OLG München: Prospekthaftung bei Kapitalanlegerverlust
OLG München, Urteil vom 2.11.2011 - 20 U 2289/11
Orientierungssatz
1. Ein Verkaufsprospekt darf nach § 8i Abs. 2 Satz 1 VerkProspG erst veröffentlicht werden, wenn die BaFin die Veröffentlichung gestattet hat. Bei Veröffentlichung eines Prospekts ohne vorherige Gestattung kommt eine Haftung der Prospektverantwortlichen nach § 13a VerkProspG in Betracht, bei der es weder der Kausalität zwischen dem Fehlen einer Veröffentlichung und der Anlageentscheidung noch eines Verschuldens bedarf (Rn.30).
2. Die Ausnahmevorschrift des § 8f Abs. 2 Nr. 3 VerkProspG, wonach von der Prospektpflicht Angebote, bei denen von derselben Vermögensanlage nicht mehr als 20 Anteile angeboten werden, ausgenommen sind, kommt nicht zur Anwendung, wenn zwar weniger als 20 Anteile an einer Fondsgesellschaft angeboten werden, diese jedoch zusammen mit weiteren Fondsgesellschaften (in unterschiedlichem Umfang) mit Kommanditeinlagen an einer Beteiligungsgesellschaft beteiligt ist, die ihrerseits an einer Aktiengesellschaft beteiligt ist, so dass es sich bei wirtschaftlicher Betrachtung um eine (einzige) Anlage mit insgesamt mehr als 20 Anlegern handelt, und eine Berufung auf die Ausnahme des § 8f Abs. 2 Nr. 3 VerkProspG ausgeschlossen ist(Rn.32).
3. Unabhängig von einer Haftung aus § 13a VerkProspG besteht eine vorvertragliche Haftung der Prospektverantwortlichen für den Zeichnungsschaden wegen falscher Prospektangaben. Teilt der Prospekt eines Solarfonds bei den Angaben zum status quo des technischen Standards mit, dass "zur Zeit an der Umsetzung der Kleinserienproduktion zur industriellen Serienproduktion gearbeitet" werde, obwohl zum Zeitpunkt der Prospektherausgabe eine Serienreife noch nicht eingetreten war, vielmehr erst die ersten Module in Handarbeit gefertigt worden waren, so begründet dies ebenso wie die wahrheitswidrige Behauptung des Vorhandenseins einer Patentabteilung die Haftung der Prospektverantwortlichen aus culpa in contrahendo (Rn.37).
4. Für Falschangaben im Verkaufsprospekt haften sowohl die Gründungsgesellschafter, mit denen über einen Treuhänder ein direktes Vertragsverhältnis mit den Anlegern zustande gekommen ist, sowie Hintermänner, die, wie die Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter der Initiatorengesellschaft, auf das Geschäftsgebahren oder die Gestaltung des konkreten Anlagemodells bestimmenden Einfluss ausüben und deshalb Mitverantwortung für die Prospektangaben tragen (Rn.38).
5. Kausalität des Prospektfehlers für die Anlageentscheidung und Beginn der Verjährung des Schadensersatzanspruchs (Rn.54).
sachverhalt
I.
Die Klägerin begehrt von den Beklagten aus eigenem und abgetretenem Recht Ersatz des Zeichnungsschadens nach Beteiligung an der F. & V. Solarfonds 1 GmbH & Co. KG.
Die Klägerin, ihr Ehemann - der Drittwiderbeklagte zu 1) - und ihre Tochter - die Drittwiderbeklagte zu 2) - beteiligten sich am 14.04.2006 zu je 60.000,- EUR mittelbar als Kommanditisten an der F. & V. Solarfonds 1 GmbH & Co. KG (im Folgenden: Solar 1). Die Beteiligung des Drittwiderbeklagten zu 1) wurde nicht vollzogen, weil er sich zur Erhöhung entschied und am 25.04.2006 eine Beteiligung über 120.000,- EUR zeichnete. Die Entscheidung der Klägerin und der Drittwiderbeklagten zu 2) zur Zeichnung ging allein auf den Entschluss des Drittwiderbeklagten zu 1) zurück. Beide Drittwiderbeklagten haben ihre Ansprüche an die Klägerin abgetreten.
Die Beklagte zu 3) ist die Komplementärin der Solar 1 und deren Initiatorin, der Beklagte zu 1) ist unter anderem Geschäftsführer der Beklagten zu 3), der Beklagte zu 2) ist Gründungskommanditist der Solar 1. Die Beklagten zu 1) und 2) sind ferner Geschäftsführer und Gesellschafter der mit der Kapitalvermittlung beauftragten Gesellschaft, der F. & V. Dienstleistungs GmbH. Die Beklagten zu 1) und 2) unterzeichneten als "Geschäftsführer F. & V. Solarfonds 1 GmbH & Co. KG" den auf Seite 3 des Prospekts der Solar 1 (Anlage K 4) abgedruckten "Brief der Geschäftsleitung".
Der Beklagte zu 1) hatte nach einem Telefonat mit dem Drittwiderbeklagten zu 1) mit Schreiben vom 12.04.2006 (Anlage K 3) den Prospekt (Anlage K 4) an den Drittwiderbeklagten zu 1) übersandt.
An der Solar 1 beteiligten sich im Rahmen eines Private Placement ("family & friends") nicht mehr als 20 Anleger. Daneben gab es die F. & V. Solarfonds 2 GmbH & Co KG (künftig: Solar 2), eine Publikumsgesellschaft, sowie die F. & V. Solarfonds 3 GmbH & Co KG (künftig: Solar 3), ein weiteres Private Placement mit weniger als 20 Anlegern.
Unternehmensgegenstand der Solar 1 war der Erwerb, das Halten, die Verwaltung und die Veräußerung einer Beteiligung an der S. T. Beteiligungs GmbH & Co. KG. An dieser haben sich die Solar 1, 2 und 3 durch Kommanditeinlagen in unterschiedlichem Umfang beteiligt, die Solar 1 mit 10 % (1 Mio. EUR). Unternehmensgegenstand der S. T.Beteiligungs GmbH & Co. KG wiederum war der Erwerb, das Halten, die Verwaltung und die Veräußerung einer Beteiligung zu 20 % an der S. T. AG. Somit haben sich die Solar 1, 2 und 3 mittelbar über die S. T. Beteiligungs GmbH & Co. KG an der S. T. AG beteiligt. Geschäftsgegenstand der S. T. AG war die Entwicklung und Produktion im Bereich der Konzentratortechnologie, der sog. 3. Generation der Photovoltaik, die im Prospekt der Solar 1 näher beschrieben ist. Hinsichtlich des Inhalts des Prospekts wird auf die Anlage K 4 verwiesen.
Der Prospekt der Solar 1 war, anders als später der Prospekt der Solar 2, am 04.04.2006 herausgegeben worden, ohne zuvor der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) vorgelegt und von dieser genehmigt worden zu sein.
Die S. T. AG ist seit 2008 insolvent.
Mit Schreiben vom 06.04.2009 wurde den Beklagten von der Klagepartei die Rückübertragung der streitgegenständlichen Kommanditanteile angeboten.
Die Klägerin war und ist der Ansicht, die Beklagten hafteten zum einen nach § 13 a VerkProspG, da der Prospekt der Solar 1 nicht ordnungsgemäß veröffentlicht worden sei; eine Ausnahme von der Veröffentlichungspflicht könne die Solar 1 nicht für sich in Anspruch nehmen. Ferner hafteten die Beklagten auch aus Prospekthaftung im engeren und im weiteren Sinne, weil der Prospekt falsch sei. Vor allem enthalte der Prospekt falsche Angaben über den technischen Stand des Projekts, insbesondere den Entwicklungsstand des Konzentratormoduls, aber auch über die Patentierung, das Vorhandensein einer Patentabteilung und weltweiter Niederlassungen, über die Anzahl der Mitarbeiter, den Unternehmenswert etc.
Der Drittwiderbeklagte zu 1) habe sich aufgrund der Aussagen im Prospekt und in dem Schreiben des Beklagten zu 1) vom 12.04.2006 zur Zeichnung entschieden, zur Erhöhung seiner Beteiligung zudem aufgrund einer Marktanalyse von C. S. (Anlage K 6), die ihm der Vermittler W. am 18.04.2006 übersandt habe und die aberwitzige Aussagen zum Wert des Unternehmens enthalte.
Die Klägerin beantragte daher, die Beklagten gesamtschuldnerisch zur Rückzahlung der Einlagen in Höhe von insgesamt 240.000,- EUR nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Übertragung der Beteiligungen, zu verurteilen und hinsichtlich der Übertragung der Beteiligungen Annahmeverzug der Beklagten festzustellen.
Die Beklagten beantragten Klageabweisung und erhoben Drittwiderklage gegen die Drittwiderbeklagten zu 1) und 2) mit dem Ziel festzustellen, dass diese keinen Anspruch auf Rückzahlung ihrer Einlage haben. Die Angaben im Prospekt, auch zum Entwicklungsstand, seien alle zutreffend. Hinsichtlich der Serienfertigung enthalte der Prospekt nur eine Prognose, die vertretbar gewesen sei, und diesbezügliche deutliche Risikohinweise. Auch sonst werde auf die unternehmerischen Risiken von Venture Capital im Prospekt und dem Schreiben vom 12.04.2006 deutlich hingewiesen, ferner auf die Faktoren, von welchen der Erfolg des Projekts abhängig sei. Der Drittwiderbeklagte zu 1) sei ein erfahrener Anleger mit besonderer berufliche Qualifikation als Wirtschaftswissenschaftler und Erfahrungen in Unternehmensführung. Er habe von dem Vermittler W. einen kritischen Artikel aus der Zeitschrift P. über das Projekt sowie eine Stellungnahme des Vorstands Dr. M. hierzu bekommen. Sie bestreiten, dass ein etwaiger Prospektfehler kausal für die Beteiligung gewesen sei. Eine Haftung aus § 13 a VerkProspG scheide aus, da im Hinblick auf die geringe Zahl der Anleger die Ausnahme des § 8 f Abs. 2 Nr. 3 VerkProspG greife und sich Solar 2 und 3 von Solar 1 deutlich unterschieden hätten. Der Beklagte zu 1) sei nicht passiv legitimiert, weil er ausschließlich als Geschäftsführer der Beklagten zu 3) tätig geworden sei, bei der Prospekterstellung abwesend gewesen sei und - ebenso wie die Beklagten zu 2) und 3) - kein persönliches Vertrauen in Anspruch genommen habe. Die Beklagten beriefen sich ferner auf Verjährung, weil seit der Veröffentlichung des Prospekts drei Jahre vergangen seien und weil die Klägerin und die Drittwiderbeklagten während der gesamten Dauer ihrer Beteiligung "stets über alle Entwicklungen der S.T. AG informiert wurden und daher frühzeitig Kenntnis von den von ihnen behaupteten Prospektfehlern erlangt haben."
Ergänzend wird hinsichtlich des erstinstanzlichen Vorbringens auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und den Drittwiderklagen stattgegeben. Eine Haftung nach § 13 a VerkProspG scheide im Hinblick auf die geringe Zahl der Anleger und mangels Identität der Solar 1 mit Solar 2 und 3 aus. Was Prospekthaftungsansprüche angehe, zeichne der Prospekt zwar ein deutlich zu positives Bild, es fehle aber im Hinblick auf den Drittwiderbeklagten zu 1) als denjenigen, der den Entschluss zur Zeichnung gefasst habe, an der Kausalität. Ergänzend wird auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Hiergegen wenden sich die Klägerin und die Drittwiderbeklagten mit der Berufung. Sie halten an ihrer Auffassung fest, dass die Beklagten aus § 13 a VerkProspG und ferner aus Prospekthaftung im engeren und weiteren Sinne haften und führen als Prospektfehler unter anderem weiterhin eine Irreführung über den Entwicklungsstand des Moduls und über das Vorhandensein einer Patentabteilung an. Das Landgericht habe die Kausalität zu Unrecht verneint, insbesondere sei es fälschlicherweise davon ausgegangen, dem Drittwiderbeklagten habe der P.-Artikel (Anlage B 8) zur Verfügung gestanden.
Sie beantragen
1. das Urteil des Landgerichts München I vom 17.05.2011, Az. 28 O 19590/09, im Kostenpunkt aufzuheben und im Übrigen wie folgt abzuändern:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 240.000,- EUR zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen Übertragung von Kommanditanteilen an der F. & V. Solarfonds 1 GmbH & Co. KG in Höhe einer Beteiligung der Klägerin von 60.000,- EUR, einer Beteiligung des Drittwiderbeklagten zu 1) in Höhe von 120.000,- EUR und einer Beteiligung der Drittwiderbeklagten zu 2) in Höhe von 60.000,- EUR.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagten mit der Annahme der im Antrag Ziff. 1 angebotenen Gegenleistung in Verzug befinden.
3. Die Drittwiderklagen werden abgewiesen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung der Klägerin und der Drittwiderbeklagten zurückzuweisen.
Sie verteidigen das landgerichtliche Urteil. Da die Anteile nicht nur formal in verschiedenen Fonds vertrieben worden seien, läge eine Umgehung der Veröffentlichungsvorschriften des VerkProspG nicht vor, weshalb eine Haftung aus § 13 a VerkProspG ausscheide; ein solcher Anspruch sei auch verjährt. Mit Schriftsätzen vom 19.10.2011 tragen die Beklagten insoweit nach, der mit der Prospekterstellung und der Einholung eventueller Genehmigungen beauftragte Rechtsanwalt H. habe sich im April 2006 von einem als sachverständigen Zeugen angebotenen Dr. B. bei der BaFin bestätigten lassen, dass ein teilweiser Rückgriff auf die Ausnahmevorschrift des § 8 f Abs. 2 Nr. 3 VerkProspG zulässig sei, da auf die jeweilige Fondsgesellschaft und nicht das jeweilige Anlageobjekt abzustellen sei.
Die Beklagten behaupten weiterhin, der technische Stand des Projekts sei im Prospekt zutreffend geschildert, erst bei Umsetzung der Serienproduktion sei es zu unvorhersehbaren Schwierigkeiten gekommen. Serienreife oder gar Marktreife des Moduls werde im Prospekt nicht behauptet, hinsichtlich der Serienproduktion enthalte der Prospekt nur Prognosen, wobei deutlich gemacht werde, dass die technologischen Voraussetzungen für die Serienproduktion noch nicht gegeben seien. Mit Schriftsätzen vom 19.10.2011 tragen die Beklagten insoweit nach, ausweislich einer ergänzenden Stellungnahme des Zeugen S. zu seiner erstinstanzlichen Aussage habe es im Zeitpunkt des Beitritts der Klägerin und der Drittwiderbeklagten bereits in einer Kleinserie hergestellte und voll funktionsfähige Solarmodule gegeben.
Die Beklagten sind weiterhin der Ansicht, es treffe die Aussage zu, dass die S. T. AG über eine Patentabteilung verfüge; dabei sei es unerheblich, dass die Zeugin B. bei der B. S. AG angestellt gewesen sei, denn dabei handle es sich um ein Schwesterunternehmen der S. T. AG. Auch im Übrigen lägen keine Prospektfehler vor, auf die Risiken werde deutlich hingewiesen. Der Drittwiderbeklagte habe sich aufgrund eigener Sachkenntnis und nicht "ausschließlich" aufgrund des Prospekts zur Zeichnung entschieden. Er habe sich intensiv mit der S. T. AG befasst, sei vor seiner Entschließung zur Erhöhung der Beteiligung auf der Informationsveranstaltung in Al. gewesen und habe nach der Zeichnung die Anlage in A. besichtigt und Gespräche mit Mitarbeitern geführt. Er sei in Rundschreiben auf die Probleme bei der Umsetzung hingewiesen worden, habe aber damals dennoch keine Bedenken gehabt. Insbesondere der Beklagte zu 1) bestreitet weiterhin seine Passivlegitimation, da er weder für den Prospekt noch für den Vertrieb der Fondsanteile verantwortlich gewesen sei. Auf das Geschäftsgebaren der Gesellschaft habe er im Zeitpunkt der Initiierung und Prospektierung keinen Einfluss ausgeübt, zumal er mehrere Wochen abwesend gewesen sei.
Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und auf die Sitzungsniederschrift vom 28.09.2011 Bezug genommen.
aus den gründen
II.
Die zulässige Berufung ist begründet, da die Klage begründet ist und die Drittwiderklagen unbegründet sind.
Der Klägerin stehen Ansprüche auf Ersatz des Zeichnungsschaden aus § 13 a Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 8 f Abs. 1 S. 1 VerkProspG und aus vorvertraglicher Haftung wegen fehlerhafter Prospektangaben zu. Dieselben Ansprüche standen vor der Abtretung ihrer Rechte auch den Drittwiderbeklagten zu, weshalb die Drittwiderklagen unbegründet sind. Dabei sind die Drittwiderklageanträge der Beklagten dahingehend auszulegen, dass nicht festgestellt werden soll, dass die Drittwiderbeklagten keinen Anspruch auf Rückzahlung ihrer Einlagen haben - denn dies ist wegen der erfolgten Abtretung der Ansprüche unstreitig -, sondern dass sie keine diesbezüglichen Ansprüche hatten, die sie hätten abtreten können.
1. Die Beklagten haften aus § 13 a Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 8 f Abs. 1 S. 1 VerkProspG, da sie unstreitig den Prospekt für die Solar 1 (Anlage K 4) ohne vorherige Gestattung durch die BaFin veröffentlicht haben.
Gemäß § 8 f Abs. 1 S. 1 VerkProspG ist unter anderem für Anteile an geschlossenen Fonds ein Verkaufsprospekt "nach diesem Abschnitt" zu veröffentlichen, d.h. der Prospekt darf gemäß § 8 i Abs. 2 S. 1 VerkProspG erst veröffentlicht werden, wenn die BaFin die Veröffentlichung gestattet. Erfolgt die Veröffentlichung wie beim streitgegenständlichen Prospekt ohne Gestattung der BaFin, so kommt eine Haftung nach § 13 a VerkProspG in Betracht (Arndt/Voß, VerkProspG, 2008, § 13 a Rn. 5 m.w.N.).
Die Beklagten können sich nicht auf die Ausnahme des § 8 f Abs. 2 Nr. 3 VerkProspG berufen, wonach von der Prospektpflicht Angebote, bei denen von derselben Vermögensanlage im Sinne des Abs. 1 nicht mehr als 20 Anteile angeboten werden, ausgenommen sind. Zwar wurden, bezogen allein auf Solar 1, nicht mehr als 20 Anteile angeboten. Die Ausnahme des § 8 f Abs. 2 Nr. 3 VerkProspG gilt auch grundsätzlich für jede Vermögensanlage gesondert. Handelt es sich aber nur bei rein formeller Betrachtungsweise um mehrere Anlagen, bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise hingegen um eine Anlage mit insgesamt mehr als 20 Anlegern, so ist eine Berufung auf die Ausnahme des § 8 f Abs. 2 Nr. 3 VerkProspG ausgeschlossen, weil anderenfalls der Schutzzweck der Prospektveröffentlichungspflicht umgangen würde (so Arndt/Voß aaO., § 8 f Rn. 69 für den Beispielsfall, dass für dasselbe Anlageprojekt immer wieder neue KGs mit je 20 Anteilen aufgelegt werden). Der Grund für die Ausnahme der Veröffentlichungspflicht in § 8 f Abs. 2 Nr. 3 VerkProspG ist, dass bei geringer Anzahl der Anleger der potentielle Schaden überschaubar ist (Arndt/Voß aaO., § 8 f Rn. 68) und aufgrund der geringen Verbreitung die Anleger nicht hinreichend schutzbedürftig sind (Erbs, Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Stand 2011, § 8 f VerkProspG Rn. 9). In diesen Fällen hat es der Gesetzgeber nicht für erforderlich erachtet, dass die BaFin im Gestattungsverfahren vor der Veröffentlichung des Prospekts prüft, ob dieser die gemäß § 8 i Abs. 2 S. 5 i.V.m. § 8 g VerkProspG erforderlichen Angaben enthält, die notwendig sind, um eine zutreffende Beurteilung der Vermögensanlage zu ermöglichen. Sollen sich aber mehr als 20 Anleger an Vermögensanlagen beteiligen, die bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise dieselbe Anlage darstellen, so ist eine Prüfung des Prospektinhalts durch die BaFin gemessen am Schutzzweck nicht entbehrlich. Die wenigen Anleger, die sich an dem ersten Fonds beteiligen, sind nicht weniger schutzbedürftig, als die Anleger, die sich an dem Folgefonds beteiligen, wenn es wirtschaftlich um dieselbe Vermögensanlage geht.
Dies ist hier der Fall. Neben der Solar 1 war jedenfalls die Solar 2 als Publikumsgesellschaft von Anfang an geplant (s. Prospekt S. 27). Bei beiden Fonds beschränkte sich der Geschäftsgegenstand auf den Erwerb, das Halten, die Verwaltung (und Veräußerung) einer Beteiligung an derselben Beteiligungsgesellschaft, der S. T. Beteiligungs GmbH & Co. KG, deren Geschäftsgegenstand sich wiederum auf den Erwerb, das Halten, die Verwaltung (und Veräußerung) einer Beteiligung an der S. T. AG beschränkte. Zwar waren die einzelnen Fondsgesellschaften mit Kommanditanteilen im unterschiedlichem Umfang an der Beteiligungsgesellschaft und damit auch in unterschiedlichem Umfang mittelbar an der S. T. AG beteiligt mit der Folge, dass sich auch die Investitions- und Finanzierungspläne und Prognosen der Fonds voneinander unterschieden. Andere beachtliche Unterschiede sind aber nicht erkennbar, insbesondere spielt es keine erhebliche Rolle, wer Komplementärin in den jeweiligen Fondsgesellschaften war. Solar 1 und 2 hingen vielmehr vom Ergebnis derselben Beteiligungsgesellschaft und über diese vom Ergebnis derselben Aktiengesellschaft ab. Die für die Anlageentscheidung erheblichen Angaben zur Vermögensanlage sind, wie der Prospekt der Solar 1 zeigt, auch und gerade diejenigen zum Unternehmen und Unternehmensgegenstand der S. T. AG (Prospekt S. 5 bis 23). Die "sieben Gründe für ein Investment" (S. 28 des Prospekts) stellen ausschließlich auf die S. T. AG und deren "serienreife" Konzentratormodule ab. Die Anleger von Solar 1, die sich als erste zur Zeichnung entschieden, sind aber, was eben diesen Prospektinhalt und dessen Prüfung durch die BaFin angeht, nicht weniger schutzwürdig als die Anleger von Solar 2, deren Prospektveröffentlichung durch die BaFin gestattet wurde. Auch das Argument der Beklagten, es sei der Prospekt der Solar 2 von der BaFin geprüft worden, vermag nichts an der Pflicht zu ändern, auch den Prospekt der Solar 1 erst nach Gestattung durch die BaFin zu veröffentlichen, zumal weder ersichtlich noch vorgetragen ist, dass beide Prospekte inhaltlich vollkommen identisch gewesen seien. Auch lässt allein der Umstand, dass die BaFin bei Genehmigung des Prospekts der Solar 2 nicht moniert hatte, dass ihr der Prospekt der Solar 1 nicht vorgelegt worden war, nicht den Rückschluss zu, dass für Solar 1 die Ausnahme des § 8 f Abs. 2 Nr. 3 VerkProspG zur Anwendung kommt. Dies gilt auch für den erst nach der mündlichen Verhandlung seitens der Beklagten erfolgten Vortrag, ein Vertreter der BaFin habe im April 2006 die Auffassung vertreten, dass ein "teilweiser Rückgriff auf die Ausnahmevorschrift zulässig" sei. Es handelt sich hierbei ausschließlich um eine Rechtsfrage, über die der Senat eigenverantwortlich zu entscheiden hat und zu deren Beantwortung die beantragte Vernehmung des BaFin-Vertreters als sachverständiger Zeuge nicht in Betracht kommt.
Der Kausalität zwischen dem Fehlen einer ordnungsgemäßen Veröffentlichung und der Anlageentscheidung bedarf es im Rahmen der Haftung nach § 13 a VerkProspG nicht. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut bedarf es auch keines Verschuldens (Arndt/Voß aaO. § 13 a Rn. 12, 13). Auf den ohnehin verspäteten Vortrag in den Schriftsätzen vom 19.10.2011, das Handeln der Beklagten beruhe auf der Information des Rechtsanwalts H. und den Auskünften der BaFin, kommt es deshalb nicht an.
Der auf Rücknahme der Anteile gegen Erstattung des Erwerbspreises, also von insgesamt 240.000.- EUR, gerichtete Anspruch der Klägerin, der in Höhe von 60.000,- zuvor der Drittwiderbeklagten zu 2), in Höhe von 120.000,- EUR zuvor dem Drittwiderbeklagten zu 1) zustand, besteht nicht nur gegen die Beklagte zu 3), die als Komplementärin für die Fondsgesellschaft als Emittentin haftet und als Initiatorin zugleich "Anbieter" i.S.d. § 13 a VerkProspG ist. Vielmehr haften auf diesen Anspruch gesamtschuldnerisch auch die Beklagten zu 1) und 2). Anbieter i.S.d. § 13 a VerkProspG ist nämlich auch, wer nach außen hin für das öffentliche Angebot der Vermögensanlage verantwortlich ist bzw. sich eine Verantwortung anmaßt, wobei unbeachtlich ist, wer den Prospekt tatsächlich erstellt hat (Arndt/Voß aaO., vor § 8 f Rn. 5 bis 13). Damit sind auch die Beklagten zu 1) und 2) Anbieter, die mit dem im Vorwort des Prospekts (S. 3) abgedruckten "Brief der Geschäftsleitung" als "Geschäftsführer F. & V. Solarfonds 1 GmbH & Co. KG" aus Sicht des Anlegers die Verantwortung für das öffentliche Angebot der Anlage übernommen haben, ferner auch deshalb, weil sie als Geschäftsführer und Gesellschafter der F. & V.Dienstleistungs GmbH, wie aus dem Prospekt (S. 38, 39) ersichtlich, für die Kapitalvermittlung, also das öffentliche Angebot der Anlage, zuständig sind. Der Beklagte zu 2) ist darüber hinaus Gründungsgesellschafter. Der Beklagte zu 1) ist Geschäftsführer der Beklagten zu 3), deren Aufgabe unter anderem Konzeption, Prospektierung, Vermarktung und Vertrieb der Vermögensanlagen ist (Prospekt S. 36), sowie Geschäftsführer der S. T. Beteiligungs GmbH & Co. KG (s. Prospekt S. 39). Allein der Umstand, dass der Beklagte zu 1) sich trotz seiner sich aus seinen multiplen Funktionen ergebenden mehrfachen Verantwortung schwerpunktmäßig um andere Projekte gekümmert haben soll und er an der Erstellung des Prospekts nicht beteiligt gewesen sein soll, entlässt ihn nicht aus der Verantwortung, die er nach außen erkennbar für den Prospekt mit dem "Brief der Geschäftsleitung" auch übernommen hat.
Der Anspruch der Klägerin (und ehemals der Drittwiderbeklagten) aus § 13 a VerkProspG ist nicht verjährt. Da nicht ersichtlich oder vorgetragen ist, wann die Klägerin und die Drittwiderbeklagten von der Pflicht zur ordnungsgemäßen Veröffentlichung Kenntnis erlangt haben, tritt Verjährung gemäß § 13 a Abs. 5 VerkProspG erst drei Jahre nach Abschluss des Erwerbsgeschäfts ein. Die erste Zeichnung einer Beteiligung erfolgte am 14.04.2006, die die Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB hemmenden Zustellungen der Mahnbescheide an die Beklagten zu 2) und 3) erfolgten am 11.04.2009, an den Beklagten zu 1) am 14.04.2009, also vor Ablauf der Drei-Jahres-Frist.
2. Unabhängig von der Haftung aus § 13 a VerkProspG haben die Beklagten der Klägerin den Zeichnungsschaden auch aus vorvertraglicher Haftung wegen falscher Prospektaussagen zu ersetzen. Entsprechende Ansprüche standen vor der Abtretung auch den Drittwiderbeklagten zu. Bei Anlagen am grauen Kapitalmarkt kommt neben einer spezialgesetzlichen Haftung - z.B. aus dem VerkProspG - auch die allgemein bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung in Betracht (Münchener Kommentar, BGB, 5. Auflage 2007, § 311 Rn. 189 a.E.), so dass es nicht der Klärung bedarf, ob die Beklagten für falsche Prospektaussagen darüber hinaus auch aus § 13 VerkProspG haften würden.
a) Die Beklagten zu 2) und 3) als Gründungsgesellschafter haben zwar nicht unmittelbar mit der Klägerin und den Drittwiderbeklagten einen Vertrag geschlossen, weil sich diese mittelbar über einen Treuhänder an der Solar 1 beteiligt haben. Da die Anleger aber als Treugeber gemäß § 7 Nr. 2 des Gesellschaftsvertrages (abgedruckt im Prospekt auf S. 50) weitestgehend wie Kommanditisten behandelt werden, ist mit den Beklagten zu 2) und 3) ein direktes Vertragsverhältnis zustande gekommen (BGH, NJW-RR 2007, 406;
Urteil | Haftung des Steuerberaters als Treuhandkommanditist: Verjährungsfrist für ... | Langtext vorhanden
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Beschluss | Insolvenzverfahren: Analoge Anwendung zivilprozessualer Vorschriften über die Wiederaufnahme ... | Langtext vorhanden
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Der Beklagte zu 1), der nicht Vertragspartner geworden ist, haftet für fehlerhafte Prospektangaben als Hintermann aus Prospekthaftung im engeren Sinne durch die Inanspruchnahme typisierten Vertrauens (vgl. dazu BGHZ 177, 25 Rn. 12 m.w.N.). Hintermänner sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof alle Personen, die hinter der Gesellschaft stehen und auf ihr Geschäftsgebaren oder die Gestaltung des konkreten Modells besonderen Einfluss ausüben und deshalb Mitverantwortung tragen (vgl. BGHZ 79, 337, 340; 115, 213, 217 f; BGH, NJW 1995, 1025; NJW 2004, 1376, 1379; BGHZ 158, 110, 115; BGH, NJW-RR 2007, 1332). Als in diesem Sinn Verantwortliche kommen in erster Linie Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter in Betracht, weil diese die Geschicke der Initiatorengesellschaft bestimmen (vgl. BGHZ 111, 314, 318 f; BGH, NJW-RR 2007, 1332). Der "Leitungsgruppe" können alle Personen zugerechnet werden, denen ähnliche Schlüsselfunktionen zukommen (BGH, NJW-RR 2007, 1332). Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Beklagte zu 1) im Zeitraum der Prospekterstellung auf Reisen war oder sich schwerpunktmäßig mit anderen Beratungsaufgaben befasste. Denn als Geschäftsführer der Komplementärin, zu deren Aufgaben u.a. die Prospektierung, Vermarktung und Konzeption der Anlage gehört (Prospekt S. 36), sowie als Gesellschafter und Geschäftsführer der für die Kapitalvermittlung zuständigen F. & V. Dienstleistungs GmbH war er für die Konzeption, den Vertrieb der Anlage und die Prospektierung mit verantwortlich. Durch Unterzeichnung des auf Seite 3 des Prospekts abgedruckten "Briefs der Geschäftsleitung" hat er auch nach außen erkennbar die Verantwortung für die Vermögensanlage und die Prospektaussagen übernommen, darüber hinaus gegenüber dem Drittwiderbeklagten zu 1) durch Unterzeichnung des Schreibens vom 12.04.2006 (Anlage K 3), das ebenfalls Angaben zum Projekt enthielt. Auch angesichts seiner weiteren Funktion als Geschäftsführer der S. T. Beteiligungs GmbH & Co. KG (s. Prospekt S. 39) gehörte er zu den Schlüsselpersonen des Projekts, so dass er als Hintermann haftet (vgl. auch Münchener Kommentar, aaO., § 311 Rn. 191 m.w.N.). Ergänzend wird insoweit auf die Ausführungen unter Ziffer 1. Bezug genommen.
b) Im Rahmen der Prospekthaftung haben die Beklagten für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Prospektaussagen einzustehen. Der Prospekt muss also über alle Umstände aufklären, die für die Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können (ständige Rspr. des BGH, z.B. NJW-RR 2007, 1332 m.w.N.; Münchener Kommentar aaO., § 311 Rn. 200 m.w.N.). Vorliegend enthält der Prospekt aber falsche Angaben zum technischen Stand des Projekts und zum Vorhandensein einer Patentabteilung.
aa) Entgegen der Ansicht der Beklagten enthält der Prospekt zum technischen Stand des Projekts nicht nur Prognosen, die im Falle ihrer Vertretbarkeit nicht angreifbar wären, sondern auch tatsächliche Angaben zum status quo. Diese sind jedoch falsch.
Auf Seite 12 des Prospekts heißt es: "Die S. T. AG hat die vom I. Institut zusammen mit dem F. Institut entwickelten FLATCON Module hinsichtlich der Eignung für eine industrielle Serienproduktion deutlich verbessert und wird diese unter dem geschützten Markennamen SolCon produzieren." Auf Seite 18 des Prospekts wird mitgeteilt, dass das Entwicklungs- und Produktionsteam, das seine Labor- und Produktionsräume in M. hat, zur Zeit an der Umsetzung der Kleinserienproduktion zur industriellen Serienproduktion von SolCon Modulen im Jahr 2006 arbeitet und dass derzeit die Einrichtung der Serienproduktion vorbereitet wird. Auf Seite 28 des Prospekts sind die "sieben Gründe für ein Investment" zusammengefasst. Dort wird das SolCon Konzentratormodul unter Ziffer 4. ausdrücklich als "serienreif" bezeichnet.
Von einem unbefangenen Leser dieses Prospekts sind diese Aussagen so zu verstehen, dass die S. T. AG von anderen Instituten entwickelte Module zum verbesserten sog. SolCon Konzentratormodul fortentwickelt hat, dieses bereits in einer Kleinserie erprobt hat, es also serienreif ist, und dass nunmehr die industrielle Serienproduktion vorbereitet wird.
Dass dem tatsächlich nicht so war, ergibt sich aus den Angaben des Beklagten zu 1) in dessen persönlicher Anhörung, aus dem von den Beklagten selbst vorgelegten P.-Artikel (Anlage B 8) und aus der Aussage des Zeugen S. Der Beklagte zu 1) hatte in seiner persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 11.01.2011 vor dem Landgericht München I zu den Prospektsaussagen befragt gesagt: "... Außerdem hieß es, dass es einen Prototypen gebe, der funktionsfähig sei und zur Serienreife geführt werden solle" (Bl. 231 d.A.). Demnach gab es also bei Prospektherausgabe noch kein "serienreifes" SolCon Konzentratormodul. In dem P.-Artikel vom April 2006, von den Beklagten selbst als Anlage B 8 vorgelegt, um die Vermutung der Kausalität zu widerlegen, wird der Vorstand der S. T. AG, Dr. M., mit dem Satz zitiert: "Im Mai starten wird die Produktion von Kleinserien und im September wollen wir in die industrielle Produktion einsteigen", derzeit würden Maschinen in A. bei M. installiert. Demnach war im April 2006 bei Prospektherausgabe die Kleinserienproduktion von SolCon Konzentratormodulen noch nicht erfolgt, ihr Start stand erst noch bevor. Dies stimmt überein mit der Aussage des Zeugen S. in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht München I vom 17.05.2011. Unter Hinweis auf die "komplizierte Technologie" gab er an: "Eigene Module haben wir in Handarbeit etwa zwei Monate nach meinem Arbeitsbeginn erstmals gebaut" (Bl. 281 d.A.). Das Arbeitsverhältnis des Zeugen S. bei der S. T. AG hatte ausweislich seiner Aussage im Mai 2006 begonnen (Bl. 280 d.A.). Demnach wurden erste SolCon Module in Handarbeit erstmals etwa im Juli 2006 hergestellt.
Soweit die Beklagten nunmehr nach der mündlichen Verhandlung mit Schriftsätzen vom 19.10.2011 eine ergänzende Stellungnahme des Zeugen S. mit Anlage BB 2 vorlegen, darauf gestützt behaupten, es seien zum Zeitpunkt des Beitritts der Klägerin und der Drittwiderbeklagten in Kleinserie hergestellte und vollfunktionsfähige Solarmodule vorhanden gewesen und die erneute Vernehmung des Zeugen S. beantragen, ist dieses Vorbringen schon deshalb nicht zuzulassen, weil es verspätet ist. Die Klagepartei hatte von Anfang an geltend gemacht, dass der Prospekt falsche Angaben auch und gerade hinsichtlich des technischen Standes enthalte. Im landgerichtlichen Urteil findet sich, wenn auch nicht näher begründet, die Feststellung, dass der Prospekt ein deutlich zu positives Bild zeichne (S. 7). Die Berufungsbegründung stützt sich zum Beleg der falschen Prospektaussagen auch auf die Aussage des Zeugen S. (Bl. 335 ff. d.A.). In der Berufungserwiderung der Beklagten zu 1) und 3) wird zwar auf die Aussage des Zeugen S. eingegangen und die Auffassung vertreten, dass ein Widerspruch zum Prospekt nicht vorliege (Bl. 388 f.). Dass die Aussage des Zeugen missverständlich und verkürzt sei und dass in Wirklichkeit schon ein in Kleinserie hergestelltes Konzentratormodul vorhanden gewesen sei, wurde aber nicht, wie es erforderlich gewesen wäre, in der Berufungserwiderung vorgetragen, sondern erst nach der mündlichen Verhandlung. Dieser Sachvortrag war auch nicht erst durch den Hinweis des Senats in der mündlichen Verhandlung vom 21.09.2011 veranlasst, dass der Prospekt über den Stand des Projekts unrichtig informiere, denn dabei handelt es sich um eine der Kernfragen seit Beginn dieses Rechtsstreits.
Abgesehen davon würde sich selbst dann, wenn die mit Anlage BB 2 vorgelegte ergänzende Stellungnahme des Zeugen S. vollumfänglich als wahr unterstellt würde, an der Bewertung, dass die oben genannten Prospektaussagen falsch sind, nichts ändern.
Der Zeuge S. hatte schon in erster Instanz deutlich gemacht, dass die S.T. AG im Mai 2006 mit der Entwicklung des Konzentratormoduls nicht völlig am Anfang stand, sondern dass das Institut I. bereits Zellen entwickelt hatte, ferner dass Zellen aus den USA und Bauteile aus China zur Verfügung standen (Bl. 281 d.A.). Wenn er nunmehr vorträgt, dass Ioffe-Institut habe bereits "in Einzelfertigung gefertigte funktionsfähige Konzentratormodule" gehabt, die der S. T. AG zur Verfügung gestellt werden sollten, die S. T. AG habe aber das Konzentratormodul verbessern wollen, so ist dies in Bezug zu setzen zu der Prospektaussage auf S. 12, dass die "S. T. AG die vom Ioffe-Institut zusammen mit dem F. Institut entwickelten FLATCON Module hinsichtlich der Eignung für eine industrielle Serienproduktion deutlich verbessert" habe. Nach der ergänzenden Stellungnahme der Zeugen befand sich die S. T. AG im Mai 2006 erst in der Phase der Verbesserung des vom Ioffe-Institut entwickelten Konzentratormoduls. Dass die S. T. AG von ihrem verbesserten Modul, dem sog. SolCon Modul, bereits im April 2006 eine Kleinserie produziert habe, ergibt sich auch aus der Stellungnahme in Anlage BB 2 nicht; von seiner erstinstanzlichen Aussage, dass diese verbesserten "eigenen" Module der S. T. AG erst etwa im Juli 2006 in Handarbeit erstmals gebaut wurden, ist der Zeuge nicht abgerückt, auch die Beklagten sehen insoweit offensichtlich keinen Korrekturbedarf. Die Prospektaussagen werden aber nicht deshalb richtig, weil das I.-Institut ein Konzentratormodul - als Vorgängermodul - entwickelt und "in Einzelfertigung gefertigt" haben soll. Denn das hier maßgebliche fortentwickelte und verbesserte SolCon Modul - als Folgemodul - war seinerseits erst einmal in Kleinserie zu erproben, bevor es in industrieller Serienfertigung gefertigt werden konnte. Dies ist auch erfolgt, nur eben erst ab Juli 2006.
Auch der Zeuge Prof. Dr. T. hatte ausgesagt, dass "wohl noch im Jahr 2006" das I.Institut die ersten Module bereit stellte und solche in A. produziert wurden, und stellte insoweit klar: "Mit Produktion in A. bei M. meine ich, dass dort die ersten Module in Handarbeit angefertigt wurden ..." (Bl. 232 d.A.). Wann genau das war, hatte der Zeuge S. in seiner Aussage unmissverständlich offen gelegt.
Dem steht auch nicht die gutachterliche Stellungnahme des Herrn F. (Anlage B 6) entgegen. Diese befasst sich ausschließlich mit der Frage, ob die Prognose, dass noch 2006 eine Serienproduktion möglich gewesen wäre, vertretbar war, nicht aber mit der reinen Tatsachenfrage, ob im April 2006 SolCon Module bereits in Kleinserie gefertigt worden waren. Auch der beantragten Einholung eines Sachverständigengutachtens bedarf es nicht: Die Frage, wie die Aussagen des Prospekts zum technischen Stand des Projekts zu verstehen sind, ist nicht aus Sicht eines Sachverständigen, sondern aus Sicht eines Anlageinteressenten zu beurteilen. Die Frage, wie der technische Stand im April 2006 tatsächlich war, ob also das verbesserte SolCon Modul im April 2006 bereits in einer Kleinserie gefertigt und damit serienreif war, ist eine Tatsachenfrage, die der damals an der Entwicklung und Produktion unmittelbar beteiligte Zeuge S., der Vorstand Dr. M. in dem P.-Artikel und auch der Beklagte zu 1) klar beantwortet haben.
In dem Prospekt hätte also dargestellt werden müssen, dass die Erprobung des - gegenüber dem Ioffe-Modul verbesserten oder noch zu verbessernden - SolCon Moduls in einer Kleinserienproduktion in A. noch aussteht, bevor in die industrielle Serienproduktion übergegangen werden kann. Der Risikohinweis auf Seite 30 des Prospekts, dass die Wertentwicklung der Aktien davon beeinflusst wird, ob und wann der S. T. AG die Umsetzung der industriellen Serienproduktion der von ihr entwickelten SolCon Module gelingt, stellt demgegenüber keine Korrektur der zuvor getroffenen Aussagen dar, dass das SolCon Modul bereits serienreif sei und dass derzeit an der Umsetzung der Kleinserienproduktion zur industriellen Serienproduktion von SolCon Modulen gearbeitet werde.
bb) Unzutreffend sind auch die Angaben des Prospekts zum Vorhandensein einer Patentabteilung. Bei den "sieben Gründen für ein Investment" auf Seite 28 des Prospekts heißt es unter Ziffer 7: "Die S. T. AG verfügt über eine Forschungs-, Entwicklungs- und Patentabteilung." Nach der Aussage der Zeugin B. (Bl. 277 f. d.A.) hatte die S. T. AG eine externe Patentanwaltskanzlei beauftragt. Diese arbeitete mit der Zeugin B. zusammen, die nicht bei der S. T. AG, sondern bei der B. S. AG bzw. deren Vorgängerin angestellt war und als Patentreferentin tätig war. Die Zeugin B. arbeitete auch mit Mitarbeitern der Buchhaltung (wohl) der S. T. AG zusammen, die die Fristen überwachten und die Zahlung von Gebühren übernahmen. Somit waren bei der S.T. AG also nur Mitarbeiter der Buchhaltung mit untergeordneten Verwaltungsarbeiten im Zusammenhang mit Patentangelegenheiten befasst. Unter einer "Patentabteilung" darf ein durchschnittlicher Anlageinteressent aber eine Abteilung verstehen, in der eigenes Personal, nämlich Patentanwälte und/oder sonstige qualifizierte Patentsachbearbeiter beschäftigt sind, vor allem dann, wenn es "5 Schlüsselpatente mit 107 Ansprüchen" (vgl. Prospekt S. 28) zu betreuen gilt. Über solches Personal verfügte die S.T. AG nicht. Selbst wenn die Zeugin B., obwohl bei einem Schwesterunternehmen angestellt, der S. T. AG zugeordnet würde, wäre der Ausdruck "Patentabteilung" zumindest irreführend; auch insoweit hätte es einer Klarstellung im Prospekt bedurft.
c) Vor allem die Angaben zum technischen Stand des Projekts, aber auch die Angaben zum Vorhandensein einer Patentabteilung können für die Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sein und waren es nach Angaben des Drittwiderbeklagten zu 1) für diesen auch. Ist nämlich das Modul tatsächlich noch nicht serienreif, so erhöht sich das Risiko, dass es nicht oder nicht in dem vorgesehen Zeitraum zur industriellen Produktion des Moduls kommt. Bei einer neuen technischen und nach Ansicht der Prospektherausgeber sehr erfolgversprechenden Entwicklung ist zudem eine intensive patentrechtliche Betreuung und damit das Vorhandensein einer eigenen Patentabteilung ein für die Anlageentscheidung erheblicher Gesichtspunkt.
Der Umstand, dass die Klägerin und die Drittwiderbeklagte zu 2) ihre Entschließung zum Beitritt nicht auf den Prospekt stützten, sondern ausschließlich auf die Einschätzung des Drittwiderbeklagten zu 1), ist unerheblich. Denn dieser wiederum stützte seinen Entschluss zumindest auch auf die Prospektaussagen, so dass letztere für den Entschluss der Klägerin und der Drittwiderbeklagten zu 2) jedenfalls mittelbar ursächlich wurden.
Dass der Prospektfehler für die Anlageentscheidung des Beklagten ursächlich gewesen ist, wird vermutet (st. Rspr. des BGH, z.B. Urt. v. 17.05.2011, II ZR 202/09, Rn. 15 ff. m.w.N.). Die Vermutung ist von den Beklagten zu widerlegen. Daran ändert auch nichts der Umstand, dass der Drittwiderbeklagte zu 1) ein erfahrener Anleger und Wirtschaftswissenschaftler ist. Denn die Kenntnisse über die unternehmensbezogenen Interna der S. T. AG, etwa den Entwicklungsstand in den Produktionsräumen in Aschheim oder den tatsächlichen Umfang der "Patentabteilung", konnte er als Außenseiter trotz all seiner fachlichen Kenntnisse und Erfahrungen ohne Aufklärung hierüber nicht haben.
Die Vermutung ist auch nicht deshalb widerlegt, weil der Drittwiderklage zu 2) mit seiner Beteiligung an dieser Anlage auch andere Risiken hingenommen hat. "Vielmehr kann ein Anleger, der schon zahlreiche Risiken übernommen hat, ebenso gut nicht mehr bereit sein, noch weitere Risiken zu übernehmen" (BGH, aaO., Rn. 22).
Die Beklagten haben die Vermutung der Kausalität auch nicht durch die Anlagen B 3, B 8 und B 9 widerlegt. Davon, dass dem Drittwiderbeklagten zu 2) der P. -Artikel (Anlage B 8) vorgelegen hat, kann nicht ausgegangen werden. Der Drittwiderbeklagte zu 2) hat eine Übersendung des Artikels durch den Zeugen W. bestritten. Der Zeuge W. konnte sich an den Artikel nicht erinnern und dessen Übersendung auch nicht bestätigen (Bl. 237 d.A.). Auch aus den Notizen des Zeugen W. (Anlage B 3) ergibt sich nicht die Übersendung des P.-Artikels selbst, sondern nur die Übersendung einer Stellungnahme des Dr. M. hierzu (Anlage B 9). Diese Stellungnahme wurde ausweislich der Anlage B 3 dem Drittwiderbeklagten am 21.04.2011 übersandt. Die Klägerin und die Drittwiderbeklagten hatten aber ihre Beteiligungen schon am 14.04.2006 gezeichnet. Und bereits am 20.04.2011 hatte der Drittwiderbeklagte ausweislich der Anlage B 3 dem Zeugen W. seinen Entschluss zur Erhöhung der Beteiligung mitgeteilt. Für die Kausalität konnte die erst am 21.04.2011 übersandte Stellungnahme des Dr. M. also keine Rolle spielen, abgesehen davon, dass der dortige Hinweis, dass die Serienproduktion erst laufen müsse und nicht alles reibungslos laufe, nicht geeignet war, die oben genannten Prospektaussagen in Frage zu stellen oder ein Vertrauen auf sie zu beseitigen.
Dass der Drittwiderbeklagte zu 2) nach seinem am 20.04.2011 mitgeteilten Entschluss zur Erhöhung seiner Beteiligung am 25.04.2011 auf der Informationsveranstaltung in Alzenau war, wo er die Erhöhung unterzeichnete, vermag an der Kausalität nichts zu ändern, zumal nicht vorgetragen worden ist, dass auf der Veranstaltung die Prospektaussagen richtig gestellt worden wären. Erst recht sind Besichtigungen, Gespräche und Rundschreiben nach der Zeichnung für die Kausalität ohne Belang.
d) Das Verschulden der Beklagten wird gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet.
e) Die Ansprüche der Klägerin, auch die an sie von den Drittwiderbeklagten abgetretenen Ansprüche, sind auch nicht verjährt. Hinsichtlich der Haftung der Beklagten zu 2) und 3) als Gründungsgesellschafter und Vertragspartner aus culpa in contrahendo gilt insoweit ohnehin die von Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis abhängige dreijährige Verjährungsfrist der §§ 195, 199 Abs. 1 BGB. Ansprüche aus Prospekthaftung im engeren Sinne gegen den Beklagten zu 1) verjähren in Anlehnung an die spezialgesetzliche Prospekthaftung gemäß § 13 VerkProspG, § 46 BörsG ein Jahr nach Kenntnis der Unrichtigkeit, höchstens aber in drei Jahren, wobei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für den Verjährungsbeginn nicht auf die Veröffentlichung des Prospekts, sondern auf den Erwerb des Anteils abzustellen ist (BGHZ 83, 222;
Urteil | Gaststättenpacht: Feststellung eines auffälligen Mißverhältnisses zwischen Leistung und ... | Langtext vorhanden
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Versäumnisurteil | Verjährung von Prospekthaftungsansprüchen aus Beteiligung an geschlossenen Immobilienfonds | Langtext vorhanden
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f) Der Schadensersatzanspruch richtet sich auf Ersatz des Zeichnungsschadens, also auf Rückzahlung der Einlage, Zug um Zug gegen Rückübertragung der Beteiligungen.
3. Der Anspruch auf Prozesszinsen ergibt sich aus § 291 BGB. Da das Verfahren nicht "alsbald" nach Erhebung des Widerspruchs an das Prozessgericht abgegeben wurde, ist Rechtshängigkeit nicht gemäß § 696 Abs. 3 ZPO schon mit Zustellung der Mahnbescheide, sondern erst mit Eingang der Akten beim Prozessgericht am 16.10.2009 eingetreten.
4. Der Antrag der Klägerin auf Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten ist zulässig und begründet. Den Beklagten waren mit Schreiben vom 06.04.2009 die streitgegenständlichen Kommanditanteile angeboten worden (§ 294 BGB), eine Annahme, insbesondere eine Annahme gegen Angebot der geschuldeten Gegenleistung durch Rückzahlung der Einlage (s. § 298 BGB) ist aber nicht erfolgt.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen dafür liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Revisionsgerichtes. Zur Frage der Anwendbarkeit des § 8 f Abs. 3 Nr. 2 VerkProspG auf Fälle wie den vorliegenden fehlt es zwar bislang, soweit ersichtlich, an obergerichtlicher Rechtsprechung. Die Entscheidung stützt sich unabhängig davon aber auch auf den Gesichtspunkt der Prospekthaftung, wobei insoweit gefestigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs angewendet wird.