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Wirtschaftsrecht
16.09.2021
Wirtschaftsrecht
BGH: Porsche-Tuning II

BGH, Urteil vom 6.7.2021 – KZR 35/20

ECLI:DE:BGH:2021:060721UKZR35.20.0

Volltext: BB-Online BBL2021-2177-1

Amtliche Leitsätze

a) Erheblich im Sinne des § 33 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. a GWB ist eine Anzahl betroffener Unternehmen dann, wenn sie in der Weise repräsentativ sind, dass ein missbräuchliches Vorgehen des Verbands zur Durchsetzung von Individualinteressen ausgeschlossen werden kann.

b) Ein Vertragshändlern auferlegtes, auf die Kundengruppe der Unternehmen, die sich mit dem individuellen Umbau, der Umrüstung durch Austausch von Fahrzeugkomponenten und der Leistungssteigerung (Tuning) von Serienfahrzeugen einer bestimmten Marke (hier: Porsche) befassen, bezogenes und beschränktes Belieferungsverbot ist eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung.

c) In einem selektiven Vertriebssystem ist der für den Umfang einer zulässigen Vertriebsbindung maßgebliche Begriff des Wiederverkäufers objektiv zu bestimmen. Tuning-Unternehmen sind als solche keine Wiederverkäufer.

d) Die Darlegungs- und Beweislast für die Einhaltung der Marktanteilsschwelle des Art. 3 Abs. 1 Vertikal-GVO obliegt derjenigen Partei, die sich darauf beruft.

GWB § 33 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. a; Vertikal-GVO 330/2010 Art. 3 Abs. 1; Verordnung (EG) Nr. 1/2003 Art. 2 Abs. 2

Sachverhalt

Der Kläger ist ein Verband, dem nach seinen Angaben 129 Unternehmen angehören, die in eigener Fertigung Tuningteile herstellen und vertreiben. Freie Werkstätten können angabegemäß nicht Mitglied des Verbands werden.

Die Beklagte zu 2 ist Herstellerin der Kraftfahrzeuge der Marke Porsche, die von der Beklagten zu 1 als deutscher Vertriebsgesellschaft in einem selektiven Vertriebssystem durch als Porsche-Zentren bezeichnete Vertragshändler aufgrund eines "Porsche Händler- und Servicevertrags" (Händlervertrags) vertrieben werden.

Der Händlervertrag enthält folgende Regelung zu Wiederverkäufern:

1.6 Verkäufe von neuen Porsche Serienfahrzeugen an nicht autorisierte Wiederverkäufer sind dem Händler nicht gestattet. Der Verkauf an Unternehmen, die die Porsche Serienfahrzeuge nur zum Endgebrauch als Porsche Fahrzeuge im oder für das Unternehmen verwenden, bleibt davon unberührt. Nicht autorisierte Wiederverkäufer sind auch Unternehmen, die

a) Porsche Serienfahrzeuge zum Zwecke der gewerblichen Umrüstung oder Veredelung (sog. Tuning) erwerben wollen, um die getunten Fahrzeuge weiterzuverkaufen,

oder

b) Porsche Serienfahrzeuge erwerben wollen, um sie als sog. Präsentations-, Vorführ- oder Ausstellungsfahrzeuge für Tuning-Produkte zu verwenden.

Laut Klausel 1.10 des Händlervertrags dürfen autorisierte Porschehändler auch Porsche-Teile und Porsche-Zubehör nicht an Wiederverkäufer verkaufen, die der Vertriebsorganisation von Porsche nicht angehören. Zulässig ist der Verkauf von Porsche-Teilen und Porsche-Zubehör an Endverbraucher sowie an nicht autorisierte Werkstätten, die Teile und Zubehör nur für die Instandsetzung oder Instandhaltung von Porsche-Fahrzeugen verwenden. Nicht gestattet ist jedoch der Verkauf von Porsche-Teilen und Porsche-Zubehör zum Einbau in Fahrzeuge anderer Marken (Fremdfabrikate) und der Verkauf von Porsche-Teilen und Porsche-Zubehör an Unternehmen, die diese wie folgt verwenden wollen:

a) als Bauteil zur Herstellung von Tuner-Fahrzeugen oder zum Umbau, zur Umrüstung, zur Leistungssteigerung oder zur Veredelung von Porsche-Fahrzeugen oder

b) zur Herstellung oder zur Instandsetzung oder Instandhaltung von Tuning-Komponenten, unabhängig davon, ob sie Bestandteil eines Fahrzeuges sind oder nicht.

Für den Erwerb von Porsche Ersatz- und Austauschteilen durch Unternehmenskunden stellt die Beklagte zu 2 den Porsche-Zentren Verpflichtungserklärungen zur Verfügung, nach deren bis Oktober 2013 verwendeter Fassung (Anlage K3) sich der Kunde vertragsstrafebewehrt verpflichtete,

die gelieferten Teile nicht zum Zwecke des Einbaus in Fahrzeuge anderer Marken (Fremdfabrikate) zu erwerben und nicht

- als Bauteil zur Herstellung von Tuner-Fahrzeugen oder zum Umbau, zur Leistungssteigerung oder zur Veredelung von Porsche-Fahrzeugen oder

- zur Herstellung oder zur Reparatur oder Instandsetzung von Tuning-Komponenten oder

- als Ersatzteile oder Austauschteile zur Reparatur oder Instandsetzung von Tuning-Komponenten, von Tuner-Fahrzeugen oder durch Tuner umgerüsteter Fahrzeuge

zu verwenden.

Seit Oktober 2013 wird die Verpflichtungserklärung in einer Fassung (Anlage K4) verwendet, nach der sich der Kunde vertragsstrafebewehrt verpflichtet, die gelieferten Original-Porsche-Ersatz- oder Austauschteile (Porsche-Teile) ausschließlich im Originalzustand und zu selbst durchgeführten Instandsetzungs- und Instandhaltungsmaßnahmen zu verwenden und insbesondere

die gelieferten Porsche-Teile

- nicht zur Herstellung veränderter Porsche-Teile zu verwenden,

- nicht zur Instandsetzung oder Instandhaltung von solchermaßen veränderten Porsche-Teilen zu verwenden,

- nicht in Fahrzeuge einzubauen, sofern die Fahrzeuge dadurch über eine Instandsetzung hinaus verändert werden.

Seit dem 1. Juli 2013 werden Tuning-Unternehmen mit Originalteilen beliefert, wenn dies zu Reparaturzwecken oder im Wege unmittelbarer Stellvertretung im konkreten Kundenauftrag mit entsprechender Vollmacht erfolgt, um ein vom Kunden als Endverbraucher erworbenes Porsche-Neufahrzeug zu veredeln oder umzurüsten. Im Anschluss an das Urteil des Senats vom 6. Oktober 2015 (KZR 87/13, NZKart 2015, 535 - Porsche-Tuning) stellt es die Beklagte zu 2 den Porsche-Zentren außerdem frei, Tuning-Unternehmen, die ebenso wie der Kläger im Verfahren KZR 87/13 unternehmensbedingt abhängig von Porsche sind, unter den in diesem Urteil näher konkretisierten Voraussetzungen zu beliefern.

Die im Wesentlichen auf Unterlassung der Verwendung der gegen Tuning-Unternehmen gerichteten Teile der Klauseln 1.6 und 1.10 des Händlervertrags sowie der diesbezüglichen Verpflichtungserklärungen gemäß den Anlagen K3 und K4 gerichtete Klage hat das Landgericht abgewiesen; das Berufungsgericht hat ihr im Wesentlichen stattgegeben.

Dagegen wenden sich die Beklagten mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision. Der Kläger begehrt die Zurückweisung der Revision.

Aus den Gründen

10        A. Soweit hier von Interesse, hat das Berufungsgericht zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

11        Die Klage sei insgesamt zulässig. Der Kläger sei gemäß § 33 Abs. 4 Nr. 1 GWB klagebefugt. Dafür sei nicht lediglich auf diejenigen Tuning-Unternehmen unter seinen Mitgliedern abzustellen, die allein oder zumindest auch Porsche-Tuning betrieben. Denn die angegriffenen Klauseln erfassten markenunabhängig alle Tuning-Unternehmen, was ihre Betroffenheit im kartellrechtlichen Sinn begründe. Der Kläger, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben das vorliegende Verfahren gehöre, sei auch imstande, diese Aufgaben zu erfüllen, insbesondere verfüge er über die erforderlichen Finanzmittel. Sofern der frühere Prozessbevollmächtigte des Klägers Kenntnis von den hier angegriffenen Klauseln des Händlervertrages bei seiner Tätigkeit für einen anderen Mandanten erlangt und diese Klauseln ohne dessen Zustimmung in das vorliegende Verfahren eingeführt haben sollte, folge daraus keine Unzulässigkeit der Klage. Dieser Vertragsinhalt falle nicht unter den Schutzzweck der von den Beklagten angeführten Geheimhaltungsvorschriften, weil es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen handele, die darauf ausgelegt seien, bereits potentiellen Vertragspartnern mitgeteilt zu werden. Es komme auch nicht darauf an, ob infolge eines Geheimnisverrats ein unverwertbares Beweismittel vorliege, weil die Verwendung der angegriffenen Vertragsbestimmungen durch die jeweilige Beklagte unstreitig sei.

12        Die Unterlassungsanträge seien aus § 33 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 1, § 1 GWB i.V.m. Art. 101 Abs. 1 AEUV begründet. Die angegriffenen Vereinbarungen des Händlervertrags bezweckten eine Beschränkung des Wettbewerbs im Sinne des § 1 GWB und Art. 101 Abs. 1 AEUV.

13        Soweit Klausel 1.6 auf Porsche spezialisierte Tuning-Unternehmen daran hindere, Porsche-Serienfahrzeuge als Präsentations-, Vorführ- oder Ausstellungsfahrzeuge für Tuning-Produkte zu erwerben, werde diesen Unternehmen verwehrt, ihre Leistungen marktwirksam zu präsentieren. Das stelle eine erhebliche Wettbewerbsbeschränkung dar. Diese sei darauf ausgerichtet, Unternehmen vom Tuning-Markt auszuschließen, die auf Tuning an Porsche-Kraftfahrzeugen spezialisiert seien oder auf der Grundlage von Porsche-Fahrzeugen oder -Teilen Eigenentwicklungen anböten. Eine Wettbewerbsbeschränkung scheide auch nicht deshalb aus, weil die Beklagte zu 1 die beanstandete Klausel im Rahmen eines qualitativ selektiven Vertriebssystems verwende. Soweit Tuner die Belieferung mit Porsche-Fahrzeugen zu Präsentations-, Vorführ- und Ausstellungszwecken (nachfolgend: Präsentationszwecken) für ihre Tuning-Produkte begehrten, seien sie im Verhältnis zu den Beklagten Endverbraucher, so dass sich ihnen gegenüber die Frage der Qualitätssicherung in einem privilegierten Vertriebssystem nicht stelle. Die Klausel schließe zudem qualitätsunabhängig alle Unternehmen von der Belieferung aus, die Porsche-Serienfahrzeuge zu Präsentationszwecken für Tuning-Produkte verwenden wollten. Es sei nicht ersichtlich, dass dieser qualitätsunabhängige Belieferungsausschluss erforderlich wäre, um die Qualität des Vertriebssystems zu sichern. Die Präsentationswagen-Klausel sei auch nicht nach der Vertikal-GVO freigestellt. Die Beklagten überschritten die für deren Anwendung geltende Marktanteilsschwelle (Art. 3 Abs. 1 Vertikal-GVO) auf dem hier maßgeblichen Markt der Lieferung von Serienfahrzeugen zum Tuning von Porsche-Fahrzeugen. Außerdem stehe der Gruppenfreistellung Art. 4 Buchst. b Vertikal-GVO entgegen, da es sich um eine unzulässige Kundengruppenbeschränkung handele. Die Unternehmensgruppe der Tuner werde für den Verkauf von neuen Serienfahrzeugen der Marke Porsche zu Präsentationszwecken gesperrt. Die durch die Verwendung der unzulässigen Vertragsklausel begründete Wiederholungsgefahr sei nicht entfallen. Die Beklagte zu 1 habe keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben, sie verteidige ihre Klauseln im Gegenteil auch im gerichtlichen Verfahren inhaltlich als zulässig.

14        Die den Verkauf von Porsche-Teilen und Porsche-Zubehör an Tuning-Unternehmen beschränkende und nicht nur Teile des eigenen Tuning-Programms der Beklagten zu 2 betreffende Klausel 1.10 verstoße nach denselben Grund-sätzen gegen § 1 GWB und Art. 101 Abs. 1 AEUV. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Marktanteilsschwelle des Art. 3 Vertikal-GVO eingehalten werde, jedenfalls handele es sich aber um eine unzulässige Kundengruppenbeschränkung gemäß Art. 4 Buchst. b Vertikal-GVO, die nicht gemäß Art. 4 Buchst. b Nr. iv Vertikal-GVO ausnahmsweise freigestellt sei, weil die Klausel nicht nur Teile erfasse, die die Beklagten ausschließlich für ihre eigenen Tuning-Programme verwendeten.

15        Die Verpflichtungserklärungen, nach denen Kunden die gelieferten Teile nicht zu Tuning-Zwecken verwenden dürfen, seien ebenfalls wegen Überschreitens der Marktanteilsschwelle nicht unter die Gruppenfreistellung fallende Wettbewerbsbeschränkungen. Zudem liege eine Kernbeschränkung nach Art. 5 Buchst. a Kfz-GVO vor. Die Verpflichtung ziele darauf ab, dass unabhängige Werkstätten bestimmte auf Tuning bezogene Instandsetzungs- und Reparaturarbeiten nicht vornehmen könnten.

16        B. Dies hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.

17        I. Gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen keine Bedenken.

18        1. Die Klage ist nicht rechtsmissbräuchlich erhoben worden. Von einem Missbrauch ist auszugehen, wenn das beherrschende Motiv des Gläubigers bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sachfremde, für sich genommen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele sind (vgl. BGH, Urteil vom 6. Oktober 2016 - I ZR 25/15, GRUR 2017, 266 Rn. 23 - World of Warcraft I, mwN). Dafür sind hier keine Anhaltspunkte ersichtlich. Der Kläger erstrebt im Interesse seiner Mitglieder die Klärung der Wirksamkeit bestimmter Klauseln des Händlervertrags und der ihn umsetzenden Verpflichtungserklärungen. Der Kläger verfolgt damit einen ohne weiteres zulässigen Zweck. Soweit die Revision geltend macht, der frühere Prozessbevollmächtigte des Klägers habe die mit der Klage angegriffenen Klauseln nur unter Verletzung anwaltlicher Berufspflichten in das Verfahren einführen können, ist dies für die Zulässigkeit der Klage ohne Belang.

19        2. Der Kläger ist gemäß § 33 Abs. 4 Nr. 1 GWB klagebefugt.

20        a) Entgegen der Ansicht der Revision gehört dem Kläger eine erhebliche Anzahl betroffener Unternehmen im Sinne des § 33 Abs. 3 GWB an.

21        aa) Allerdings ist das Berufungsgericht zu Unrecht davon ausgegangen, dass im vorliegenden Fall markenunabhängig alle Tuning-Unternehmen als betroffen anzusehen sind. Betroffen von dem geltend gemachten Kartellrechtsverstoß sind vielmehr nur diejenigen Mitgliedsunternehmen des Klägers, die aktuell oder potentiell neue Porsche-Serienfahrzeuge erwerben wollen, um sie zu Präsentationszwecken für Tuning-Produkte zu nutzen, oder die Porsche-Teile und Porsche-Zubehör - aktuell oder potentiell - als Bauteil zu Tuning-Zwecken oder zur Herstellung, Instandsetzung oder Instandhaltung von Tuning-Komponenten verwenden wollen.

22        bb) Der Rechtsfehler des Berufungsgerichts ist jedoch im Ergebnis unschädlich. Für die Prüfung, ob die Voraussetzungen der Klagebefugnis gemäß § 33 Abs. 4 Nr. 1 GWB vorliegen, gelten die Grundsätze des Freibeweises (BGH, Urteil vom 14. Dezember 2000 - I ZR 181/99, GRUR 2001, 846, 847 - Metro V, zu § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG aF); der Senat ist auch als Revisionsgericht nicht an die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts gebunden. Er hat vielmehr in Abweichung von § 559 Abs. 1 ZPO selbständig festzustellen, ob die Voraussetzungen für die Klagebefugnis erfüllt sind. Dabei ist grundsätzlich zu verlangen, dass die Tatsachen, aus denen sich die Klagebefugnis ergibt, spätestens im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz vorgelegen haben (vgl. BGH, Urteil vom 16. November 2006 - I ZR 218/03, GRUR 2007, 610 - Sammelmitgliedschaft V, zu § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG). Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt.

23        (1) Der Kläger hat in erster Instanz eine Mitgliederliste und eine Mitgliederbefragung (Anlagen K27 bis K29) vorgelegt und schriftsätzlich erläutert. Er hat vorgetragen, von seinen insgesamt 129 Mitgliedern seien 24 Förder- und Medienmitglieder und 105 im Fahrzeugtuning tätig. In der Mitgliederbefragung gaben 35 Unternehmen an, Porsche-Serienfahrzeuge für Präsentationszwecke zu benötigen (Frage 2 der Befragung). 24 Mitgliedsunternehmen erklärten, Porsche-Teile und Porsche-Zubehör als Bauteil zur Herstellung von Tuning-Fahrzeugen oder zum Umbau, zur Umrüstung, zur Leistungssteigerung oder zur Veredelung von Porsche-Fahrzeugen zu benötigen (Frage 4 der Befragung). Weitere 18 Mitgliedsunternehmen benötigen angabegemäß Porsche-Teile und Porsche-Zubehör zur Herstellung oder zur Instandsetzung oder Instandhaltung von Tuning-Komponenten, unabhängig davon, ob sie Bestandteile von Fahrzeugen sind oder nicht (Frage 5 der Befragung). Die nach diesen Antworten begehrten Lieferungen werden nach den vom Kläger gestellten Anträgen durch die von ihm beanstandeten Klauseln verhindert oder eingeschränkt, so dass diese Mitgliedsunternehmen unmittelbar als Mitbewerber oder sonstige Marktteilnehmer von dem durch den Kläger beanstandeten Kartellrechtsverstoß im Sinne des § 33 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. a GWB betroffen sind.

24        (2) Erheblich im Sinne des § 33 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. a GWB ist eine Anzahl betroffener Unternehmen dann, wenn sie in der Weise repräsentativ sind, dass ein missbräuchliches Vorgehen des Verbands ausgeschlossen werden kann. Dies kann schon bei einer geringen Zahl entsprechend tätiger Mitglieder anzunehmen sein (vgl. BGH, GRUR 2007, 610 Rn. 18 - Sammelmitgliedschaft V, zu § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG). Der Kläger hat, insoweit unwidersprochen, geltend gemacht, derzeit einziger Tuning-Fachverband in Deutschland zu sein. Er hat weiter ausgeführt, neben Techart, der Klägerin im Fall "Porsche-Tuning" (NZKart 2015, 535), böten seine Mitgliedsunternehmen Cartronic, Oettinger Autotechnik, Hamann, MTM, Herceg, Mansory und 9ff spezielle Porsche-Tuning-Programme an.

25        (3) Der Kläger hat damit ausreichend dargelegt, eine erhebliche Zahl der aktuell ausschließlich oder jedenfalls auch im Porsche-Tuning tätigen Unternehmen zu repräsentieren. Der Senat sieht keinen Grund, an dem entscheidenden Kern dieser Angaben zu zweifeln; auch die Beklagten zeigen einen solchen nicht auf. Ein missbräuchliches Vorgehen des Verbands kann damit mit dem Berufungsgericht ausgeschlossen werden.

26        b) Das Berufungsgericht hat ferner angenommen, der Kläger verfüge über die personelle, sachliche und finanzielle Ausstattung, um seine satzungsgemäße Aufgabe, im Interesse seiner Mitglieder gegen Kartellverstöße vorzugehen, dauerhaft selbst zu erfüllen. Das wird von der Revision nicht angegriffen und lässt auch keinen Rechtsfehler erkennen.

27        II. Zu Recht hat das Berufungsgericht die Unterlassungsklagen als begründet erachtet.

28        1. Das Berufungsgericht hat angenommen, die in der Berufungsinstanz verfolgten Unterlassungsansprüche stünden dem Kläger aus § 33 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 1, § 1 GWB i.V.m. Art. 101 Abs. 1 AEUV zu. Eine Anwendung von "§ 1 GWB i.V.m. Art. 101 Abs. 1 AEUV" kommt allerdings nicht in Betracht. § 1 GWB ist eine auch ohne Verweisung auf Art. 101 Abs. 1 AEUV anwendbare, eigenständige Verbotsnorm. Art. 3 Abs. 1 VO 1/2003 stellt klar, dass eine Wettbewerbsbeschränkung sowohl nach innerstaatlichem Kartellrecht durch § 1 GWB wie auch, im Fall der Beeinflussung des Handels zwischen Mitgliedstaaten, durch Art. 101 Abs. 1 AEUV verboten werden kann. Das Berufungsgericht hat jedoch keine Feststellungen zu einer Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels durch die hier in Rede stehenden Vertragsklauseln getroffen. Deshalb konnte es die Unterlassungsansprüche materiell allein auf § 1 GWB stützen. Für die Entscheidung des Rechtsstreits ist dies indes unerheblich.

29        2. Nach § 33 Abs. 1 GWB ist bei Wiederholungsgefahr zur Unterlassung verpflichtet, wer gegen § 1 GWB oder gegen Art. 101 oder 102 AEUV verstößt. § 1 GWB erklärt insbesondere Vereinbarungen zwischen Unternehmen für verboten, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken.

30        3. Zutreffend hat das Berufungsgericht die angegriffene Vertragsklausel, mit der den Porsche-Zentren als Vertragshändlern ein Verbot auferlegt wird, neue Porsche-Serienfahrzeuge an Unternehmen zu verkaufen, die diese zu Präsentationszwecken für Tuning-Produkte erwerben wollen, als Vereinbarung zwischen Unternehmen, nämlich zwischen der Beklagten zu 1 und dem jeweiligen Vertragshändler (Porsche-Zentrum), angesehen, die eine Wettbewerbsbeschränkung bezweckt. Den sich daraus ergebenden Unterlassungsanspruch kann der Kläger nach § 33 Abs. 4 Nr. 1 GWB als eigenen geltend machen.

31        a) Die beanstandete Klausel ist eine Beschränkung des Wettbewerbs sowohl der Porsche-Zentren untereinander wie auch der Porsche-Tuning anbietenden Unternehmen gegenüber der Beklagten zu 2.

32        aa) Durch die beanstandete Klausel werden die Porsche-Zentren im Wettbewerb beschränkt, indem sie generell davon ausgeschlossen werden, Porsche-Neufahrzeuge zu Präsentationszwecken für Tuning-Produkte zu verkaufen. Sie werden infolgedessen daran gehindert, beim Neuwagenabsatz an Tuning-Unternehmen zu diesen Zwecken untereinander in Wettbewerb zu treten.

33        (1) Ein derartiges, auf die Kundengruppe der Porsche-Tuner bezogenes und beschränktes Belieferungsverbot ist nach seinem Inhalt, dem mit ihm verfolgten Ziel und dem wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhang, in dem es steht (zu diesen Kriterien vgl. nur EuGH, Urteil vom 25. März 2021 - C-591/16 P, NZKart 2021, 291 Rn. 112 - Lundbeck, mwN), eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung zulasten der Porsche-Vertragshändler. Zwar knüpft die angegriffene Klausel nach ihrem Wortlaut nicht unmittelbar an eine Kundengruppe, sondern an die Verwendung von Neuwagen zu Präsentationszwecken für Tuning-Produkte an. Schon wegen der erheblichen Anschaffungskosten derartiger Produkte kann die Klausel indes allein Unternehmen betreffen, deren wesentlicher Geschäftsgegenstand zumindest auch, wenn nicht ausschließlich der individuelle Umbau, die Umrüstung durch Austausch von Fahrzeugkomponenten und die Leistungssteigerung, mithin das Tuning von Porsche-Serienfahrzeugen, ist. Es machte daher keinen inhaltlichen Unterschied, wenn in der Klausel statt an die Verwendung für Tuning-Produkte an den Erwerb durch ein Tuning-Unternehmen angeknüpft würde. Damit ist die Klausel im Sinne einer Kundengruppenbeschränkung auch ausreichend bestimmt. So erfasst sie eindeutig nicht freie Werkstätten, die in einem Einzelfall oder hin und wieder im konkreten Auftrag eines Kunden Tuning-Maßnahmen an dessen Fahrzeug durchführen. Denn in einem solchen Fall fehlt es bereits an einem Erwerb von Neuwagen zu Präsentationszwecken.

34        (2) Die von der Revisionsbegründung als gegen die Annahme einer Kundengruppenbeschränkung sprechende Beispiele für Abgrenzungsschwierigkeiten aufgeführten Unternehmen BBS, Continental und ZF Race Engineering sind ausweislich der Auswertung der Mitgliederbefragung des Klägers (Anlage K28) von ihm nicht als Porsche-Tuning durchführende Unternehmen benannt worden. Es ist deshalb nicht ersichtlich, dass diese Unternehmen als Nachfrager von Präsentationsfahrzeugen der Marke Porsche auftreten, so dass sich ihnen gegenüber auch keine Abgrenzungsschwierigkeiten bei einem Tuning-Unternehmen als Kundengruppe betrachtenden Verständnis ergeben.

35        (3) Dass die angegriffene Klausel eine Kundengruppenbeschränkung zu Lasten der Tuning-Unternehmen bezweckt, wird auch dadurch unterstrichen, dass sie gerade nicht generell den Erwerb von Porsche-Neufahrzeugen zu Präsentationszwecken unterbindet, sondern eben nur "für Tuning-Produkte", also wie gezeigt für Tuning-Unternehmen, obwohl nicht ersichtlich ist, dass bei einem nicht für Tuning-Produkte zu Präsentationszwecken erworbenen Fahrzeug ein geringerer Anreiz zum Weiterverkauf in neuwertigem Zustand besteht.

36        bb) Es kommt hinzu, dass die Beklagten in Konkurrenz zu den unabhängigen Tuning-Unternehmen eigene Tuning-Programme für ihre Serienfahrzeuge anbieten. Diesem Umstand hat das Berufungsgericht zu Unrecht nur in anderem Zusammenhang, insbesondere bei der Frage der Anwendbarkeit des Art. 4 Buchst. b Nr. iv Vertikal-GVO, Aufmerksamkeit geschenkt. Indem die Klausel den Erwerb von neuen Porsche-Serienfahrzeugen zu Präsentationszwecken ausschließt, schneidet sie die im Bereich des Tunings von Porsche-Serienfahrzeugen tätigen Unternehmen von einer für die nachhaltig erfolgreiche Ausübung dieser Tätigkeit wesentlichen Ressource ab. Die Tuning-Unternehmen benötigen die Neufahrzeuge, um ihr Angebot zur Veredelung und Individualisierung von Fahrzeugen der Marke Porsche ihren Kunden vorstellen zu können. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht festgestellt, dass die Neuwagen der Beklagten für die für einen erfolgreichen Betrieb des Tuning-Geschäfts unentbehrlichen Präsentationszwecke nicht oder jedenfalls nicht vollständig durch junge Gebrauchtwagen zu substituieren sind. Erhalten die im Porsche-Tuning tätigen Unternehmen die von den Beklagten neu eingeführten Modelle erst deutlich später als Kunden der Porsche-Zentren, werden sie von den im Tuning-Bereich besonders wichtigen ersten Kaufimpulsen der Kundschaft ausgeschlossen. Zudem wenden sich die Beklagten und die unabhängigen Tuning-Unternehmen gleichermaßen an ein Kundensegment, das Wert darauf legt, dass in den Verkaufsräumen neue Fahrzeuge präsentiert werden (vgl. BGH, NZKart 2015, 535 Rn. 72 bis 74 - Porsche-Tuning).

37        b) Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die angegriffene Klausel nicht nach den für den qualitativ selektiven Vertrieb geltenden Grundsätzen (vgl. EuGH, Urteile vom 13. Oktober 2011 - C-439/09, WuW/E EU-R 2163 Rn. 40 ff. - Pierre Fabre; vom 6. Dezember 2017 - C-230/16, WuW 2018, 27 Rn. 24 - Coty, jeweils mwN) vom Verbot des § 1 GWB ausgenommen ist. Ausgenommen sind danach allein die für die Organisation eines selektiven Vertriebsnetzes erforderlichen, qualitativen Kriterien für die Auswahl der Wiederverkäufer, die einheitlich und diskriminierungsfrei angewandt werden, vorausgesetzt, die Eigenschaften des fraglichen Erzeugnisses erfordern zur Wahrung seiner Qualität oder zur Gewährleistung seines richtigen Gebrauchs ein solches Vertriebsnetz.

38        aa) Danach ist zwar Wesensmerkmal eines qualitativ selektiven Vertriebs, dass die Lieferung der Vertragswaren an nicht autorisierte Wiederverkäufer untersagt ist. Jedoch ist der Begriff des Wiederverkäufers objektiv zu bestimmen. Es steht einem Hersteller nicht frei, in seinen Vertriebsverträgen beliebige Abnehmer zu Wiederverkäufern zu erklären. Ein unzulässiger Wiederverkauf muss sich vielmehr auf die von den Beklagten vertriebenen Produkte, hier neue Serienfahrzeuge der Marke Porsche, beziehen.

39        bb) Ein relevanter Wiederverkauf liegt danach nur vor, wenn die Fahrzeuge als Neuwagen und ohne (wesentliche) Veränderungen weiterverkauft werden. Aus dem bloßen Erwerb eines neuen Serienfahrzeugs zu Präsentationszwecken für Tuning-Produkte kann jedoch nicht auf die Absicht geschlossen werden, das Fahrzeug im neuwertigen Zustand und unverändert weiterzuverkaufen. Vielmehr ist diesem Verwendungszweck eigen, dass durch Tuning Veränderungen an dem Fahrzeug vorgenommen werden und es zumindest über einen gewissen Zeitraum der Kundschaft im eigenen Geschäftsbetrieb präsentiert wird. Erfolgt nach einer insoweit üblicherweise zu erwartenden, angemessenen Nutzungszeit ein Weiterverkauf des Fahrzeugs, so entspricht dies nicht einem Weiterverkauf des Neufahrzeugs, der bei erforderlichem Selektivvertrieb durch die Vertriebsbindung in zulässiger und nicht wettbewerbsbeschränkender Weise unterbunden werden dürfte.

40        cc) Die beanstandete Klausel kann danach auch schon deshalb nicht als eine in einem qualitativ selektiven Vertriebssystem zulässige Vertriebsbindung angesehen werden, weil sie zur Verfolgung des legitimen Vertriebsbindungsziels nicht erforderlich ist. Denn insoweit genügte es, die zu Präsentationszwecken anfragenden Tuning-Unternehmen zu einer angemessenen Haltedauer für die Neufahrzeuge zu verpflichten.

41        dd) Danach kommt es nicht mehr darauf an, ob es sich bei dem Vertriebssystem der Beklagten für Neuwagen nicht ohnehin um einen quantitativen Selektivvertrieb handelt, weil die Beklagten - wie es der Branchenübung entspricht (vgl. Bundeskartellamt, Fallbericht B9-28/15 u.a., S. 3, abrufbar in der Entscheidungsdatenbank unter www.bundeskartellamt.de) - nicht jeden ihre qualitativen Zulassungskriterien erfüllenden Händler in das System aufnehmen.

42        c) Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, die gegen den Erwerb zu Präsentationszwecken gerichtete Klausel sei weder gemäß § 2 GWB in Verbindung mit der Gruppenfreistellung für Vertikalvereinbarungen (Verordnung (EU) Nr. 330/2010, nachfolgend Vertikal-GVO) noch nach der Gruppenfreistellungsverordnung für den Kraftfahrzeugsektor (Verordnung (EU) Nr. 461/2010, nachfolgend: Kfz-GVO) vom Verbot des § 1 GWB freigestellt.

43        aa) Die Anwendung der Vertikal-GVO scheitert bereits daran, dass nicht festgestellt oder dargetan ist, dass die Marktanteilsschwelle des Art. 3 Abs. 1 Vertikal-GVO eingehalten ist.

44        (1) Die dafür vom Berufungsgericht gegebene Begründung hält allerdings bei der den Vertrieb von Neuwagen betreffenden Klausel 1.6 des Händlervertrags revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

45        (a) Gemäß Art. 3 Abs. 1 Vertikal-GVO gilt die Freistellung nach Art. 2 Vertikal-GVO nur, wenn der Anteil des Anbieters an dem relevanten Markt, auf dem er die Vertragswaren oder -dienstleistungen anbietet, und der Anteil des Abnehmers an dem relevanten Markt, auf dem er die Vertragswaren oder -dienstleistungen bezieht, jeweils nicht mehr als 30 % beträgt. Die Begriffe Anbieter und Abnehmer beziehen sich dabei auf die Vertikalvereinbarung (Art. 1 Abs. 1 Buchst. a) Vertikal-GVO), deren Freistellung gemäß Art. 2 Abs. 1 Vertikal-GVO in Rede steht. Zweck der Marktanteilsschwelle ist festzustellen, inwieweit die an einer vertikalen Vereinbarung beteiligten Unternehmen dem Wettbewerb anderer Anbieter oder Nachfrager ausgesetzt sind (vgl. Ellger in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht EU, 6. Aufl. 2019, Vertikal-GVO Art. 3 Rn. 2; s.a. Nolte in Langen/Bunte, Kartellrecht, 13. Aufl., nach Art. 101 AEUV Rn. 385). Nach Erwägungsgrund 7 der Vertikal-GVO hängt die Wahrscheinlichkeit, dass effizienzsteigernde Auswirkungen vertikaler Vereinbarungen stärker ins Gewicht fallen als etwaige von ihnen ausgehende wettbewerbswidrige Auswirkungen, von der Marktmacht der an der Vereinbarung beteiligten Unternehmen ab und somit von dem Ausmaß, in dem diese Unternehmen dem Wettbewerb anderer Anbieter von Waren oder Dienstleistungen ausgesetzt sind.

46        (b) Die Beklagte zu 1 schließt den Händlervertrag im Hinblick auf die Klausel Nr. 1.6 als Anbieter von Porsche-Neuwagen mit den Porsche-Zentren, also dem Kraftfahrzeughandel, ab. Damit ist für sie relevanter Markt im Zusammenhang mit dieser Vertriebsvereinbarung und damit für die Berechnung des Schwellenwerts nach Art. 3 Abs. 1 Vertikal-GVO entweder der Kraftfahrzeug-Neuwagenhandel insgesamt oder jedenfalls der Markt für den Absatz neuer Sportwagen an den Handel. Anders als das Berufungsgericht angenommen hat, kann hierbei indes nicht der Markt für das Tuning von Porsche-Fahrzeugen relevanter Markt sein, weil die Beklagte zu 1 mit den in Rede stehenden Fahrzeugen (neue Serienfahrzeuge) nicht Anbieter auf diesem Markt ist.

47        (2) Die Revision zeigt aber nicht auf, dass die Beklagten die für die Anwendbarkeit der Vertikal-GVO im vorliegenden Fall maßgebliche Marktabgrenzung und ihren auf dieser Grundlage ermittelten Marktanteil in den Vorinstanzen dargelegt hätten.

48        (a) Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Darlegungs- und Beweislast für die Einhaltung der Marktanteilsschwelle des Art. 3 Abs. 1 Vertikal-GVO bei den Beklagten liegt. Gemäß Art. 2 Satz 2 VO 1/2003 obliegt die Beweislast für die Voraussetzungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV demjenigen, der sich auf eine Freistellung nach dieser Bestimmung beruft. Dasselbe gilt für alle tatsächlichen Voraussetzungen einer Gruppenfreistellungsverordnung, also alle positiven und negativen Voraussetzungen ihrer Anwendbarkeit. Die Gruppenfreistellung hat dieselbe Rechtswirkung wie die Einzelfreistellung, so dass im Zivilverfahren dieselben Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast gelten müssen (ebenso Bornkamm/Becker ZWeR 2005, 213, 231; Jaeger in Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, Stand Oktober 2006, Art. 2 VO 1/2003 Rn. 5; Zuber in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Kersting/Meyer-Lindemann, Kartellrecht, 4. Aufl., Art. 2 VerfVO Rn. 10).

49        (b) Der Vortrag in der Revisionsbegründung, relevanter Markt sei hier der Großhandelsmarkt mit PKW und die Kommission habe diesen Markt bisher nicht nach Fahrzeugklassen oder einzelnen Marken abgegrenzt, wird allein mit einer fusionskontrollrechtlichen Entscheidung der Kommission begründet. Das reicht nicht aus. Insbesondere ist die Marktabgrenzung in gerichtlichen oder behördlichen Fusionskontrollentscheidungen, die sich typischerweise auf die Endverbrauchermärkte bezieht, häufig nicht für Zwecke der Marktabgrenzung im Rahmen der Vertikal-GVO heranzuziehen, weil es dabei regelmäßig auf die Händlersicht ankommt (Nolte in Langen/Bunte, aaO, nach Art. 101 AEUV Rn. 389 mwN). Dass dies hier anders liegt, haben die Beklagten nicht dargelegt. Sie haben zudem zur Höhe ihres Marktanteils auf dem allgemeinen Neuwagenmarkt und insbesondere dem hier gegebenenfalls in den Blick zu nehmenden Sportwagenmarkt nicht vorgetragen.

50        bb) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Anwendung der Gruppenfreistellung scheitere auch an Art. 4 Buchst. b Vertikal-GVO, da die angegriffene Vertragsbestimmung Nr. 1.6 eine unzulässige Kundengruppenbeschränkung bewirke. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision stand.

51        (1) Anders als in dem von der Revision zitierten, vom Gerichtshof der Europäischen Union entschiedenen Fall "Coty" (EuGH, WuW 2018, 27 Rn. 40 ff., 51, 55 ff.) geht es der Beklagten zu 1 mit der angegriffenen Klausel nicht darum, die Kontrolle über die Einhaltung von legitimen Qualitätskriterien beim Weitervertrieb zu behalten, sondern um eine unzulässige Erstreckung der den selektiven Vertrieb prägenden Vertriebsbindung auf Tuning-Unternehmen, die keine Wiederverkäufer sind (s.o. Rn. 38 f.). Entgegen der Rüge der Revision handelt es sich bei den Tuning-Unternehmen nicht um Händler, die als Außenseiter in das selektive Vertriebssystem der Beklagten eindringen wollen.

52        (2) Das Berufungsgericht hat bei der Klausel Nr. 1.6. keine der Ausnahmen vom Verbot der Kundengruppenbeschränkung (Art. 4 Buchst. b Nr. i bis iv) für einschlägig gehalten. Das wird von der Revision nicht angegriffen und lässt auch keinen Rechtsfehler erkennen.

53        (3) Ein Interesse der Beklagten, ihre Produkte nur unverändert oder allenfalls mit ihren eigenen Tuning-Komponenten auf dem Markt zu sehen, kann kartellrechtlich grundsätzlich nur im Rahmen der durch gewerbliche Schutzrechte eingeräumten Ausschließlichkeitsrechte anerkannt werden, jedoch keine Beschränkung der Produktvielfalt und der sich daraus ergebenden Wahlfreiheit der Verbraucher rechtfertigen. Darüber hinaus ist die Abwehr von Gefahren für die Verwender und Benutzer technischer Einrichtungen nicht primär Aufgabe der am Wettbewerb teilnehmenden Unternehmen, sondern den zuständigen Behörden übertragen. Das schließt es grundsätzlich aus, wegen der bloßen Möglichkeit künftiger Schäden bei Benutzern oder Verwendern eine so tief in die Freiheit des Wettbewerbs eingreifende Maßnahme wie eine Liefersperre zu veranlassen. In dieser Hinsicht bestehende Gefahren können allenfalls Berücksichtigung finden, wenn ihr Eintritt mit einer hinreichend großen Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Dafür sind weder dem festgestellten Sachverhalt noch dem Vorbringen der Parteien Anhaltspunkte zu entnehmen (vgl. BGH, Urteil vom 27. April 1999 - KZR 35/97, WuW/E DE-R 357, juris Rn. 15 ff. - Feuerwehrgeräte).

54        cc) Die Gruppenfreistellungsverordnung für den Kraftfahrzeugsektor enthält keine gegenüber der Vertikal-GVO weiterreichenden Befreiungen von Art. 101 Abs. 1 AEUV, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat. Dies nimmt die Revision ebenfalls hin.

55        dd) Eine Einzelfreistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV kommt nicht in Betracht. Die Revision zeigt nicht auf, dass die Beklagten Vortrag zu den von ihnen darzulegenden Freistellungsvoraussetzungen gehalten haben.

56        d) Unerheblich ist, auf welche Weise der Kläger Kenntnis vom Inhalt des Vertrags erlangt hat und ob und inwieweit der Inhalt des Händlervertrags grundsätzlich ein schutzfähiges Geschäftsgeheimnis der Beklagten darstellen kann (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Juni 2020 - C-158/11, WuW/E EU-R 2394 Rn. 31 - Auto 24). In Rn. 39 der zitierten Entscheidung hat der Gerichtshof der Europäischen Union jedenfalls deutlich gemacht, dass die für die Händlerauswahl festzulegenden Merkmale solche Merkmale sein müssen, deren genauer Inhalt auch in einem Zivilverfahren überprüft werden kann (vgl. auch Leitlinien der Kommission für vertikale Beschränkungen, ABl. 2010 C 130/1 Rn. 175 aE). Der zum Schutz des Wettbewerbs und zur effektiven Durchsetzung des Unionskartellrechts gebotenen kartellrechtlichen Überprüfung einer wettbewerbsbeschränkenden Vertragsklausel kann deshalb kein Geheimhaltungsinteresse des Rechtsverletzers entgegengehalten werden. Offenbleiben kann daher, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, ob der frühere Prozessbevollmächtigte des Klägers die mit der Klage eingereichte Kopie des Händlervertrags unter Verletzung straf- oder berufsrechtlicher Vorschriften erlangt hat.

57        e) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht schließlich erkannt, dass die für den Erfolg des Unterlassungsantrags erforderliche Wiederholungsgefahr nicht entfallen ist. Die Beklagte zu 1 hat keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben. Indem sie die Klauseln im gerichtlichen Verfahren weiterhin als inhaltlich zulässig verteidigt, kann deren erneute Verwendung im Fall eines Prozesssieges nicht ausgeschlossen werden.

58        Die dagegen von der Revision vorgebrachten Rügen greifen nicht durch. Die als Folge des Senatsurteils "Porsche-Tuning" behauptete Änderung des Händlervertrags haben die Beklagten nicht durch Vorlage des neuen Vertrages belegt. Zudem würde auch die Einstellung der Zuwiderhandlung die Wiederholungsgefahr nach allgemeinen Grundsätzen nicht beseitigen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 - KZR 25/14, BGHZ 211, 146 Rn. 19 - Lottoblock II). Wie das Berufungsgericht zutreffend festgestellt hat, haben sich die Beklagten nicht unaufgefordert der Senatsentscheidung "Porsche-Tuning" angepasst. Vielmehr verteidigen sie die streitbefangenen Klauseln und Verpflichtungserklärungen weiterhin als rechtmäßig.

59        4. Die vorstehende Beurteilung gilt im Wesentlichen entsprechend, soweit sich die Klage gegen das den Porsche-Zentren im Händlervertrag auferlegte Verbot richtet, Porsche-Teile und Porsche-Zubehör zum Einbau in Fahrzeuge anderer Marken (Fremdfabrikate) oder an Unternehmen zu verkaufen, die diese als Bauteil zur Herstellung von Tuner-Fahrzeugen oder zum Umbau, zur Umrüstung, zur Leistungssteigerung oder zur Veredelung von Porsche-Fahrzeugen oder zur Herstellung oder zur Instandsetzung oder Instandhaltung von Tuning-Komponenten, unabhängig davon, ob sie Bestandteil eines Fahrzeugs sind oder nicht, verwenden wollen.

60        a) Die angegriffene Vertragsklausel enthält ein gezielt die typische Tätigkeit eines - ausschließlich oder jedenfalls auch auf Porsche ausgerichteten - Tuning-Unternehmens umfassendes Belieferungsverbot, das sich damit als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung zu Lasten der Tuning-Unternehmen darstellt (vgl. o. Rn. 35).

61        b) Diese Klausel ist ebenfalls nicht nach der Vertikal-GVO oder der GVO für den Kraftfahrzeugsektor freigestellt.

62        aa) Die Freistellung scheitert bereits daran, dass die Beklagte zu 1 nicht dargelegt hat, im Ersatzteil- und Zubehörgeschäft für Teile ihrer Marke die Marktanteilsschwelle des Art. 3 Vertikal-GVO nicht zu überschreiten. Bei Ersatzteilen ist eine markenspezifische Abgrenzung geboten. Der Ersatzteilmarkt für Fahrzeuge einer bestimmten Marke umfasst grundsätzlich mit dem Markenzeichen des Kraftfahrzeugherstellers versehene Original-Teile (OEM-Teile), von Original-Teile-Anbietern (Zulieferern) hergestellte und vertriebene Original-Teile (OES-Teile) sowie von anderen Teile-Herstellern produzierte Teile, die den Original-Teilen qualitativ gleichwertig sind (Ident-After-Market-Teile, IAM, vgl. Kommission, Ergänzende Leitlinien für vertikale Beschränkungen in Vereinbarungen über den Verkauf und die Instandsetzung von Kraftfahrzeugen und den Vertrieb von Kraftfahrzeugersatzteilen, ABl. 2010, C-138/5 Rn. 15). Der Senat hat offenge-lassen, ob bei einer Verwendung für individualisierte und veredelte Porsche-Fahrzeuge der relevante Markt auf OEM-Teile zu verengen ist (BGH, NZKart 2015, 535 Rn. 85). Aber auch ohne eine solche Beschränkung des relevanten Ersatzteilmarkts erreichen die Kraftfahrzeughersteller im Anschlussmarkt für Ersatzteile bei Fahrzeugen ihrer Marke in aller Regel einen Marktanteil von mehr als 30 % (vgl. Kommission, Erläuterungen zum Entwurf der GVO Nr. 1400/2002 vom 16. März 2002, ABl. 2002 - C-67/2 Rn. 41). Abweichendes haben die Beklagten nicht dargelegt.

63        bb) Durch die Klausel wird zudem eine unzulässige Kundengruppenbeschränkung gemäß Art. 4 Buchst. b Vertikal-GVO bezweckt, ohne dass einer der Ausnahmetatbestände des Art. 4 Buchst. b Nr. i bis iv vorliegt. Art. 4 Buchst. b Nr. iv Vertikal-GVO lässt zwar ausdrücklich zu, dass der Abnehmer in einer Vertikalvereinbarung darin beschränkt wird, Teile, die ihm zur Weiterverwendung geliefert werden, an Kunden zu verkaufen, die diese Teile für die Herstellung derselben Art von Waren verwenden würden, wie sie der Anbieter herstellt. Diese Bestimmung ermöglicht es, den Verkauf der zur Weiterverarbeitung gelieferten Teile an Wettbewerber des Anbieters auszuschließen. Sie gilt aber nur, wenn es sich um eine Lieferung von Teilen zur Weiterverwendung durch den Abnehmer handelt. Davon wird der unveränderte Weiterverkauf der gelieferten Teile und damit der Ersatzteilhandel nicht erfasst. Eine Lieferung zur Weiterverwendung erfolgt vielmehr nur, wenn die Vertragsware eine Vorleistung für vom Abnehmer hergestellte Waren darstellt (vgl. Vertikal-Leitlinien Rn. 55; Ellger in Immenga/Mestmäcker, EU Wettbewerbsrecht aaO Art. 4 Vertikal-GVO Rn. 85). Damit wird der Schutz des Zulieferers in industriellen Zulieferverträgen bezweckt. Zugleich wird die Wertschöpfung durch Weiterverarbeitung gefördert, indem Zulieferverträge erleichtert werden. Denn ohne die Bestimmung des Art. 4 Buchst. b Nr. iv Vertikal-GVO könnten Anbieter, die zugleich selbst Weiterverarbeiter sind, davon abgehalten werden, ihre Vorprodukte an andere Weiterverarbeiter zu liefern, weil sie befürchten müssten, dass die Vorprodukte von diesen unkontrolliert an weitere Konkurrenten verkauft werden (BGH, NZKart 2015, 535 Rn. 94 - Porsche-Tuning). Nach Art. 4 Buchst. b Nr. iv Vertikal-GVO können die Beklagten danach den Porsche-Zentren untersagen, die Mitglieder des Klägers mit Teilen aus den eigenen Porsche-Tuning-Programmen zu beliefern, die zu einer wertschöpfenden Weiterverwendung und von vornherein nicht zum unveränderten Weiterverkauf an die Porsche-Zentren geliefert werden (BGH, NZKart 2015, 535 Rn. 101 - Porsche-Tuning).

64        Das Berufungsgericht hat jedoch zutreffend ausgeführt, dass sich die angegriffene Vertragsbestimmung nicht auf diese speziellen Porsche-Tuning-Teile beschränkt und sie keiner selbständigen Regelung zuführt, sondern einschränkungslos sämtliche Porsche-Teile erfasst, die für die in der Klausel genannten Zwecke verwendet werden können, also in großem Umfang auch solche, die nicht in den Schutzbereich der Ausnahme des Art. 4 Buchst. b Nr. iv Vertikal-GVO fallen. Die Formulierung der angegriffenen Klausel lässt es auch nicht zu, das Belieferungsverbot im zulässigen Umfang ohne weiteres aus dem Unterlassungsantrag herauszulösen.

65        cc) Soweit die Klausel 1.10 den Porsche-Händlern ausnahmslos den Verkauf zum Einbau von Porsche-Teilen und -Zubehör in Fremdfabrikate untersagt, liegt zwar eine Verwendungs- und keine Kundengruppenbeschränkung vor. Diese Wettbewerbsbeschränkung der Händler beim Absatz fällt aber gemäß Art. 3 Vertikal-GVO nicht unter die Gruppenfreistellungsverordnung, weil der Marktanteil der Beklagten auf dem relevanten Teilemarkt 30 % überschreitet (vgl. o. Rn. 62). Für eine Einzelfreistellung haben die Beklagten auch insoweit nichts vorgetragen.

66        5. Schließlich hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Verpflichtungserklärungen nach den Anlagen K3 und K4 das rechtliche Schicksal der Vertragsklauseln teilen, deren wettbewerbsbeschränkenden Inhalt sie in das Rechtsverhältnis zwischen den Porsche-Zentren und deren Abnehmern übernehmen. Die Revision erhebt hiergegen auch keine gesonderten Rügen.

67        III. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht veranlasst (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - 283/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 21 - CILFIT u.a.; Urteil vom 1. Oktober 2015 - C-452/14, GRUR Int. 2015, 1152 Rn. 43 - Doc Generici, mwN). Im Streitfall stellt sich keine entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung des Unionsrechts, die nicht bereits durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt oder nicht zweifelsfrei zu beantworten ist. Dies gilt namentlich für die Bestimmung der hier maßgeblichen relevanten Märkte und die unionsrechtlichen Begriffe Endverbraucher, unabhängige Werkstatt und Wiederverkäufer sowie die unionsrechtlichen Grenzen einer Vertraulichkeit von Selektionskriterien und für Weiterverkaufsbeschränkungen im Selektivvertrieb.

68        IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

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