OLG Düsseldorf: Positive Fortbestehensprognose bei einem Start-Up Unternehmen aufgrund in Aussicht gestellter Zahlungen durch einen Investor
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20.7.2021 – 12 W 7/21
ECLI:DE:OLGD:2021:0720.12W7.21.00
Volltext des Beschlusses://BB-ONLINE BBL2021-2444-1
Amtliche Leitsätze
Bei einem Start-Up Unternehmen sind die Grundsätze, die der Bundesgerichtshof für eine positive Fortbestehensprognose im Rahmen der Überschuldungsprüfung aufgestellt hat (vgl. z.B. BGH, Urt. v. 23.01.2018 – II ZR 246/15, NZI 2018, 407, 408 f. Rn. 23), nicht uneingeschränkt anwendbar. Erforderlich ist, dass das Unternehmen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in der Lage ist, seine im Prognosezeitraum fälligen Zahlungsverpflichtungen zu decken, wobei die dafür erforderlichen Mittel auch von Dritten (Fremdkapitalgeber oder Eigentümer) zur Verfügung gestellt werden können.
Hat ein finanzkräftiger Investor das Unternehmen bereits in der Vergangenheit mit erheblichen Beträgen finanziell unterstützt und seinen Willen bekundet, in der Gründungsphase bei Vorlage einer nachvollziehbaren Planung und Nachweis des Finanzbedarfs jeweils weitere Finanzmittel zur Verfügung zu stellen, darf der Geschäftsführer von einer positiven Prognose ausgehen, solange ein nachvollziehbares operatives Konzept vorliegt, das irgendwann eine Ertragsfähigkeit des Unternehmens erwarten lässt, und nicht konkret wahrscheinlich ist, dass der Finanzierer das Start-Up Unternehmen nicht weiterfinanzieren wird. Ein rechtlich gesicherter und damit einklagbarer Anspruch auf die Finanzierungsbeiträge ist für die positive Fortbestehensprognose nicht erforderlich.
Sachverhalt
Der Antragsteller ist Insolvenzverwalter in dem auf einen Eigenantrag vom 14.10.2016 hin am 28.12.2016 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der M. GmbH (Schuldnerin). Er begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage gegen deren ehemaligen Geschäftsführer wegen masseschmälernder Zahlungen im Zeitraum vom 04.01.2016 bis 25.02.2016.
Der Antragsgegner war von der Gründung der Schuldnerin im Jahr 2014 bis März 2016 deren Geschäftsführer. Sämtliche Geschäftsanteile wurden von K. gehalten, davon 12 % (3.600 Anteile) bis zum 03.12.2015 treuhänderisch für den Unternehmer und Investor C. (Anl. K 13, Bl. 190 ff.). Die Schuldnerin war ein Start-Up Unternehmen und wollte ein Vertriebsportal für Gebraucht- und Nutzfahrzeuge, ähnlich der heute bekannten Plattform „hey-car“, etablieren. Sie investierte erhebliche Beträge in die Entwicklung der Software für eine Automobil-Börse. Die Schuldnerin finanzierte sich im Wesentlichen über Darlehen des C. Dieser hatte der Schuldnerin beginnend ab dem 10.07.2014 regelmäßig Darlehen „zur Stärkung des Eigenkapitals … in der Gründungsphase des Unternehmens … als Mezzanine Kapital“ gewährt (Anlagenkonvolut K 8, Bl. 58 ff.). Sämtliche Darlehen waren bis zum 31.12.2017 befristet und danach zurückzuzahlen. Bis Ende 2015 beliefen sich die Darlehensforderungen des C. bereits auf insgesamt 608.000 €. In dem am 13.10.2015 festgestellten Jahresabschluss der Schuldnerin zum 31.12.2014 wurde ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag in Höhe von rund 125.800 € ausgewiesen (Anl. K 4, Bl. 31 ff.). Im Jahr 2015 erzielte die Schuldnerin lediglich Umsätze in Höhe von rund 12.000 € und erwirtschaftete einen Verlust von 494.357,68 € (GuV vom 01.01.2015 bis 31.12.2015, Anl. K 5, Bl. 39), was zu einer Erhöhung des nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrags auf 620.200 € zum 31.12.2015 führte.
Der Antragsteller macht geltend, die Schuldnerin sei spätestens zum Ende des Jahres 2015 überschuldet gewesen. Da die von C. gewährten Darlehen – unstreitig – keine qualifizierte Rangrücktrittserklärung enthielten, seien sie im Überschuldungsstatus vollständig zu passivieren. Stille Reserven hätten bei der Schuldnerin nicht festgestellt werden können, auch sei nicht ersichtlich, dass die in den Bilanzen angesetzten Buchwerte unzutreffend wären. Eine positive Fortführungsprognose sei nicht dokumentiert und habe tatsächlich auch nicht bestanden. Die bloße Hoffnung des Geschäftsführers auf eine weitere Finanzierung der Geschäfte durch den Gesellschafter C. genüge hierfür nicht, da es an verbindlichen Finanzierungszusagen für einen Zeitraum von ca. zwei Jahren in die Zukunft gefehlt habe. C. habe immer erst im Nachhinein Darlehen gewährt, um die bereits in der Vergangenheit entstandenen Verluste aufzufangen. Der Antragsgegner habe nicht darauf vertrauen dürfen, dass er immer wieder Finanzmittel zur Verfügung stellen würde, denn er habe sich ausdrücklich vorbehalten, die vorzulegende Planung zu überprüfen. Der Antragsgegner sei daher zum Ersatz der im Klageentwurf auf den Seiten 8 ff. aufgeführten masseschmälernden Zahlungen im Gesamtumfang von 43.441,06 € nebst Zinsen verpflichtet, wobei ihm vorbehalten bleibe, nach Erstattung des Verurteilungsbetrages an die Masse seine Gegenansprüche wie die Gläubigerforderungen gegen ihn als Insolvenzverwalter zu verfolgen.
Der Antragsgegner macht geltend, die Schuldnerin sei nicht im insolvenzrechtlichen Sinne überschuldet gewesen, da der Investor C. bereit gewesen sei, die Schuldnerin zu finanzieren, solange die Planungen realistisch erschienen, was jedenfalls bis September 2016 der Fall gewesen sei. Die Zahlungsfähigkeit der Schuldnerin sei sichergestellt gewesen. Er, der Antragsgegner, habe monatliche Finanzpläne aufgestellt, die bis 31.12.2020 gereicht hätten und ständig aktualisiert worden seien. Danach hätten im Juli 2016 erstmals Überschüsse erwirtschaftet werden sollen. Den sich aus der Planung ergebenden Finanzbedarf für die bevorstehende Planungsperiode habe er konkret mit dem Investor abgesprochen, die bevorstehenden Ausgaben seien sehr genau mit ihm abgestimmt und die notwendigen Mittel jeweils als Darlehen zur Verfügung gestellt worden. Verbindlichkeiten seien erst begründet worden, wenn ein verbindlicher Darlehensvertrag des Investors vorgelegen habe. Da bei Start-Up Unternehmen Anlaufverluste, auch über viele Jahre, typisch seien, stehe die hier vorliegende Außenfinanzierung einer positiven Fortführungsprognose nicht entgegen. C. habe sich mindestens auf schuldrechtlicher Ebene verpflichtet, die Darlehensbeträge nicht zum Schaden der Gesellschaft oder ihrer Gläubiger zurückzufordern; insofern habe er, der Antragsgegner, davon ausgehen können, dass auch bei sich weiter vergrößernden Darlehensbelastungen die Fortführung des Unternehmens nicht gefährdet sei. C. habe seinen Fortführungswillen erst im September 2016 verloren. Bis zur Beendigung seiner – des Antragsgegners – Geschäftsführertätigkeit im März 2016 hätten jedenfalls keine Anzeichen bestanden, dass C. von seinem Fortführungswillen abrücken würde.
Das Landgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, ein Anspruch gegen den Beklagten aus § 64 GmbHG aF bestehe nicht; zwar sei die Schuldnerin im streitbefangenen Zeitraum überschuldet gewesen, jedoch habe eine positive Fortbestehensprognose bestanden, da der ehemalige Gesellschafter C. ihr zugesagt habe, auf ihre Anforderung benötigtes Kapital für die Erfüllung der eingegangenen Verbindlichkeiten bereitzustellen und diese Darlehensgewährung fortzusetzen, solange das Unternehmenskonzept der Schuldnerin überzeuge. Dieser Zusage sei er während des streitbefangenen Zeitraums in vollem Umfang nachgekommen. In der besonderen Situation der Schuldnerin als Start-Up Unternehmen stehe das Fehlen einer fundierten und belastbaren Liquidationsplanung (gemeint wohl: Liquiditätsplanung) einer positiven Fortführung nicht entgegen, solange sichergestellt sei, dass das Unternehmen bei der Eingehung von Verbindlichkeiten diese bei Fälligkeit bedienen könne. Diesbezüglich sei die Zusage des Gesellschafters mit dem Überziehungskredit einer Bank vergleichbar.
Mit seiner sofortigen Beschwerde gegen diese Entscheidung macht der Antragsteller geltend, eine positive Fortführungsprognose könne nicht daran anknüpfen, dass ein Gesellschafter von Fall zu Fall darüber entscheiden möchte, ob er Darlehensmittel zur Verfügung stellt, damit die Schuldnerin ihre bereits eingegangenen und geplanten Verbindlichkeiten erfüllen könne. Es sei eine eigene freie Entscheidung des Gesellschafters C. gewesen, ob für die Deckung der laufenden und bereits begründeten Verbindlichkeiten der Schuldnerin noch Gelder zur Verfügung stehen sollten. Auf dieser Basis habe keine Prognose in die Zukunft getroffen werden können, da allenfalls eine Hoffnung des Antragsgegners bestanden habe, dass der Gesellschafter wieder und wieder Darlehen zur Verfügung stelle. Der Hinweis darauf, dass es sich bei der Schuldnerin um ein Start-Up Unternehmen handele und sich jede schematische Betrachtung verbiete, sei keine tragfähige Begründung. Es sei gerade nicht sichergestellt gewesen, dass die Schuldnerin bei der Eingehung von Verbindlichkeiten diese bei Fälligkeit habe bedienen können. Dies gelte vorrangig für Löhne und Gehälter, Sozialversicherungsbeiträge und Steuern, aber auch für Mieten und Leasingraten. Der vom Landgericht angestellte Vergleich mit dem Überziehungskredit einer Bank sei offenkundig unzutreffend, da der Gesellschafter C. gerade nicht einen Kreditrahmen zur Verfügung gestellt und die Schuldnerin jeweils auf Anforderung Anspruch auf Auszahlung gehabt habe.
Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat vorgelegt.
Aus den Gründen
II. Die gemäß §§ 127 Abs. 2 S. 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte und auch ansonsten zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht zurückgewiesen, weil die beabsichtigte Klage jedenfalls keine Aussicht auf Erfolg hat. Dem Antragsteller steht ein Anspruch gegen den Antragsgegner auf Ersatz masseschmälernder Zahlungen im Zeitraum vom 04.01.2016 bis 25.02.2016 gemäß der Aufstellung in dem Klageschriftentwurf vom 16.12.2020 nicht zu. Nach dem zugrunde zu legenden Sachverhalt lag in dem fraglichen Zeitraum eine insolvenzrechtliche Überschuldung, die zu einer Haftung des Geschäftsführers führen konnte, nicht vor.
Gemäß § 64 S. 1 GmbHG i. d. Fassung vom 23. Oktober 2008 (BGBl. I 2026, nachstehend GmbHG aF) sind die Geschäftsführer der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden. Überschuldung liegt nach § 19 Abs. 2 S. 1 InsO in der bis zum 31.12.2020 geltenden Fassung (aF) vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Ergibt die rechnerische Prüfung eine Überschuldung der GmbH, ist in einer zweiten Stufe eine Fortführungsprognose zu treffen. Damit ist eine Prognose über die zukünftigen Geschäftsverläufe und die künftige – mittelfristige – Zahlungsfähigkeit des Unternehmens verlangt. Die Fortführungsprognose ist die Frage nach der Finanzkraft, der wirtschaftlichen Überlebensfähigkeit des Unternehmens (BGH, Urt. v. 20.03.1995 – II ZR 205/94, NJW 1995, 1739, 1743, juris Rn. 36, 38; Urt. v. 13.07.1992 – II ZR 269/91, NJW 1992, 2891, 2894, juris Rn. 15). Steht fest, dass die Gesellschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt überschuldet war, so ist es Sache des Geschäftsführers, Umstände darzulegen, die es aus damaliger Sicht rechtfertigten, das Unternehmen fortzuführen (BGH, Beschl. v. 24.09.2019 – II ZR 248/17, ZInsO 2020, 141, 143 Rn. 21; Urt. v. 18.10.2010 – II ZR 151/09, WM 2010, 2313 Rn. 11).
Die rechnerische Überschuldung der Schuldnerin spätestens zum 31.12.2015 ist zwischen den Parteien unstreitig. Tatsächlich ergab sie sich schon aus dem Jahresabschluss für das Rumpfgeschäftsjahr 2014. Bei einem Start-Up-Unternehmen, das in der Anlaufphase in aller Regel nur Schulden produziert, ist eine ständige, intensive Prüfung der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens in besonderem Maße erforderlich. Nach Aufstellung des Jahresabschlusses im Oktober 2015 und Aufdeckung einer bilanziellen Überschuldung musste der Antragsgegner – ggfls. unter Einholung unabhängigen, fachkundigen Rats zur Klärung des Bestehens einer Insolvenzlage – den Jahresabschluss zum 31. Dezember 2014 unverzüglich daraufhin überprüfen, ob die Gesellschaft nicht nur rechnerisch überschuldet, sondern insolvenzreif war und ein Insolvenzantrag gestellt werden musste (vgl. BGH, Urt. v. 14.05.2007 – II ZR 48/06, WM 2007, 1274, 1276 Rn. 17). Die Erteilung eines diesbezüglichen Auftrags an eine kompetente und fachkundige Person hat der Antragsgegner allerdings nicht vorgetragen. Das Landgericht ist jedoch zu Recht davon ausgegangen, dass der Antragsgegner hier eine positive Fortführungs- bzw. Fortbestehensprognose treffen konnte, weil der ehemalige Gesellschafter C. zugesagt hatte, den Liquiditätsbedarf der Schuldnerin entsprechend deren Planungen zu decken, solange diese realistisch erschienen.
Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass bei einem Start-Up Unternehmen wie der Schuldnerin die Grundsätze, die der Bundesgerichtshof für eine positive Fortbestehensprognose aufgestellt hat (vgl. z.B. BGH, Urt. v. 23.01.2018 – II ZR 246/15, NZI 2018, 407, 408 f. Rn. 23), nicht uneingeschränkt anwendbar sind. Solche Unternehmen sind in einer – mehr oder weniger langen – Anfangsphase meist nicht ertragsfähig, jedoch sind in derartigen Fällen operative Geschäftschancen trotz möglicherweise derzeit fehlender Ertragskraft nicht auf Dauer ausgeschlossen. Zumindest in Fällen von Start-Ups sieht der BGH die Ertragsfähigkeit (Selbstfinanzierungskraft) nicht als Voraussetzung einer positiven Fortführungsprognose an (vgl. BGH, Urt. v. 14.05.2007 – II ZR 48/06, a.a.O. Rn. 18; Urt. v. 13.07.1992 – II ZR 269/91, BGHZ 119, 201, 215 f., juris Rn. 15). Es liegt in der Natur eines solchen Unternehmens, dass es zunächst nur Schulden macht und von Darlehen abhängig ist. In diesen Fällen muss daher auf die Zahlungsfähigkeit im Prognosezeitraum abgestellt werden, wobei die erforderlichen Mittel auch von Dritten (Fremdkapitalgeber oder Eigentümer) kurz-, mittel- oder langfristig zur Verfügung gestellt werden können (Scholz/Bitter, GmbHG, 12. Aufl. 2021, vor § 64 Rn. 56; MHLS/Nerlich, GmbHG, 3. Aufl 2017, § 60 Rn. 91; Pape/Opp, Sanierungsgutachten, 1. Aufl. 2017, Rn. 325; Morgen/Rathje, ZIP 2018, 1955, 1960; Haarmann/Vorwerk, BB 2015, 1603, 1610; Bitter/Kresser, ZIP 2012, 1733, 1738). Die Fortführungsfähigkeit muss im Rahmen des § 19 InsO überwiegend, also zu mehr als 50 % wahrscheinlich sein; maßgeblich ist also, dass das Unternehmen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in der Lage ist, seine im Prognosezeitraum fälligen Zahlungsverpflichtungen zu decken (Gehrlein, WM 2018, 1, 6; Haarmann/Vorwerk, a.a.O. S. 1608).
Nach diesen Maßstäben genügt im konkreten Fall zur Feststellung der positiven Fortbestehensprognose im Zeitraum der geltend gemachten Zahlungen die dokumentierte Zahlungszusage des ehemaligen Gesellschafters und Investors C. (Anl. K 11), wie das Landgericht zu Recht angenommen hat. Dessen Finanzierungswillen in der Gründungsphase, den er ausweislich seines Schreibens vom 12.10.2020 gegenüber der Schuldnerin kundgetan hatte, manifestierte sich in den regelmäßig wiederkehrenden Finanzierungsleistungen in der Form von Darlehen, die bis Ende 2015 bereits einen Gesamtbetrag von 608.000 € ausmachten. Seinen Angaben zufolge konnten sich die Geschäftsführer der Schuldnerin – so auch der Antragsgegner – darauf verlassen, dass er bei Vorlage einer nachvollziehbaren Planung weitere Finanzmittel zur Verfügung stellt. Danach war es nicht so, wie der Antragsteller behauptet, dass die Darlehen erst zur Deckung der bereits fälligen Verbindlichkeiten gegeben wurden. Dass die weitere Finanzierung dabei unter dem Vorbehalt stand, dass realistische Planungen vorgelegt werden und der Liquiditätsbedarf nachgewiesen wird, steht entgegen der Auffassung des Antragstellers einer positiven Fortführungsprognose nicht entgegen. Solange ein nachvollziehbares operatives Konzept vorlag, das die geplante Etablierung der Internetplattform für Gebraucht- und Neufahrzeuge als erfolgversprechend – d.h. irgendwann ertragsfähig – erscheinen ließ, gab es aufgrund der Finanzierungszusage des Investors eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass das Unternehmen bis dahin in der Lage sein würde, seine fälligen Zahlungsverpflichtungen aufgrund der Bereitstellung weiterer Finanzierungsmittel zu decken. Dabei kann dahin stehen, ob die mit der eidesstattlichen Versicherung des Antragsgegners vom 29.03.2021 beispielhaft vorgelegte Finanzplanung vom 04.03.2016, die von einem positiven Betriebsergebnis ab Juli 2016 ausging, angesichts der tatsächlichen Entwicklung im Jahr 2015 möglicherweise zu optimistisch war. Gerade bei einem Start-Up Unternehmen bereitet die Dokumentation des Wahrscheinlichkeitsgrades für den Eintritt der dem Finanzplan zugrunde gelegten Annahmen u.U. erhebliche Schwierigkeiten. Entscheidend ist, dass C. aufgrund dieser Planung und des erläuterten Finanzbedarfs – wie schon zahlreiche Male zuvor – ein weiteres Darlehen, diesmal in Höhe von 55.000 €, gewährt hat (Bl. 74) und dass seinerzeit kein Anhaltspunkt dafür bestand, dass er der Schuldnerin seine Unterstützung künftig entziehen würde. Es kann dahin stehen, ob insoweit der vom Landgericht gezogene Vergleich mit einem Überziehungskredit tragfähig ist. Ein rechtlich gesicherter und damit einklagbarer Anspruch auf die Finanzierungsbeiträge ist jedenfalls, wie sich aus der Dornier-Entscheidung des BGH (Urt. v. 13.07.1992, a.a.O.) ergibt, nicht Voraussetzung für eine positive Fortbestehensprognose, denn dies würde einem Wahrscheinlichkeitsgrad von 100 % entsprechen (vgl. Haarmann/Vorwerk, a.a.O., S. 1610). Vielmehr darf der Geschäftsführer von einer positiven Prognose ausgehen, solange nicht konkret wahrscheinlich ist, dass der Finanzierer das Start-Up Unternehmen nicht weiterfinanzieren wird (vgl. Brinkmann, NZI 2019, 921, 923). Das war hier bis September 2016 der Fall. Noch beim Eintritt des neuen Geschäftsführers Fett im Juli 2016 hat C. diesem die weitere Finanzierung des Unternehmens zugesagt (dessen E-Mail v. 12.01.2018, Anl. K 10 = Bl. 84) – und dementsprechend unter dem 20.07.2016 ein weiteres Darlehen i.H.v. 40.000 € gewährt (Bl. 80 f.). Erst als im September 2016 auch aufgrund einer neuen Vertragssituation mit einem Lieferanten eine Anpassung des Businessplans erforderlich wurde, was letztlich zu einem schlechteren Ergebnis führte, hat C. der Schuldnerin seine Unterstützung entzogen (Anl. K 9, K 11).
III. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 127 Abs. 4 ZPO).