OLG München: Phoenix-Insolvenz - auch Bestandprovision eines Handelsvertreters ist eine entgeltliche Leistung
OLG München, Urteil vom 5.10.2010 - 5 U 4438/09
Leitsätze
1. Der Handelsvertreter, der gemäß vertraglicher Vereinbarung der Schuldnerin Kunden zugeführt hat, hat gegen diese auch dann einen rechtswirksamen Provisionsanspruch, wenn das von der Schuldnerin betriebene Anlagemodell - vom Kunden und dem Handelsvertreter unerkannt - wegen Betreibens eines „Schneeballsystems" sittenwidrig ist und ein wirksamer Anlagevertrag daher nicht zustande gekommen ist.
2. Die Handelsvertreterprovision stellt, auch soweit es sich dabei nicht um die Abschlussprovision, sondern um die Bestandsprovision handelt, eine entgeltliche Leistung für die vom Handelsvertreter erbrachte Gegenleistung der Kundenwerbung und Kundenpflege dar.
3. Gemäß § 143 Abs. 2 Satz 1 InsO i.V.m. § 818 Abs. 3 BGB ist der Handelsvertreter zur Herausgabe der rechtsgrundlos erlangten Provisionszahlung oder zum entsprechenden Wertersatz, § 818 Abs. 2 BGB, nicht verpflichtet, wenn die Provisionszahlungen die Lebensgrundlage des Handelsvertreters dargestellt haben und die Beträge restlos für die laufenden Lebensbedürfnisse verbraucht worden sind.
4. Die für den rechtsgrundlos Bereicherten einer Gehalts- oder Unterhaltszahlung anerkannten Beweiserleichterungen sind auch auf die bereicherungsrechtliche Rückforderung der Handelsvertreterprovision anzuwenden.
Sachverhalt
I. Der Kläger ist Verwalter in dem auf Antrag vom 11. März 2005 am 01. Juli 2005 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der P. -GmbH (nachfolgend: Schuldnerin). Er begehrt im vorliegenden Verfahren von dem Beklagten die Rückzahlung von Handelsvertreterprovisionen, die die Insolvenzschuldnerin im 4-Jahres-Zeitraum vor Beantragung des Insolvenzverfahrens an den Beklagten auf der Grundlage von unzutreffenden, durch Scheingewinne aufgeblähten Anlegerkontoständen ausgezahlt hat.
Die Schuldnerin war seit 1977 als Finanzdienstleisterin tätig. Sie besaß die Erlaubnis, Finanzkommissionsgeschäfte und Finanzportfolioverwaltungsleistungen zu erbringen. Ab 1992 bot sie unter der Produktbezeichnung „P M A " (nachfolgend: PMA) ihren Kunden die Möglichkeit an, am Erfolg oder Misserfolg von Optionsgeschäften teilzunehmen. Gemäß Produktbeschreibung sollte die Schuldnerin im eigenen Namen auf Rechnung der Anlegergemeinschaft Handel mit Optionen und Futures betreiben und das dabei erzielte Ergebnis anteilig auf die Anleger verteilen. Die Schuldnerin warb mit jährlich zu erzielenden Renditen zwischen 8,7 % und 14,07 %. Tatsächlich erzielte sie mit dem PMA spätestens seit 1993/1994 hohe Verluste. Den Anlegern offenbarte sie dies nicht. Vielmehr sandte sie ihren Anlegern geschönte monatliche Kontostandsmitteilungen zu, in denen frei erfundene Gewinne ausgewiesen waren. Zu diesem Zweck täuschte die Schuldnerin erhebliche Vermögenswerte und Handelsumsätze auf einem in Wahrheit nicht existierenden Konto Nr. M.... beim Brokerhaus M. vor. Die Gelder der Anleger legte die Schuldnerin nur zu einem geringen Teil und später überhaupt nicht mehr in Termingeschäften an. Die Einlagen von Neukunden verwendete die Schuldnerin in der Art eines „Schneeballsystems" für Aus- und Rückzahlungen an Altkunden.
Die Schuldnerin schloss am 28. September 1993 mit dem Beklagten einen Vertriebs-vertrag (Anlage BK 1), der mit Vertriebsvertrag vom 22. Juni 2004 (Anlage K 11) fortgeschrieben worden ist. Danach sollte der Beklagte von der Schuldnerin für den erfolgreichen Vertrieb des PMA eine von der Höhe der Einlagesumme abhängige Abschlussprovision und nachfolgend monatliche Bestandsprovisionen erhalten. Deren Höhe richtete sich gemäß vertraglicher Vereinbarung nach den Kontoständen der geworbenen Anleger. Als Folgeprovision sollte der Beklagte für jede Abrechnungsperiode (Handelsmonat) 0,4 % (Anlage BK 1) bzw. 0,3 % (Anlage K 11) des arithmetischen Mittelwertes der Einlage der von ihm betreuten Kunden zu Beginn der Abrechnungsperiode und deren Einlage zu Beginn der folgenden Abrechnungsperiode erhalten.
Der Beklagte nahm die Abrechnung seiner Folgeprovisionen auf der Grundlage der Kontostände vor, die die Schuldnerin den vom Beklagten geworbenen Kunden vortäuschte und ihrerseits zur Grundlage ihrer Mitteilungen an den Beklagten über die Höhe der in Rechnung zu stellenden Folgeprovisionen machte (Anlagenkonvolut K 17). Er erhielt seitens der Schuldnerin entsprechende Zahlungen, und zwar im oben genannten Zeitraum insgesamt 99.265,01 €.
Der Kläger hat die überzahlten Beträge der Bestandsprovisionen mit Schreiben vom 21. November 2008 angefochten (Anlage K 14). Mit der Klage fordert er Rückzahlung des auf 84.086,62 € bezifferten Betrages der Überzahlung zuzüglich Zinsen von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 01. Juli 2005.
Zur Berechnung der vertraglich geschuldeten Bestandsprovisionen und vice versa des überzahlten Betrages ermittelte der Kläger die von ihm so bezeichneten „realen" Kontostände der Anleger. Zu diesem Zweck verteilte er das von der Schuldnerin nach den Recherchen des Klägers tatsächlich erzielte Handelsergebnis anteilig auf die Anleger. Außerdem belastete er unter Bezugnahme auf den Inhalt der Anlageverträge die Anlegerkonten mit monatlichen Verwaltungsgebühren von 0,5 % des jeweiligen Vermögensstandes am Ende der Abrechnungsperiode. Wegen der Einzelheiten der Ermittlung der sog. „realen" Kontostände wird auf die Anlagen K 10 und BK 10 (2 Leitzordner) Bezug genommen. Diese Kontostände macht der Kläger zur Grundlage seiner Neuberechnung der vertraglich geschuldeten Bestandsprovisionen (Anlagen K 12, BK 8 und BK 9). So errechnet er den vertraglichen Folgeprovisionsanspruch des Beklagten, dem er trotz der schriftlichen Vertragsänderung einen der tatsächlichen Vertragsdurchführung entsprechenden, vertraglichen Provisionssatz von durchgehend 0,4 % des Bezugswertes zugesteht, während des oben genannten 4-Jahreszeitraums mit 15.178,38 € (Anlagen BK 8 und BK 9). Den Differenzbetrag aus der bezahlten Folgeprovision (99.265,01 €) und der gemäß Berechnung des Klägers vertraglich geschuldeten Folgeprovision (15.178,38 €) macht er mit der Klage geltend. Er ist der Meinung, in diesem Umfang seien die an den Beklagten geleisteten Zahlungen als unentgeltliche Leistungen im Sinne von § 134 InsO anfechtbar.
Der Beklagte wertet die Provisionszahlungen insgesamt als entgeltliche Leistungen, nämlich als Vergütung für die aufwendige laufende Kundenpflege, weshalb sie - mangels Vorliegens der dafür notwendigen besonderen Voraussetzungen - nicht anfechtbar seien. Er habe außerdem gemäß mündlicher Übereinkunft mit der Schuldnerin auf die sofortige Auszahlung seiner verdienten Abschlussprovisionen verzichtet und diese in Form der um 0,1 % erhöhten Bestandsprovision ratierlich ausbezahlt erhalten. Jedenfalls in diesem Umfang seien die als Bestandsprovision ausbezahlten Leistungen der Schuldnerin als entgeltliche Leistungen anzusehen.
Mit Urteil vom 29. Juni 2009 hat das Landgericht das am 18. März 2009 gegen den Kläger ergangene klagabweisende Versäumnisurteil aufrechterhalten.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Berufung, mit der er seinen Klageantrag in vollem Umfang weiterverfolgt.
Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Er beruft sich zudem auf Entreicherung. Er habe die erhaltenen Zahlungen versteuert und im Übrigen vollständig für seinen notwendigen Lebensunterhalt verbraucht.
Auf den Hinweis des Senats vom 22. Juni 2010 (Blatt 148/150 d. A.), wonach die seitens des Klägers vorgenommene Nachberechnung der Anlegerkonten keine taugliche Grundlage für die Berechnung der vertraglich geschuldeten Bestandsprovisionen sein könne, weil die Kundeneinlagen weder durch die real erwirtschafteten Handelsergebnisse noch durch monatliche Verwaltungsgebühren, sondern allenfalls durch Auszahlungen der Einlage geschmälert worden sein könnten, hat der Kläger in zweiter Instanz eine Alternativberechnung vorgenommen. Unter Darstellung der von den einzelnen Anlegern vorgenommenen Einzahlungen und den an sie geleisteten Auszahlungen, aufgeschlüsselt nach Auszahlungen auf Scheingewinne und (Teil-) Rückzahlungen der Einlage, hat er die Berechnungsgrundlage für die vertraglich geschuldete Bestandsprovision in der Anlage BK 11 neu vorgerechnet und hierauf aufbauend die vertragliche Bestandprovision mit 72.676,43 € ermittelt (Anlagen BK 12 und BK 13) mit der Folge, dass sich ein überzahlter Betrag von nur noch 26.588,57 € ergibt. Der Ansicht, die Beteiligungsverträge seien wegen Sittenwidrigkeit nichtig, folgt der Kläger nicht. Hilfsweise macht er sich diesen Gesichtspunkt allerdings zu Eigen und folgert hieraus, dass mangels rechtswirksamer Beteiligungsverträge überhaupt keine Provisionsansprüche der Vermittler entstanden seien und deshalb die erbrachten Provisionszahlungen insgesamt anfechtbar seien mit der Folge, dass jedenfalls die Klageforderung in voller Höhe zuzusprechen sei.
Der Senat hat am 04. Mai 2010 und am 05. Oktober 2010 mündlich verhandelt und den Zeugen T vernommen sowie den Beklagten persönlich angehört.
Ergänzend wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Niederschriften über die mündliche Verhandlung mit Beweisaufnahme (Blatt 141/144 und Blatt 215/221 d. A.) Bezug genommen.
Aus den Gründen
II. Die Berufung des Klägers erweist sich im Ergebnis als unbegründet, weil die Klage zwar nicht aus den Gründen des landgerichtlichen Urteils, aber aus anderen Gründen abzuweisen ist. Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch aus §§ 143 Abs. 1, 134 Abs. 1 InsO auf Rückzahlung des Teils der Folgeprovisionen, dem ein um Scheingewinne aufgeblähter Beteiligungswert der vom Beklagten geworbenen Kunden zugrunde liegt, weil der Beklagte nicht mehr bereichert ist.
1. Die an den Handelsvertreter gemäß vertraglicher Vereinbarung zu zahlende und gezahlte Provision stellt, auch soweit es sich dabei nicht um die Abschlussprovision, sondern um die Bestandsprovision handelt, grundsätzlich eine entgeltliche Leistung für die vom Handelsvertreter erbrachte Gegenleistung der Kundenwerbung und Kundenpflege dar. Entgeltlich ist eine Verfügung, wenn der nachmalige Insolvenzschuldner für seine Leistungen etwas erhalten hat, was objektiv ein Ausgleich für seine Leistungen war oder jedenfalls subjektiv nach dem Willen der Beteiligten sein sollte. Eine unentgeltliche Verfügung liegt dagegen vor, wenn ein Vermögenswert des Verfügenden zugunsten einer anderen Person aufgegeben wird, ohne dass der Empfänger eine ausgleichende Gegenleistung an den Verfügenden (oder, was vorliegend nicht einschlägig ist: mit dessen Einverständnis an einen Dritten) erbringt (BGH, Urteil vom 29.11.1990 - IX ZR 29/90, BGHZ 113, 98; Urteil vom 24.06.1993 - IX ZR 96/92, ZIP 1993, 1170; Urteil vom 04.03.1999 - IX ZR 63/98, BGHZ 141, 96; Urteil vom 30.06.2006 - IX ZR 84/05, WM 2006, 1156; Urteil vom 13.03.2008 - IX ZR 117/07, ZIP 2008, 975; Urteil vom 05.06.2008 - IX ZR 17/07, WM 2008, 1412).
Ob eine solche ausgleichende Gegenleistung erbracht worden ist, bestimmt sich in erster Linie nach dem objektiven Sachverhalt. Dabei beurteilt sich die Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit bei allen anderen Leistungen als Verpflichtungs-geschäften, insbesondere also bei Erfüllungshandlungen, wie sie auch vorliegend Gegenstand der Anfechtung sind, nach dem Grundgeschäft. Aus diesem ist abzuleiten, ob die isolierte Leistung von einer ausgleichenden Zuwendung abhängt und damit entgeltlich oder unentgeltlich ist (BGH, Beschluss vom 27.04.2010 - IX ZR 69/09 m.w.Nachw.; Urteil vom 05.06.2008 - IX ZR 17/07, a.a.O.; Urteil vom 01.04.2004 - IX ZR 305/00, ZIP 2004, 957; MünchKomm-InsO/Kirchhof, 2. Aufl. § 134 Rn. 19 f; Uhlenbruck/Hirte, InsO 13. Aufl. § 134 Rn. 20, 22). Steht fest, dass der Empfänger eine Gegenleistung erbracht hat, ist auch die subjektive Vorstellung der Beteiligten von Bedeutung und deshalb weiter zu prüfen, ob die Beteiligten die Gegenleistung als Entgelt angesehen haben oder ob gleichwohl mit der Leistung des Schuldners Freigebigkeit bezweckt war.
1.1. Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze kommt eine Rückforderung der gesamten an den Beklagten im Anfechtungszeitraum bezahlten Provisionen nicht in Betracht.
Zwar sind die seitens des Beklagten vermittelten Anlageverträge - vom Beklagten unerkannt - wegen Sittenwidrigkeit, § 138 BGB, nichtig. Bei dem Anlageprodukt PMA handelt es sich um ein Schneeballsystem, welches darauf angelegt ist, dass die ersten Anleger einen den Prognosen entsprechenden Gewinn sicher erzielen, während die sich nach dem verfolgten Ziel stetig vergrößernde Masse der späteren Anleger nicht nur keinen Gewinn erzielen wird, sondern darüber hinaus ihrer Einlage verlustig geht, weil die Neueinzahlungen sämtlich zur Bedienung der Altanleger Verwendung finden. Die Teilnahme an einem solchen Schneeballsystem ist wegen Sittenwidrigkeit nichtig, § 138 BGB (BGH, Urteil vom 22.04.1997 - XI ZR 191/96, ZIP 1997, 1110).
Mit dem Einwand, mangels Vermittlung eines rechtswirksamen Anlagevertrages sei gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB kein Provisionsanspruch entstanden (vgl. BGH, Urteile vom 11.10.1990 - I ZR 6/89, WM 1991, 76 und I ZR 32/89, WM 1991, 196; Baumbach/Hopt, HGB 34. Aufl. § 87 Rn. 7) mit der Folge, dass sich die dennoch erfolgten Zahlungen an den Beklagten insgesamt als Ausdruck der Freigebigkeit der Schuldnerin darstellen würden, kann der Kläger jedoch nicht gehört werden. Die Schuldnerin hat die Rechtswirksamkeit der Anlageverträge bewusst und gezielt dadurch vereitelt, dass sie - vom Anleger und vom Handelsvertreter nicht erkannt - die Kundengelder nicht für die behaupteten realen Handelsgeschäfte eingesetzt, sondern im Rahmen eines Schneeballsystems verwendet hat. Dahin stehen kann, ob bei dieser Sachlage der vertragliche Entgeltanspruch des Handelsvertreters aus einer analogen Anwendung des § 84a Abs. 3 HGB herzuleiten ist, nachdem eine unmittelbare Anwendung dieser Vorschrift an der fehlenden Rechtswirksamkeit des vom Handelsvertreter vermittelten Vertrages scheitert (Baumbach/Hopt, a.a.O. § 87a Rn. 21). Für eine analoge Anwendung spricht der Umstand, dass die Nichtausführung des vermittelten Geschäftes durch den Unternehmer, die nach der gesetzlichen Regelung des § 87a Abs. 3 HGB den Provisionsanspruch des Handelsvertreters nicht beeinträchtigen soll, vorliegend ausnahmsweise, nämlich wegen der Art der Abweichung vom Inhalt des nur vorgespiegelten Anlagevertrages, zugleich die Nichtigkeit des vermittelten Anlagevertrages bedingt. Diesen Sonderfall hatte der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 87a Abs. 3 HGB nicht im Blick. Die Vergleichbarkeit der Sach- und Interessenlage gebietet für diesen Sonderfall die analoge Anwendung der Vorschrift. Jedenfalls aber war es der Schuldnerin aus § 242 BGB verwehrt, sich des Provisionsanspruches der mit ihr durch rechtswirksame Vermittlerverträge verbundenen Handelsvertreter unter Verweis auf die allein von ihr verursachte Ungültigkeit der vermittelten Anlageverträge zu entledigen. Deshalb ist dieser Einwand auch dem Insolvenzverwalter verwehrt. Dem Beklagten steht für die von ihm vertragsgemäß entfaltete Tätigkeit das vertraglich vereinbarte (Erfolgs-)Entgelt zu. Der Umstand, dass die Schuldnerin die Vermittlungsverträge deshalb erfüllt hat, weil sie auf diese Weise die fortgesetzte Tätigkeit der Vermittler und somit letztlich den Fortbestand des von ihr initiierten Schneeballsystems sichern konnte, ändert daran nichts. Die Schuldnerin hat mit ihren Provisionszahlungen nicht ausschließlich einen solchen wirtschaftlichen Vorteil verfolgt, der in keiner rechtlichen Abhängigkeit zu ihrer Zuwendung steht - Aufrechterhaltung des Schneeballsystems, Verhinderung dessen Aufdeckung - und deshalb eine Entgeltlichkeit nicht begründen könnte (BGH, Urteil vom 24.06.1993 - IX ZR 96/92, a.a.O.; Urteil vom 29.11.1990 - IX ZR 29/90, a.a.O.), sondern daneben auch einen solchen Vorteil, der in rechtlicher Abhängigkeit zu ihrer Zuwendung steht, nämlich die Entlohnung der Vermittlungstätigkeiten gemäß Vermittlungsvertrag. Dieser Vorteil ist geeignet, die Entgeltlichkeit zu begründen.
1.2. Seine Behauptung, die monatlichen Zahlungen der Schuldnerin seien jedenfalls teilweise auf die mit der erfolgreichen Vermittlung verdiente Abschlussprovision geleistet worden, hat der Beklagte allerdings nicht bewiesen. Der Zeuge T hat angegeben, der Beklagte habe von Beginn seiner Tätigkeit für die Schuldnerin an keine Abschlussprovision verlangt und erhalten. Er habe demgemäß auch von seinen Kunden nur den 1 %igen Aufschlag auf die Einlage, der für die Schuldnerin bestimmt war und vereinbarungsgemäß bei ihr verblieb, gefordert. Dem Beklagten habe es freigestanden, über diesen 1 %igen Aufschlag hinaus im Rahmen der vertraglichen Provisionsstaffel Aufschläge von den Anlegern zu verlangen und hieraus seine Abschlussprovision zu verdienen. Dies habe der Beklagte nicht gemacht. Er habe sich von Anfang an mit der Bestandsprovision zufrieden gegeben.
Die Hintergründe, die zur Abänderung der schriftlich fixierten Höhe der Bestandsprovision im Vertrag vom 22. Juni 2004 geführt haben, waren dem Zeugen genauso wenig bekannt wie die Gründe, die der Fortbezahlung einer Bestandsprovision in der ursprünglichen, im Vertrag vom 28. September 1993 fixierten Höhe zugrunde gelegen haben.
Anhaltspunkte dafür, dass mit der Zahlung der als Bestands- oder Folgeprovisionen in Rechnung gestellten Beträge gemäß übereinstimmender Vorstellung der Beteiligten in Wahrheit jedenfalls zum Teil vom Beklagten verdiente Abschlussprovisionen vergütet worden seien, liegen daher nicht vor. Die geleisteten Zahlungen stellen vielmehr insgesamt Zahlungen auf die Bestandsprovision dar, die auch während des Anfechtungszeitraumes - vom Kläger nicht angezweifelt, sondern der eigenen Berechnung zugrunde gelegt - in Höhe von 0,4 % der Berechnungsgrundlage vertraglich geschuldet war.
Ob bei dieser Sachlage die ausbezahlten Bestandsprovisionen dennoch jedenfalls zum Teil eine unentgeltliche Leistung darstellen, muss in der vorliegenden Sache nicht entschieden werden. Dem Kläger ist jedenfalls darin zuzustimmen, dass die geleisteten Provisionszahlungen insoweit, als sie der vertraglichen Vereinbarung entsprochen haben, eine unanfechtbare entgeltliche Leistung darstellen. Allenfalls derjenige Teilbetrag der geleisteten Provisionszahlungen, der die vertraglich geschuldete Vergütung deshalb überstieg, weil die Schuldnerin ihrerseits die Berechnung überhöhter Bestandsprovisionen durch die Mitteilung geschönter Zahlen veranlasst und nachfolgend auf die gestellten Rechnungen hin überhöhte Zahlungen geleistet hat, kann eine unentgeltliche Leistung der Schuldnerin darstellen. Hinsichtlich des Überhöhungsbetrages, der - sowohl objektiv als auch subjektiv nach der Vorstellung der leistenden Schuldnerin - in der vertraglichen Vereinbarung keine Grundlage findet, kann es an der für eine Entgeltlichkeit der Zuwendung notwendigen rechtlichen Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung fehlen mit der Folge, dass eine Anfechtung der Zahlungen als teilunentgeltliche Leistungen der Schuldnerin in Betracht kommt (zur Teilunentgeltlichkeit: BGH, Urteil vom 01.04.2004 - IX ZR 305/00, ZIP 2004, 957; Urteil vom 24.06.1993 - IX ZR 96/92 , a.a.O.; Urteil vom 25.06.1992 - IX ZR 4/91, ZIP 1992, 1089; MünchKomm-InsO/Kirchhof, a.a.O. § 134 Rn. 41, § 143 Rn. 17 f).
Unter dieser Prämisse unterliegt die teilbare Leistung der Schuldnerin insoweit, als sie wegen Überschreitens des vertraglichen Anspruches eine unentgeltliche Leistung darstellt, der Schenkungsanfechtung nach § 134 InsO (MünchKomm-InsO/Kirchhof, a.a.O. § 134 Rn. 42, § 142 Rn. 14) mit der Folge der Rückgewähr in das Vermögen der Insolvenzschuldnerin im Umfang des § 143 Abs. 2 InsO.
Diesem etwaigen Anspruch hat der Beklagte erfolgreich die Einrede der Entreicherung entgegen gehalten (dazu unter Gliederungspunkt 2.). Deshalb braucht vorliegend auch nicht entschieden zu werden, in welcher Weise der entgeltliche, nicht anfechtbare, und der unentgeltliche, anfechtbare, Teil der Leistung zu ermitteln sind, ob also die vom Kläger herangezogenen, auf dessen fiktiver Nachberechnung beruhenden Kontostände als Bezugsgröße maßgeblich sein können (vgl. hierzu bereits BGH, Urteil vom 22.04.2010 - IX ZR 163/09, ZIP 2010, 1253 Rn. 12; Urteil vom 29.11.1990 - IX ZR 29/90, BGHZ 113, 98 Rn. 9), oder ob nicht vielmehr der Kontostand der Kunden, wie er sich durch Einzahlungen und gegebenenfalls Einlagen(teil)rückzahlung darstellt, heranzuziehen ist.
2. Der Beklagte ist jedenfalls deshalb nicht zur Rückzahlung verpflichtet, weil er nicht mehr bereichert ist, § 818 Abs. 3 BGB, und auch keiner verschärften Haftung nach § 143 Abs. 2 Satz 2 InsO unterlag. Der Schutz des Empfängers einer unentgeltlichen Leistung wird durch § 143 Abs. 2 InsO (und darüber hinaus in Ausnahmefällen durch § 242 BGB) gewährleistet. Gemäß § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO hat der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung diese nur zurückzugewähren, soweit er durch sie bereichert ist. Der Beklagte hat vorgetragen und nachgewiesen, dass die Provisionszahlungen für ihn als selbständigen Handelsvertreter die Einnahmequelle zur Bestreitung des Lebensunterhalts dargestellt haben, und weiter, dass er die erhaltenen Zahlungen vollständig für seine laufenden Lebensbedürfnisse aufgebraucht hat.
Gemäß § 818 Abs. 3 BGB ist eine Verpflichtung zur Herausgabe des rechtsgrundlos Erlangten oder zum entsprechenden Wertersatz, § 818 Abs. 2 BGB, ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist. Das ist dann der Fall, wenn das Erlangte ersatzlos weggefallen ist und kein Überschuss mehr zwischen dem vorhandenen Vermögen und demjenigen Vermögen besteht, das auch ohne die ursprüngliche Bereicherung vorhanden wäre. Bei der Überzahlung von Gehalt oder Unterhalt kommt es deshalb darauf an, ob der Empfänger die Beträge restlos für seine laufenden Lebensbedürfnisse verbraucht oder sich damit noch in seinem Vermögen vorhandene Werte oder Vorteile verschafft hat. Letzteres ist anzunehmen, falls anderweitige Ersparnisse oder Anschaffungen vorliegen, für die die rechtsgrundlose Zahlung ursächlich gewesen ist. Auch eine infolge Tilgung eigener Schulden mittels des rechtsgrundlos erlangten Geldes eingetretene Befreiung von Verbindlichkeiten zählt zu den weiterhin vorhandenen Vermögensvorteilen, die einem Wegfall der Bereicherung grundsätzlich entgegenstehen. Hat der Empfänger das Erlangte restlos für seine Lebensbedürfnisse aufgewendet, ist im allgemeinen ein Wegfall der Bereicherung anzunehmen, es sei denn der Empfänger hat infolge der Zahlungen anderweitige Mittel erspart, die ihm zur Verfügung standen und die er sonst angegriffen hätte. Für den Bereicherten, der den Wegfall der Bereicherung zu beweisen hat, hat die Rechtsprechung hierbei Beweiserleichterungen geschaffen, wenn aus der Überzahlung in der fraglichen Zeit keine besonderen Rücklagen oder Vermögensvorteile gebildet wurden. Insbesondere bei unteren und mittleren Einkommen spricht dann nach der Lebenserfahrung eine Vermutung dafür, dass das Erhaltene für das Bestreiten und für die Verbesserung des Lebensstandards ausgegeben wurde, ohne dass der Bereicherte einen besonderen Verwendungsnachweis erbringen müsste (BGH, Urteil vom 09.05.1984 - IVb ZR 7/83, NJW 1984, 2095; Urteil vom 17.06.1992 - XII ZR 119/91, BGHZ 118, 383; Urteil vom 27.10.1999 - XII ZR 239/97, BGHZ 143, 65; Urteil vom 17.01.2003 - V ZR 235/02, WM 2003, 1488; BAG, Urteil vom 23.05.2001 - 5 AZR 374/99, BAGE 98, 25). Wegen der Vergleichbarkeit der Sachverhalte ist diese Rechtsprechung auch vorliegend auf die Überzahlung von laufendem Entgelt an den freiberuflich für die Schuldnerin tätigen Handelsvertreter anzuwenden.
Der Beklagte hat mit der Vorlage seiner Steuerbescheide für die Jahre 2000 - 2004 (Anlagenkonvolut BB 3) nachgewiesen, dass er während dieses Zeitraums ausschließlich Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt hat und bei Jahreseinkünften von 28.064 DM in 2000, 77.608 DM (39.680 €) in 2001, 10.344 € in 2002, 14.639 € in 2003 und 14.062 € in 2004 zur unteren Einkommensschicht zu zählen ist. Weiter hat der Beklagte mit den Anlagen BB 4 - BB 9 die Kontoauszüge der von ihm privat und beruflich unterhaltenen Bankkonten für den Zeitraum 2001 - 2005 sowie Monatsabschlüsse aus den Jahren 2006 und 2007 vorgelegt. Aus diesen Unterlagen ergibt sich sowohl, dass der Beklagte keine Rücklagen gebildet hat, als auch, dass er keine Vermögenswerte angeschafft hat, denn weder hat er Guthaben auf den Konten aufgebaut und etwa zur anderweitigen Anlage transferiert, noch finden sich Überweisungs- oder Abbuchungsbeträge, die der Anschaffung von Vermögenswerten wie etwa eines Pkw, Mobiliars etc. zugeordnet werden könnten. Die Behauptung des Beklagten, solche Anschaffungen und anderweitige Anlagen nicht getätigt zu haben, spiegelt sich im Kontenverlauf wieder und ist deshalb mit dem Inhalt der Kontoauszüge hinreichend belegt, § 286 ZPO. Genauso wenig gibt es aus dem Inhalt der Kontoauszüge Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte Verbindlichkeiten gehabt und aus den streitgegenständlichen Zahlungen zurückgeführt hätte. Anhaltspunkte für das Vorhandensein sonstiger Vermögenswerte, die der Beklagte infolge der Überzahlungen unangetastet gelassen habe, liegen ebenfalls nicht vor. Vielmehr zeigt der Kontenverlauf auf, dass der Beklagte sämtliche Vermögenswerte im geschützten Zeitraum, § 143 Abs. 2 Satz 2 InsO, verbraucht hat. Angesichts der aus den Steuerbescheiden und den Kontoauszügen ersichtlichen Einkommens- und Vermögenssituation des Beklagten ist damit der Nachweis der Entreicherung geführt, ohne dass weitere Details der Verwendung vorzutragen und nachzuweisen wären.
Zudem hat der Beklagte bei seiner persönlichen Anhörung über seine damalige und heutige Einkommens- und Vermögenssituation einen glaubhaften Eindruck gemacht. Der Umstand, dass er öffentliche Hilfen bislang nicht in Anspruch genommen hat, veranlasst keine Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der von ihm vorgelegten schriftlichen Unterlagen, denn er hat dies nachvollziehbar und glaubhaft mit Unterstützungsleistungen seiner Lebensgefährtin und seiner Mutter erklärt.
Auf die exakte Berechnung der beim Beklagten verbleibenden steuerlichen Mehrbelastung kommt es bei dieser Sachlage nicht an.
Aus diesen Gründen erweist sich die Abweisung der Klage durch das angefochtene Ersturteil im Ergebnis als richtig, so dass die Berufung zurückzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, § 543 Abs. 2 ZPO, weil die Klageabweisung auf der im Einzelfall nachgewiesenen Entreicherung beruht und hinsichtlich der insoweit maßgeblichen Kriterien eine seit langem gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt.