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Wirtschaftsrecht
21.06.2023
Wirtschaftsrecht
OLG Zweibrücken: Prätendentenstreit zwischen vormaligen BGB-Gesellschaftern

OLG Zweibrücken, Urteil vom 7.6.2023 – 4 U 27/22

ECLI:DE:POLGZWE:2023:0607.4U27.22.00

Volltext: BB-Online BBL2023-1474-3

unter www.betriebs-berater.de

 

Amtlicher Leitsatz

Prätendentenstreit zwischen vormaligen BGB-Gesellschaftern um den hinterlegten Erlösüberschuss aus der Zwangsversteigerung eines ursprünglich im Eigentum der Gesellschaft stehenden Grundstücks.

§ 812 Abs 1 S 1 Alt 2 BGB, § 705ff BGB, § 894 S 1 ZPO

 

Sachverhalt

I.

Die miteinander verschwägerten Parteien streiten, soweit für die Berufung noch von Interesse, um den von der Gläubigerin hinterlegten Erlösüberschuss aus der Zwangsversteigerung einer in Landstuhl belegenen Gewerbeimmobilie.

Der Beklagte war ursprünglich Alleineigentümer des in Rede stehenden Anwesens … in L., in dem er einen Handel mit Landhausmöbeln betrieb. Mit Gesellschaftsvertrag vom 28.12.2005 gründeten die Klägerin und der Beklagte in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts die Grundstücksgemeinschaft T. u. T. (im Folgenden: GbR), an deren Vermögen die Klägerin zu 51 % und der Beklagte zu 49 % beteiligt waren. Zweck der GbR war der Erwerb der vorgenannten Immobilie sowie deren gemeinschaftliche Verwaltung.

§ 3 Abs. 5 des Gesellschaftsvertrags lautet wie folgt:

„Die Kündigung hat nicht die Auflösung der Gesellschaft, sondern lediglich das Ausscheiden des kündigenden Gesellschafters zur Folge. Der Gesellschaftsanteil des ausscheidenden Gesellschafters geht auf die verbleibenden Gesellschafter im Verhältnis ihrer Anteile über.“

Als Eigentümer des Grundstücks wurden die Prozessparteien im Grundbuch von L. am 06.06.2006 „als Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ eingetragen.

Der Beklagte kündigte seine Beteiligung an der GbR zum 31.12.2014.

Beide Parteien hatten Darlehensverbindlichkeiten bei der Volksbank K., die durch Grundschulden an dem das Vermögen der GbR bildenden Grundstück in L. dinglich besichert waren. Die Grundpfandgläubigerin betrieb aufgrund einer Forderung in Höhe von 163.159,13 € die Zwangsversteigerung der Immobilie, deren Verkehrswert sich laut dem gerichtlich eingeholten Gutachten auf 506.000,00 € belief. In dem Versteigerungsverfahren erfolgte der Zuschlag des Grundstücks an den Ersteher zum Betrag von 251.000,00 €.

Da der Beklagte von dem Übererlös aus der Versteigerung in Höhe von 86.742,10 € entsprechend seines Anteils an der GbR von 49 % die Auszahlung von 42.503,63 € beanspruchte, hinterlegte die Versteigerungsgläubigerin wegen der Uneinigkeit der Prozessparteien über die Verteilung des Erlösüberschusses diesen bei dem Amtsgericht L. (Az: 1 HL 33/18).

In dem vorliegenden Rechtsstreit haben die Parteien im ersten Rechtszug über das bessere Recht an dem hinterlegten Geldbetrag gestritten sowie um weitere Forderungen, derer sich die Klägerin gegenüber dem Beklagten zum einen im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung der Gesellschaft und zum anderen - aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes - aus dem Verkauf von Gesellschaftsanteilen an einer GmbH berühmt.

Das Landgericht Zweibrücken hat mit dem angefochtenen Urteil der Einzelrichterin, auf dessen tatsächliche Feststellungen (gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, der Klage hinsichtlich eines Teilbetrages von 25.000 € (Restkaufpreis für GmbH-Anteil) stattgegeben und sie im Übrigen überwiegend abgewiesen.

Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt, soweit zu ihrem Nachteil entschieden worden ist. Mit seiner Anschlussberufung hat der Beklagte das Ziel der vollständigen Klageabweisung verfolgt.

Nach Erteilung von rechtlichen Hinweisen in der Ladungsverfügung des Senatsvorsitzenden vom 31.03.2023 hat der Beklagte im Termin vom 09.05.2023 die Anschlussberufung zurückgenommen. Die Klägerin hat ihre Berufung in der mündlichen Verhandlung teilweise zurückgenommen und beantragt jetzt noch,

das angefochtene Urteil abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, der Freigabe des von der Volksbank K. eG in dem bei dem Amtsgericht L. unter dem Aktenzeichen 1 K 32/17 geführten Zwangsversteigerungsverfahren erzielten Übererlös von 86.742,10 Euro zugunsten der Klägerin zuzustimmen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die Abweisung des auf Zustimmung zur Auszahlung des Übererlöses gerichteten Klagebegehrens.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf die in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze nebst den dazu vorgelegten Anlagen Bezug genommen.

Aus den Gründen

II.

Die verfahrensrechtlich bedenkenfreie und somit zulässige Berufung der Klägerin hat - soweit sie nicht zurückgenommen wurde - in der Sache Erfolg.

 

Die Klägerin kann von dem Beklagten aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 BGB die Einwilligung verlangen, dass der bei dem Amtsgericht L.- Az. 1 HL 33/18 - hinterlegte Geldbetrag von 86.742,10 € an sie ausbezahlt wird, da sie zum Zeitpunkt der Zwangsversteigerung Alleineigentümerin des versteigerten Grundstücks war und der hinterlegte Übererlös an die Stelle der versteigerten Sache getreten ist. Deshalb steht der Klägerin, ohne dass es auf das Innenverhältnis zwischen den Parteien des Rechtsstreits ankommt, in dem für die rechtliche Beurteilung allein maßgeblichen Außenverhältnis zu der hinterlegenden Grundpfandgläubigerin der Übererlös aus der Zwangsvollstreckung in das Grundstück zu.

 

Im Einzelnen gilt dazu Folgendes:

 

1.

Mit dem Ausscheiden des Beklagten aus der GbR aufgrund dessen Kündigung zum 31.12.2014 ging das Grundstück, welches unbeschadet der Wortfassung der Grundbucheintragung bis dahin im Eigentum der Gesellschaft stand (BGH NJW 2006, 3716 Rn. 10 m.w.N.), im Wege der Anwachsung in das alleinige Eigentum der Klägerin über. Denn in § 3 Abs. 5 des Gesellschaftsvertrags hatten die Parteien vereinbart, dass eine Kündigung nicht die Auflösung der Gesellschaft, sondern lediglich das Ausscheiden des kündigenden Gesellschafters zur Folge hat. Der Gesellschaftsanteil des Beklagten als des ausscheidenden Gesellschafters ging demnach auf die Klägerin als verbleibende „Gesellschafterin“ über. Haben die Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft - wie vorliegend - im Gesellschaftsvertrag geregelt, dass die Gesellschaft von den verbleibenden Gesellschaftern fortgesetzt wird, wenn ein Gesellschafter ausscheidet, wächst bei Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters dem letzten verbleibenden Gesellschafter das Vermögen der GbR an, d.h. die Aktiva und Passiva gehen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf ihn über, ohne dass es eines Übertragungsaktes oder einer Übernahmeerklärung bedarf (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, vgl. BGH NJW 2008, 2992, Rdnrn. 9, 12; BGH DStR 1994, 401 mit Anm. Goette; BGH NJW 1992, 2757, 2758; v. Proff, DStR 2016, 2227 ff). Das gilt auch bei einer, wie im Streitfall, von Anfang an nur aus zwei Personen bestehenden BGB-Gesellschaft (BGH NJW 1992 a.a.O.).

 

2.

Nach dem vorstehend Ausgeführten war die Klägerin ab dem 01.01.2015 alleinige Eigentümerin des später zwangsversteigerten Grundstücks, ohne dass es dazu eines rechtsgeschäftlichen Übertragungsaktes bedurft hätte. Die Verlautbarung der Eigentumslage im Grundbuch war dadurch zwar inhaltlich unrichtig geworden, was aber den außerhalb des Grundbuchs erfolgten Rechtserwerb der Klägerin nicht berührt. Der „Überschuss“ aus der Zwangsversteigerung der Immobilie steht daher ihr als früherer Eigentümerin allein zu. Denn der Versteigerungserlös tritt an die Stelle der versteigerten Sache und die an der Sache bestehende Rechtslage setzt sich an ihm fort (BGH NJW 1981, 1505, 1506; OLG Düsseldorf NJOZ 2018, 284 Rn. 31, beck-online).

 

3.

Besteht - wie im vorliegenden Fall - zwischen zwei Forderungsprätendenten, zu deren Gunsten ein Geldbetrag bei einer öffentlichen Hinterlegungsstelle hinterlegt ist, Streit darüber, an wen von ihnen der hinterlegte Geldbetrag auszuzahlen ist, steht dem wirklichen Rechtsinhaber gegen den anderen Prätendenten ein bereicherungsrechtlicher Anspruch auf Einwilligung in die Auszahlung an ihn zu. Denn Letzterer hat durch das vom Schuldner gewählte Vorgehen der Hinterlegung auf Kosten des wahren Gläubigers rechtsgrundlos die „Blockierstellung“ (vgl. § 18 Abs. 2 Nr. 1 LHintG Rheinland-Pfalz) eines Hinterlegungsbeteiligten erlangt (BGH NJW 2000, 291, 294 m.w.N.). Der Prätendent, dem der hinterlegte Geldbetrag materiellrechtlich nicht zusteht, ist auf Kosten des wirklich Berechtigten „in sonstiger Weise“ ungerechtfertigt bereichert und deshalb gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB zu der für die Auszahlung des Geldes an den wahren Berechtigten erforderlichen Zustimmung verpflichtet (Senat, Beschluss v. 15.02.2010 - 4 W 11/10, NJOZ 2011, 60; PfOLG Zweibrücken, Urteil vom 22.5.2015 – 2 U 31/14, BeckRS 2016, 7758 Rn. 27, beck-online).

 

4.

Die von dem Berufungsantrag abweichende Fassung der Urteilsformel dient allein der Klarstellung. Eine Abweichung von dem von der Klägerin in der Sache Gewollten i.S. von § 308 Abs. 1 ZPO oder ein Teilunterliegen liegt darin nicht.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 516 Abs. 3 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Weil die ausgeurteilte Willenserklärung erst mit der Rechtskraft des Urteils als abgegeben gilt (§ 894 Satz 1 ZPO), war der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den Kostenpunkt zu beschränken.

 

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

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