallen ist, hat durch die Staatsanwaltschaft im Rahmen der §§ 474 Abs. 1, 477 Abs. 4 StPO nicht zu erfolgen. Schließlich hat das Amtsgericht Bonn auf die Tatbestandswirkung der rechtskräftigen Bußgeldbescheide gemäß § 33 Abs. 4 S. 1 GWB abgestellt. Auch diese Erwägung führt im vorliegenden Verfahren nicht zu einer mangelnden Erforderlichkeit der Akteneinsicht. Insoweit wird vollumfänglich auf obige Ausführungen Bezug genommen.


Aus denselben Erwägungen - kein vergleichbarer Sachverhalt und andere rechtliche Beurteilung - kommt der Senat auch bei Berücksichtigung der Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 22.8.2012 (V - 4 Kart 5+6/11 OWi, BB 2012, 2459 m. BB- Komm. Kapp/Hummel) nicht zu einem anderen Ergebnis. Auch in dem dort zu entscheidenden Verfahren hatte das Oberlandesgericht Düsseldorf ein Akteneinsichtsrecht geschädigter Dritter gemäß § 406e StPO zu prüfen und kam nach einer im Rahmen dieser Vorschrift vorzunehmenden Interessenabwägung zu dem Ergebnis, dass den dortigen Antragstellern „derzeit lediglich in die um Geschäftsgeheimnisse der Nebenbetroffenen sowie um persönliche Daten der Betroffenen anonymisierten Bußgeldbescheide Einsicht zu gewähren" sei (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.8.2012, V - 4 Kart 5+6/11 OWi, zitiert nach BeckRS 2012, 18635, Seite 7, BB 2012, 2459 m. BB-Komm. Kapp/Hummel).


... noch besondere bundesgesetzliche oder entsprechende landesgesetzliche Verwendungsregelungen


bb) Auch besondere bundesgesetzliche oder entsprechende landesgesetzliche Verwendungsregelungen stehen der Übermittlung nicht entgegen, § 477 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 StPO.


Einer Übermittlung entgegenstehende besondere gesetzliche Verwendungsregelungen sind grundsätzlich gesetzliche Vorschriften (vgl. SK-StPO, a. a. O., § 477 Rdnr. 9; Graf, a. a. O., § 477 Rdnr. 4) oder daraus abgeleitetes Recht, die eine Verwendung von Erkenntnissen für andere Zwecke grundsätzlich ausschließen oder auf bestimmte Zwecke beschränken und deshalb im konkreten Fall eine Übermittlung für den vorgesehenen Zweck nicht zulassen. Das Prinzip ist grundsätzlich, dass die Regelung an der „Informationsquelle" (hier: das Strafverfahren) den Vorrang hat vor eventuellen Verwendungsregelungen im „Empfängergesetz" (vgl. Löwe-Rosenberg, a. a. O., § 477 Rdnr. 5). Bei den der Datenübermittlung entgegenstehenden Verwendungsregelungen muss es sich danach um gesetzliche Vorschriften handeln.


Da es bislang jedenfalls keine bundes- oder landesgesetzliche Vorschrift und auch keine europäische Verordnung gibt, die die Verwendung von Kronzeugenanträgen der EU-Kommission und des Bundeskartellamtes regeln und eine Übermittlung versagen, steht § 477 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 StPO der beantragten Akteneinsicht nicht entgegen.


Der Gesetzesentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie sah für die achte GWB-Novelle (Achtes Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen), das im Juni 2013 in Kraft trat, einen neu in das Gesetz einzufügenden § 81b vor. Dieser sollte lauten:


„§ 81 b Vertraulichkeit von Aufklärungsbeiträgen


(1) Akteneinsicht in einen Antrag auf Erlass oder Reduktion einer Geldbuße und die dazu übermittelten Beweismittel nach § 406e der Strafprozessordnung, auch in Verbindung mit § 46 Absatz 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten, findet nicht statt. Zu verfahrensübergreifenden Zwecken erfolgen Akteneinsicht in den Antrag, Auskunft aus dem Antrag, Beiziehung oder Übermittlung des Antrags, jeweils einschließlich der damit übermittelten Beweismittel, nur nach § 161 Absatz 1, § 474 Absatz 2 S. 2 und § 476 der Strafprozessordnung, auch in Verbindung mit § 46 Absatz 1 und § 49b des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten. Akteneinsicht nach § 474 Absatz 1 der Strafprozessordnung, auch in Verbindung mit § 46 Absatz 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten, wird nur der Staatsanwaltschaft und den Strafgerichten gewährt. Die §§ 50a bis 50c bleiben unberührt.


                 (2) Absatz 1 findet auf die Kartellbehörde und andere Stellen Anwendung, die den


                   Antrag und die Beweismittel im Rahmen ihrer Aufgaben erlangt haben."


Der Gesetzesentwurf fand insoweit jedoch keine Mehrheit.


Auch der Umstand, dass der Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission vom 11.6.2013 über Schadensersatzklagen wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen (KOM(2013) 404 end.) in Art. 6 Abs. 1 vorsieht, die Mitgliedsstaaten sollten gewährleisten, dass die einzelstaatlichen Gerichte für die Zwecke von Schadensersatzklagen zu keinem Zeitpunkt die Offenlegung von Kronzeugenunternehmenserklärungen anordnen können, belegt, dass auch die Europäische Kommission davon ausgeht, dass eine entsprechende Regelung gerade (noch) nicht existiert. Da der Richtlinienvorschlag zunächst das ordentliche Gesetzgebungsverfahren durchlaufen und anschließend - nach Annahme unter Beteiligung des Europäischen Parlaments und des Rates - noch binnen zwei Jahren in nationales Recht umzusetzen ist, verbietet sich derzeit auch die von den Antragstellerinnen begehrte insoweit vorzunehmende „europarechtskonforme Auslegung". Eine solche existiert nämlich auch im Hinblick auf die in jüngerer Vergangenheit ergangenen Entscheidungen des EuGH gerade (noch) nicht.


Der Senat hat nicht übersehen, dass der Deutsche Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 20.9.2013 (vgl. Drucksache 514/13) die in dem Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission vom 11.6.2013 vorgesehene Regelung eines eindeutigen Vorranges des Schutzes von Kronzeugenunterlagen gegenüber dem Akteneinsichtsrecht Kartellgeschädigter und einem damit verbundenen absoluten Schutz vor einer Offenlegung ausdrücklich begrüßt hat (vergleiche Nr. 8 und 9 der Stellungnahme). Auch dies vermag das derzeitige Fehlen einer gesetzlichen Regelung allerdings nicht zu ersetzen.


Insbesondere im Hinblick auf die Entscheidungen des EuGH in Sachen Pfleiderer (Urteil vom 14.6.2011, C-360/09, EWS 2011, 289, RIW 2011, 543) und Donau Chemie (Urteil vom 6.6.2013, C-536/11, BB 2013, 1551 m. BB-Komm. Kapp, EWS 2013, 288, RIW 2013, 461) erscheint zurzeit zudem jedenfalls äußerst fraglich, ob diese Richtlinie im Fall ihrer förmlichen Annahme Bestand haben würde.


In dem Urteil C-360/09 in Sachen Pfleiderer hatte der EuGH entschieden, dass das EU-Recht der Einsichtnahme in Kronzeugenanträge grundsätzlich nicht entgegen stehe und nur nach einer Einzelfallabwägung und unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Gesichtspunkte der Rechtssache durch die Gerichte gewährt werden könne (vgl. EuGH, Urteil vom 14.6.2011, EuZW 2011, 598 - zitiert nach beck-online Ziffern [31] und [32]). Zwar hat der EuGH in dieser Entscheidung ausgeführt, es dürfe angenommen werden, dass sich ein an einer wettbewerbsrechtlichen Zuwiderhandlung Beteiligter dadurch, dass diese Dokumente übermittelt werden könnten, davon abhalten lasse, die mit einem solchen Kronzeugenprogramm verbundene Möglichkeit zu nutzen. Unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung, dass jedermann Ersatz des Schadens verlangen könne, der ihm durch ein Verhalten entstanden ist, das den Wettbewerb beschränken oder verfälschen kann, erhöhe ein solcher Schadensersatzanspruch aber auch die Durchsetzungskraft der Wettbewerbsregeln der Union. Schadensersatzklagen vor den nationalen Gerichten könnten aus dieser Sicht wesentlich zur Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs in der Europäischen Union beitragen (EuGH, a. a. O. - zitiert nach beck-online, Ziffern [27 f.] und [29]; so auch u. a. schon EuG, Urteil vom 22.5.2012, T-344/08, zitiert nach juris, Ziffer [128]).


In dem Urteil C-536/11 in Sachen Donau Chemie AG u.a. hatte der EuGH entschieden, dass eine nationale Bestimmung, die systematisch den Zugang zu Akten kartellrechtlicher Verfahren verbiete und so eine Einzelabwägung des Gerichtes unmöglich mache, mit EU-Recht unvereinbar sei. In Anbetracht der Bedeutung, die vor den nationalen Gerichten angestrengte Schadensersatzklagen für die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs in der Union hätten, könne die bloße Berufung auf eine Gefahr, dass durch den Zugang zu den für die Begründung dieser Klagen notwendigen Beweisen, die sich in den Akten eines wettbewerbsrechtlichen Verfahrens befinden, die Wirksamkeit eines Kronzeugenprogramms beeinträchtigt werden könnte, nicht genügen, um die systematische Verweigerung des Zugangs zu diesen Beweisen zu rechtfertigen. Nur wenn die Gefahr bestehe, dass ein bestimmtes Schriftstück konkret das öffentliche Interesse an der Wirksamkeit des nationalen Kronzeugenprogramms beeinträchtigen könnte, könne die Nichtweitergabe dieses Schriftstücks gerechtfertigt sein (vgl. EuGH, Urteil vom 6.6.2013, C-536/11, EuZW 2013, 586, BB 2013, 1551 m. BB-Komm. Kapp, EWS 2013, 288, RIW 2013, 461 - zitiert nach beck-online, Ziffern [43], [46] und [48]).


Nach der aktuellen Gesetzeslage liegt demnach kein Fall des § 477 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 StPO vor.


§ 478 Abs. 2 StOP steht der Aktenübermittlung ebenso wenig entgegen ...


d) ... e) Schließlich steht § 478 Abs. 2 StPO der seitens der Staatsanwaltschaft Düsseldorf beabsichtigten Übersendung der Akte nicht entgegen.


Nach § 478 Abs. 2 StPO dürfen Auskünfte aus beigezogenen Akten, die nicht Aktenbestandteil sind, nur erteilt werden, wenn der Antragsteller die Zustimmung der Stelle nachweist, um deren Akten es sich handelt; Gleiches gilt für die Akteneinsicht.


Sowohl bei dem durch das Bundeskartellamt der Staatsanwaltschaft in Kopie übersandten Bonusantrag der Antragstellerinnen zu 1. bis 4. vom 19.1.2006 als auch bei dem in der Akte befindlichen Teilauszug der vertraulichen Entscheidung der Kommission vom 21.2.2007 (Bl. 61 bis 86) handelt es sich nicht um beigezogene Akten oder Teile daraus, sondern um Bestandteile der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Düsseldorf in dem Verfahren 130 Js 14/07. Denn werden etwa Verfahren miteinander verbunden oder aus beigezogenen Akten Fotokopien gefertigt und diese dann zu den Akten des Strafverfahrens genommen, so sind sie nun Bestandteil der jeweiligen Strafakte. Dementsprechend trägt nun die für die Auskunftserteilung bzw. Akteneinsicht zuständige Stelle die Verantwortung auch hinsichtlich der zum Aktenbestandteil gewordenen Daten (vgl. SK-StPO, a. a. O., § 478 Rdnr. 13; Meyer-Goßner, a. a. O., § 478 Rdnr. 3).


Dass der seitens des Bundeskartellamtes in Kopie übersandte Bonusantrag der Antragstellerinnen zu 1. bis 4. zum Bestandteil der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte geworden ist, folgt auch aus der Bekanntmachung Nr. 9/2006 vom 7.3.2006, der sog. Bonusregelung des Bundeskartellamtes. Dort heißt es unter Randnummer 24, dass das Bundeskartellamt das Verfahren gegen eine natürliche Person nach § 41 OWiG an die Staatsanwaltschaft abgeben muss, wenn es sich bei der Tat um eine Straftat (insbesondere nach § 298 StGB) handelt. Die hier erfolgte Abgabe des Verfahrens kann demnach nur dazu führen, dass die im Zuge der Abgabe übersandten Dokumente, noch dazu in Kopie, insoweit nicht mehr zu einem Verfahren des Bundeskartellamtes gehören, sondern Teil des nunmehr bei der Staatsanwaltschaft anhängigen Verfahrens sind. Dass das Bundeskartellamt bezüglich des Verfahrens betreffend die juristischen Personen gegebenenfalls noch zuständig geblieben ist, kann hieran nichts ändern.


... wie Nr. 186 Abs. 3 S. 2 RiStBV ...


Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Nr. 186 Abs. 3 S. 2 RiStBV, wonach in Akten einer anderen Verwaltung nur mit deren ausdrücklicher Zustimmung Einsicht gewährt werden darf, deren Nachweis dem Antragsteller obliegt. Denn die seitens des Bundeskartellamtes übersandten Kopien des Bonusantrages der Antragstellerinnen zu 1. bis 4. sind bei Abgabe des Verfahrens an die Staatsanwaltschaft Düsseldorf - wie bereits ausgeführt - nicht mehr Akten einer anderen Verwaltung, hier des Bundeskartellamtes. Eine Zustimmung des Bundeskartellamtes ist daher vor einer Akteneinsicht an das LG Berlin nicht erforderlich.


Entsprechendes gilt für den Teilauszug aus der vertraulichen Entscheidung der Kommission vom 21.2.2007. Dieser Teil ist sowohl der Staatsanwaltschaft Düsseldorf als auch dem LKA NRW per E-Mail übersandt worden. Notwendigerweise sind die Ausdrucke der Entscheidung nach Beifügung zum Sonderband „EU-Kommission/Entscheidung" und zum Sonderheft 1 „Entscheidung EU-Kommission" Teil der dort geführten Ermittlungen bzw. der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte geworden.


In dem Gesetzesentwurf zum Strafverfahrensänderungsgesetz 1999 heißt es in diesem Zusammenhang: „Werden etwa Verfahren miteinander verbunden oder aus herangezogenen Akten Fotokopien gefertigt und diese dann zu den Akten des Strafverfahrens genommen, ist eine Zustimmung nicht erforderlich. Die nach Absatz 1 zuständige Stelle trägt dann jedoch die Verantwortung für die Entscheidung auch bezüglich der Aktenbestandteil gewordenen Informationen. Sie hat insbesondere zu prüfen, ob der Informationsübermittlung aus diesen Aktenteilen besondere spezialgesetzliche Verwendungsregelungen, die etwa mit der ursprünglichen Informationserhebung zu anderen Zwecken zusammenhängen, z. B. nach der AO oder dem SGB, entgegenstehen. Meint die nach Absatz 1 entscheidungsbefugte Stelle, dies nicht hinreichend beurteilen zu können, so ist es ihr unbenommen, die Entscheidung von einer Zustimmung der Stelle abhängig zu machen, aus deren Akten diese Aktenteile stammen" (vgl. BT-Drucks. 14/1484, Seite 30). Danach besteht also keine Verpflichtung, etwa die Zustimmung des Bundeskartellamtes oder der Kommission vorab einzuholen (vgl. insoweit auch Meyer-Goßner, a. a. O., § 478 Rdnr. 3, wonach die nach Absatz 1 zuständige Stelle ihre Zustimmung von der die Informationen ursprünglich erhebenden Stelle abhängig machen darf). Anhaltspunkte dafür, dass die Staatsanwaltschaft Düsseldorf der Meinung war, nicht hinreichend beurteilen zu können, ob die Voraussetzungen einer Übermittlung der Akte an das LG Berlin gegeben sind, liegen nicht vor. Vielmehr hat sie das Vorliegen der Voraussetzungen ausweislich des Vermerks vom 13.06.2013 umfassend geprüft. Dass sie im Rahmen ihrer Prüfung keine Notwendigkeit sah, etwa eine Zustimmung des Bundeskartellamtes einzuholen, ist nach alledem nicht zu beanstanden.


... und Art. 5 der sog. EU-Transparenzverordnung


Eine Einschränkung im vorliegenden Falle ergibt sich auch nicht etwa aus Art. 5 der sogenannten EU-Transparenzverordnung (Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30.5.2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission). Gemäß Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 soll ein Mitgliedsstaat, wenn ihm ein Antrag auf ein in seinem Besitz befindliches Dokument zugeht, das von einem Organ stammt, das betreffende Organ konsultieren, um eine Entscheidung zu treffen, die die Verwirklichung dieser Verordnung nicht beeinträchtigt, es sei denn, es ist klar, dass das Dokument verbreitet werden muss bzw. nicht verbreitet werden darf. Unabhängig davon, dass in den Gründen zu der Verordnung Nr. (4) ausgeführt ist, dass diese Verordnung dem Recht auf Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten größtmögliche Wirksamkeit verschaffen soll und hier nicht etwa eine Privatperson Einsicht in ein Dokument der Kommission begehrt, sondern ein Gericht als staatliche Stelle, ist in den Gründen Nr. (16) ausgeführt, dass bestehende Rechte der Mitgliedstaaten sowie der Justiz- oder Ermittlungsbehörden auf Zugang zu Dokumenten von dieser Verordnung nicht berührt werden. Da ein solches Recht - wie oben ausgeführt - nach § 474 ff. StPO besteht, kann sich auch aus Art. 5 der Transparenzverordnung keine Beschränkung ergeben.


f) Nach alledem waren auch die Anträge der Antragstellerinnen auf Aufhebung der Verfügung bzw. des Vermerks der Staatsanwaltschaft Düsseldorf vom 13.6.2013 als unbegründet zurückzuweisen ...



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