Hans. OLG Hamburg: Pflichten eines Internet Service Providers beim Umgang mit Kundendaten
Hans. OLG Hamburg, Urteil vom 11.4.2018 – 8 U 69/16
Volltext: BB-ONLINE BBL2018-2050-5
unter www.betriebs-berater.de
Amtlicher Leitsatz
Ein Internet Service Provider, der im Rahmen eines Hostingvertrages Kundendaten speichert, handelt grob fahrlässig, wenn er diese Daten auf einen anderen Account verschiebt und die Daten auf dem ursprünglichen Account endgültig löscht, ohne sie zuvor als schreibgeschützt gekennzeichnet und ihre Inaktivität kontrolliert zu haben.
Sachverhalt
I.
Der Kläger nimmt die Beklagte wegen Vertragsverletzung auf Schadensersatz in Anspruch.
Der Kläger betreibt einen Handel mit Oldtimer-Ersatzteilen. Die Beklagte ist ein Internet Service Provider und bietet u.a. Webhosting, Serverhosting und Domain-Hosting an.
Der Kläger hat vorgetragen, den Webdesigner A. D. (im Folgenden auch kurz „Zeuge“ oder „Zedent“ genannt) mit der Programmierung und Betreuung seiner Homepage (www.o...de und www.o...com) sowie des dazugehörigen Onlineshops beauftragt zu haben.
Herr D. unterhält bei der Beklagten einen Account mit der Nummer 16577. Am 4. Dezember 2012 verschob die Beklagte offenbar im Zuge einer Tarifumstellung den Account mit der Nummer 16577 von dem bisherigen Server www.26.... auf den Server www.865... Dabei kam es zu einer fehlerhaften Konfiguration mit der Folge, dass Programme auf dem neuen Server (www865) weiterhin die Datenbanken auf dem alten Server (www26) verwendeten und diese weiter aktualisierten, wohingegen die Datenbank auf dem neuen Server auf dem Datenstand des Tages ihres Verschiebens geblieben ist. Von den vermeintlich inaktiven Daten auf dem bisherigen Server (www26) wurden nur die sog. Basebackups angefertigt, die maximal 2 Tage aufbewahrt werden. Auf dem neuen Server (www.865) hingegen wurden die normalen Accountbackups erstellt, die jedoch nicht die Livedaten umfassten, da diese wegen des vorstehend beschriebenen Fehlers auf dem bisherigen Server (www26) geführt wurden. Am 2.8.2014 wurde die Datenbank auf dem bisherigen Server (www26) im Zuge eines automatisiert erfolgenden Wartungsprozesses gelöscht und konnte bei Erkennen des Fehlers am Mittag des 4.8.2014 nicht mehr wiederhergestellt werden (siehe auch Anlage K1).
Der Kläger hat vorgetragen, dass Herr D. für die Homepage des Klägers unter dem Account 16577 einen separaten Unteraccount mit der Kennung dcp 165770012 eingerichtet habe, der von dem vorstehend beschriebenen Procedere betroffen gewesen sei. Die auf diese Weise gelöschte Datenbank habe ca. 750 Kundendaten des Klägers sowie die Daten von ca. 2.500 im Shop des Klägers hinterlegten Artikel enthalten. Aufgrund der Löschung sei der Shop nicht mehr funktionsfähig gewesen. Dies habe zu erheblichen Umsatzeinbußen geführt.
Die in Bezug auf den neuen Server von der Beklagten automatisiert durchgeführten Backups seien für Herrn D. nicht überprüfbar gewesen. Dass hier ein falscher Datenbestand gesichert wurde, sei nicht erkennbar gewesen. Die zusätzlich von Herrn D. durchgeführten Backups seien verschlüsselt und daher nicht mehr prüfbar gewesen. Sie seien damit praktisch ins Leere gelaufen, weil sich dort nicht der aktualisierte Datenbestand gefunden habe, sondern nur der Bestand per 04.12.2012. Die aktualisierten Daten seien vielmehr auf dem alten Server vorhanden gewesen.
Mit der Klage hat der Kläger seinen entgangenen Gewinn beginnend mit dem Schadenstag monatlich aufsteigend bis zu einem Gesamtbetrag von € 5.100,00 als einen einzelnen von mehreren Schadensersatzansprüchen geltend gemacht. Vorsorglich habe Herr D. seine Ansprüche gegen die Beklagte an ihn abgetreten (Anlage K4).
Die Beklagte hat vorgetragen, dass die Klage trotz Bezifferung unzulässig sei, weil der Kläger einen von mehreren Schadensersatzansprüchen geltend mache, ohne darzulegen, worauf sich die bezifferte Klageforderung beziehe. Der Streitgegenstand sei damit nicht hinreichend individualisiert.
Es ergebe sich zudem kein Anspruch nach den Grundsätzen eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Auch liege hier kein Fall der Drittschadensliquidation vor. Ebenso wenig bestehe ein Anspruch aus abgetretenem Recht. Der Abtretungsvertrag (Anlage K4) sei unwirksam, da er nicht dem Bestimmtheitserfordernis genüge. Jedenfalls müsse der Kläger sich sowohl eigenes Mitverschulden als auch ein solches des Herrn D. entgegenhalten lassen, weil beide ihrer Obliegenheit zur Erstellung von - möglichen - Backups nicht nachgekommen seien. Im Übrigen könne sich die Beklagte auf den vereinbarten Haftungsausschluss gemäß § 12 ihrer AGB berufen.
Wegen der Einzelheiten des Parteivortrags in erster Instanz und des Wortlautes der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klage zwar zulässig, aber unbegründet sei. Es fehle zwar nicht an einer hinreichenden Individualisierung des Streitgegenstandes, denn der Kläger mache gerade nicht mehrere selbständige prozessuale Ansprüche geltend, sondern vielmehr einen einheitlichen, auf einer behaupteten Pflichtverletzung der Beklagten beruhenden Schadensersatzanspruch. Die Klage sei jedoch unbegründet, da dem Kläger weder ein eigener noch ein auf abgetretenem Recht beruhender Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zustehe. Bei dem zwischen Herrn D. und der Beklagten bestehenden Vertrag handele es sich nicht um einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Auch ergäbe sich kein Anspruch des Klägers gegenüber der Beklagten nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation. Schließlich stehe dem Kläger gegen die Beklagte auch kein Anspruch aus abgetretenem Recht zu, da dem Zedenten D. seinerseits kein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zustehe. Einem solchen Schadensersatzanspruch stünde das überwiegende Mitverschulden des Zedenten D. gemäß § 254 Abs. 1 BGB entgegen.
Mit seiner hiergegen eingelegten Berufung verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Antrag weiter. Die Entscheidung des Landgerichts könne keinen Bestand haben, da einerseits die vom Landgericht getroffenen Tatsachenfeststellungen unvollständig und fehlerhaft seien und andererseits das Urteil auf einer fehlerhaften Rechtsanwendung beruhe. Insbesondere habe das Landgericht § 254 BGB falsch angewendet, indem es ein Mitverschulden des Zeugen D. angenommen habe. Ferner liege ein Verfahrensmangel vor, da das Landgericht eine inhaltliche Prüfpflicht hinsichtlich der erstellten Backups angenommen habe, darauf den Kläger aber nicht hingewiesen habe.
Nachdem der Kläger zunächst beantragt hat, die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Hamburg (Az.: 318 O 220/15) zu verurteilen, an den Kläger 5.100,00 Euro nebst Zinsen zu zahlen,
beantragt der Kläger zuletzt,
Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Hamburg (Aktenzeichen 318 O 220/15) wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger 5.100,00 € als entgangenen Gewinn für den Zeitraum vom 02.08.2014 bis 31.07.2015 nebst Zinsen hieraus in Höhe von neun Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil. Sie meint, die Berufung sei bereits unzulässig, da der Antrag nicht dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 ZPO genüge. Der erstmals in der Berufungsbegründung enthaltene Vortrag bezüglich der inhaltlichen Überprüfung der Backups sei zudem verspätet.
Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen verwiesen.
Aus den Gründen
II.
Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet. Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§§ 513 Abs. 1 Alt. 1, 546 ZPO) noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 Alt. 2 ZPO). Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen, da dem Kläger gegenüber der Beklagten der geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht zusteht. Zwar liegt eine grob fahrlässige Pflichtverletzung der Beklagten vor. Dem Kläger ist es jedoch trotz Erteilung eines gerichtlichen Hinweises nicht gelungen, den mit der vorliegenden Klage geltend gemachten entgangenen Gewinn hinreichend substantiiert darzulegen. Im Einzelnen:
1. Zu Recht und mit überzeugender Begründung hat das Landgericht sowohl einen Anspruch des Klägers gegenüber der Beklagten nach den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter wie auch nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation verneint.
2. Im Ergebnis ebenfalls zu Recht hat das Landgericht auch einen Schadensersatzanspruch des Klägers gegenüber der Beklagten aus abgetretenem Recht gem. § 280 Abs. 1 BGB verneint.
a) Nachdem der Kläger mit Schriftsatz vom 09.02.2018 seinen Klagantrag dahingehend konkretisiert hat, dass er entgangenen Gewinn für die Zeit vom 02.08.2014 bis 31.07.2015 geltend macht, ist der Streitgegenstand nunmehr hinreichend individualisiert und der Klagantrag damit zulässig.
b) Auch ist der Kläger aktiv legitimiert, da ihm der Zeuge D. etwaige Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte mit Abtretungsvertrag vom 24.09./27.09.2014 (Anlage K4) wirksam abgetreten hat. Insbesondere genügt dieser Vertrag dem Bestimmtheitserfordernis. Die Abtretung bezieht sich eindeutig auf Schadensersatzforderungen, welche dem Zeugen D. gegenüber der Beklagten im Zusammenhang mit der Datenlöschung am 2.08.2014 zum Account dcp 165770012 zustehen sollen. Dass der Hosting-Vertrag zwischen dem Zedenten und der Beklagten nicht näher beschrieben wird, steht der Bestimmbarkeit der Forderung nicht entgegen. Insbesondere durch Bezugnahme auf das Datum der Datenlöschung und Nennung des Accounts werden die in Rede stehenden Forderungen hinreichend konkretisiert. Hinzu kommt, dass die Abtretung grundsätzlich formfrei ist (Palandt/Grüneberg, 76. Auflage 2017, § 398 Rn. 6). Aus der Vereinbarung sind die beiden Vertragsparteien Alexander D. und der Kläger eindeutig erkennbar. Dass die Adresse des Herrn D. ganz fehlt und jene des Klägers sich lediglich aus dem Stempelaufdruck ergibt, schadet nicht. Schließlich haben beide Parteien die Vereinbarung unterschrieben.
c) Die Beklagte verletzte zudem grob fahrlässig gegenüber Herrn D. Sorgfaltspflichten, die sich aus dem zwischen der Beklagten und dem Zeugen D. bestehenden Vertragsverhältnis ergeben.
Zwischen dem Zeugen D. und der Beklagten bestand ein sog. Hosting-Vertrag, welcher zumindest auch die Einrichtung des Accounts mit der Nummer 16577 zum Gegenstand hatte. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig und ergibt sich im Übrigen auch aus der Anlage K5, in welcher die Beklagte gegenüber dem Zeugen D. ausdrücklich auf diesen Account Bezug nimmt. Aus diesem Vertragsverhältnis ergeben sich für die Beklagte Sorgfaltspflichten in Bezug auf die in ihrem Verantwortungsbereich abgelegten Daten ihrer jeweiligen Vertragspartner.
Indem die Beklagte
- am 4.12.2012 einen fehlerhaften Eintrag im Zusammenhang mit dem Verschieben des Accounts 16577 von www26....de auf www865....de vornahm (siehe Anlage K1),
- die alte Datenbank nicht als schreibgeschützt markierte und
- am 2.08.2014 die Löschung der alten Datenbank geschehen ließ, ohne zuvor deren Inaktivität zu kontrollieren,
verletzte die Beklagte gegenüber dem Zeugen D. ihr obliegende Sorgfaltspflichten.
Diese Pflichtverletzungen hat die Beklagte auch zu vertreten, denn sie konnte den Entlastungsbeweis nicht führen. Indem die Beklagte die alte Datenbank weder als „schreibgeschützt“ kennzeichnete noch diese Datenbank vor dem endgültigen Löschen auf ihre Inaktivität prüfte, überschritt die Beklagte sogar die Grenze zur groben Fahrlässigkeit. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird (Palandt/Grüneberg, 76. Auflage 2017, § 277 Rn. 5). Dies ist vorliegend der Fall. Die Beklagte wusste, wie wichtig ihren Kunden die in einer Datenbank abgelegten Daten sind. Auch wusste sie, dass Daten, die endgültig gelöscht werden, für immer verloren sind. Daher hätte sie besondere Vorkehrungen vor dem endgültigen Löschen von Daten treffen müssen. Da sie dies vorliegend nicht getan hat, war ihr Verhalten insoweit grob fahrlässig.
Die Beklagte kann sich insoweit auch nicht wirksam auf ihre Haftungsbeschränkung gemäß § 12 Nr. 1 ihrer AGB berufen. Zwar handelt es sich bei der Pflichtverletzung der Beklagten nicht um eine „wesentliche Vertragspflicht“. Bei einem Hosting-Vertrag stellt der Auftragnehmer dem Auftraggeber auf einem eigenen oder fremden Server Speicherplatz zur Verfügung, auf dem der Auftraggeber Daten seiner Wahl über das Internet und den ihm zu diesem Zweck vom Auftragnehmer bereitgestellten Zugang „hochladen“, abrufen oder sonst nutzen kann, etwa zum Betrieb einer Website (Kremer, jurisPR-ITR 21/2014 Anm. 6). Damit besteht die wesentliche Pflicht im Rahmen eines Hosting-Vertrages in der Zurverfügungstellung von Speicherplatz, so dass es sich bei der Pflicht zur Datensicherung, welche die Beklagte vorliegend verletzt hat, eher um eine Nebenpflicht handelt (siehe auch LG Duisburg, Urteil v. 25.07.2014, 22 O 102/12, zitiert nach juris). Da die Beklagte jedoch grob fahrlässig gehandelt hat, greift die Haftungsbeschränkung des § 12 Nr. 1 AGB nicht.
d) Ob - wie das Landgericht angenommen hat - einem etwaigen Schadensersatzanspruch des Zeugen D. dessen überwiegendes Mitverschulden gemäß § 254 Abs. 1 BGB entgegensteht, hängt zum einen davon ab, ob für ihn die Fehlerhaftigkeit der Backups überhaupt erkennbar war und insofern wirklich eine inhaltliche Prüfpflicht hinsichtlich der Backups bestand. Zum anderen wäre bei der Annahme eines Mitverschuldens eine Würdigung und Abwägung aller Umstände zur Bestimmung des Umfangs der Ersatzpflicht erforderlich (Palandt/Grüneberg, 76. Auflage, § 254 Rn. 57). Nach der Fassung des Gesetzes („insbesondere“) und nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ist bei der Abwägung in erster Linie auf das Maß der beiderseitigen Verursachungen abzustellen (BGH, Urteil vom 17.06.2014, VI ZR 281/13, Rn. 6, zitiert nach juris). Entscheidend ist, mit welchem Grad von Wahrscheinlichkeit die beiderseitigen Verursachungsbeiträge zur Herbeiführung des schädigenden Erfolgs geeignet waren. Unerheblich ist dabei, in welcher zeitlichen Reihenfolge die beiderseitigen Verursachungsbeiträge gesetzt worden sind (BGH, Urteil v. 10.12.2009, VII ZR 42/08, Rn. 55 f, zitiert nach juris). Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Abwägung nur ausnahmsweise zu einem Wegfall der Ersatzpflicht oder zu einer vollen Haftung des Schädigers führen kann (BGH, Urteil v. 28.04.2015, VI ZR 206/14, Rn. 10, zitiert nach juris).
Letztlich kann die Frage eines etwaigen Mitverschuldens des Zeugen D. vorliegend jedoch dahinstehen, da der Kläger trotz eines entsprechenden gerichtlichen Hinweises nicht hinreichend substantiiert den geltend gemachten entgangenen Gewinn dargelegt hat (siehe sogleich unter lit. e)) und ein Schadensersatzanspruch insoweit daher nicht besteht.
e) Unabhängig von der zwischen den Parteien streitigen Frage, ob es sich bei den gelöschten Daten um solche des Klägers (KunD.ontakte und Artikel des Onlineshops) handelte, ist es dem Kläger trotz seines weiteren Vortrags mit Schriftsatz vom 09.02.2018 nicht gelungen, zur Schadenshöhe ausreichend substantiiert vorzutragen.
Ob und in welcher Höhe dem Kläger ein nach § 249 Satz 1, § 252 Satz 1 BGB zu ersetzender Schaden aus entgangenem Gewinn entstanden ist, ist vom Tatrichter gemäß § 287 Abs. 1 ZPO zu entscheiden. Danach ist der Richter bei der Schadensfeststellung freier gestellt. Im Unterschied zu den strengen Anforderungen des § 286 Abs. 1 ZPO, die für den Beweis der haftungsbegründenden Kausalität gelten, reicht bei der Entscheidung über die Schadenshöhe eine erhebliche, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit für die richterliche Überzeugungsbildung aus (BGH, Urteil v. 9.04.1992, IX ZR 104/91, Rn. 8, zitiert nach juris). Danach gilt als entgangen der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. Unter diesen Voraussetzungen wird vermutet, dass ein Gewinn gemacht worden wäre; eine volle Gewissheit ist nicht erforderlich. Diese Beweiserleichterung mindert auch die Darlegungslast des Geschädigten, der die Tatsachen, die seine Gewinnerwartung wahrscheinlich machen sollen, im Einzelnen vortragen und notfalls beweisen muss (BGH, Urteil v. 9.04.1992, IX ZR 104/91, Rn. 9, zitiert nach juris). Eine Schätzung entfällt nur, wenn sie mangels greifbarer Anhaltspunkte völlig in der Luft hinge (BGH, Urteil vom 26.11.1986, VIII ZR 260/85, Rn. 10, zitiert nach juris). § 287 ZPO ändert aber nichts daran, dass demjenigen, der Schadensersatz fordert, grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für die Entstehung und die Höhe eines Schadens verbleibt (BGH, Urteil vom 9.04.1992, IX ZR 104/91, Rn. 8, zitiert nach juris).
Die seitens des Klägers vorgelegten - und von der Beklagten bestrittenen - Zahlenaufstellungen stellen keine greifbaren Anhaltspunkte für eine Schätzung des behaupteten Schadens dar. Allein die Vorlage selbst erstellter Tabellen und die pauschale Bezugnahme auf Buchhaltungs- und Belegunterlagen genügt auch im Rahmen des § 287 ZPO nicht der Substantiierungspflicht des Klägers. Im Einzelnen:
Die als Anlage K7 vorgelegte Auflistung von Zahlungseingängen und Zahlungsausgängen ist nicht geeignet, Anhaltspunkte für die Schätzung eines entgangenen Gewinns darzulegen. Es handelt sich hierbei um die Auflistung von Zahlen, die weder für das Gericht noch für die Beklagte nachvollziehbar aufbereitet sind. Auch wird in der Anlage K7 weder danach differenziert, welche Geschäfte online abgeschlossen wurden, noch enthält sie weitere Kostenpositionen, die bei der Gewinnermittlung abzuziehen wären. Die Monate April und Mai 2014 fehlen in der Auflistung völlig. Zudem ist aus der Auflistung ersichtlich, dass sich die Zahlungseingänge nach dem 4.8.2014 nicht sehr signifikant von den Eingängen davor unterscheiden. Sie sind - wie auch vor der behaupteten Datenlöschung - von Monat zu Monat schwankend. Auch soweit der Kläger im Schriftsatz vom 09.02.2018, dort letzte Seite (Bl. 181 der Akte), eine weitere Tabelle zur Gesamtschadensübersicht einreicht, genügt dies nicht. Auch diese Auflistung von Zahlen ist in keiner Weise nachvollziehbar aufbereitet. Der Kläger verweist im Zusammenhang mit dieser Tabelle auf eine 5 Leitz-Ordner umfassende Belegsammlung, deren Übersendung er anbietet. Eine derartige Bezugnahme auf Anlagen ersetzt aber keinen schriftsätzlichen Vortrag. Es wäre Aufgabe des Klägers gewesen, die in dieser Tabelle aufgeführten Zahlen im Schriftsatz selbst in nachvollziehbarer Weise aufzubereiten. Dies ist nicht - auch nicht durch den nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 14.03.2018 - erfolgt. Eine Bezugnahme auf Anlagen kann lediglich der Erläuterung des schriftsätzlichen Vortrags dienen. Anlagen können schriftsätzlichen Vortrag aber nicht ersetzen. Das Gericht ist daher nicht gehalten, sich den fehlenden Vortrag selbst aus den umfangreichen Anlagen herauszusuchen (siehe auch BVerfG, Kammerbeschluss v. 30.06.1994, 1 BvR 2112/9, Rn. 24, zitiert nach juris; BGH, Beschluss vom 27.09.2001, V ZB 29/01, Rn. 6, zitiert nach juris).
Unabhängig von dem Vorstehenden ist auch Folgendes zu berücksichtigen: Ohne nähere Erläuterung differenziert der Kläger in der mit Schriftsatz vom 09.02.2018 vorgelegten Tabelle nach Verkäufen im gewerblichen und solchen im privaten Bereich und behauptet, ohne die behauptete Datenlöschung hätte er im streitgegenständlichen Zeitraum bei Verkäufen im privaten Bereich eine Umsatzsteigerung von 50 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zu verzeichnen gehabt. Der Kläger zieht diesen Schluss insbesondere vor dem Hintergrund, dass es ausweislich der vorgelegten Zahlen im Bereich der gewerblichen Verkäufe im streitgegenständlichen Zeitraum sogar eine Umsatzsteigerung um 65 % gegeben habe. Wie sich daraus allerdings auch eine Umsatzsteigerung von geschätzten 50 % im Bereich der Privatkäufer ergeben soll, erschließt sich dem Gericht nicht. Aus der Tabelle ist gerade nicht der vom Kläger behauptete wirtschaftliche Einbruch nach dem 04.08.2014 ersichtlich. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Ausgaben des Klägers ausweislich der Tabelle von August 2014 bis einschließlich Juli 2015 um mehr als die Hälfte im Vergleich zum Vorjahr gestiegen sein sollen (Vorjahr: € 22.079,19; Folgejahr: € 34.935,51). Zwar bleibt der Kläger auch diesbezüglichen Vortrag schuldig. Gleichwohl haben diese erheblich gestiegenen Ausgaben unmittelbaren Einfluss auf die Höhe des geschätzten Gewinns. Da somit überhaupt nicht ersichtlich ist, dass die behauptete Löschung der Daten des Klägers tatsächlich zu irgendeiner Gewinneinbuße des Klägers geführt hat, fehlt es auch insoweit an greifbaren Anhaltspunkten, um wenigstens einen Mindestschaden unterhalb der seitens des Klägers behaupteten Höhe zu schätzen.
3. Mangels Hauptanspruchs besteht auch kein Zinsanspruch.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO.
5. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegen. Insbesondere hat die Sache keine grundsätzliche Bedeutung.