OLG Dresden: Pflicht zur Nutzung des beA nach gescheiterter Übermittlung eines fristgebundenen Schriftsatzes per Fax
OLG Dresden, Beschluss vom 29.7.2019 – 4 U 879/19
Volltext: BB-Online BBL2019-2818-2
Amtliche Leitsätze
1. Scheitert die Übermittlung eines fristgebundenen Schriftsatzes an das Gericht aus zunächst ungeklärter Ursache, hat der Rechtsanwalt technische Störungen im Empfangsbereich durch eine Rückfrage bei Gericht auszuschließen.
2. Ist auch hiernach eine Versendung per Telefax nicht möglich, hat der Rechtsanwalt den Schriftsatz gegebenenfalls persönlich aus dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) zu versenden; dass hierfür derzeit nur eine passive Nutzungspflicht besteht, steht einer solchen Pflicht nicht entgegen.
Aus den Gründen
I.
Mit dem der Beklagten am 26.3.2019 zugestellten Urteil ist zu ihren Lasten die Wirksamkeit des in Ziff. 1 aufgeführten notariellen Kaufvertrags bei Abweisung der Widerklage festgestellt worden. Wegen der Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen. Die Berufungsbegründungsfrist wurde mit Verfügung des Vorsitzenden vom 24.5.2019 (Bl. 125) bis zum 26.6.2019 verlängert. Die Berufungsbegründung ging sodann am 27.6.2019 über die zentrale Faxeingangsnummer 0351/xxx-yyyy beim Oberlandesgericht ein. Beigefügt war ihr ein Sendebericht vom 26.6.2019, der eine nicht erfolgte Versendung mit der Fehlermeldung "D.0.7 keine Antwort Gegenseite prüfen" und der Telefonnummer "00351xxxxxxx" aufwies.
Auf den Hinweis des Senats hat die Beklagte am 11.7.2019 unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung der Mitarbeiterin D...... Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand beantragt und behauptet, beginnend am frühen Nachmittag des 26.6.2019 seien zunächst durch die Beklagtenvertreterin selbst, später dann bis gegen 18:30 Uhr durch die Kanzleikraft "unzählige Versuche" unternommen worden, die Berufungsbegründung zu faxen.
II.
Die Berufung der Beklagten war wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist als unzulässig zu verwerfen. Die gemäß § 520 ZPO bestimmte zweimonatige Frist lief nach Verlängerung am 26.6.2019, einem Mittwoch, ab. Diese Frist hat die Beklagte versäumt.
III.
Der Beklagten war keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren. Zwar ist die bis zum 11.7.2019 laufende Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 ZPO gewahrt. Die Beklagte war allerdings nicht ohne Verschulden an der Einhaltung dieser Frist gehindert, § 233 ZPO. Ein Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten, das sie sich gem. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss, hat sie nicht ausgeräumt, auch wenn man davon ausgeht, dass es am 26.6.2019 die behaupteten "unzähligen Versuche" zur Übermittlung der Berufungsbegründung gegeben hat.
1. Zwar hat der Nutzer mit der Wahl einer Telefaxübertragung bei ordnungsgemäßer Nutzung eines funktionsfähigen Sendegeräts und der korrekten Eingabe der Empfängernummer das seinerseits Erforderliche zur Fristwahrung getan, wenn er so rechtzeitig mit der Übertragung beginnt, dass unter normalen Umständen mit deren Abschluss vor 24.00 Uhr zu rechnen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 1. Februar 2001 - V ZB 33/00, NJW-RR 2001, 916; vom 20. Dezember 2007 - III ZB 73/07, juris Rn. 4; vom 11. Januar 2011 - VIII ZB 44/10, juris Rn. 8; vom 6. April 2011 - XII ZB 701/10, aaO Rn. 9). Wird die Übermittlung fristwahrender Schriftsätze durch Telefax durch ein Gericht eröffnet, dürfen die aus den technischen Gegebenheiten dieses Kommunikationsmittels herrührenden besonderen Risiken nicht auf die Nutzer dieses Mediums abgewälzt werden. Das gilt im Besonderen für Störungen des Empfangsgeräts im Gericht. Denn in diesem Fall liegt die entscheidende Ursache für die Fristversäumung in der Sphäre des Gerichts (BGH, Beschluss vom 08. April 2014 – VI ZB 1/13 –, Rn. 8, juris; Beschlüsse vom 11. Januar 2011 - VIII ZB 44/10, aaO; vom 6. April 2011 - XII ZB 701/10, aaO). Allerdings dürfen dem Absender angezeigte Störungen des Übermittlungsvorgangs auch nicht vorschnell dem Empfangsgerät des Gerichts zugeschrieben werden. Vielmehr ist der Absender gehalten, den ihm erkennbar gewordenen Übermittlungsfehler bis zum Fristablauf zu beheben und zumindest weitere Übermittlungsversuche zu unternehmen, um auszuschließen, dass die Übermittlungsschwierigkeiten in seinem Bereich liegen. Bloße Zweifel an der Funktionstüchtigkeit des Empfangsgerätes können ihn insoweit nicht im Sinne von § 233 ZPO entlasten (BGH, Beschluss vom 11. Januar 2011 – VIII ZB 44/10 –, Rn. 9, juris).
Eine Störung des Empfangsgeräts ist nach den vom Senat angestellten Ermittlungen hier auszuschließen. Das beigezogene Empfangsjournal belegt für den gesamten 26.6.2019 einen störungsfreien Betrieb, die Poststelle des Oberlandesgerichts hat auch auf ausdrückliche Nachfrage keine Störungen des Empfangsgeräts mitgeteilt. Die Behauptung, das dortige Telefaxgerät sei bei den zahlreichen Versuchen entweder besetzt gewesen oder die Sendung sei "nicht durchgegangen", spricht ebenfalls gegen eine technische Störung auf Empfängerseite. Die darin zugleich enthaltene Behauptung, das Empfangsgerät des Oberlandesgerichts sei durchgängig bis 18:30 Uhr mit dem Empfang anderer Sendungen belegt gewesen, hält der Senat für widerlegt. Geht man von einem Beginn der Versendungsversuche ab ca. 14:00 Uhr aus (ausweislich des Wiedereinsetzungsantrags soll die Versendung am "frühen Nachmittag" begonnen haben), die sodann bis 18:30 Uhr angedauert haben sollen, so sind in dieser Zeit auf dem Telefax des Oberlandesgerichts lediglich 100 Seiten verteilt auf zahlreiche kurze Schriftsätze eingegangen; der längste in dieser Zeit eingegangene Schriftsatz hatte einen Umfang von 23 Seiten. Dass es gleichwohl über einen Zeitraum von 4 ½ Stunden aufgrund einer anderweitigen Belegung nicht möglich gewesen sein soll, die mit sechs Seiten ebenfalls recht kurze Berufungsbegründung zu faxen, ist angesichts dessen nicht anzunehmen.
Liegt aber weder eine Störung auf Empfängerseite noch eine anderweitige Belegung mit anderen Sendungen vor, so muss davon ausgegangen werden, dass die Ursache für die Erfolglosigkeit der Versendung auf einer Störung im Bereich des Geräts des Beklagtenvertreters oder auf der Verwendung einer falschen Telefaxnummer beruhte. Letzteres hält der Senat auch deswegen in hohem Maße für wahrscheinlich, weil aus dem am 27.6.2019 zu den Gerichtsakten gelangten Sendebericht vom 26.6.2019 15:18 Uhr die Telefaxnummer "00351xxxxxxx" hervorgeht; hierbei handelt es sich jedoch nicht um die Telefaxnummer der Poststelle des Gerichts (diese hat die Endnummer – yyyy), sondern um die Telefonnummer des 4. Zivilsenats. Es spricht viel dafür, dass die erfolglose Versendung darauf beruhte, dass auch bei den weiteren Wählversuchen diese Nummer verwendet wurde. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Mitarbeiterin D...... eidesstattlich versichert hat, die ihr mitgeteilte Fax-Nummer überprüft und als korrekte Faxnummer erkannt zu haben. Hieraus geht bereits nicht hervor, welche Telefaxnummer sie bei den anderen Wählversuchen am 26.6.2019 angewählt haben will und wieso es gleichwohl zur Verwendung der falschen Nummer – 1422 gekommen ist; ein Sendejournal für den 26.6.2019 wurde ebenfalls nicht vorgelegt.
2. Unabhängig hiervon hätte sich die Beklagtenvertreterin nach dem behaupteten mehrfachen Scheitern einer eigenhändigen Faxversendung aber auch nicht damit begnügen dürfen, die Kanzlei zu verlassen und die weitere Versendung ihrer Mitarbeiterin zu überlassen. Da sie selbst mit der Versendung zu einem Zeitpunkt begonnen hatte, zu dem die Poststelle des Oberlandesgerichts telefonisch noch erreichbar war, hätte sie entweder selbst durch eine Rückfrage abklären müssen, ob es im Empfangsbereich technische Störungen gab oder ihre Mitarbeiterin entsprechend anweisen müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 06. April 2011 – XII ZB 701/10 –, juris). Wäre ein solcher Versuch unternommen worden, wäre von der Poststelle mitgeteilt worden, dass solche Störungen nicht bestehen, was wiederum der Beklagtenvertreterin hätte Veranlassung geben müssen, die verwendete Telefaxnummer und die Geräteeinstellungen auf Sendeseite zu überprüfen und ggf. zu korrigieren. Allein aus dem Umstand, dass mehrere Versucher bis 18:30 Uhr erfolglos gewesen waren, durfte sie demgegenüber nicht auf einen Fehler des Empfangsgeräts schließen und weitere Versuche der Übermittlung einstellen.
Die Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist scheitert aber auch daran, dass die Beklagtenvertreterin nicht vorgetragen hat, wieso ihr eine Fristwahrung nicht auf anderem Wege möglich war und ein Defekt des eigenen Faxgeräts zumindest nicht ausgeschlossen werden konnte. Wenn sich herausstellt, dass eine Telefax-Verbindung aus unvorhersehbaren, nicht zu vertretenden Gründen nicht zustande kommt, bleibt der Rechtssuchende nämlich verpflichtet, alle dann noch möglichen und zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um die (Berufungs-)Frist einzuhalten (BGH, Beschluss vom 26. Juni 1996 – IV ZB 5/96 –, juris). Dass die Fristwahrung nicht auf anderem Weg möglich war, muss er darlegen (Zöller-Greger ZPO, 32. Aufl. § 233 Rn 23 Stichwort "Technische Störung"). Trotz der ausdrücklich hierauf bezogenen Hinweise in der Senatsverfügung vom 27.6.2019 ist eine solche Darlegung indes nicht erfolgt. Insbesondere bleibt weiterhin unklar, wieso eine Versendung der Berufungsbegründungsschrift nicht über das elektronische Anwaltspostfach (beA) möglich gewesen wäre, zu dessen passiver Nutzung die Beklagtenvertreterin gem. § 31a Abs. 6 BRAO verpflichtet war. Zwar sieht das Gesetz eine aktive Nutzungspflicht derzeit noch nicht vor. Mit erfolgreicher Anmeldung zum beA ist jedoch die Schaltfläche "Nachrichtenentwurf erstellen" freigeschaltet und besteht damit grundsätzlich auch die Möglichkeit, aus dem beA heraus auch Nachrichten zu versenden. Eine qualifizierte elektronische Signatur ist hierzu nicht erforderlich, wenn die Nachricht aus dem Postfach des Rechtsanwalts von diesem selbst versendet wird. Mitarbeiter auf einem anderen Postfach können Nachrichten des Rechtsanwalts, die dieser dann qualifiziert elektronisch signieren muss, allerdings nur dann versenden, wenn ihnen dieses Recht ausdrücklich zugeordnet wurde (vgl. https://www.bea-brak.de/xwiki/bin/view/BRAK/%2300084 "Erstellen und Senden einer Nachricht" abgerufen am 29.7.2019); dies war hier ausweislich der eidesstattlichen Versicherung der Mitarbeiterin D...... nicht der Fall. Dass auch eine Versendung durch die Beklagtenvertreterin selbst nicht möglich gewesen wäre, lässt sich ihrem Vortrag indes nicht entnehmen. War aber in der Kanzlei der Beklagtenvertreterin nur den dort tätigen Anwälten die Möglichkeit eingeräumt, Nachrichten aus dem beA zu versenden, hätte die Beklagtenvertreterin bei Verlassen der Kanzlei die Mitarbeiterin anweisen müssen, sie bei einem weiteren Scheitern der Übermittlung umgehend zu kontaktieren, um sodann eine Versendung über das beA sicherzustellen. In dem Unterlassen einer solchen Einzelanweisung liegt ein Anwaltsverschulden, das sich die Beklagte zurechnen lassen muss.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO