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Wirtschaftsrecht
14.05.2008
Wirtschaftsrecht
BGH: Parteifähigkeit einer Vor-GmbH nach Aufgabe der Eintragungsabsicht

BGH, Urteil vom 31. März 2008 - II ZR 308/06

GmbHG §§ 11, 60, 66; ZPO §§ 50 Abs. 1, 51 Abs. 1, 139 Abs. 3, 241 Abs. 1, 246 Abs. 1; BGB §§ 709 Abs. 1, 714

Leitsätze

1. Nach Aufgabe der Eintragungsabsicht bleibt die Vor-GmbH als Abwicklungs- oder als Personengesellschaft parteifähig.

2. Der nach der Klageerhebung mit dem Wandel in eine Abwicklungsgesellschaft oder eine Personengesellschaft verbundene Wechsel der organschaftlichen Vertretung führt weder zum Wegfall der Prozessfähigkeit noch zu einer Unterbrechung des Verfahrens, wenn die Gesellschaft durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten wird.

Sachverhalt

Durch notariellen Vertrag vom 23. Juli 2003 errichteten die Gesellschafter H. E. und O. S. die Klägerin als Gesellschaft mit beschränkter Haftung und bestellten D. Si. zum Geschäftsführer. Die Gesellschaft ist nicht im Handelsregister eingetragen. Die Klägerin begehrt mit der Klage, die sie als Gesellschaft mit beschränkter Haftung und unter Angabe der Vertretung durch ihren Geschäftsführer eingereicht hat, Versicherungsschutz aus einer Betriebshaftpflichtversicherung für einen Schadensfall im Oktober 2003. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie als unzulässig abgewiesen. Dagegen richtet sich die von dem erkennenden Senat zugelassene Revision der Klägerin.

Aus den Gründen

2 Die Revision ist begründet.

3 I. Das Berufungsgericht (ZIP 2006, 2031) hat ausgeführt, die Klägerin sei nach Aufgabe der Eintragungsabsicht nicht mehr parteifähig, jedenfalls werde sie, wenn sie nicht als Vor-GmbH, sondern als BGB-Gesellschaft parteifähig sei, nicht ordnungsgemäß, nämlich nicht von den beiden Gesellschaftern, vertreten.

4 II. Das Urteil hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

5 1. Das Berufungsgericht hat auf der Grundlage der von ihm getroffenen tatrichterlichen Feststellungen die Klage rechtsfehlerhaft für unzulässig gehalten. Die Klage ist zulässig, wenn zum Zeitpunkt der Erhebung der Klage noch beabsichtigt war, die Klägerin ins Handelsregister eintragen zu lassen. Da das Berufungsgericht offen gelassen hat, wann die Gesellschafter der Klägerin die Eintragungsabsicht aufgegeben haben bzw. ob eine solche Absicht von Anfang an überhaupt bestand, ist revisionsrechtlich der Vortrag der Klägerin zu unterstellen, dass jedenfalls bei Klageerhebung die Eintragung noch beabsichtigt war.

6 a) Die Zweifel des Berufungsgerichts an der Parteifähigkeit der Klägerin sind nicht berechtigt. Die Klägerin hat ihre Parteifähigkeit mit der Aufgabe der Absicht, sie ins Handelsregister eintragen zu lassen, nicht verloren. Sie ist mit der notariellen Beurkundung des Gesellschaftsvertrags als Vor-GmbH entstanden. Die Vorgesellschaft ist rechts- und parteifähig. Dass die Gründer die Eintragungsabsicht aufgegeben haben, ließ die Parteifähigkeit der Klägerin nicht entfallen. Die Vorgesellschaft bleibt als Liquidationsgesellschaft bis zur voll-ständigen Abwicklung oder, wenn sie die Gesellschafter fortführen, als Personengesellschaft rechts- und parteifähig. Wenn die Gesellschafter die Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister aufgeben, ist die Vor-GmbH grundsätzlich nach den für die GmbH geltenden Regeln abzuwickeln, soweit sie eine Eintragung ins Handelsregister nicht voraussetzen. Solange die Liquidation dauert, besteht sie als rechtsfähige und nach § 50 Abs. 1 ZPO parteifähige Abwicklungsgesellschaft fort (Senat, BGHZ 169, 270, 281; BGH, Urt. v. 28. November 1997 - V ZR 178/96, ZIP 1998, 109). Vor Abschluss eines Aktivprozesses ist die Gesellschaft nicht vollständig abgewickelt und die Liquidation nicht beendet. Wenn die Gesellschafter nach Aufgabe der Eintragungsabsicht die Gesellschaft fortsetzen anstatt sie abzuwickeln, unterliegt sie dem Recht der BGB-Gesellschaft, soweit der Gewerbebetrieb keinen in kaufmännischer Weise ein-gerichteten Geschäftsbetrieb erfordert (Senat, BGHZ 152, 290, 294; BGH, Urt. v. 28. November 1997 - V ZR 178/96, ZIP 1998, 109). Auch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die am Rechtsverkehr teilnimmt, ist rechts- und parteifähig (Senat, BGHZ 146, 341, 347). Der Wechsel der Rechtsform lässt die Identität der Klägerin unberührt; ihm ist gegebenenfalls durch eine Berichtigung des Rubrums Rechnung zu tragen (vgl. Sen.Urt. v. 15. März 2004 - II ZR 247/01, ZIP 2004, 1047).

7 b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist die Klägerin bei einer nachträglichen Aufgabe der Eintragungsabsicht auch ordnungsgemäß vertreten, § 51 Abs. 1 ZPO. Die Veränderungen der organschaftlichen Vertretung bei der Klägerin sind für den Fortgang des Verfahrens bedeutungslos, weil sie seit Erhebung der Klage durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten wird. Bei Klageerhebung war organschaftlicher Vertreter der Klägerin, wie in der Klageschrift angegeben, ihr Geschäftsführer Si. . Die Vor-GmbH wird im Prozess entsprechend § 35 Abs. 1 GmbHG durch ihren Geschäftsführer vertreten. Der nach der Klageerhebung mit dem Wandel in eine Abwicklungsgesellschaft oder eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts einhergehende Wechsel der Vertretung vom Geschäftsführer auf den Liquidator oder auf die Gesellschafter - wirkt sich auf das laufende Verfahren nicht unmittelbar aus, wenn die Gesellschaft durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten wird. Die diesem erteilte Prozessvollmacht besteht nach § 86 ZPO fort (Senat, BGHZ 121, 263, 266). Entsprechend §§ 241 Abs. 1, 246 Abs. 1 ZPO wird das Verfahren durch den Wegfall des organschaftlichen Vertreters auch nicht unterbrochen.

8 2. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Eine abschließende Entscheidung zur Zulässigkeit der Klage ist nicht möglich, weil das Berufungsgericht den Zeitpunkt der Aufgabe der Eintragungsabsicht bzw. deren Fehlen überhaupt offen gelassen hat. Wenn die Eintragungsabsicht bereits bei Klageerhebung aufgegeben war oder nie bestand, kommt eine Abweisung der Klage wegen fehlender Prozessfähigkeit der Klägerin in Betracht. Unter dieser Voraussetzung kann es darauf ankommen, ob der Mitgesellschafter E. die Prozessführung des Gesellschafters S. , der vor dem Berufungsgericht als Vertreter der Klägerin auftrat, genehmigt.

9 a) Die Genehmigung des Mitgesellschafters E. kann erforderlich sein, wenn die Klägerin bei Klageerhebung als BGB-Gesellschaft anzusehen war. Die Klägerin ist als - parteifähige - Personengesellschaft zu behandeln, wenn die Eintragungsabsicht bei Erhebung der Klage bereits aufgegeben war und die Gesellschaft anstatt abgewickelt fortgeführt wurde oder wenn von Anfang an keine Eintragungsabsicht bestand (vgl. BGHZ 22, 240, 245). Wenn diese Voraussetzungen vorliegen und die Klägerin eine OHG ist, war der Mitgesellschafter S. nach § 125 Abs. 1 Satz 1 HGB allein vertretungsberechtigt und konnte auch den Prozess allein für die Gesellschaft führen, § 126 Abs. 1 HGB. Auch wenn die Klägerin eine BGB-Gesellschaft ist, weil kein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftbetrieb erforderlich ist (§ 1 Abs. 2 HGB), ist die ausdrückliche Genehmigung des Mitgesellschafters zur Prozessführung durch den Gesellschafter S. erst notwendig, wenn mangels abweichender Vereinbarung nur beide Gesellschafter gemeinschaftlich die Klägerin vertreten können (§§ 709 Abs. 1, 714 BGB) und nicht die Treuepflicht bereits die Zustimmung von E. zwingend gebietet.

10 b) Sollte das Berufungsgericht erneut zu der Überzeugung gelangen, dass eine Genehmigung durch den Mitgesellschafter E. erforderlich ist, hat es - wie die Revision zutreffend rügt - der Klägerin Gelegenheit zu geben, diese Genehmigung beizubringen. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts dient der in § 139 Abs. 3 ZPO vorgeschriebene Hinweis dazu, die Heilung des Vertretungsmangels und nicht nur ergänzenden rechtlichen Vortrag zu ermöglichen (BGH, Beschl. v. 15. März 2006 - IV ZR 32/05, NJW-RR 2006, 937).

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