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Wirtschaftsrecht
16.05.2012
Wirtschaftsrecht
OLG München: Prüfung der Anmeldung einer Kapitalherabsetzung

OLG München, Beschluss vom 8.5.2012 - 31 Wx 155/12


Leitsatz





1. Die Anmeldung einer Kapitalherabsetzung aufgrund Ermächtigung der Hauptversamm-lung zum Erwerb und zur Einziehung eigener Aktien ist nur anhand § 71 Abs. 1 Nr. 8, Abs. 2 und 3 AktG zu prüfen. Dagegen ist § 237 Abs. 3 AktG in diesem Fall nicht anwendbar.


2. Auch eine Kapitalrücklage i.S.v. § 274 Abs. 2 Nr. 4 HGB ist eine Rücklage i.S.v. § 71 Abs. 2 S. 2 AktG.


Sachverhalt


I. In der außerordentlichen Hauptversammlung der beteiligten Aktiengesellschaft vom 15.03.2010 wurde zu TOP II. der Vorstand der Beteiligten einstimmig ermächtigt, bis zum 14.03.2015 mit Zustimmung des Aufsichtsrats eigene Aktien in einem Volumen von bis zu 10% des zum Zeitpunkt der Beschlussfassung bestehenden Grundkapitals zu erwerben und diese einzuziehen, ohne dass die Einziehung oder ihre Durchführung eines weiteren Hauptversammlungsbeschlusses bedürfe. Unter dem 12.03.2012 beschloss der Vorstand der Beteiligten, die in der Zeit zwischen dem 19.09.2011 bis 09.12.2011 erworbenen 1.477.061 Stückaktien einzuziehen und das Stammkapital der Beteiligten nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 Satz 6 AktG auf 88.522.939 € herabzusetzen. Der Aufsichtsrat der Beteiligten beschloss am 13.03.2012, die Satzung der Beteiligten im Punkt Grundkapital auf die vom Vorstand beschlossene Herabsetzung anzupassen.


Das Amtsgericht wies den auf Eintragung der Kapitalherabsetzung gerichteten Antrag der Beteiligten am 30.03.2012 zurück, weil die Einziehung nach der Erklärung der Beteiligten nicht zu Lasten des Bilanzgewinns oder einer anderen Gewinnrücklage erfolgt sei. Der Begriff der "anderen Gewinnrücklagen" des § 237 Abs. 3 Nr. 2 AktG umfasse "Kapitalrücklagen" nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB nicht.


Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingelegte Beschwerde der Beteiligten. Sei macht geltend, dass eine Kapitalherabsetzung nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 Satz 6 AktG auch zu Lasten einer freien Kapitalrücklage im Sinne von § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB erfolgen könne. Die Vorschrift des § 237 Abs. 3 Nr. 2 AktG sei einerseits auf die hier nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG erfolgte Einziehung von Aktien nicht anwendbar, andererseits umfasse der Begriff der "anderen Gewinnrücklagen" im Sinne von § 237 Abs. 3 Nr. 2 AktG entgegen der Auffassung des Amtsgerichts auch die freien Kapitalrücklagen im Sinne von § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB.


Das Amtsgericht hat der Beschwerde und der Berufung auf den eindeutigen Wortlaut des § 237 Abs. 3 Nr. 2 AktG nicht abgeholfen.


Aus den Gründen


II. Die Beschwerde hat Erfolg, weil die Voraussetzungen für die Eintragung der Kapitalherabsetzung im Handelsregister vorliegen.


1. Maßstab für die im Rahmen der Anmeldung nach § 227 Abs. 1 AktG durchzuführende materielle Prüfung, ob die Kapitalherabsetzung durch Einziehung ordnungsgemäß durchgeführt wurde, ist § 71 Abs. 1 Nr. 8, Abs. 2 und 3 AktG, nicht aber § 237 Abs. 3 AktG.


Es besteht kein Anlass, auch die Einhaltung der Voraussetzungen des § 237 Abs. 3 AktG zu prüfen. Die Einziehung von Aktien kann gem. § 237 Abs. 3 AktG in vereinfachter Form erfolgen. Dies setzt aber im Falle der nicht durch Satzung angeordneten Einziehung das Vorliegen eines Einziehungsbeschlusses voraus (vgl. dazu etwa Krafka/Willer/Kühn, Registerrecht, 8. Aufl. 2010, Rn. 1561). Im vorliegenden Falle war aufgrund des Beschlusses der außerordentlichen Hauptversammlung vom 15.03.2010 kein Einziehungsbeschluss mehr erforderlich, so dass der Privilegierungstatbestand des § 237 Abs. 3 AktG im vorliegenden Falle nicht anwendbar ist (vgl. etwa Hüffer, 10. Aufl. 2012, Rn. 34a zu § 237 AktG).


2. Die Voraussetzungen der Kapitalherabsetzung ergeben sich hier vielmehr abschließend aus § 71 AktG. Denn es liegt ein § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG entsprechender Hauptversammlungsbeschluss vor. Ebenso hat der Vorstand der Beteiligten an Eides statt versichert, dass der Erwerb und die Einziehung der Aktien zu Lasten einer freien Kapitalrücklage nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB erfolgt sei.


Daraus ergibt sich, dass auch den Erfordernissen des § 71 Abs. 2 Satz 2 AktG Genüge getan ist. Denn der Erwerb ist aus einer Rücklage erfolgt, die weder das Grundkapital noch eine nach Gesetz oder Satzung zu bildende Rücklage ist. Diese Kapitalrücklage nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB gehört zu den frei verfügbaren Mitteln im Sinne von § 71 Abs. 2 Satz 2 AktG. Denn dieser Posten unterliegt nach § 150 Abs. 2 und 3 AktG keinen Verwendungsbeschränkungen und kann daher entweder ausgeschüttet oder auch zur Vollfinanzierung von Aktienrückkäufen verwendet werden (vgl. Bezzenberger in K.Schmidt/Lutter, 2. Aufl 2010, Rn. 54, Fußnote 147, zu § 71 AktG). Die Finanzierung des Rückkaufs kann nämlich aus freien Gewinnrücklagen und ähnlichen frei liquidierbaren Reserven erfolgen (vgl. Merkt in Hopt/Wiedemann, 4. Aufl. 2008, Rn. 313 zu § 71 AktG; s. a. Oechsler MK-AktG, 2. Aufl. 2003, Rn. 271 zu § 71). Dagegen teilt der Senat die nicht näher begründete Auffassung von Lutter/Drygala nicht, dass freie Rücklagen nur aus Gewinnrücklagen nach § 272 Abs. 3 HGB gebildet werden könnten (vgl. Lutter/Drygala in KK-AktG, 3. Aufl., Bearb. Okt. 2009, Rdn. 216 zu § 71). Insoweit heißt es in der Begründung des Regierungsentwurfs vom 30. 07. 2008 zum Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts - BilMoG -, dass die bisherige begriffliche Beschränkung auf „Gewinnrücklagen im Sinn des § 266 Abs. 3 A. III. 4. HGB" zu eng angelegt sei. In der Praxis sei es nahezu einhellige Auffassung, dass beispielsweise auch mit den frei verfügbaren Kapitalrücklagen (§272 Abs. 2 Nr. 4 HGB) verrechnet werden dürfe und zwar gleichrangig im Verhältnis zu den „Gewinnrücklagen im Sinn des § 266 Abs. 3 A. III. 4. HGB". Dies werde nunmehr ausdrücklich gesetzlich verankert. Eine Ausschüttung gebundenen Vermögens sei auch auf der Grundlage dieser Formulierung nicht möglich. (BT-Drs 16/10067, S.66). Mit der geänderten Formulierung von § 71 Abs. 2 Satz 2 AktG sei sichergestellt, dass der Rückkauf eigener Aktien nur aus dem ausschüttungsfähigen Vermögen erfolge. Dies sei dann der Fall, wenn die Gesellschaft im Zeitpunkt des Erwerbs in Höhe der Aufwendungen für den Erwerb (hypothetisch) eine Rücklage bilden könnte, ohne dadurch das Grundkapital oder eine nach Gesetz oder Satzung zu bildende Rücklage zu vermindern, die nicht zur Zahlung an die Aktionäre verwandt werden dürfe (aaO S. 101). Vor diesem Hintergrund gibt auch die mit dem BilMoG nicht geänderte Formulierung von § 237 Abs. 3 Nr. 2 AktG zu einer anderen Auslegung des mit diesem Gesetz geänderten § 71 Abs. 2 S. 2 AktG keinen Anlass. Insoweit ist die beabsichtigte Rechtsänderung in § 237 Abs. 3 Nr. 2 AktG wohl versehentlich nicht nachvollzogen worden (so Spindler/Stilz-Marsch-Barner, 2. Aufl. 2010, Rdn. 31 m.w.N.).


3. Da nach den vorgelegten Eintragungsunterlagen die Förmlichkeiten der Kapitalherabsetzung gewahrt sind (vgl. dazu Krafka/Willer/Kühn, Registerrecht, 8. Aufl. 2010, Rn. 1541) ist die Eintragung der angemeldeten Kapitalherabsetzung zu vollziehen.

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