BGH: Prämiensparverträge – Für vorzunehmende Zinsanpassungen sind langfristiger Referenzzinssatz und Verhältnismethode maßgebend
BGH, Urteil vom 24.1.2023 – XI ZR 257/21
ECLI:DE:BGH:2023:240123UXIZR257.21.0
Volltext: BB-Online BBL2023-386-6
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Amtliche Leitsätze
a) Bei Prämiensparverträgen, bei denen die Prämien auf die Sparbeiträge stufenweise bis zum 15. Sparjahr steigen, sind im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) für die vorzunehmenden Zinsanpassungen ein langfristiger Referenzzinssatz und die Verhältnismethode maßgebend. Der als Referenz heranzuziehende Marktzinssatz oder die als Referenz heranzuziehende Umlaufrendite ist vom Oberlandesgericht mit sachverständiger Hilfe zu bestimmen und hat widerzuspiegeln, dass es sich bei den Prämiensparverträgen um eine risikolose Anlageform handelt (Bestätigung der Senatsurteile vom 13. April 2010 - XI ZR 197/09, BGHZ 185, 166 Rn. 22 f., 26 f. [BB 2010, 1289, Ls.], vom 21. Dezember 2010 - XI ZR 52/08, WM 2011, 306 Rn. 22, 25 [BB 2011, 977] und vom 6. Oktober 2021 - XI ZR 234/20, BGHZ 231, 215 Rn. 85, 95 ff. [BB 2021, 2753]).
b) Zur Verfahrensbeschleunigung kann gemäß § 411a ZPO die schriftliche Begutachtung durch die Verwertung eines gerichtlich eingeholten Sachverständigengutachtens aus einem anderen Verfahren ersetzt werden.
BGB §§ 133 (B), 157 (Ga) ZPO § 411a
Sachverhalt
Der Musterkläger, ein seit über vier Jahren als qualifizierte Einrichtung in die Liste nach § 4 UKlaG eingetragener Verbraucherschutzverband, begehrt im Wege der Musterfeststellungsklage Feststellungen zu den Voraussetzungen für das Bestehen von Ansprüchen von Verbrauchern auf weitere Zinsbeträge aus Prämiensparverträgen (sog. "S-Prämiensparen flexibel", nachfolgend: Sparverträge) gegen die Musterbeklagte.
Die Musterbeklagte bzw. deren Rechtsvorgänger (nachfolgend einheitlich: Musterbeklagte) schloss seit Anfang der 1990er Jahre bis zum Anfang dieses Jahrhunderts mit Verbrauchern Sparverträge ab, die eine variable Verzinsung der Spareinlage und ab dem dritten Sparjahr eine der Höhe nach - bis zu 50% der jährlichen Spareinlage ab dem 15. Sparjahr - gestaffelte verzinsliche Prämie vorsahen. Die Vertragsformulare enthielten keine konkreten Bestimmungen zur Änderung des variablen Zinssatzes. In ihnen heißt es u.a.:
"Die Spareinlage wird variabel, z.Zt. mit …% p.a. verzinst."
oder
"Die Sparkasse zahlt neben dem jeweils gültigen Zinssatz, z.Zt. ...%, am Ende eines Kalender-/Sparjahres […]."
In den in die Sparverträge einbezogenen "Bedingungen für den Sparverkehr" der Musterbeklagten heißt es u.a.:
"3. Verzinsung
3.1 Zinshöhe
Soweit nichts anderes vereinbart ist, vergütet die Sparkasse dem Kunden den von ihr jeweils durch Aushang im Kassenraum bekannt gegebenen Zinssatz. Für bestehende Spareinlagen tritt eine Änderung des Zinssatzes, unabhängig von einer Kündigungsfrist, mit der Änderung des Aushangs in Kraft, sofern nichts anderes vereinbart ist.
…
4. Kündigung
Die Kündigungsfrist beträgt mindestens drei Monate. …"
Der Musterkläger hält die Regelungen zur Änderung des variablen Zinssatzes für unwirksam und die während der Laufzeit der Sparverträge von der Musterbeklagten vorgenommene Verzinsung für zu niedrig.
Mit der Musterfeststellungsklage hat er die Feststellungen begehrt, dass die Sparverträge allein durch die Formulierungen "Die Sparkasse zahlt neben dem jeweils gültigen Zinssatz, z.Zt. ...%, am Ende eines Kalender-/Sparjahres […]." oder "Die Spareinlage wird variabel, z. Zt. mit …% p.a. verzinst." keine wirksamen Zinsänderungsregelungen enthalten (Feststellungsziel 1), dass die Musterbeklagte verpflichtet ist, die Zinsanpassung für die Sparverträge auf der Grundlage des gleitenden Durchschnittswertes der letzten zehn Jahre auf Grundlage des Referenzzinssatzes für Umlaufrenditen inländischer Inhaberschuldverschreibungen/Hypothekenpfandbriefe mit einer mittleren Restlaufzeit von über neun bis zehn Jahren (ehemalige Zinsreihe WX4260 der Zinsstatistik der Deutschen Bundesbank), hilfsweise auf der Grundlage eines von der Deutschen Bundesbank für inländische Banken erhobenen Referenzzinssatzes, welcher dem konkreten Geschäft möglichst nahekommt, wobei die Auswahl des Referenzzinssatzes in das gerichtliche Ermessen gestellt wird, hilfsweise auf der Grundlage eines angemessenen in öffentlich zugänglichen Medien abgebildeten Referenzzinssatzes, der dem konkreten Geschäft möglichst nahekommt und der in das gerichtliche Ermessen gestellt wird, vorzunehmen (Feststellungsziel 2), dass die Musterbeklagte verpflichtet ist, die Zinsanpassung monatlich unter Wahrung des relativen Verhältnisses zwischen dem anfänglich vereinbarten variablen Zinssatz und dem Referenzzinssatz im Sinne des Feststellungsziels 2 vorzunehmen, hilfsweise die Zinsänderung nach in das Ermessen des Gerichts gestellten Anpassungsparametern hinsichtlich Anpassungsintervall, Anpassungsschwelle und Zinsabstand vorzunehmen (Feststellungsziel 3), dass die tatsächliche Zinsänderung der Musterbeklagten weder nach dem Referenzzinssatz im Sinne des Feststellungsziels 2 noch nach den Anpassungsparametern im Sinne des Feststellungsziels 3 erfolgte (Feststellungsziel 4), dass der vertragliche Anspruch von Kunden der Musterbeklagten, die Verbraucher sind, in Bezug auf das Guthaben einschließlich der Zinsen frühestens ab der wirksamen Beendigung des Sparvertrags fällig wird (Feststellungsziel 5), dass allein durch die Kenntnis der Höhe der tatsächlich vorgenommenen Zinsgutschrift im Sparbuch keine grob fahrlässige Unkenntnis oder Kenntnis der tatsächlichen Grundlagen, anhand derer die Höhe des tatsächlich zu kapitalisierenden Zinsbetrags zu ermitteln war, begründet wurde (Feststellungsziel 6) und dass allein die widerspruchslose Hinnahme der Zinsgutschrift im Sparbuch nicht dazu führt, dass die Ansprüche der Verbraucher auf Nachberechnung und Auskehrung von Zinsen verwirkt sind (Feststellungsziel 7).
Das Oberlandesgericht hat der Musterfeststellungsklage hinsichtlich des Feststellungsziels 1, hinsichtlich des zweiten Hilfsantrags zum Feststellungsziel 2, hinsichtlich des Hauptantrags zum Feststellungsziel 3 bezüglich der Vornahme einer monatlichen Zinsänderung und hinsichtlich des Feststellungsziels 5 stattgegeben. Im Übrigen hat es die Musterfeststellungsklage hinsichtlich der Feststellungsziele 2, 3, 6 und 7 als unbegründet und hinsichtlich des Feststellungsziels 4 als unzulässig abgewiesen.
Mit der Revision verfolgt der Musterkläger sein Feststellungsbegehren hinsichtlich der Feststellungsziele 2 und 3 weiter, soweit das Oberlandesgericht zu seinem Nachteil erkannt hat. Die Musterbeklagte verfolgt mit der Revision ihren Antrag auf vollständige Abweisung des Feststellungsziels 2 weiter.
Aus den Gründen
8 Die Revisionen haben Erfolg.
A.
9 Die Musterfeststellungsklage ist zulässig. Das Oberlandesgericht hat das Vorliegen der Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 606 ZPO zu Recht bejaht. Bedenken hiergegen bringt die Revision der Musterbeklagten nicht vor. B. Revision des Musterklägers
10 Die Revision des Musterklägers hat Erfolg.
I.
11 Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner in BeckRS 2021, 6404 veröffentlichten Entscheidung - soweit für die Revision des Musterklägers von Bedeutung - im Wesentlichen ausgeführt:
12 Das Feststellungsziel 2, das darauf gerichtet sei, den Referenzzinssatz für die im Streit stehenden Sparverträge zu bestimmen, sei zulässig. Es sei hinsichtlich des Hauptantrags und des ersten Hilfsantrags unbegründet. Da die Zinsänderungsklauseln unwirksam seien und dispositives Recht insoweit fehle, sei die entstehende Lücke im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen, die durch das Gericht vorzunehmen sei. Ausgangspunkt der ergänzenden Vertragsauslegung sei der konkret abgeschlossene Vertrag, welcher vom Ausgangspunkt des "wirklich Gewollten her weitergedacht" werden müsse. Eine solche ergänzende Vertragsauslegung könne nicht im Zuge einer Musterfeststellungsklage generalisierend für alle Verträge vorgenommen werden, weil sich die Sparverträge hinsichtlich des Abschlussdatums und der konkreten Umstände unterschieden, die zum Vertragsschluss geführt hätten. Auch hätten die Verbraucher, die ihre Ansprüche zum Klageregister angemeldet hätten, keine wortgleichen Verträge abgeschlossen.
13 Das Feststellungsziel 3 sei zulässig und hinsichtlich des Hauptantrags insoweit unbegründet, als der Musterkläger mit ihm die Feststellung begehre, dass bei den von der Musterbeklagten monatlich vorzunehmenden Zinsanpassungen das relative Verhältnis zwischen dem bei Vertragsabschluss vereinbarten variablen Zinssatz und dem zu bestimmenden Referenzzinssatz gewahrt bleibe. Dem Oberlandesgericht sei eine Feststellung hierzu im Rahmen einer Musterfeststellungsklage verwehrt, weil sie Teil der ergänzenden Vertragsauslegung sei, die "nicht generalisierbar" sei.
II.
14 Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.
15 1. Die Revision des Musterklägers ist zulässig. Entgegen der Ansicht der Musterbeklagten ist die Revision des Musterklägers insbesondere auch bezüglich des ersten Hilfsantrags zum Feststellungsziel 2 in der gesetzlichen Form des § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ZPO begründet worden (§ 552 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
16 Nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ZPO muss die Revisionsbegründung die bestimmte Bezeichnung der Umstände enthalten, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt. Dies erfordert, dass sich die Revisionsbegründung mit den tragenden Gründen des angefochtenen Urteils auseinandersetzt und konkret darlegt, warum die Begründung des Berufungsgerichts rechtsfehlerhaft sein soll (BGH, Urteil vom 20. Mai 2011 - V ZR 250/10, WuM 2011, 543 Rn. 6; Beschlüsse vom 29. Juli 2014 - IV ZR 371/13, VersR 2015, 1121 Rn. 4 und vom 12. September 2022 - VIa ZR 230/22, juris Rn. 13). Dem genügt die Revisionsbegründung des Musterklägers. Denn er beanstandet die angefochtene Entscheidung unter anderem dahin, das Oberlandesgericht hätte hinsichtlich der Feststellungsziele 2 und 3 eine ergänzende Vertragsauslegung vornehmen müssen. Soweit das Oberlandesgericht eine solche Auslegung unterlassen hat, ist die Revisionsbegründung daher geeignet, dem angefochtenen Urteil die Grundlage zu entziehen. Das gilt auch für den ersten Hilfsantrag zum Feststellungsziel 2.
17 2. a) Zu Recht ist das Oberlandesgericht von der Zulässigkeit des Hauptantrags und des ersten Hilfsantrags zum Feststellungsziel 2 ausgegangen. Wie der Senat in seinem Urteil vom 6. Oktober 2021 (XI ZR 234/20, BGHZ 231, 215 Rn. 32) erkannt hat, hat das Feststellungsziel weder ausdrücklich noch verdeckt die Feststellung eines Leistungsanspruchs der Verbraucher gegen die Musterbeklagte zum Gegenstand.
18 b) Rechtsfehlerhaft hat das Oberlandesgericht allerdings den Hauptantrag und den ersten Hilfsantrag zum Feststellungsziel 2 zurückgewiesen. Wie der Senat nach Verkündung des Urteils des Oberlandesgerichts erkannt und eingehend begründet hat, hätte das Oberlandesgericht einen Referenzzinssatz für die variable Verzinsung des Sparguthabens im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung bestimmen müssen (Senatsurteil vom 6. Oktober 2021 - XI ZR 234/20, BGHZ 231, 215 Rn. 81 ff.; zustimmend Berger/Nettekoven, EWiR 2021, 705, 706). Unionsrechtliche Erwägungen stehen der Vornahme einer ergänzenden Vertragsauslegung nicht entgegen (Senatsurteil, aaO Rn. 47 ff.; zustimmend Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 13. Aufl., § 307 Rn. 393b; Staudinger/Roth, BGB, Neubearb. 2020, Updatestand: 30. April 2022, § 157 Rn. 47c.2; Edelmann, WuB 2022, 305, 308; Furche, WM 2022, 993, 995; Omlor, BKR 2022, 38, 49; kritisch BeckOGK BGB/Bonin, Stand: 1. Dezember 2022, § 306 Rn. 102.1; v. Westphalen, ZIP 2022, 1465 ff.; ders., NJW 2022, 288 Rn. 18 ff.). Nach dem Konzept der Sparverträge der vorliegenden Art ist es dabei allein interessengerecht, einen Referenzzinssatz für langfristige Spareinlagen heranzuziehen (Senatsurteil, aaO Rn. 85; zustimmend Feldhusen, BKR 2022, 579, 585; kritisch Omlor, BKR 2022, 38, 50), wobei die Ansparphase Berücksichtigung finden kann (vgl. Senatsurteil vom 13. April 2010 - XI ZR 197/09, BGHZ 185, 166 Rn. 23). Neben der langen Fristigkeit des Referenzzinssatzes wird der als Referenz heranzuziehende Marktzinssatz (Senatsurteil vom 6. Oktober 2021, aaO Rn. 91) oder die als Referenz heranzuziehende Umlaufrendite auch widerzuspiegeln haben, dass es sich bei den streitgegenständlichen Sparverträgen um eine risikolose Anlageform handelt (vgl. OLG Dresden, WM 2022, 1973, 1975).
19 Das Oberlandesgericht hat bislang keine Feststellungen dazu getroffen, ob die vom Musterkläger in seinem Hauptantrag zum Feststellungsziel 2 genannte Umlaufrendite inländischer Inhaberschuldverschreibungen/Hypothekenpfandbriefe mit einer Restlaufzeit von über neun bis zehn Jahren (ehemalige Zinsreihe WX4260 der Zinsstatistik der Deutschen Bundesbank) als Referenzzinssatz den Interessen der Parteien eines Sparvertrags mit den typischen Merkmalen gerecht wird. Es wird dies daher mit sachverständiger Hilfe nachzuholen haben. Sollte das Oberlandesgericht zu dem Ergebnis kommen, dass dieser Zinssatz den an ihn als Referenzzinssatz zu stellenden Anforderungen nicht genügt, wird es - ebenfalls sachverständig beraten - über den ersten Hilfsantrag zum Feststellungsziel 2 zu entscheiden haben und dabei klären müssen, welcher konkrete, in den Zinsstatistiken der Deutschen Bundesbank veröffentlichte Zinssatz als Referenzzinssatz heranzuziehen ist (Senatsurteil vom 6. Oktober 2021 - XI ZR 234/20, BGHZ 231, 215 Rn. 86).
20 3. Mit Erfolg wendet sich der Musterkläger weiter gegen die teilweise Zurückweisung des Hauptantrags zum Feststellungsziel 3.
21 a) Wie der Senat nach Verkündung des Urteils des Oberlandesgerichts für vergleichbare Sparverträge erkannt hat, muss bei den von der Musterbeklagten vorzunehmenden Zinsanpassungen das Verhältnis des konkret vereinbarten Zinssatzes zum Referenzzinssatz gewahrt bleiben und nicht eine gleichbleibende absolute Gewinnmarge (Senatsurteil vom 6. Oktober 2021 - XI ZR 234/20, BGHZ 231, 215 Rn. 95 ff., im Ergebnis zustimmend Gebauer/Gramlich/Müller/Thießen, VuR 2022, 208, 214). Die ergänzende Vertragsauslegung kann der Senat selbst vornehmen (Senatsurteil, aaO Rn. 94). Die Anwendung der Verhältnismethode entspricht bei der maßgebenden objektiv-generalisierenden Sicht den typischen Vorstellungen der Vertragsparteien bei Vertragsschluss. Sie wahrt das Äquivalenzprinzip, indem sie gewährleistet, dass günstige Zinskonditionen günstig bleiben und ungünstige auch ungünstig bleiben dürfen (Senatsurteil, aaO Rn. 96 mwN). Wie der Senat ebenfalls bereits eingehend begründet hat, stehen bankaufsichtsrechtliche Gesichtspunkte der Anwendung der Verhältnismethode nicht entgegen (Senatsurteil, aaO Rn. 100 ff.).
22 b) An diesem Auslegungsergebnis hält der Senat auch vor dem Hintergrund der von der Musterbeklagten und von Teilen des Schrifttums neuerlich vorgebrachten Einwände fest.
23 aa) Die Verhältnismethode widerspricht entgegen einer im Schrifttum teilweise vertretenen Auffassung (Berger/Nettekoven, ZIP 2022, 293, 298 f.; Furche, WM 2022, 1041, 1045 f.; Langner, BKR 2022, 305, 308; Herresthal, WM 2020, 1997, 2001; Furche/Götz, WM 2019, 2290, 2298) nicht den anerkannten Grundsätzen des Preisanpassungsrechts. Nach diesen Grundsätzen haben Zinsanpassungsklauseln einen den Kunden entgegen den Geboten von Treu und Glauben benachteiligenden Inhalt im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn sie es dem Verwender ermöglichen, über die Abwälzung konkreter Kostensteigerungen hinaus den zunächst vereinbarten Preis ohne Begrenzung anzuheben und so nicht nur eine Gewinnschmälerung zu vermeiden, sondern einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen, oder wenn sie nur das Recht des Klauselverwenders enthalten, Erhöhungen ihrer eigenen Kosten an ihre Kunden weiterzugeben, nicht aber auch die Verpflichtung, bei gesunkenen eigenen Kosten den Preis für die Kunden zu senken (vgl. Senatsurteil vom 21. April 2009 - XI ZR 78/08, BGHZ 180, 257 Rn. 25 mwN).
24 Derartige Vorteile der Musterbeklagten sind mit der anzuwendenden Verhältnismethode nicht verbunden. Denn die Musterbeklagte hat bei Anwendung dieser Methode von vornherein keinen Einfluss auf die Höhe der von ihr vorzunehmenden Zinsanpassungen. Die Höhe der Zinsanpassungen wird vielmehr auf der Grundlage der Höhe des anfänglich vereinbarten Vertragszinses durch die Höhe des Referenzzinssatzes bei Vertragsbeginn und durch die Entwicklung des Referenzzinssatzes während der Laufzeit des Sparvertrags bestimmt. Diese Faktoren kann die Musterbeklagte nicht einseitig festlegen. Dass sich die absolute Zinsmarge der Musterbeklagten bei Anwendung der Verhältnismethode im Fall eines Anstiegs des Referenzzinssatzes erhöht und im Fall eines Absinkens des Referenzzinssatzes reduziert, verstößt nicht gegen die vorgenannten Grundsätze des Preisanpassungsrechts. Die Verhältnismethode gewährleistet vielmehr - anders als die von der Musterbeklagten befürwortete Differenzmethode -, dass der anfängliche relative Abstand des Vertragszinssatzes zum Referenzzinssatz konstant und damit das Grundgefüge der Vertragskonditionen über die gesamte Laufzeit der Sparverträge erhalten bleibt (Senatsurteil vom 6. Oktober 2021 - XI ZR 234/20, BGHZ 231, 215 Rn. 96 und 99).
25 bb) Der Einwand der Musterbeklagten, die Zinsanpassung nach der Verhältnismethode habe aus deren Sicht einen "spekulativen Charakter", der bei den Sparverträgen von keiner Partei gewollt sei, verfängt ebenfalls nicht. Es trifft zwar zu, dass sich bei Anwendung der Verhältnismethode die absolute Zinsmarge der Musterbeklagten bei steigenden Referenzzinssätzen erhöht und bei sinkenden Referenzzinssätzen reduziert. Da die absolute Zinsmarge der Musterbeklagten aber bei sinkenden Referenzzinssätzen sinken und bei steigenden Referenzzinssätzen steigen muss, um dem Äquivalenzprinzip Rechnung zu tragen und damit das Grundgefüge des Vertragsverhältnisses bei den vorzunehmenden Zinsanpassungen zu erhalten (vgl. Senatsurteil vom 6. Oktober 2021 - XI ZR 234/20, BGHZ 231, 215 Rn. 96), sind die mit den Zinsanpassungen verbundenen Änderungen der absoluten Zinsmarge der Musterbeklagten vertragsimmanent. Darüber hinaus verhindert auch die Differenzmethode bei einer ausgeschlossenen negativen variablen Verzinsung (vgl. hierzu OLG Dresden, WM 2022, 1973, 1975) im Fall sinkender Referenzzinssätze eine Reduktion der absoluten Zinsmarge der Musterbeklagten nicht, wenn der Referenzzinssatz kleiner ist als der anfängliche absolute Abstand zwischen Vertrags- und Referenzzinssatz (vgl. Senatsurteil, aaO Rn. 103; Omlor, ZBB 2020, 355, 366).
26 Soweit im Schrifttum (Berger/Nettekoven, ZIP 2022, 293, 299; Beck/Bleses, ZBB 2020, 191, 198) in dem Zusammenhang weiter vorgebracht wird, die Musterbeklagte könne die "Wette" nur verlieren, da Sparer bei steigenden Referenzzinssätzen den Vertrag kurzfristig kündigen könnten, wohingegen die Musterbeklagte bei sinkenden Referenzzinssätzen keine Kündigungsmöglichkeit habe (zum Ausschluss des Kündigungsrechts der Sparkasse bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe vgl. Senatsurteil vom 14. Mai 2019 - XI ZR 345/18, BGHZ 222, 74 Rn. 38 ff.), handelt es sich nicht um ein Phänomen, das nur bei Anwendung der Verhältnismethode auftritt. Spiegelbildlich besteht bei Anwendung der Differenzmethode im Fall sinkender Referenzzinssätze für Sparer gleichermaßen der Anreiz, den Vertrag kurzfristig zu kündigen, da sinkende Referenzzinssätze bei einem absolut gleichbleibenden Abstand des Vertragszinssatzes zum Referenzzinssatz zu einer im Verhältnis zum Vertragszinssatz überzogenen Marge der Sparkasse führen können (vgl. Senatsurteil vom 6. Oktober 2021 - XI ZR 234/20, BGHZ 231, 215 Rn. 96). Ursächlich für diese aus Sicht der Sparer günstige vertragliche Position ist nicht die Methode der Zinsanpassung, sondern sind die weiteren vertraglichen Bestimmungen des Sparvertrags, die dahin zu verstehen sind, dass dem Sparer das Recht zukommt, einseitig zu bestimmen, ob er bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe spart (Senatsurteil vom 14. Mai 2019, aaO Rn. 38).
27 cc) Schließlich vermag auch der Hinweis, Zinsanpassungen könnten sowohl bei Anwendung der Differenz- als auch bei Anwendung der Verhältnismethode mathematisch zu einem negativen Vertragszins führen (vgl. Berger/Nettekoven, ZIP 2022, 293, 298; dies., EWiR 2021, 705, 706 f.; Elsas/Luz/Worch, BKR 2022, 570, 573 f.; Furche, WM 2022, 1041, 1045; Gebauer/Gramlich/Müller/Thießen, VuR 2022, 208, 210; Langner, BKR 2022, 305, 308 f.; Wimmer/Rösler, WM 2022, 1963, 1965; Furche/Götz, WM 2019, 2290, 2298; Herresthal, WM 2020, 1997, 1998; Hölldampf, BB 2020, 265, 266; Omlor, ZBB 2020, 355, 365), kein anderes Auslegungsergebnis rechtfertigen. Soweit der Senat (Urteil vom 6. Oktober 2021 - XI ZR 234/20, BGHZ 231, 215 Rn. 96) ausgeführt hat, dass ein absolut gleichbleibender Abstand zum Referenzzinssatz bei sinkenden Zinsen die Gefahr einer negativen Verzinsung des angesparten Kapitals birgt, ist damit nicht gemeint, dass eine negative Verzinsung bei Anwendung der Verhältnismethode mathematisch ausgeschlossen ist. Interessengerecht ist die Verhältnismethode in dem Zusammenhang deswegen, weil sie - anders als die Differenzmethode - bei positiven Referenzzinssätzen stets zu positiven Vertragszinsen führt und damit den Vorstellungen der an den Sparverträgen beteiligten Verkehrskreise entspricht, auch bei sinkenden - aber positiven - Marktzinsen Zinserträge mit der Spareinlage zu generieren, die im gleichen Verhältnis zum Marktzinsniveau stehen wie bei Vertragsschluss (vgl. Senatsurteil, aaO Rn. 99). C. Revision der Musterbeklagten
28 Die Revision der Musterbeklagten hat ebenfalls Erfolg.
I.
29 Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für die Revision der Musterbeklagten von Bedeutung - im Wesentlichen ausgeführt:
30 Der zweite Hilfsantrag zum Feststellungsziel 2 sei zulässig und begründet. Die Feststellung, dass die Musterbeklagte verpflichtet sei, die Zinsänderung für die genannten Sparverträge auf der Grundlage eines angemessenen in öffentlich zugänglichen Medien abgebildeten Referenzzinssatzes vorzunehmen, der dem konkreten Geschäft möglichst nahekomme, sei hinreichend generalisierbar und gelte für alle denkbaren Vertragsgestaltungen. II.
31 Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
32 Rechtsfehlerhaft hat das Oberlandesgericht auf den zweiten Hilfsantrag zum Feststellungsziel 2 festgestellt, dass die Musterbeklagte verpflichtet sei, die Zinsanpassung auf der Grundlage eines angemessenen in öffentlich zugänglichen Medien abgebildeten Referenzzinssatzes, der dem konkreten Geschäft möglichst nahekomme, vorzunehmen. Wie der Senat nach Verkündung des Urteils des Oberlandesgerichts entschieden hat, ist diese Feststellung nicht klärungsbedürftig und verkennt den Kern des Rechtsschutzbegehrens des Musterklägers (Senatsurteil vom 6. Oktober 2021 - XI ZR 234/20, BGHZ 231, 215 Rn. 36 f.).
D.
33 Nach alledem ist das Urteil des Oberlandesgerichts hinsichtlich des Feststellungsziels 3 teilweise und hinsichtlich des Feststellungsziels 2 insgesamt aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Über das Feststellungsziel 3 kann der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO), da es insoweit keiner weiteren tatsächlichen Feststellungen bedarf. Dies führt zu der vom Musterkläger beantragten Feststellung.
34 Hinsichtlich des Feststellungsziels 2 ist die Sache zur weiteren Sachaufklärung an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen, da die Sache insoweit nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Oberlandesgericht wird erneut über die in einem Eventualverhältnis stehenden Anträge des Musterklägers zum Feststellungsziel 2 zu entscheiden und dabei mit sachverständiger Hilfe im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung einen Referenzzinssatz gemäß den Ausführungen unter B. II. 2. zu bestimmen haben (vgl. Senatsurteil vom 14. März 2017 - XI ZR 508/15, WM 2017, 808 Rn. 27 ff.). Dabei wird zu bedenken sein, dass zur Verfahrensbeschleunigung gemäß § 411a ZPO ein bereits erstelltes Sachverständigengutachten dann verwertet werden kann, wenn es in einem Gerichtsverfahren (vgl. u.a. OLG Dresden, WM 2022, 1973) oder von der Staatsanwaltschaft eingeholt worden ist.