BGH: Quotale Haftung von Gesellschaftern geschlossener Immobilienfonds
BGH , Urteil vom 08.02.2011 - Aktenzeichen II ZR 263/09 (Vorinstanz: LG Berlin vom 29.11.2007 - Aktenzeichen 21 O 410/06; ) (Vorinstanz: KG Berlin vom 12.11.2008 - Aktenzeichen 24 U 102/07; ) | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Amtliche Leitsätze: Ist die Haftung der Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts für eine vertragliche Verbindlichkeit der Gesellschaft in dem Vertrag zwischen der Gesellschaft und ihrem Vertragspartner auf den ihrer Beteiligungsquote entsprechenden Anteil der Gesellschaftsschuld beschränkt worden (sog. quotale Haftung), so ist durch Auslegung der die Gesellschaftsschuld begründenden Vereinbarung zu ermitteln, in welchem Umfang Tilgungen aus dem Gesellschaftsvermögen oder Erlöse aus dessen Verwertung nicht nur die Schuld der Gesellschaft, sondern anteilig den Haftungsbetrag jedes einzelnen Gesellschafters mindern. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Amtliche Normenkette: BGB §§ 705, 133 B 157 D; HGB §§ 128, 129; Redaktionelle Normenkette: BGB § 133; BGB § 157; BGB § 705; HGB § 128; HGB § 129;
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BGH , Urteil vom 08.02.2011 - Aktenzeichen II ZR 243/09 (Vorinstanz: LG Frankfurt am Main vom 21.12.2006 - Aktenzeichen 2/20 O 1/04; ) (Vorinstanz: OLG Frankfurt am Main vom 25.02.2009 - Aktenzeichen 23 U 18/07; ) | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Amtliche Leitsätze: Ist der Vertrag zwischen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts und ihrem Gläubiger dahin auszulegen, dass die Haftung der Gesellschafter für die vertraglich begründete Gesellschaftsschuld auf den ihrer Beteiligungsquote entsprechenden Anteil beschränkt ist (sog. quotale Haftung) und Tilgungen aus dem Gesellschaftsvermögen oder Erlöse aus dessen Verwertung nur die Schuld der Gesellschaft, nicht jedoch anteilig auch den Haftungsbetrag jedes einzelnen Gesellschafters mindern, ist die Haftungsquote der Gesellschafter auch dann nicht aus der Restschuld nach Abzug des Verwertungserlöses zu berechnen, wenn der Gläubiger sich in Vergleichen mit einzelnen Gesellschaftern mit einem geringeren als dem ihrer Beteiligungsquote entsprechenden Haftungsbetrag begnügt hat; die Haftungsanteile der Gesellschafter im Innenverhältnis werden durch den (Teil-) Verzicht des Gläubigers gegenüber einzelnen Gesellschaftern nicht berührt. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Amtliche Normenkette: BGB §§ 705, 133 B, 157 D; HGB §§ 128, 129, 110; Redaktionelle Normenkette: BGB § 133; BGB § 157; BGB § 366; BGB § 422 Abs. 1; BGB § 488 Abs. 1 S. 2; BGB § 735; HGB § 110; HGB § 128; HGB § 129; NWB direkt 2011, 186 NWB 2011, 600 StBW 2011, 188 (Pressemitteilung) StuB 2011, 240 BB 2011, 385 (Pressemitteilung)
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DM 3.005.000,- jederzeit fällige, sofort vollstreckbare Briefgrundschuld ..... mit gleichzeitiger Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung in das gesamte Vermögen der Kreditnehmerin sowie deren Gesellschafter - für den einzelnen Gesellschafter jeweils mit seinem prozentualen Anteil an der Gesellschaft -, erstrangig für uns einzutragen auf dem Objekt ... |
DM 2.213.000,- jederzeit fällige, sofort vollstreckbare Buchgrundschuld ...mit gleichzeitiger Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung in das gesamte Vermögen der Kreditnehmerin sowie deren Gesellschafter - für den einzelnen Gesellschafter jeweils mit seinem prozentualen Anteil an der Gesellschaft -, für uns einzutragen unmittelbar im Rang nach vorgenanntem Grundpfandrecht .... |
Eine Gesellschafterliste mit Angabe der jeweiligen Beteiligungsquoten und den daraus resultierenden Haftungsanteilen reichen wir nach. |
(3) | RN 30 |
Dass die Beklagte nach den vertraglichen Vereinbarungen das Gesellschaftsvermögen nicht vorrangig verwerten muss, wie auch das Berufungsgericht noch zutreffend gesehen hat, spricht entgegen seiner Meinung gleichfalls maßgeblich dafür, dass die aus der Verwertung erzielten Erlöse den Umfang der quotalen Haftung der Gesellschafter nicht berühren. |
Wäre der Erlös aus der Verwertung des Grundstücks auf die Haftung der Gesellschafter anzurechnen, hinge die Höhe ihrer anteiligen Haftung von vornherein von dem Zeitpunkt ab, zu dem sie von der Beklagten in Anspruch genommen werden, wenn der Darlehensvertrag - wie hier - keine Verwertungsreihenfolge vorschreibt. Es spricht nichts dafür, dass die Gesellschafter den Umfang ihrer jeweiligen Haftung von vornherein solchen Zufälligkeiten unterwerfen wollten. Das vom Berufungsgericht befürwortete Verständnis der quotalen Haftung hätte zur Folge, dass dem vor Verwertung des Gesellschaftsvermögens von der Kreditgläubigerin in Anspruch genommenen Gesellschafter anders als seinen nach diesem Zeitpunkt in Haftung genommenen Mitgesellschaftern der Verwertungserlös im Außenverhältnis auch nicht anteilig zugute käme. Dem kann nicht dadurch begegnet werden, dass der Gläubiger, der mit einem Teil seiner Forderung ausfällt, nachträglich den Erlös aus der Verwertung seiner dinglichen Sicherheit unter den persönlichen Sicherungsgebern aufteilen muss (so aber Klimke, WM 2010, 492, 497 f.; vgl. auch Barchewitz, MDR 2007, 1176, 1178 f.). Diese Lösung widerspricht nicht nur dem Rechtsgedanken des § 774 Abs. 1 Satz 2 BGB. Sie ist insbesondere weder mit § 128 HGB noch mit den Regelungen in den Darlehensverträgen vereinbar, weil sie im Ergebnis zu einer gesetzlich nicht vorgesehenen und nicht vereinbarten nachrangigen Haftung der Gesellschafter führt. Würde man die quotale Haftungsbeschränkung im Sinne der Auslegung des Berufungsgerichts verstehen und wäre im Darlehensvertrag keine Verwertungsreihenfolge vereinbart, müsste ein vorsichtiger Gläubiger zuerst die Gesellschafter in Anspruch nehmen und erst dann das Grundstück verwerten. Dies liegt ersichtlich nicht im Interesse der Gesellschafter. | RN 31 |
(4) | RN 32 |
Zu Unrecht beruft sich das Berufungsgericht für seine Auslegung auf das Urteil des Senats vom 21. Januar 2002 - II ZR 2/00, BGHZ 150, 1. Der Senat hat in dieser Entscheidung hervorgehoben, dass eine fondsfinanzierende Bank davon ausgehen muss, dass Anleger, die sich an einer Fondsgesellschaft beteiligen, regelmäßig nicht bereit sind, für deren Darlehensschulden in Millionenhöhe zu haften. Deshalb muss sich die Bank von einem Anleger, der während der Geltung der Doppelverpflichtungstheorie einer solchen Gesellschaft beigetreten ist, eine (nur) im Gesellschaftsvertrag vereinbarte Haftungsbeschränkung entgegenhalten lassen, sofern sie mit ihr rechnen musste. Darum geht es hier aber nicht. Nach den tatrichterlichen Feststellungen haftet der Kläger für die Darlehensverbindlichkeiten der Gesellschaft aufgrund der in den Darlehensverträgen ausdrücklich vereinbarten Haftungsbeschränkung lediglich anteilig entsprechend seiner Beteiligung am Gesellschaftsvermögen (vgl. oben II. 2.). Dass sich die quotale Haftung - wie das Berufungsgericht meint - grundsätzlich auf den offenen Darlehenssaldo oder hier auf die nach Verwertung verbleibende Restschuld bezieht, lässt sich der angeführten Entscheidung nicht entnehmen. Der Senat hat in seinem Urteil vom 16. Dezember 1996 (II ZR 242/95, BGHZ 134, 224) ein solches Verständnis der quotalen Haftung gerade nicht gebilligt. |
(5) | RN 33 |
Weder der Fondsprospekt noch der Gesellschaftsvertrag stützen die Auffassung des Berufungsgerichts, dass die quotale Haftung regelmäßig auf die nach Verrechnung des Verwertungserlöses verbleibende offene Restschuld der Gesellschaft aus dem Darlehensvertrag zu beziehen ist. |
Ob und in welchem Umfang die Haftung des Klägers als Gesellschafter gegenüber der gesetzlichen Haftung nach § 128 HGB beschränkt wurde, richtet sich ausschließlich nach den Darlehensverträgen. Auf den Fondsprospekt und die darin enthaltenen Gesellschafts- und Geschäftsbesorgungsverträge kommt es für das Rechtsverhältnis der Darlehensvertragsparteien grundsätzlich nicht an (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Juni 2007 - XI ZR 375/06, [...]). Allerdings können vom Darlehensvertrag abweichende Aussagen des Fondsprospekts und des Gesellschaftsvertrags unter Umständen mittelbar von Bedeutung sein (vgl. BGH, Urteil vom 29. September 2009 - XI ZR 179/07, ZIP 2009, 2237 Rn. 20 f.). Dies kann hier jedoch dahinstehen. Denn auch ihnen lässt sich weder eine bestimmte Reihenfolge für die Verwertung der Sicherheiten noch die Aussage entnehmen, dass die hieraus erzielten Erlöse die Haftung der Gesellschafter verringern. | RN 34 |
Aus der Beitritts- und Vollmachtserklärung auf S. 19 des Fondsprospekts, | RN 36 |
Teil B: |
Dem Treuhänder wird ... Vollmacht erteilt, ... |
die Gesellschafter teilschuldnerisch, jedoch maximal bis zur Höhe des anteilig übernommenen Fremdkapitals zuzüglich Damnen und Nebenkosten, für die Zahlung von Geldbeträgen des Grundschuldbetrages und der Zinsen und Nebenleistung der persönlichen Haftung zu unterwerfen, aus welcher die Gläubigerin sie ohne vorherige Zwangsvollstreckung in den belasteten Grundbesitz in Anspruch nehmen kann, |
geht deutlich hervor, dass Grundstück und Gesellschafter gleichrangig haften. | RN 37 |
Etwas Gegenteiliges ergibt sich nicht aus § 18 des Gesellschaftsvertrags, wo es heißt: | RN 38 |
Für den etwaigen Fall, dass das Gesellschaftsvermögen zur Berichtigung der Gesellschaftsschulden nicht ausreichen sollte, sind die Gesellschafter zu deren Ausgleich anteilig entsprechend ihrer Beteiligung am Gesellschaftsvermögen verpflichtet. |
Diese Bestimmung bezieht sich auf die für die Liquidation der Gesellschaft maßgebliche Regelung des § 735 BGB und besagt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nichts für die hier in Rede stehende Inanspruchnahme durch einen Gläubiger während des Bestehens der werbenden Gesellschaft. | RN 39 |
c) | RN 40 |
Die Haftungsquote des Klägers ist nicht deshalb aus der nach Abzug des Verwertungserlöses verbleibenden Darlehensrestschuld der Gesellschaft zu berechnen, weil die Beklagte mit einzelnen Gesellschaftern Vergleiche geschlossen und sich mit einem geringeren Haftungsbetrag begnügt hat. Es steht dem Gläubiger frei, einzelne Gesellschafter, auch wenn sie teilschuldnerisch haften, nicht oder nur in geringerem Umfang in Anspruch zu nehmen. Die Innenhaftung unter den Gesellschaftern wird hierdurch nicht berührt. Ein etwaiger (Teil-)Verzicht des Gläubigers befreit den Gesellschafter im Verhältnis zu seinen Mitgesellschaftern mangels Gesamtwirkung nicht. Soweit ein Gesellschafter seinen Haftungsanteil zahlt, kann er von der Gesellschaft analog § 110 HGB Ersatz verlangen. Verfügt die Gesellschaft nicht mehr über Vermögen und hat ein Gesellschafter an den Gläubiger der Gesellschaft einen höheren Betrag gezahlt, als seinem Anteil an den - unter Berücksichtigung des Gesellschaftsvermögens und gegebenenfalls der durch dessen Verwertung erzielten Erlöse bestehenden - Verbindlichkeiten der Gesellschaft entspricht, kann er von seinen Mitgesellschaftern Ausgleich verlangen, soweit diese von einer Inanspruchnahme in Höhe der im Innenverhältnis auf sie entfallenden Haftungsquote befreit wurden (vgl. für die Partenreederei K. Schmidt, Die Partenreederei als Handelsgesellschaft, 1995, § 6 I 2, S. 71 f.; ders., NJW 1997, 2201, 2205; Bote/Weipert, Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 1, § 91 Rdn. 18; vgl. auch für den Innenausgleich bei Höchstbetragsbürgschaften BGH, Urteil vom 11. Dezember 1997 - IX ZR 274/96, BGHZ 137, 292). |
III. | RN 41 |
Da weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). |
Gegen die Berechnung des auf ihn entfallenden, noch nicht titulierten Haftungsbetrags hat der Kläger keine substantiierten Einwendungen erhoben. |