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Wirtschaftsrecht
10.04.2008
Wirtschaftsrecht
: Pflicht zum Hinweis auf möglichen Zinsanstieg bei Vorausdarlehen zur Finanzierung einer Eigentumswohnung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 17.01.2008
Aktenzeichen: V ZR 92/07
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:

      ZPO § 544 Abs. 7

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

V ZR 92/07

vom 17. Januar 2008

in dem Rechtsstreit

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 17. Januar 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:

Tenor:

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers und der Drittwiderbeklagten wird das Teilurteil des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 22. März 2007 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als über die Berufung der Beklagten zu 1 und 2 entschieden worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 114.966,08 €.

Gründe:

I.

Die Beklagte zu 1, deren Komplementär der Beklagte zu 2 ist, kauft Altwohnbestände an und veräußert diese nach Durchführung von Renovierungsmaßnahmen als Wohnungseigentum weiter. Der Kläger und seine Ehefrau, die Drittwiderbeklagte, erwarben im Dezember 1992 eine solche Wohnung in L. und traten einem Mietpool bei. Die Finanzierung erfolgte im sog. Dortmunder-Modell über ein Vorausdarlehen und zwei hintereinander geschaltete Bausparverträge der B. .

Dem Kaufvertragsabschluss vorangegangen waren Beratungsgespräche, in denen Repräsentanten der Beklagten zu 1 unter Berücksichtigung der Finanzierungszinsen, der Sparleistung für das Bausparen, der Verwaltungskosten und der Mieteinnahmen eine auf den Kläger und seine Ehefrau zugeschnittene Einnahmen- und Ausgaben-Berechnung erstellt hatten.

Mit der Behauptung, sie seien falsch beraten worden, verlangt der Kläger aus eigenem und aus abgetretenem Recht seiner Ehefrau Schadensersatz. Die Beklagte zu 1 will im Wege der Drittwiderklage festgestellt wissen, dass der Drittwiderbeklagten keine Schadensersatzansprüche zustehen.

Die Klage war in erster Instanz erfolgreich; die Drittwiderklage ist abgewiesen worden. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen und der Drittwiderklage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Revision nicht zugelassen; dagegen richtet sich die Beschwerde des Klägers und der Drittwiderbeklagten.

II.

Das angefochtene Urteil ist nach § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben, da das Berufungsgericht den Anspruch der Beschwerdeführer auf rechtliches Gehör verletzt hat.

Die Klage ist unter dem Gesichtpunkt der Schlechterfüllung eines mit der Beklagten zu 1 zustande gekommenen Beratungsvertrages auch darauf gestützt worden, dass der Kläger und seine Ehefrau nicht über das Risiko einer Zinssteigerung für das Vorausdarlehen und einer damit verbundenen Erhöhung ihrer monatlichen Belastung nach Ablauf der acht Jahre dauernden Zinsbindungsfrist aufgeklärt worden seien. Entsprechendes gelte für die Ungewissheit der (weiteren) Zwischenfinanzierung durch das Vorausdarlehen nach Zuteilung des ersten Bausparvertrags.

Das Berufungsgericht hat diesen - sowohl für die Klage als auch für die Begründetheit der Widerklage entscheidungserheblichen - Vortrag zwar nicht völlig außer Acht gelassen, ihn jedoch in einer Weise behandelt, die deutlich macht, dass es den wesentlichen Kern des Vorbringens nicht erfasst hat. Darin liegt ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, ZIP 2004, 1762, 1763; BGH, Beschl. v. 21. Mai 2007, II ZR 266/04, WM 2007, 1569 Rdn. 5).

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts zielt der Vortrag des Klägers nicht auf eine - nicht bestehende - Verpflichtung der Beklagten zu 1 ab, die Entwicklung der Kapitalmarktzinsen zu prognostizieren. Vielmehr ist das Risiko angesprochen, welches sich daraus ergibt, dass die Zinsbindungsfrist für das Vorausdarlehen nur acht Jahre beträgt, während der Zeitraum, in dem der Kläger mit den Zinsen dieses Darlehens belastet sein würde, deutlich länger ist. Mit der Tilgung der ersten Hälfte des Darlehens durch Zuteilung des ersten Bausparvertrages war nach seiner Darstellung erst nach zehn bis zwölf Jahren zu rechnen; die Zuteilung des zweiten Bausparvertrages, die zur Tilgung der zweiten Hälfte des Vorausdarlehens führen sollte, war nach Darstellung der Beschwerdeerwiderung sogar erst nach 22 Jahren zu erwarten.

Über das hieraus folgende Risiko einer Erhöhung des berechneten monatlichen Eigenaufwands infolge steigender Kapitalmarktzinsen musste die Beklagte zu 1 aufklären (vgl. Senat, Urt. v. 9. November 2007, V ZR 25/07, WM 2008, 89, 91 f. Rdn. 22; Krüger, ZNotP 2007, 442, 444). Bei dem Erwerb einer Immobilie zu Anlagezwecken bildet die Ermittlung des monatlichen Eigenaufwands des Käufers nämlich das Kernstück der Beratung (Senat, BGHZ 156, 371, 377). Sie soll den Käufer von der Möglichkeit überzeugen, mit seinen finanziellen Mitteln das Objekt erwerben und - worauf es hier ankommt - auch halten zu können. Demgemäß muss der Verkäufer über Unwägbarkeiten für den monatlichen Eigenaufwand, die sich aus Besonderheiten seines Anlagemodells ergeben, aufklären, hier also über das Auseinanderfallen von Zinsbindungsfrist und Laufzeit des Vorausdarlehens.

Der - im Kern - übergangene Vortrag ist entscheidungserheblich, weil das Berufungsgericht eine solche Aufklärung nicht festgestellt hat. Die im Besuchsbericht enthaltene Angabe "Zinsbindungsfrist: 8 Jahre" genügt nicht, weil sie nicht erkennen lässt, dass und welche Risiken mit dieser Frist verbunden sind.


BGHR: nein
BGHZ: nein
Korrektur:  
Nachschlagewerk: nein
Orientierungssatz:  
Sachgebiete:  
Schlagworte:  
Stichworte:  
Verfahrensgang: LG Bielefeld, 6 O 675/01 vom 09.11.2004
OLG Hamm, 22 U 183/04 vom 22.03.2007

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