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Wirtschaftsrecht
26.10.2023
Wirtschaftsrecht
OLG Düsseldorf: Recht auf Vergessenwerden – Kein schematischer Auslistungsanspruch nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO gegenüber einer juristischen Datenbank und Suchmaschine (dejure.org) wegen der Verknüpfung bei namensbezogenen Suchanfragen

OLG Düsseldorf, Urteil vom 5.10.2023 – I-16 U 127/22

Volltext: BB-Online BBL2023-2498-1

unter www.betriebs-berater.de

Leitsätze des Einsenders*

1. Gegen eine juristische Datenbank und Suchmaschine (hier: dejure.org) besteht kein schematischer Auslistungsanspruch nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO („Recht auf Vergessenwerden“) wegen der Verknüpfung von Inhalten (hier: Gerichtsentscheidungen) bei namenbezogenen Suchanfragen. Vielmehr bedarf es stets einer umfassenden Grundrechtsabwägung (hier: Grundrechte des Betroffenen, der verantwortlichen Stelle, Dritter und Nutzer). Maßgeblich ist die Charta der Grundrechte der Europäischen Union.

2. Wendet sich ein Betroffener gegen die Wirkung namensbezogener Suchanfragen im Hinblick auf – mit der Namenseingabe verknüpfte – Suchergebnisse, kommt es für die Gewichtung der damit verbundenen Grundrechtseinschränkungen maßgeblich auf die Wirkung der Verbreitung der mit dem Namen verknüpften Inhalte an.

3. Welche Bedeutung dem Verstreichen von Zeit für die spätere Geltendmachung eines Schutzanspruchs gegenüber einer ursprünglich rechtmäßigen Veröffentlichung zukommt, lässt sich nur unter Erfassung des konkreten Schutzbedarfs des Betroffenen in Abwägung mit den entgegenstehenden Grundrechten und der öffentlichen Bedeutung der fraglichen Informationen beurteilen. Nicht möglich ist es einen durch Zeitablauf entstehenden Schutzanspruch unter schematischer Übernahme anderweitig geregelter Verwendungs-, Veröffentlichungs- oder Löschungspflichten zu bestimmen  (etwa des Bundeszentralregistergesetzes).

4. Die sich aus der Konzentrations-Verordnung über Ansprüche aus Veröffentlichungen NRW ergebende Zuständigkeitskonzentration für „Streitigkeiten über Ansprüche aus Veröffentlichungen“ gilt nur für äußerungsrechtliche Streitigkeiten, bei denen es um die sichtbare Verbreitung bestimmter Informationen im öffentlichen Raum und dabei vornehmlich um Form und Inhalt der Veröffentlichung selbst geht. Hiervon zu unterscheiden sind datenschutzrechtliche Ansprüche. Diese knüpfen nicht an Äußerungen, sondern an die Verarbeitung personenbezogener Daten an.

* Die Entscheidung wurde eingesandt von Thomas Ch. Gramespacher, RA, Bonn, der auf Seiten der Beklaten und Brufungsklägerin an dem Verfahren beteiligt war.

Aus den Gründen

 

I. Der Kläger begehrt von der Beklagten, die eine juristische Datenbank beziehungsweise Suchmaschine – dejure.org – betreibt, die Gesetze und Rechtsprechung nachweist, die Auslistung von Suchergebnissen, die bei Eingabe seines Nachnamens in der Suchmaske angezeigt werden.

 

Der Kläger ist als ... freiberuflich als öffentlich bestellter und vereidigter ... tätig. Vor dieser Tätigkeit hatte er verschiedene kommunale Spitzenpositionen inne. Zuletzt war er gewählter technischer Beigeordneter der Stadt .... Von diesem Amt suspendierte ihn der Bürgermeister der Stadt am ... 2010 wegen des Verdachts der Vorteilsannahme. Das Verwaltungsgericht ... hob diese Suspendierung mit Beschluss vom ... 2010 zwar auf. Vor einer Rückkehr des Klägers in den Dienst suspendierte der Bürgermeister den Kläger im Hinblick auf ein inzwischen eingeleitetes strafrechtliches Ermittlungsverfahren jedoch erneut. Die Staatsanwaltschaft klagte den Kläger vor der 4. Großen Strafkammer des Landgerichts ... wegen des Verdachts der Vorteilsannahme an. Die Strafkammer verurteilte ihn wegen dieses Vorwurfs am ... 2013 zu einer Geldstrafe von ... Tagessätzen zu ... €. Das Gericht sah die Vorteilsannahme darin, dass der Kläger bei Beauftragung einer privaten Handwerkerleistung einen Rabatt von 25 % von dem von ihm beauftragten Handwerker eingeräumt erhielt. Dieser Handwerker war auch für die Stadt ... tätig und erhoffte sich von der Stadt weitere Aufträge. Am ... 2014 wählte der Rat der Stadt ... den Kläger als Beigeordneten ab. Der Bundesgerichtshof verwarf die Revision des Klägers gegen das landgerichtliche Urteil im ... 2014. Im Rahmen seines geschäftlichen Internetauftritts unter der URL „...“ wirbt der Kläger bis heute mit „... Spitzenpositionen ...“, die er innegehabt habe.

 

Wird in der Suchmaske der von der Beklagten betriebenen Suchmaschine der Name des Klägers („...“) eingegeben, erscheinen sowohl im sogenannten Live-Suchergebnis während des Eingabevorgangs wie auch bei abgeschlossener Eingabe zwei Treffer wie aus den Anlagen ... ersichtlich. Es handelt sich dabei um Verlinkungen auf Fundorte der beiden gerichtlichen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts und des Landgerichts ..., die den Kläger betreffen. Unter der angegebenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts .... heißt es erläuternd: „... obsiegt im Eilverfahren“. Unter der Entscheidung des Landgerichts ... heißt es: „... wegen Korruption verurteilt“. Werden die jeweiligen Verlinkungen aufgerufen, werden in einem neuen Fenster Fundorte der Entscheidungen im Internet sowie darauf bezogene Sekundärquellen wie Zeitungsartikel in Form von Verlinkungen angezeigt. Die Nachweisseiten der Beklagten sind nicht bei anderen Suchmaschinen indiziert oder über Google recherchierbar.

 

Mit einem anwaltlichen Schreiben vom 6. Juli 2021 wandte sich der Kläger an die Beklagte und machte unter Hinweis auf den Datenbanknachweis der Entscheidung des Landgerichts ... vom ... 2013 geltend, dass ihn die identifizierenden Einträge in der Datenbank in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzten. Er forderte die Beklagte auf, sämtliche identifizierenden Einträge über ihn, die das Strafverfahren beziehungsweise seine Verurteilung betreffen, bis zum 12. Juli 2021 aus der Datenbank zu entfernen oder so abzuändern, dass seine Identifizierung nicht mehr möglich ist.

 

Der Geschäftsführer G. der Beklagten antwortete auf das Anwaltsschreiben mit E-Mail vom 14. Juli 2021. Er lehnte es ab, dem Begehren des Klägers vollständig zu entsprechen. Als Kompromiss bot er aber an, bei den Verlinkungen auf die vollständige Namensangabe des Klägers zu verzichten und stattdessen nur noch dessen Initialen anzugeben. Die Beklagte setzte diese Veränderung der Verlinkung danach auch um. Unverändert blieb aber die Funktionalität der Suchfunktion, wonach bei Eingabe des Namens des Klägers im Suchfeld sowohl in der Livesuche wie auch beim endgültigen Suchergebnis die gerichtlichen Entscheidungen des Verwaltungs- und des Landgerichts ... angezeigt werden.

 

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass die Anzeige der entsprechenden Suchergebnisse in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht eingreife. Infolge des Zeitablaufs gewinne sein Recht, „in Ruhe gelassen zu werden“, an Bedeutung und trete das öffentliche Interesse der Berichterstattung in den Hintergrund. Er könne sich auch auf einen Löschungsanspruch aus Art. 17 Abs. 1 Buchst. d) DS-GVO stützen, was er hilfsweise tue.

 

Der Kläger hat beantragt,

 

die Beklagte zu verurteilen, es bei Meldung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgelds von bis 5.001,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten – zu vollstrecken an den Geschäftsführern – zu unterlassen, im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland bei Eingabe des Suchwortes »....« in die Datenbanksuchmaschine der Beklagten unter www.dejure.org das aus den Anlagen ... ersichtliche Suchergebnis aufzuzeigen. ...

 

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass dem Kläger der von ihm geltend gemachte Anspruch nicht zustehe. Sein Begehren richte sich ausschließlich nach Art. 17 DS-GVO. Eine Löschung könne er danach jedoch nicht verlangen, weil er sich bei einer Abwägung der widerstreitenden Positionen nicht auf ein Recht auf Vergessen berufen könne. Die Vorgänge um den Inhaber eines öffentlichen Amtes gehörten zu den Annalen des Amtes und nicht allein zur persönlichen Biografie des Amtsträgers. Auf ein Recht auf Vergessen könnten sich Inhaber von Spitzenpositionen in der Verwaltung nicht gleichermaßen stützen wie Privatpersonen. Die Vorgänge, um die es gehe, spielten zudem in der Sozialsphäre. Aus den verlinkten Quellen ergebe sich überdies ein insgesamt entlastendes Bild für den Kläger. Schließlich sei bei der Abwägung zu berücksichtigen, dass der Kläger seine frühere Tätigkeit im kommunalen Bereich bis heute im Internet selbst referenziere und dass derjenige, der in einer juristischen Suchmaschine im Internet eine Namenssuche durchführe, um die Vergangenheit des Gesuchten wisse.

 

Das Landgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 15. Juni 2022 wie vom Kläger beantragt verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass sich ein Anspruch des Klägers auf Auslistung aus Art. 17 Abs. 1 DS-GVO ergebe. Das folge aus einer Abwägung der in diese einzustellenden Rechtspositionen. Der Kläger könne sich für die Auslistung auf die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens aus Art. 7 GRCh und auf Schutz personenbezogener Daten aus Art. 8 GRCh berufen. Aufseiten der Beklagten sei deren Recht auf unternehmerische Freiheit aus Art. 16 GRCh in die Abwägung einzustellen. Auf das Grundrecht zur freien Meinungsäußerung gemäß Art. 11 GRCh könne sich die Beklagte demgegenüber nicht berufen, weil ihr Dienst nicht die Verbreitung bestimmter Meinungen bezwecke. In die Abwägung einzustellen seien aber noch die Grundrechte der von der Beklagten verlinkten Inhalteanbieter sowie die Zugangsinteressen der Internetnutzer. Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung falle die unter Berücksichtigung dieser Positionen vorzunehmende Abwägung zugunsten des Klägers aus. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass Personen, die um die Funktionalität der Suchmaschine der Beklagten wüssten, in diese den Namen des Klägers eingeben würden, um allgemein Erkundigungen über ihn einzuholen. Zu seinen Gunsten sei aber zu berücksichtigen, dass er lediglich zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt worden sei und diese Strafe im Bundeszentralregister bereits nach fünf Jahren getilgt werde. Diese Wertung zeige, dass unter Berücksichtigung des Strafmaßes das Informationsinteresse nach einem gewissen Zeitablauf gänzlich zurücktrete. Ein fortdauerndes Informationsinteresse werde auch nicht dadurch begründet, dass der Kläger weiterhin ein öffentliches Amt bekleide. Die unternehmerische Freiheit der Beklagten trete demnach hinter das Interesse des Klägers zurück. Für die Recherche der verlinkten Entscheidungen bedürfe es nicht zwingend des Namens des Klägers, es genügten auch allgemeine Stichworte. Damit werde den Informationsinteressen der Internetnutzer sowie dem Interesse juristischer Datenbanken ausreichend Rechnung getragen.

 

 

Gegen diese rechtliche Bewertung wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie macht geltend, dass bereits der Inhalt des landgerichtlichen Tenors unklar sei, weil daraus nicht ersichtlich sei, zu welcher Unterlassung sie verpflichtet werde. Im Übrigen werde das landgerichtliche Urteil den Besonderheiten des Falles nicht gerecht, weil es nicht alle Abwägungsgesichtspunkte in den Blick genommen habe. Unzutreffend sei, dass sie sich nicht auf das Grundrecht auf Meinungsfreiheit solle berufen können. Art. 52 Abs. 3 GRCh schütze auch die Freiheit, Informationen weiterzugeben. Nicht ausreichend berücksichtigt habe das Landgericht, dass sie keine universelle Suchmaschine nach Art von Google betreibe. Ihre Datenbank sei vielmehr mit einem Spezialarchiv vergleichbar. Das Landgericht habe ferner berücksichtigen müssen, dass der Kläger eine öffentliche Person gewesen sei und die gegen ihn erhobenen Vorwürfe unmittelbar seine Amtsführung und damit öffentliche Tätigkeit betroffen hätten. Insoweit gebe es ein demokratiefreundliches Recht auf Erinnern. Ein Informationsinteresse bestehe nicht allein mit Blick auf das Strafverfahren und die Verurteilung des Klägers. Der Rückgriff des Landgerichts auf die Tilgungsfristen des BZRG sei insoweit verfehlt. Stattdessen habe es die von ihm nicht hinreichend beachteten Einzelfallumstände abwägen müssen. Zu diesen gehöre, dass der Kläger durch die begrenzte Reichweite ihrer Suchmaschine nicht immer wieder neu mit den vergangenen Vorgängen konfrontiert werde. ...

 

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil als zutreffend. Erstmals behauptet er, dass er massiv dadurch beeinträchtigt werde, dass man die streitgegenständlichen Datenbankeinträge bei der Beklagten finde. Er habe deshalb mehrere Aufträge nicht erhalten. Auch hätten wegen der Einträge Auftraggeber nicht mehr mit ihm zusammenarbeiten wollen. Im Übrigen ist er der Ansicht, dass die Beklagte das falsche Berufungsgericht angerufen habe.

 

Die Beklagte bestreitet das neue Berufungsvorbringen des Klägers mit Nichtwissen. ...

 

II. Die Berufung der Beklagten ist zulässig und auch begründet. Über sie ist ungeachtet der vom Kläger nach Schluss der mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 12. September 2023 erklärten Klagerücknahme noch zu befinden. Die Beklagte hat in die Klagerücknahme weder gemäß § 269 Abs. 1 ZPO noch nach § 269 Abs. 2 Satz 4 ZPO eingewilligt, sondern ihr mit Schriftsatz vom 14. September 2023 ausdrücklich widersprochen, so dass der Rechtsstreit weiterhin anhängig ist und die Wirkungen einer Klagerücknahme nach § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO nicht eingetreten sind.

 

1. Die Berufung der Beklagten ist auch insoweit zulässig, als sie beim Oberlandesgericht Düsseldorf eingelegt worden ist. Das von der Beklagten angerufene Oberlandesgericht ist das zuständige Berufungsgericht. Entgegen der Ansicht des Klägers ist in dieser Sache nicht das Oberlandesgericht Köln zuständig.

 

Zwar ist nach § 1 und § 3 Abs. 1 der nordrhein-westfälischen Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit zur Entscheidung über Berufungen und Beschwerden in Streitigkeiten über Ansprüche aus Veröffentlichungen durch Druckerzeugnisse, Bild und Tonträger jeder Art, insbesondere in Presse, Rundfunk, Film und Fernsehen (Konzentrations-Verordnung über Ansprüche aus Veröffentlichungen) vom 1. Oktober 2021 (GV. NRW. 2021, S. 1147) für die Bezirke aller Oberlandesgerichte in Nordrhein-Westfalen seit dem 1. Januar 2022 das Oberlandesgericht Köln für Verfahren ausschließlich zuständig, für die bei den Oberlandesgerichten gemäß § 119a Abs. 1 Nr. 5 GVG ein oder mehrere Senate gebildet werden müssen. Die Vorschrift des § 119a Abs. 1 Nr. 5 GVG erfasst, wie sich aus den Gesetzesmaterialien ergibt, auch Veröffentlichungen in digitalen Medien (vgl. BT-Drs. 19/13828, S. 22 f.). Die sich aus der Konzentrations-Verordnung ergebende Zuständigkeitskonzentration für „Streitigkeiten über Ansprüche aus Veröffentlichungen“ gilt jedoch, wofür der Wortlaut der Zuständigkeitsvorschrift und das Gesetzesverständnis des in Bezug genommenen § 119a Abs. 1 Nr. 5 GVG sprechen (vgl. insoweit auch BGH, Beschluss vom 6. Juni 2023 – VI ZB 75/22, juris, Rn. 14), nur für äußerungsrechtliche Streitigkeiten, bei denen es um die sichtbare Verbreitung bestimmter Informationen im öffentlichen Raum und dabei vornehmlich um Form und Inhalt der Veröffentlichung selbst geht (vgl. zu Letzterem BVerfG, Beschluss vom 6. November 2019 – 1 BvR 16/13, juris, Rn. 91). Hiervon zu unterscheiden sind datenschutzrechtliche Ansprüche. Diese knüpfen nicht an Äußerungen, sondern an die Verarbeitung personenbezogener Daten an.

 

Die Verknüpfung von Daten in der Suchmaschine eines Suchmaschinenbetreibers, wie sie der Kläger hier beanstandet, ist nicht der äußerungsrechtlichen Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuzuordnen, sondern dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung als eigenständigem Teilgehalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Es geht dem Kläger nicht um Form und Inhalt einer Veröffentlichung der Beklagten, sondern um eine dauerhafte Auslistung bestimmter Suchergebnisse aus deren Datenbank, mithin die Beendigung oder Unterlassung einer bestimmten Datenverarbeitung. Dieses Rechtsschutzbegehren wird nicht von dem durch Veröffentlichungen berührten äußerungsrechtlichen Teilgehalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und damit von §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG erfasst, für welche die Konzentrations-Verordnung gilt, sondern von den Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung.

 

2. Die zulässige Berufung ist auch begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Auslistung der streitgegenständlichen Ergebnislinks.

 

a) Ein entsprechender Anspruch des Klägers ergibt sich entgegen der Annahme des Landgerichts nicht aus Art. 17 Abs. 1 DS-GVO.

 

aa) Allerdings ist die Datenschutz-Grundverordnung zeitlich, sachlich und räumlich anwendbar.

 

(1) Sie gilt seit dem 25. Mai 2018 unmittelbar in jedem Mitgliedstaat der Europäischen Union.

 

(2) Die Tätigkeit einer Suchmaschine, die darin besteht, von Dritten ins Internet gestellte und dort veröffentlichte Informationen zu finden, automatisch zu indexieren, vorübergehend zu speichern und schließlich den Internetnutzern in einer bestimmten Reihenfolge zur Verfügung zu stellen, fällt, sofern die Informationen – wie hier – personenbezogene Daten enthalten, auch in den sachlichen Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung. Sie ist als automatisierte „Verarbeitung personenbezogener Daten“ im Sinne von Art. 4 Abs. 1 und 2 DS-GVO einzustufen. Als verantwortliche Stelle für die Verarbeitung von Daten in dem Index des Internet-Suchdienstes ist die Beklagte „Verantwortlicher“ im Sinne von Art. 4 Nr. 7 DS-GVO (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juli 2020 – VI ZR 405/18, juris, Rn. 13).

 

Die Tätigkeit der Beklagten unterfällt auch nicht der Öffnungsklausel nach Art. 85 DS-GVO i.V.m. der Bereichsausnahme des § 57 Abs. 1 Satz 4 RStV.

 

Zwar erwecken die vom Kläger mit den Anlagen ... vorgelegten Suchergebnisse den Eindruck, dass es sich nicht ausschließlich um die bloß automatisierte Auflistung fremder Informationen handelt. Die Verlinkung auf die beiden gerichtlichen Entscheidungen wird jeweils um knappe Hinweise auf deren Inhalt ergänzt, worin eine redaktionelle Bearbeitung gesehen werden kann. Eine Verarbeitung zu journalistischen Zwecken liegt darin nach Ansicht des Senats jedoch noch nicht. Eine solche setzt eine eigene journalistisch-redaktionelle Gestaltung voraus (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juli 2020 – VI ZR 405/18, juris, Rn. 14). Das verlangt über eine redaktionelle Bearbeitung hinaus eine damit verbundene eigene meinungsbildende Tätigkeit (vgl. auch BGH, Urteil vom 12. Oktober 2021 – VI ZR 488/19, juris, Rn. 12 ff.). Für eine publizistische Zielsetzung (siehe dazu EuGH, Urteil vom 14. Februar 2019 – C-345/17, juris, Rn. 53-69; BGH, Urteil vom 22. Februar 2011 – VI ZR 115/09, juris, Rn. 26; OLG Koblenz, Beschluss vom 12. April 2021 – 4 W 108/21, juris, Rn. 4) des Angebots der Beklagten ist jedoch weder etwas vorgetragen noch ersichtlich. Die Beklagte nimmt eine solche für sich nicht in Anspruch. Sie gibt an, im Rechtsprechungsbereich nach dem Prinzip einer Nachweisdatenbank zu arbeiten. Selbst beschreibende Texte zu den verlinkten Gerichtsentscheidungen werden nach ihren Angaben in der Klageerwiderung jedenfalls zum Teil aus anderen Quellen übernommen.

 

(3) Der räumliche Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung folgt schließlich aus Art. 3 Abs. 1 DS-GVO. Die Beklagte hat ihren Sitz in Deutschland.

 

bb) Nach bisheriger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist das auf dauerhafte Auslistung der beanstandeten Suchergebnisse gerichtete Rechtsschutzbegehren des Klägers grundsätzlich von Art. 17 Abs. 1 DS-GVO erfasst. Dabei kommt es nicht darauf an, wie das Begehren technisch umzusetzen ist. Dem Art. 17 Abs. 1 DS-GVO unterfällt das Auslistungsrecht der von einer Suchmaschine betroffenen Person unabhängig von seiner technischen Umsetzung (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juli 2020 – VI ZR 405/18, juris, Rn. 17). Das in der Vorschrift niedergelegte „Recht auf Löschung“ ist schon aufgrund der für den Betroffenen letztlich unwägbaren und zudem stetem Entwicklungsfortschritt unterworfenen technischen Voraussetzungen der beanstandeten Datenverarbeitung nicht auf das schlichte Löschen von Daten zu verengen (BGH, Urteil vom 27. Juli 2020 – VI ZR 405/18, juris, Rn. 17). Das Auslistungsrecht kann daher – wie hier durch den Kläger – nach bisher herrschender Auffassung auch als Unterlassungsbegehren formuliert werden (siehe OLG München, Urteil vom 22. März 2022 – 18 U 1697/21 Pre, juris, Rn. 6).

 

Ob die Beantwortung der dem Gerichtshof der Europäischen Union vom Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 26. September 2023 – VI ZR 97/22 – zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen beizeiten zu einer anderen Sichtweise Anlass geben wird, kann hier dahinstehen. Im vorliegenden Fall liegen die materiellen Voraussetzungen für einen Auslistungsanspruch des Klägers aus Art. 17 Abs. 1 DS-GVO nicht vor.

 

(1) Nach Art. 17 Abs. 1 Buchst. a) bis d) DS-GVO steht der betroffenen Person der Anspruch zu, wenn die personenbezogenen Daten für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig sind oder die betroffene Person Widerspruch gegen die Verarbeitung ihrer Daten eingelegt hat und keine vorrangigen berechtigten Gründe für die Verarbeitung vorliegen oder die personenbezogenen Daten unrechtmäßig verarbeitet wurden. Einer binnendifferenzierten Prüfung der genannten Anspruchsvarianten bedarf es allerdings nicht, weil Art. 17 Abs. 1 DS-GVO insgesamt nicht gilt, soweit Art. 17 Abs. 3 Buchst. a) DS-GVO eingreift (BGH, Urteil vom 27. Juli 2020 – VI ZR 405/18, juris, Rn. 23).

 

Ein Auslistungsanspruch des Klägers ist ausgeschlossen, wenn die von der Beklagten vorgenommene Datenverarbeitung nach den relevanten Umständen des Einzelfalls gemäß Art. 17 Abs. 3 Buchst. a) i.V.m. Art. 6 Abs. 1 Buchst. f), Art. 21 Abs. 1 Satz 2 DS-GVO zur Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information erforderlich ist. Das Recht auf Schutz personenbezogener Daten ist kein uneingeschränktes Recht, sondern ist im Hinblick auf seine gesellschaftliche Funktion zu sehen und muss unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gegen andere Grundrechte abgewogen werden. Diese Grundrechtsabwägung ist auf der Grundlage aller relevanten Umstände des Einzelfalls und unter Berücksichtigung der Schwere des Eingriffs in die Grundrechte des Klägers als betroffener Person einerseits, der Grundrechte der Beklagten, der Interessen ihrer Nutzer und der Öffentlichkeit sowie der Grundrechte der Anbieter der in den Ergebnislinks nachgewiesenen Inhalte andererseits umfassend vorzunehmen (siehe BGH, Urteile vom 27. Juli 2020 – VI ZR 405/18, juris, Rn. 23, und vom 3. Mai 2022 – VI ZR 832/20, juris, Rn. 16). Geboten ist eine einheitliche Gesamtabwägung der widerstreitenden Grundrechte, die alle nach den Umständen des Streitfalls aufgeworfenen Einzelaspekte berücksichtigt (siehe BGH, Urteile vom 27. Juli 2020 – VI ZR 405/18, juris, Rn. 24, und vom 3. Mai 2022 – VI ZR 832/20, juris, Rn. 17).

 

Im Bereich der – wie hier – unionsrechtlich vollständig vereinheitlichten Regelungen sind für die Abwägung nicht die Grundrechte des Grundgesetzes, sondern allein die Unionsgrundrechte maßgeblich. Maßstab sind daher die Grundrechte aus der Charta der Grundrechte der Europäischen Union.

 

(2) Dies zugrunde gelegt, sind aufseiten des Klägers seine Grundrechte auf Achtung des Privatlebens aus Art. 7 GRCh und auf Schutz personenbezogener Daten aus Art. 8 GRCh in die Abwägung einzustellen. Die Gewährleistungen der Art. 7 und Art. 8 GRCh sind dabei eng aufeinander bezogen. Jedenfalls soweit es um die Verarbeitung personenbezogener Daten geht, bilden diese beiden Grundrechte eine einheitliche Schutzverbürgung (BGH, Urteil vom 3. Mai 2022 – VI ZR 832/20, juris, Rn. 20). Art. 7 und 8 GRCh schützen vor der Verarbeitung personenbezogener Daten und verlangen die "Achtung des Privatlebens". Unter personenbezogenen Daten werden dabei alle Informationen verstanden, die eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person betreffen. Demnach ist das Recht auf Achtung des Privatlebens nicht eng zu verstehen und beschränkt sich insbesondere nicht auf höchstpersönliche oder besonders sensible Sachverhalte (BGH, Urteil vom 3. Mai 2022 – VI ZR 832/20, juris, Rn. 20 m.w.N.).

 

Aufseiten der Beklagten als Suchmaschinenverantwortlicher ist ihr Recht auf unternehmerische Freiheit aus Art. 16 GRCh einzustellen. Demgegenüber kann sie sich nach herrschender Auffassung (vgl. BGH, Urteil vom 3. Mai 2022 – VI ZR 832/20, juris, Rn. 21 m.w.N.; a.A. z.B. Jarass, in: ders., Charta der Grundrechte der EU, 4. Aufl., Art. 11 Rn. 13) für die Verbreitung von Suchnachweisen nicht auch auf Art. 11 GRCh berufen. Ein zugunsten der Beklagten ausfallendes Abwägungsergebnis ergibt sich allerdings auch ohne Rückgriff auf Art. 11 GRCh, so dass die Streitfrage dahinstehen kann. Denn in die Abwägung einzustellen sind auch die Rechte der verlinkten Inhalteanbieter sowie die Informationsinteressen der Suchmaschinennutzer (siehe BGH, Urteil vom 3. Mai 2022 – VI ZR 832/20, juris, Rn. 21 m.w.N.).

 

Grundlage der Abwägung ist die Würdigung des Vorgehens des Suchdienstes der Beklagten als für sich stehender Akt der Datenverarbeitung, der folglich auch hinsichtlich der damit verbundenen Grundrechtseinschränkungen eigenständig zu beurteilen und eigenständig abzuwägen ist (vgl. BGH, Urteil vom 3. Mai 2022 – VI ZR 832/20, juris, Rn. 29).

 

Im Rahmen der Abwägung ist zu berücksichtigen, dass das Internet ohne die Hilfestellung einer Suchmaschine aufgrund der nicht mehr überschaubaren Flut von Daten für den Einzelnen nicht sinnvoll nutzbar wäre. Letztlich ist damit die Nutzung des Internets insgesamt auf die Existenz und Verfügbarkeit von Suchmaschinen angewiesen, deren Geschäftsmodell daher von der Rechtsordnung gebilligt worden und gesellschaftlich erwünscht ist. Auf der Kehrseite hat die Tätigkeit von Suchmaschinen maßgeblichen Anteil an der weltweiten Verbreitung personenbezogener Daten, da sie diese jedem Internetnutzer zugänglich macht, der eine Suche anhand des Namens der betroffenen Person durchführt, und zwar auch denjenigen, die die Webseite, auf der diese Daten veröffentlicht sind, sonst nicht gefunden hätten. Dies kann dazu führen, dass die Nutzer der Suchmaschine mit der Ergebnisliste einen strukturierten Überblick über die zur betreffenden Person im Internet zu findenden Informationen erhalten, anhand dessen sie ein mehr oder weniger detailliertes Profil der Person erstellen können. Vor diesem Hintergrund ist das Gewicht allein der wirtschaftlichen Interessen des Suchmaschinenverantwortlichen grundsätzlich nicht hinreichend schwer, um den Schutzanspruch Betroffener zu beschränken. Demgegenüber haben das Informationsinteresse der Öffentlichkeit sowie die einzubeziehenden Grundrechte Dritter größeres Gewicht (BGH, Urteile vom 27. Juli 2020 – VI ZR 405/18, juris, Rn. 40, und vom 3. Mai 2022 – VI ZR 832/20, juris, Rn. 29).

 

(3) Da sich der Kläger mit der Fassung seines Klageantrags gegen die Wirkung namensbezogener Suchanfragen im Hinblick auf zwei mit der Namenseingabe verknüpfte Suchergebnisse wendet, kommt es für die Gewichtung der damit verbundenen Grundrechtseinschränkungen maßgeblich auf die Wirkung der Verbreitung der mit dem Namen verknüpften Gerichtsentscheidungen und der kurzen, ihren Inhalt beschreibenden Texte an (vgl. BGH, Urteile vom 27. Juli 2020 – VI ZR 405/18, juris, Rn. 42, und vom 3. Mai 2022 – VI ZR 832/20, juris, Rn. 34). In den Blick zu nehmen sind die Wirkungen der Verbreitung für die Persönlichkeitsentfaltung, wie sie sich spezifisch aus den Suchnachweisen ergeben. Dabei ist auch die leichte und fortdauernde Zugänglichkeit der nachgewiesenen Informationen durch die Suchmaschine in Rechnung zu stellen. Ferner ist der Bedeutung der Zeit zwischen der ursprünglichen Veröffentlichung der Gerichtsentscheidungen und ihrem späteren Nachweis Rechnung zu tragen (vgl. BGH, Urteile vom 27. Juli 2020 – VI ZR 405/18, juris, Rn. 42, und vom 3. Mai 2022 – VI ZR 832/20, juris, Rn. 34).

 

Nach diesen Grundsätzen haben die Grundrechte des Klägers hinter den Grundrechten der Beklagten und den in deren Waagschale zu legenden Interessen ihrer Nutzer, der Öffentlichkeit und der für die verlinkten Inhalte Verantwortlichen zurückzutreten.

 

(a) Für eine bedeutende Breitenwirkung der mit dem Nachnamen des Klägers verknüpften Suchergebnisse fehlt es an Anhaltspunkten. Die Beklagte spricht mit ihrem Angebot – anders als etwa Google, Bing oder Ecosia – gerade nicht jeden Internetnutzer an, sondern richtet sich an ein Fachpublikum und ausgewählte Interessierte. Nach den tatbestandlichen Feststellungen des Landgerichts dient die Suchmaschine der Beklagten „in erster Linie speziellen Bedürfnissen von Journalisten“. Eine Namenssuche wird hier – worauf die Beklagte zutreffend hinweist – regelmäßig nur derjenige unternehmen, der zumindest in Erwägung zieht, Ergebnisse mit Bezug zu bestimmten gerichtlichen Verfahren angezeigt zu bekommen. Die mit dem Namen des Klägers verknüpften Informationen werden überdies nicht skandalisierend, sondern nüchtern präsentiert. Die Nachweisseiten der Beklagten sind nicht bei anderen Suchmaschinen indiziert oder über Google recherchierbar. Überdies wird der vollständige Nachname des Klägers in den Suchergebnissen gemäß der Anlagen ... selbst nicht (mehr) genannt. Soweit der Kläger demgegenüber – erstmals in der Berufungsinstanz – besondere Beeinträchtigungen gerade durch die mit seinem Namen verknüpften Suchergebnisse behauptet, bleibt dieses Vorbringen unsubstantiiert und beweislos. Der Kläger hat seinen Vortrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat insoweit auch nicht mehr ergänzt.

 

(b) Auch der Zeitfaktor verleiht der Grundrechtsposition des Klägers derzeit noch kein Gewicht, das die Abwägung zu seinen Gunsten entscheidet. Welche Bedeutung dem Verstreichen von Zeit für die spätere Geltendmachung eines Schutzanspruchs gegenüber einer ursprünglich rechtmäßigen Veröffentlichung zukommt, lässt sich nur unter Erfassung des konkreten Schutzbedarfs des Betroffenen in Abwägung mit den entgegenstehenden Grundrechten und dabei zugleich der öffentlichen Bedeutung der fraglichen Informationen beurteilen (BGH, Urteil vom 3. Mai 2022 – VI ZR 832/20, juris, Rn. 35). Je stärker die Verbreitung des Zurückliegenden das Privatleben und die Entfaltungsmöglichkeiten der Person als ganze beeinträchtigen, desto größeres Gewicht kann einem Schutzanspruch zukommen. Soweit Berichte – oder hier Gerichtsentscheidungen – sich mit dem Verhalten einer Person in der Sozialsphäre befassen, kann ihrer Zugänglichkeit auch langfristig eher Gewicht zukommen, als wenn sie allein von privatem Fehlverhalten handeln (BGH, Urteil vom 3. Mai 2022 – VI ZR 832/20, juris, Rn. 36). Maßgeblich ist insoweit nicht zuletzt auch das öffentliche Interesse an der fortdauernden Erreichbarkeit der Informationen (BGH, Urteil vom 3. Mai 2022 – VI ZR 832/20, juris, Rn. 36). Zurückliegende Ereignisse können auch dadurch eine fortdauernde Bedeutung behalten, dass sie durch nachfolgende Begebenheiten eine neue Relevanz erhalten (BGH, Urteil vom 3. Mai 2022 – VI ZR 832/20, juris, Rn. 37). Des Weiteren kann zu berücksichtigen sein, dass der Betroffene zwischenzeitlich selbst dazu beigetragen hat, das Interesse an den Ereignissen wachzuhalten. Hat ein Betroffener die Öffentlichkeit gesucht und ohne Not Aufmerksamkeit erzeugt, die das Interesse an dem ursprünglichen Geschehen – und damit hier auch an den dazu ergangenen Gerichtsentscheidungen – reaktualisiert, kann sein Interesse, von einer Konfrontation damit verschont zu bleiben, entsprechend geringer zu gewichten sein (BGH, Urteil vom 3. Mai 2022 – VI ZR 832/20, juris, Rn. 38).

 

Nach diesen Maßgaben kommt dem Zeitfaktor für die Beurteilung der Grundrechtseinschränkung nicht die Bedeutung zu, welche das Landgericht ihm beigemessen hat. Die in der Suchmaschine nachgewiesenen gerichtlichen Entscheidungen betreffen den Kläger nicht in seiner Privat-, sondern in seiner Sozialsphäre. Der Kläger war als Wahlbeamter nicht nur ein Amtsträger, sondern auch eine Person des öffentlichen Lebens. Soweit solche Personen im Rahmen ihrer Funktion handeln – und bei der sich in der Sozialsphäre abspielenden Straftat der Vorteilsannahme besteht ein dienstlicher Bezug –, müssen sie stärkere Eingriffe in ihr Recht auf Achtung des Privatlebens aus Art. 7 GRCh und die im Hinblick auf die Verarbeitung personenbezogener Daten eine einheitliche Schutzverbürgung enthaltenden Art. 7 und Art. 8 GRCh hinnehmen. Insoweit können letztlich keine anderen Maßstäbe gelten als beim allgemeinen Persönlichkeitsrecht nach deutschem Recht. Umgekehrt hat der Kläger – wie ausgeführt – nicht substantiiert dargetan, dass die Nachweise in der Datenbank der Beklagten ihn auch in seinem Privatleben und in seinen Entfaltungsmöglichkeiten als Privatperson beeinträchtigen, zumal die Namenssuche dort nicht zu reißerischer Berichterstattung führt, sondern – wie aus den Anlagen ... ersichtlich – zur Anzeige von zwei Gerichtsentscheidungen.

 

Der daraus folgenden geringeren Schutzbedürftigkeit des Klägers steht ein öffentliches Informationsinteresse von nach wie vor großem Gewicht gegenüber. Die Aufklärung und die Information über Fehlverhalten öffentlicher Amtsträger sind wichtig. An ihr hat die Gesellschaft aus generalpräventiven Gründen ein besonderes Interesse, auch daran, die Erinnerung daran wach zu halten. Da die von der Beklagten angebotene Suchmaschine nach den tatbestandlichen Feststellungen des Landgerichts „in erster Linie speziellen Bedürfnissen von Journalisten dient“, kommt diesem Aspekt hier nochmals besondere Bedeutung zu. Für Journalisten sind Recherchemöglichkeiten wie die von der Beklagten angebotene von Wert, unter anderem, um Ereignisse gegebenenfalls noch nach Jahren richtig einordnen und bewerten zu können.

 

Es kommt hinzu, dass das landgerichtliche Strafurteil aktuell – zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat – noch keine zehn Jahre zurückliegt und dass das Disziplinarverfahren, das aufgrund des zugrunde liegenden Sachverhalts der Vorteilsannahme gegen den Kläger eingeleitet worden ist, möglicherweise immer noch nicht, jedenfalls aber noch nicht lange abgeschlossen ist. Dem entsprechenden Vorbringen der Beklagten ist der Kläger nicht entgegengetreten. Damit haben die mit dem Namen des Klägers verknüpften gerichtlichen Entscheidungen infolge nachfolgender Begebenheiten weiter Bedeutung.

 

Dadurch, dass der Kläger im Rahmen seines geschäftlichen Internetauftritts mit „... Spitzenpositionen ...“ wirbt, reaktualisiert er zudem fortlaufend das Interesse an seiner Tätigkeit in der Kommunalverwaltung und damit auch an den Geschehnissen, welche zur Beendigung dieser Beschäftigung führten.

 

Auch dies trägt dazu bei, dass sein Interesse, von einer Konfrontation damit verschont zu bleiben, im Rahmen der Abwägung geringer zu gewichten ist.

 

Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist es nicht möglich, einen durch Zeitablauf entstehenden Schutzanspruch unter schematischer Übernahme anderweitig geregelter Verwendungs-, Veröffentlichungs- oder Löschungspflichten zu bestimmen (vgl. BGH, Urteil vom 3. Mai 2022 – VI ZR 832/20, juris, Rn. 42). Das gilt für Berichte oder Hinweise auf Straftaten auch hinsichtlich der Fristen des vom Landgericht insoweit herangezogenen Bundeszentralregistergesetzes (vgl. BGH, Urteil vom 3. Mai 2022 – VI ZR 832/20, juris, Rn. 42).

 

b) Ein Auslistungsanspruch des Klägers ergibt sich auch nicht aus anderen Vorschriften.

 

Im Hinblick auf den Anwendungsvorrang des unionsweit abschließend geregelten Datenschutzrechts, dessen Anwendungsbereich hier – wie ausgeführt – zeitlich, sachlich und räumlich eröffnet ist, und die bei Prüfung eines Auslistungsbegehrens nach Art. 17 Abs. 1 DS-GVO vorzunehmende umfassende Grundrechtsabwägung kann der Kläger seinen Anspruch daneben nicht (auch) auf Vorschriften des nationalen Rechts stützen (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juli 2020 – VI ZR 405/18, juris, Rn. 64).

 

Soweit ein Unterlassungsantrag, wie ihn der Kläger im Verfahren gestellt hat, nicht dem Art. 17 Abs. 1 DS-GVO, sondern dem Art. 18 Abs. 1 DS-GVO oder anderen Vorschriften der DS-GVO zuzuordnen sein sollte (siehe BGH, Beschluss vom 26. September 2023 – VI ZR 97/22, mit den Vorlagefragen 1. bis 3.), änderte sich dadurch an dem vorangehend gefundenen Ergebnis nichts. Auch dann fiele die dann immer noch notwendige umfassende Grundrechtsabwägung zulasten des Klägers aus, wie dies im Übrigen auch der Fall wäre, wenn – wovon der Senat allerdings nicht ausgeht – hier nationales Recht anwendbar wäre. ...

 

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