OLG Frankfurt: Pflicht zur Bildung eines mitbestimmten Aufsichtsrats
OLG Frankfurt, Beschluss vom 21.4.2008 - 20 W 8/07
Leitsatz
Für die Frage der Pflicht zur Bildung eines mitbestimmten Aufsichtsrates gemäß § 5 Abs. 3 MitbestG ist allein die Beherrschung des Konzerns durch Kapitalmehrheit maßgeblich, da aus ihr jederzeit auch Leitungsstrukturen folgen können (Fortführung von OLG Stuttgart NJW-RR1995, 1057 ff; OLG Düsseldorf NJW-RR 2007, 330 ff; Senatsbeschluss vom 21.04.2008 - 20 W 342/07).
Sachverhalt
I. Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Verfahrens nach §§ 98, 99 AktG, 6 MitbestG darüber, ob bei der X GmbH, der Antragstellerin, ein Aufsichtsrat nach §§ 6, 7 in Verbindung mit §§ 1 Abs. 1, 5 Abs. 1 und 3 MitbestG erforderlich ist.
Bei der Antragstellerin handelt es sich um eine GmbH deren alleiniger Gesellschafter Dr. Z ist.
Aufgrund der Größe und der Struktur der Antragstellerin, der hiesigen Beschwerdegegnerin, war nach dem Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 08.06.2004 (Az. 2-6 0 445/03) ein Aufsichtsrat nach dem Mitbestimmungsgesetz zu bilden. Die Wahl des Aufsichtsrates wurde im Jahre 2005 eingeleitet, der Aufsichtsrat gewählt und er fand sich zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen.
Der alleinige Gesellschafter der X GmbH ist in keinem Geschäftsführungs- oder Aufsichtsgremium der Antragstellerin oder deren Untergesellschaften vertreten. Die X GmbH ist alleinige Gesellschafterin der X Verwaltungsgesellschaft mbH (Verwaltungs-GmbH) sowie der XY O1 Beteiligungsgesellschaft mbH (Y- Beteiligungs-GmbH). Die Verwaltungs-GmbH ist wiederum Mehrheitsgesellschafterin einer Vielzahl von Untergesellschaften. Ebenso ist die Y- Beteiligungs- GmbH Mehrheitsgesellschafterin zweier Untergesellschaften.
Der Beschwerdeführer zu 1) ist der Gesamtbetriebsrat der X O3 GmbH, die eine Untergesellschaft der Verwaltungs-GmbH darstellt. Der Beschwerdeführer zu 2) ist der Betriebsrat der XC O2 GmbH, bei der es sich um eine Untergesellschaft der Y-Beteiligungs-GmbH handelt.
Zwischenzeitlich sind sowohl bei der X Verwaltungsgesellschaft mbH als auch bei der XY O2 Beteiligungsgesellschaft mbH mitbestimmte Aufsichtsräte eingerichtet.
Mit Datum vom 01. März 2005 schlossen die Antragstellerin und die Verwaltungs-GmbH einen Unternehmenskaufvertrag, nach dem die Verwaltungs-GmbH die ausgeübten Verwaltungsfunktionen für die operativ tätigen Tochtergesellschaften von der Antragstellerin übernimmt und die Antragstellerin insofern sämtliche materiellen und immateriellen Gegenstände auf diese überträgt. Sämtliche bestehende Arbeitsverhältnisse mit der Antragstellerin sind in Folge dessen auf die Verwaltungs-GmbH übergegangen.
Die X GmbH, die zunächst durch drei Geschäftsführer vertreten wurde, verfügt seither lediglich noch über einen Geschäftsführer, der nach Angabe der Antragstellerin seine Tätigkeit nebenberuflich ausübt. Weitere operative Geschäftsführeraufgaben werden von diesem innerhalb der X Gruppe nicht wahrgenommen.
Nachdem mit Gesellschafterbeschluss vom 29.12.2005 (eingetragen im Handelsregister am 30.12.2005) der Gegenstand des Unternehmens der Antragstellerin dahingehend geändert wurde, dass ihre Funktion auf eine rein vermögensverwaltende Holding beschränkt ist und die Gesellschaft jegliche Einflussnahme auf die Geschäftstätigkeit der Unternehmen, an denen sie beteiligt ist, unterlässt (wegen der weiteren Einzelheiten des Gesellschaftsvertrags wird auf den Vertrag, Anlage A 13, sowie seine Änderung Blatt 446 ff. d. A. Bezug genommen), beantragte die X GmbH aufgrund der Änderung ihrer Funktion die Feststellung, dass bei ihr ein mitbestimmter Aufsichtsrat nicht mehr erforderlich sei. Aufgrund der Betriebsübernahme sei die Verwaltungseinheit auf die Verwaltungs-GmbH übergegangen. Von der X GmbH werde keinerlei Leitungsmacht mehr auf die Verwaltungs-GmbH oder die Y-Beteiligungs-GmbH ausgeübt. Auch würden keine strategischen, operativen und unternehmenspolitischen Entscheidungen für Verwaltungs- und Y -Beteiligungs-GmbH getroffen. Ebenso werde keinerlei Einfluss auf das Finanzwesen oder auf sonstige zentrale Unternehmensbereiche beider Gesellschaften oder deren Untergesellschaften ausgeübt; es finde nicht einmal eine Abstimmung und Beratung grundsätzlicher Fragen der Geschäftsführung statt. Die X GmbH werde als reine Finanzholding weitergeführt und beschränke sich auf die Verwaltung ihrer eigenen Beteiligungen einschließlich der damit verbundenen Finanzierungs- und Verwaltungsaufgaben. Sie vertrat die Auffassung, dass daher die Konzernvermutung nach §§ 5 Abs. 1, 3 MitbestG, 17 Abs. 2, 18 Abs. 1 Satz 3 AktG widerlegt sei und die im Konzern beschäftigten Mitarbeiter ihr nicht mehr länger zugerechnet werden könnten, so dass ein mitbestimmter Aufsichtsrat nicht zu bilden bzw. überflüssig geworden sei.
Die Beschwerdeführer zu 1) und 2) sind dem Antrag entgegengetreten. Sie vertreten die Auffassung, dass der Alleingesellschafter der Antragstellerin, Herr Dr. Z, sämtliche abhängigen Gesellschaften leite. Er sei die prägende Person der Konzernpolitik und bestimme selbst Entscheidungen des Tagesgeschäftes.
Mit dem hier angegriffenen Beschluss vom 07.11.2006 (Bl. 306 ff. d. A.), stellte die 6. Zivilkammer des Landgerichts fest, dass bei der Antragstellerin ein Aufsichtsrat nicht zu bilden sei.
Gegen diesen am 22.11.2006 im Bundesanzeiger veröffentlichten und am 23.11.2006 den Beschwerdeführern zugestellten Beschluss haben die Beschwerdeführer zu 1) und 2) sofortige Beschwerde (Bl. 328 ff. d. A.) eingelegt. Sie sind der Auffassung, dass die Entscheidung des Landgerichts rechtsfehlerhaft ist. Zum einen liege ein Verstoß gegen den gesetzlichen Richter vor, denn die Entscheidung hätte nicht von einer Zivilkammer, sondern nach § 98 Abs. 1 Satz 1 AktG von der zuständigen Kammer für Handelssachen getroffen werden müssen. Darüber hinaus liege ein Verstoß gegen rechtliches Gehör vor, denn die Zivilkammer habe nicht mündlich verhandelt. Auch habe die Kammer die Konzernvermutungsregelung des § 18 Abs. 1 Satz 1 Satz 3 AktG unzutreffend ausgelegt und sei demzufolge fälschlicherweise zu dem Schluss gekommen, dass die Antragstellerin nicht als konzernleitend anzusehen sei. Selbst wenn die Konzernvermutung nach § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG widerlegt sei, sei dennoch gemäß § 5 Abs. 3 MitbestG ein mitbestimmter Aufsichtsrat zu bilden.
Die Antragstellerin verteidigt die angegriffene Entscheidung; zu Recht habe das Landgericht festgestellt, dass bei ihr ein mitbestimmter Aufsichtsrat nicht erforderlich sei. Zum einen sei es ihr gelungen die Konzernvermutung des § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG zu widerlegen und zum anderen sei auch ein Aufsichtsrat nach § 5 Abs. 3 MitbestG nicht zu bilden. Bei § 5 Abs. 3 MitbestG handele es sich um eine Ausnahmeregelung, die lediglich bezwecke, dass in Konzernen, in denen aufgrund ihrer Struktur eine Mitbestimmung nicht durchgesetzt werden könne, weil zum Beispiel die Konzernleitung sich im Ausland befinde, gleichwohl Mitbestimmung ermöglicht werde. Dies sei hier jedoch nicht der Fall. Auf den Unternehmensebenen, in denen Entscheidungen gefällt werden, nämlich bei der Verwaltungs-GmbH und der Y-Beteiligungs-GmbH seien jeweils mitbestimmte Aufsichtsräte eingerichtet, so dass die Ausnahmeregelung des § 5 Abs. 3 MitbestG im vorliegenden Fall nicht greife.
Darüber hinaus sei die Einrichtung eines mitbestimmten Aufsichtsrates bei der Antragstellerin auch nicht praktikabel, da bei ihr keinerlei konzernleitende Entscheidungen getroffen würden. Auch greife der Alleingesellschafter der Antragstellerin, Herr Dr. Z, nicht in die Geschicke des Konzerns ein. Entsprechend werde auch im Gesellschaftsvertrag der Antragstellerin deren Aufgabe als reine Finanzholding strukturiert ohne jegliche leitende Funktion.
Aus den Gründen
II. Das Rechtsmittel ist gemäß §§ 98, 99 Abs. 3 Satz 2 AktG als sofortige (Erst-)Beschwerde statthaft, wahrt die gesetzliche Form und Frist (§ 99 Abs. 3 Satz 4 und Abs. 4 Satz 4 AktG) und ist auch im Übrigen verfahrensrechtlich bedenkenfrei. Die Beschwerdebefugnis der Beschwerdeführer zu 1) und 2) folgt gemäß § 99 Abs. 4 Satz 3 AktG aus dem jeweiligen Antragsrecht nach § 98 Abs. 2 Nr. 6 AktG.
In der Sache führt das Rechtsmittel zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Unbeschadet der Tatsache, dass über eine Erstbeschwerde zu befinden ist, darf der Senat die Entscheidung des Landgerichts nur auf Gesetzesverletzungen überprüfen; dabei ist auch im aktienrechtlichen Statusverfahren grundsätzlich von dem im ersten Rechtszug festgestellten Sachverhalt auszugehen (§§ 98, 99 Abs. 3 Satz 3 AktG, 546 ZPO). Der in diesem Umfang eröffneten Rechtskontrolle hält die angefochtene Entscheidung des Landgerichts nicht stand.
Entgegen der Rüge der Beschwerdeführer war die Zivilkammer des Landgerichts zur Entscheidung über den Antrag berufen; zwar ist zwischenzeitlich die Zuständigkeit der allgemeinen Zivilkammern gemäß § 98 Abs. 1 Satz 1 AktG nicht mehr gegeben, sondern die Entscheidungsbefugnis den Kammern für Handelssachen zugewiesen. Zum hier entscheidenden Zeitpunkt der Antragstellung im März 2005 war die zum 01.11.2005 erfolgte Änderung des Aktiengesetzes jedoch noch nicht in Kraft getreten, so dass es bei der Zuständigkeit der allgemeinen Zivilkammern verbleibt.
Auch stellt es keinen Verstoß gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehöres dar, dass die Zivilkammer des Landgerichts über den Antrag nicht mündlich verhandelt hat. Eine mündliche Verhandlung ist von Gesetzes wegen nicht obligatorisch. Ein Verstoß gegen die Gewährung rechtlichen Gehörs könnte nur dann vorliegen, wenn zur Sachverhaltsaufklärung Handlungen hätten vorgenommen werden müssen, die einer mündlichen Verhandlung bedurft hätten. Dies ist weder ersichtlich noch konkret von den Beschwerdeführern vorgetragen.
Auch kann hier dahinstehen, ob die Kammer des Landgerichts die Regelung des § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG zutreffend ausgelegt hat. Zwar spricht vorliegend einiges dafür, dass die Auslegung durch das Landgericht zu geringe Anforderungen an die Widerlegung der aktienrechtlichen Konzernvermutung gestellt hat, jedoch kommt es hierauf entscheidungserheblich nicht an, da gleichwohl bei der Antragstellerin ein mitbestimmter Aufsichtsrat gemäß § 5 Abs. 3 MitbestG zu bilden ist.
Der Entscheidung des Landgerichts, dass auch unter dem Blickwinkel des § 5 Abs. 3 MitbestG bei der Antragstellerin kein mitbestimmter Aufsichtsrat zu installieren sei, liegt eine unzutreffende Auslegung des § 5 Abs. 3 MitbestG zugrunde. Es ist rechtlich nicht zutreffend, auf etwaig fehlende Leitungsbefugnisse der Antragstellerin bzw. deren Alleingesellschafter, Dr. Z, abzustellen.
Gemäß § 5 Abs. 3 MitbestG gilt die Antragstellerin für die Anwendung des Mitbestimmungsgesetzes als herrschendes Unternehmen und es ist deshalb bei ihr ein mitbestimmter Aufsichtsrat zu bilden.
Die Antragstellerin steht im Sinne von § 5 Abs. 3 MitbestG unter der Beherrschung anderer als der in § 5 Abs. 1 und 2 MitbestG bezeichneten Unternehmen, nämlich unter der Beherrschung des Herrn Dr. Z, der Alleingesellschafter der Antragstellerin ist. Als natürliche Person unterfällt Herr Dr. Z nicht den Regelungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG, kann aber als natürliche Person auch ein Unternehmen darstellen (BGH NJW 1997, 943 ff; Hüfer, AktG, 8. Aufl., § 15 Rn. 11 jeweils m. w. N.). Auch wenn Herr Dr. Z als natürliche Person im konkreten Fall den im Rahmen des § 15 AktG entwickelten Unternehmensbegriff nicht in allen Merkmalen erfüllt, ist er gleichwohl Unternehmen im Sinne des § 5 Abs. 3 MitbestG. Der Unternehmensbegriff wird nämlich in den verschiedenen Teilen der Rechtsordnung je nach dem Sachzusammenhang und dem Normzweck unterschiedlich gebraucht, was es erforderlich macht zu gewissen Abweichungen des mitbestimmungsrechtlichen vom aktienrechtlichen Unternehmens- und Konzernbegriff zu kommen (OLG Stuttgart BB 1989, 1005 ff.; Ulmer/Habersack/Henssel, MitbestR, 2. Aufl., § 5 Rn. 11; Raiser, MitbestG, 3. Aufl., § 5 Rz. 5). Im Aktienrecht wird der Unternehmensbegriff wesentlich bestimmt durch den Schutzzweck der Vorschriften über verbundene Unternehmen zugunsten von Minderheitsaktionären und Gesellschaftsgläubigern. Dagegen liegt der Normzweck des § 5 Abs. 3 MitbestG darin, den Arbeitnehmern bei einer Verlagerung der Entscheidungsprozesse Mitbestimmungsrechte auch dort einzuräumen, wo die grundlegenden Entscheidungen getroffen werden bzw. getroffen werden können. Zur Erreichung des Normzwecks der Sicherstellung der Mitbestimmung kommt es aber nur darauf an, dass die Konzernspitze, in die die Entscheidungsprozesse verlagert sind, in der Rechtsform des § 1 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG organisiert ist; dagegen ist hierfür unerheblich, ob sie auch einen eigenen Geschäftsbetrieb mit eigenen Arbeitnehmern hat, auf Gewinnerzielung gerichtet und an anderen Gesellschaften beteiligt ist. Für den Begriff des herrschenden Unternehmens als Teil des Konzerns ist abweichend vom Aktienrecht daher die Beherrschungsmöglichkeit gegenüber der Tochtergesellschaft ausreichend (Ulmer/Habersack/Henssler, a.a.O.).
Herr Dr. Z ist daher als Unternehmen im Sinne von § 5 Abs. 3 MitbestG anzusehen, da er als Alleingesellschafter der Antragstellerin gemäß § 46 GmbH über Beherrschungsmöglichkeiten verfügt.
Da er als natürliche Person nicht der Regelung des § 5 Abs. 1 und 2 MitbestG unterfällt, ist der mitbestimmte Aufsichtsrat gemäß § 5 Abs. 3 MitbestG dort zu bilden, wo er dem herrschenden Unternehmen am nächsten liegt und in Folge der der Rechtsform möglich ist. Dies ist bei der Antragstellerin.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts sowie der Antragstellerin kommt es hierbei nicht darauf an, dass dieses Unternehmen Leitungsmacht auch tatsächlich ausübt (OLG Stuttgart NJW-RR 1995, 1067 ff.; OLG Düsseldorf NJW-RR 2007, 330 ff., Müko AktG/Gach § 5 MitbestG, Rn. 39; ebenso Raiser, MitbestG, § 5 Rn. 40; a.A. OLG Celle BB 1993, 959; Ulmer/Habersack/Henssler, aaO, § 5 Rdnr. 70).
Maßgebend ist nach § 5 Abs. 3 MitbestG, ob die Konzernmutter die nachgeordneten Unternehmen über die Antragsgegnerin beherrscht. Hierbei ist zu beachten, dass das Gesetz von beherrschen und nicht von leiten spricht. Aus den §§ 16 Abs. 1, 17 Abs. 2 und 18 Abs. 1 Satz 3 AktG lässt sich ableiten, dass die Beherrschung ihren Grund in der Mehrheit der Anteile oder in der Mehrheit der Stimmrechte haben kann (OLG Stuttgart a.a.O.). § 5 Abs. 3 MitbestG stellt auf das Beherrschen der Untergesellschaften durch die Konzernleitung ab und knüpft an die Beherrschungsvermittlung die Fiktion, welches Unternehmen als Herrschendes im Sinne des Mitbestimmungsgesetzes anzusehen ist. Die realen Leitungsfunktionen sind in diesem Zusammenhang nicht entscheidend. Zweck des § 5 Abs. 3 MitbestG ist es, eine Regelung für die Fälle zu finden, in denen ein mitbestimmter Aufsichtsrat bei der Konzernspitze, wo er am effektivsten wäre, nicht bestellt werden kann. Es kann daher auch nicht darauf ankommen, ob die Antragstellerin Leitungsbefugnisse im Sinne von §§ 17 Abs. 2, 18 Abs. 1 Satz 3 AktG hat. Vielmehr ist es ausreichend, dass die Antragstellerin in einen Konzern eingegliedert ist, der von einem nicht mitbestimmungsfähigen Unternehmen beherrscht wird. Mit dem OLG Stuttgart ist auch der Senat der Auffassung, dass es nicht darauf ankommen kann, ob wenigstens Weisungen der Konzernspitze über die Antragstellerin an die nachgeordneten Unternehmen weitergeleitet werden, denn jedwede rechtstechnische Ausgestaltung der Leitungswege wird nur durch die bestehenden Mehrheitsverhältnisse ermöglicht und kann jederzeit Änderungen unterliegen. Es kann daher nicht entscheidend sein, ob und welche Leitungsbefugnisse der Antragstellerin im Einzelnen belassen worden sind. Aus Gründen der Rechtssicherheit und zur Einschränkung von Umgehungsmöglichkeiten kann nicht weiter differenziert werden, ob und in welcher Weise die Unternehmensleitung vorgenommen wird. Ansonsten könnte aufgrund der Abhängigkeitsstrukturen infolge der Kapitalverflechtung das Eingreifen des Mitbestimmungsgesetzes beliebig von der Konzernspitze ausgeschaltet werden, die Fiktionswirkung des § 5 Abs. 3 MitbestG wäre dann nicht mehr berücksichtigt (vgl. MüKo AktG/Gach, § 5 MitbestG, Rn. 38, 39).
Der Senat hat hierbei auch beachtet, dass die Entscheidungen des OLG Stuttgart und des OLG Düsseldorf in der Literatur ein geteiltes Echo gefunden haben (vgl. Wackerbarth in Lutter, Holdinghandbuch, § 9 Rn. 103 m. w. N., Habersack, Die Konzernmitbestimmung nach § 5 MitbestG und § 2 Beteiligungsgesetz, AG 2007, 641 ff., 647/648). Gegen die Entscheidungen wird im Wesentlichen eingewendet, dass sie der Mitbestimmung nicht zuträglich seien, weil der mitbestimmte Aufsichtsrat, wenn man nicht die Leitungsstruktur entscheiden ließe, bei einer Gesellschaft eingerichtet würde, in der er nicht einmal Informationen über die Leitungsentscheidungen bekommen könne. Ob dies im vorliegenden Fall so zutrifft, kann dahinstehen, da die bereits angesprochenen Missbrauchsmöglichkeiten aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsmacht des Mehrheitsgesellschafters wesentlich größer sind und sie sich ansonsten eventuell völlig der Mitbestimmung entziehen könnten. Im Übrigen hängt die Effizienz von Mitbestimmung ohnehin stets von den konkret handelnden Personen ab.
Dass sowohl bei der Verwaltungs GmbH als auch bei der Y Beteiligungs GmbH ein mitbestimmter Aufsichtsrat gebildet ist, besagt nichts Gegenteiliges. Diese beiden Unternehmen sind keine gleich- oder höherrangigen Unternehmen, sondern es handelt sich jeweils um der Antragstellerin kapitalmäßig untergeordnete, beherrschte Gesellschaften. § 5 Abs. 3 MitbestG will bei der Konzernmitbestimmung Lücken in Grenzen halten. Mit dem OLG Düsseldorf ist der Senat der Auffassung, dass dem Ersatzcharakter der Norm ein mitbestimmungsfreundliches Grundverständnis am ehesten gerecht wird. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte im Statusverfahren zu überprüfen, ob die bisher in Teilkonzernbereichen praktizierte Mitbestimmung für die Arbeitnehmer mehr Effektivität verspricht, als ein nach den Bestimmungen des Mitbestimmungsgesetzes installierter mitbestimmter Aufsichtsrat an der fiktiven Konzernspitze. Eine solche Einschränkung sieht der Wortlaut des Mitbestimmungsgesetzes nicht vor. Das Gesetz hat sich in § 5 Abs. 3 MitbestG gerade hinsichtlich der Beherrschung für eine Fiktion entschieden und bestimmt, welches Unternehmen im Konzern als herrschend gilt, wenn Mitbestimmung an der eigentlichen Konzernspitze nicht erreicht werden kann. Ziel und Zweck des Gesetzes sprechen ebenfalls nicht für eine solche Kontrolle, da sie die Arbeitnehmerseite gegenüber formalisierten Rechten und Strukturen beständig auf das Feld vergleichender Effizienz verweisen würde (vgl. Senatsbeschluss vom 21.04.2008, 20 W 342/07).
Sofern in der Entscheidung des OLG Celle (BB 1993, 957 ff) von dieser Auffassung abweichend die Meinung vertreten wird, dass die gesetzlich fingierte Teilkonzernspitze noch eine Mindestfunktion besitzen müsse, führt dies nicht zur Vorlagepflicht gemäß § 28 FGG an den Bundesgerichtshof. Bei den Ausführungen des OLG Celle handelt es sich um ergänzende Erwägungen des Oberlandesgerichts, die nicht tragend für die Entscheidung waren (vgl. OLG Stuttgart a.a.O. und OLG Düsseldorf a.a.O.).