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Wirtschaftsrecht
04.08.2010
Wirtschaftsrecht
OLG München: Prüfungsumfang bei Neueintragung einer GmbH

OLG München , Beschluss  vom 01.07.2010 - Aktenzeichen 31 Wx 102/10 (Vorinstanz: AG München vom 28.04.2010 - Aktenzeichen 13 AR 2943/10; )
Amtliche Leitsätze: Das Registergericht darf die Eintragung einer GmbH in das Handelsregister nicht deshalb ablehnen, weil eine Satzungsbestimmung (hier: Einziehung des Geschäftsanteils bei Erhebung der Auflösungsklage) Vorschriften verletzt, die unentziehbare Individual- oder Minderheitsrechte gewähren.
  Amtliche Normenkette: GmbHG § 9c Abs. 2 Nr. 2; GmbHG § 61; GmbHG § 60 Abs. 1 Nr. 3; Redaktionelle Normenkette: GmbHG § 9c Abs. 2 Nr. 2; GmbHG § 61; GmbHG § 60 Abs. 1 Nr. 3;
Gründe: 
I. Die beteiligte Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet. 
§ 11 Abs. 2 lit. e der Satzung lautet: 
"Die Einziehung des Geschäftsanteiles eines Gesellschafters ohne dessen Zustimmung ist zulässig, wenn 
... 
e) der Gesellschafter Auflösungsklage erhebt oder seinen Austritt aus der Gesellschaft erklärt." 
Nach § 17 der Satzung soll die Gültigkeit der übrigen Bestimmungen nicht berührt werden, wenn einzelne Bestimmungen ganz oder teilweise unwirksam oder unanwendbar sein sollten. 
Mit Zwischenverfügung vom 28.4.2010 wies das Registergericht u.a. darauf hin, dass § 11 Abs. 2 e den gesetzlichen Auflösungsgrund des § 60 Abs. 1 Nr. 3 GmbHG in unzulässiger Weise einschränke; die Anmeldung könne deshalb nicht vollzogen werden. 
Mit der Beschwerde wandte die Beteiligte ein, die nach § 9c Abs. 2 GmbHG eingeschränkte Prüfungspflicht des Registergerichts erstrecke sich auf diese Satzungsbestimmung nicht. Das Registergericht half nicht ab mit der Begründung, der Begriff des öffentlichen Interesses sei wie bei § 241 Nr. 3 AktG weit auszulegen und umfasse vor allem auch Vorschriften über die Verbandsstruktur und die Mitgliedschaft. 
II. Die zulässige Beschwerde (§ 382 Abs. 4 i.V.m. § 58 FamFG) ist begründet. Die Unwirksamkeit von § 11 Abs. 2 e der Satzung steht der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister nicht entgegen. 
1. Das Registergericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass § 11 Abs. 2 e der Satzung unwirksam ist, weil die Regelung eine unzulässige Einschränkung des Klagerechts der Minderheit nach § 61 GmbHG beinhaltet. 
§ 61 GmbHG gibt einer Minderheit von Gesellschaftern das Recht, unter besonderen Voraussetzungen durch gerichtliches Urteil Auflösung der Gesellschaft (§ 60 Abs. 1 Nr. 3 GmbHG) zu bewirken. Die Vorschrift hat keine Parallele im Aktienrecht, sondern ähnelt § 133 HGB und ist Ausgleich für die gegenüber der Aktie erschwerte Veräußerlichkeit der Geschäftsanteile (vgl. Baumbach/Hueck/Haas GmbHG 19. Aufl. § 61 Rn. 1). Die Regelung dient dem Minderheitenschutz und ist insofern zwingend, als das Klagerecht durch Satzung oder Gesellschafterbeschluss weder eingeschränkt noch entzogen werden kann (h. M., BayObLGZ 1978, 227/230; Baumbach/Hueck/Haas § 61 Rn. 2; Baumbach/Hueck/Fastrich § 14 Rn. 14; Michalski GmbHG § 61 Rn. 5; Groß-KommGmbHG/Casper § 61 Rn. 3; Scholz/Schmidt/Bitter GmbHG 10. Aufl. § 61 Rn. 2; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Rasner GmbHG 4. Aufl. § 61 Rn. 4 a.E.; Volhard GmbHR 1995, 617/619). Eine Satzungsbestimmung, die - wie hier - generell für den Fall der Erhebung der Auflösungsklage die Einziehung des Geschäftsanteils des klagenden Gesellschafters vorsieht, beseitigt praktisch das Klagerecht der Minderheit bzw. den gesetzlichen Auflösungsgrund des § 60 Abs. 1 Nr. 3 GmbHG und ist deshalb unzulässig (h. M., vgl. Baumbach/Hueck/Haas § 61 Rn. 3; Lutter/Hommelhoff GmbHG 17. Aufl. § 34 Rn. 36, § 61 Rn. 2; Michalski § 61 Rn. 7-9, einschränkend Michalski/Sosnitza § 34 Rn. 35; Volhard GmbHR 1995, 617/619; a.A. ohne Begründung und im Widerspruch zur jeweiligen Kommentierung zu § 61: Baumbach/Hueck/Fastrich § 34 Rn. 10 a.E.; GroßKommGmbHG/Ulmer § 34 Rn. 40; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Bergmann § 34 Rn. 31; Scholz/Westermann § 34 Rn. 15). 
2. Die Unwirksamkeit der Satzung in § 11 Abs. 2 e steht jedoch der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister nicht entgegen, weil keine der in § 9c Abs. 2 GmbHG genannten Voraussetzungen vorliegt. 
Die durch das Handelsrechtsreformgesetz ( HRefG) 1998 angefügte Vorschrift des § 9c Abs. 2 GmbHG begrenzt bei der Eintragung der Gesellschaft - nicht dagegen bei der Satzungsänderung (vgl. BayObLGZ 2001, 137/138; KG FGPrax 2006, 29/30) - die Kontrolle von Satzungsmängeln auf die dort abschließend aufgezählten Gründe. Die Eintragung der Gesellschaft darf wegen Satzungsmängeln nur abgelehnt werden, wenn die in § 9c Abs. 2 Nr. 1 - 3 GmbHG genannten Voraussetzungen vorliegen. 
In Betracht kommt hier nur § 9c Abs. 2 Nr. 2 GmbHG, wonach die Eintragung abzulehnen ist, wenn die nichtige Bestimmung des Gesellschaftsvertrages Vorschriften verletzt, die ausschließlich oder überwiegend zum Schutze der Gläubiger der Gesellschaft oder sonst im öffentlichen Interesse gegeben sind. Der Begriff des öffentlichen Interesses ist, wie das Registergericht zutreffend ausgeführt hat, nach herrschender Meinung weit auszulegen und umfasst insbesondere die Eignungsvoraussetzungen für den Geschäftsführer, die Regelungen des Mitbestimmungsgesetzes und des Betriebsverfassungsgesetzes sowie die Strafbestimmungen. Nicht umfasst sind hingegen - wie in der Begründung des Regierungsentwurfs zum HRefG ausdrücklich ausgeführt - die Vorschriften des GmbHG, die unentziehbare Individual- oder Minderheitsrechte betreffen, wie sie etwa in den §§ 48, 51 a, § 50 Abs. 1 und 2, § 61 Abs. 2, 66 Abs. 2 und 3 GmbHG enthalten sind. Derartige Satzungsbestimmungen sollen nicht die wirksame Entstehung der Kapitalgesellschaft durch Registereintragung hindern, sondern Gegenstand etwaiger Streitverfahren zwischen den Beteiligten bleiben (vgl. BT-Drs. 13/8444 S. 78; Lutter/Hommelhoff/Bayer § 9 c Rn. 10; a.A. Scholz/Winter/Veil § 9c Rn. 22 a.E, § 14 Rn. 32; Krafka/Willer/Kühn Registerrecht 8. Aufl. Rn. 976). 
Soweit das Registergericht für den Begriff "öffentliches Interesse" im Sinne des § 9 c Abs. 2 Nr. 2 GmbHG auf die im Aktienrecht entwickelten Gesichtspunkte abstellt, die auch die Normen über Verbandsstruktur und Mitgliedschaft dem öffentlichen Interesse zuordnen, steht das im Widerspruch zur Absicht des Gesetzgebers bei der Einführung des § 9c Abs. 2 GmbHG. Darüber hinaus bestehen im Hinblick auf den Schutz der Anteilseigner zwischen der Aktiengesellschaft und der GmbH erhebliche Unterschiede (vgl. Baumbach/Hueck/Zöllner Anh § 47 Rn. 52). Schließlich findet gerade die hier verletzte Vorschrift des § 61 Abs. 2 GmbHG keine Entsprechung im Aktienrecht, sondern orientiert sich an den Vorschriften für die Personengesellschaften (vgl. § 133 HGB). Die Schaffung von "Rechtsklarheit über die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse" reicht entgegen der Darlegungen des Registergerichts zur Begründung des öffentlichen Interesses im Sinne des § 9c Abs. 2 Nr. 2 GmbHG nicht aus. Diese Auffassung steht im Widerspruch zum Sinn und Zweck der Vorschrift, die bei der Ersteintragung der Gesellschaft - im Gegensatz zu späteren Satzungsänderungen - die Prüfungskompetenz des Registergerichts beschränken soll. Die unterschiedlichen Prüfungsmaßstäbe bei der Ersteintragung der Gesellschaft und bei einer späteren Satzungsänderung hat der Gesetzgeber ausdrücklich hingenommen (vgl. BT-Drs. 13/8444, 80; kritisch Lutter/Hommelhoff/Bayer § 9c Rn. 13). 
Die Nichtigkeit von § 11 Abs. 2 e der Satzung der beteiligten Gesellschaft steht folglich der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister nicht entgegen, denn die unabdingbare Möglichkeit der Auflösungsklage (§§ 61, 60 Abs. 1 Nr. 3 GmbHG) dient in erster Linie dem Minderheitenschutz und nicht ausschließlich oder überwiegend dem Gläubigerinteresse oder dem öffentlichen Interesse. Die Zwischenverfügung ist deshalb insoweit aufzuheben. 
 

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