BGH: Organhaftung – keine Kompensation masseverkürzender Zahlungen durch Vorleistung des Zahlungsempfängers
BGH, Urteil vom 27.10.2020 – II ZR 355/18
ECLI:DE:BGH:2020:271020UIIZR355.18.0
Volltext: BB-Online BBL2020-2753-2
Amtlicher Leitsatz
Eine masseschmälernde Zahlung aus dem Vermögen einer insolvenzreifen Gesellschaft gemäß § 64 Satz 1 GmbHG kann grundsätzlich nicht durch eine Vorleistung des Zahlungsempfängers kompensiert werden.
Sachverhalt
Der Kläger war Insolvenzverwalter im am 29. Juni 2012 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der R. GmbH (im Folgenden: Schuldnerin). Die Beklagten zu 1 und 2 waren Geschäftsführer der Schuldnerin. Die Streithelferin ist der D&O-Versicherer der Beklagten.
Die Schuldnerin verfügte im Zeitraum vom 1. September 2011 bis Ende März 2012 über ein debitorisch geführtes Konto bei der V. Bank eG mit Sollständen zwischen 200.000 € und ca. 500.000 €, für das erstrangige Grundschulden im Umfang von rund 1,6 Mio. € an im Eigentum der Schuldnerin stehenden Immobilien sowie weitere Sicherheiten an Massegegenständen bestellt waren. Darüber hinaus verfügte die Schuldnerin über zwei kreditorisch geführte Konten, eines bei der U. Bank AG und eines bei derC. bank AG. Über diese Konten wurden im Zeitraum ab dem 1. September 2011 Geschäftsvorgänge abgewickelt. Der Kläger nimmt die Beklagten auf Erstattung von Zahlungen auf im Soll und von im Haben befindlichen Konten im Zeitraum 1. September 2011 bis Ende März 2012 in Höhe von zuletzt 5.331.642,14 € in Anspruch.
Über das Vermögen des Beklagten zu 2 wurde während des erstinstanzlichen Verfahrens ein Insolvenzverfahren eröffnet, worauf das Landgericht die Unterbrechung des Verfahrens gegen ihn feststellte. Das Landgericht hat der Klage gegen den Beklagten zu 1 (im Folgenden: Beklagter) nach Teilrücknahmen in Höhe von 5.486.834,30 € stattgegeben. Hiergegen wandte sich der Beklagte mit seiner Berufung.
Nach Bestätigung des Insolvenzplans hob das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin mit Beschluss vom 12. Juni 2017 auf. Der Insolvenzplan sieht u.a. vor, dass mögliche Ansprüche der Schuldnerin gegen die Beklagten vom Kläger auch nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens weiterverfolgt werden sollen und ihm zu diesem Zweck im Wege einer Inkassozession abgetreten werden. Die Ansprüche gegen die Beklagten sollen, soweit diese nicht durch die D&O Vermögensschadenhaftpflichtversicherung gedeckt sind, nicht weiterverfolgt werden, es sei denn über das Vermögen eines der Beklagten ist bzw. wird innerhalb der nächsten zwei Jahre ein Insolvenzverfahren eröffnet.
Das Berufungsgericht hat nach einer weiteren Teilrücknahme in Höhe von 155.192,16 € auf die Berufung des Beklagten das landgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und den Beklagten unter Klageabweisung im Übrigen noch zur Zahlung in Höhe von 5.178.032,07 € verurteilt. Dabei hat es den Kläger als gewillkürten Prozessstandschafter der Schuldnerin bezeichnet. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Aus den Gründen
6 Die Revision des Beklagten hat teilweise Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht soweit der Beklagte zur Zahlung von mehr als 788.114,91 € nebst Zinsen verurteilt wurde.
7 I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
8 Das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers ergebe sich bereits daraus, dass die Ersatzpflicht der Beklagten vorgreiflich für einen Anspruch gegen die Streithelferin sei. Ob und in welchem Umfang die Streithelferin für die streitgegenständlichen Ansprüche einzustehen habe, sei im vorliegenden Rechtsstreit nicht zu entscheiden, so dass es auch auf die Höhe der Versicherungssumme nicht ankomme.
9 Der Kläger sei auch prozessführungsbefugt. Die Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach Bestätigung des Insolvenzplans habe einen Parteiwechsel auf die Schuldnerin kraft Gesetzes zur Folge gehabt. Der Kläger sei aber im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft zur Weiterführung des Prozesses befugt. Diese ergebe sich aus dem vorgelegten Insolvenzplan.
10 Die Schuldnerin sei ab 1. September 2011 zahlungsunfähig gewesen. Die seit dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit vorgenommenen Zahlungen seien mit wenigen Ausnahmen in Höhe von insgesamt 5.178.032,07 € erstattungspflichtig im Sinne von § 64 Satz 1 GmbHG.
11 Der Beklagte müsse die auf das debitorische Konto bei der V. Bank eG nach dem Eintritt der Insolvenzreife eingezahlten 2.498.663,61 € erstatten. Auch wenn die V. Bank eG aufgrund erstrangiger Grundschulden und dem Sicherungseigentum an sämtlichen Maschinen der Schuldnerin im fraglichen Zeitraum durchgehend übersichert gewesen sei, liege kein Aktiventausch vor. Die Sicherheit sei nicht in das zur Befriedigung der Gläubiger bestimmte Vermögen der Gesellschaft gelangt, weil die Schuldnerin über die Mittel des frei gewordenen Kontokorrentkreditrahmens bis zur Insolvenzantragstellung wieder verfügt habe.
12 Von dem Konto bei der U. Bank AG seien nach dem Eintritt der Insolvenzreife Zahlungen in Höhe von 2.467.085,84 € geleistet worden, von dem Konto bei der C. bank AG in Höhe von 212.282,62 €. Ein Aktiventausch scheitere bei den meisten Zahlungen daran, dass die Gegenleistung vor der Zahlung zur Masse gelangt sei. Für einen Aktiventausch kämen nur solche Geschäfte in Betracht, die gegen Vorkasse oder Zug um Zug abzuwickeln seien. Der Ausgleich einer Masseschmälerung setze voraus, dass sich der in unmittelbarem Zusammenhang mit einer Zahlung stehende Gegenwert zum Zeitpunkt der Zahlung nicht ohnehin bereits in der Masse befinde.
13 Die Zahlungen in Höhe von 5.178.032,07 € seien auch nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes i.S.v. § 64 Satz 2 GmbHG zu vereinbaren. Dass der Beklagte entsprechend einer Aufteilung der Geschäftsführung ausschließlich für die technische Seite der Produktion zuständig gewesen sei, entlaste ihn nicht. Auf die Beurteilung der Buchhalterinnen, noch sei alles "im grünen Bereich" habe er sich nicht ungeprüft verlassen dürfen, da fällige Zahlungen in erheblichem Umfang nicht geleistet worden seien und daher dem Beklagten bekannt gewesen sei, dass erhebliche Liquiditätsprobleme auf die Schuldnerin zukommen könnten. Erforderlichenfalls müsse sich ein Geschäftsführer extern beraten lassen. Insoweit sei weder erkennbar noch vorgetragen, dass der Beklagte eine rechtzeitige Prüfung der Insolvenzreife durch den Steuerberater auf vollständiger Tatsachengrundlage sichergestellt habe.
14 II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand. Das Berufungsurteil ist aufzuheben, soweit der Beklagte zur Erstattung von Zahlungen auf das bei der V. Bank eG geführte Konto in Höhe von insgesamt 2.748.663,61 € und von Zahlungen von den Konten der C. bank AG und der U. Bank AG in Höhe von weiteren 1.641.253,55 € für erhaltene Vorleistungen verurteilt wurde.
15 1. Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht den Kläger für prozessführungsbefugt gehalten, obwohl er nur insoweit zur Einziehung der Forderungen beauftragt ist, als diese durch eine D&O Versicherung gedeckt sind. Im Insolvenzplan ist vorgesehen, dass die geltend gemachten Forderungen an den Kläger abgetreten werden, "zum Zwecke des Einzugs der Forderung im eigenen Namen allerdings auf fremde Rechnung, nämlich für Rechnung (ausschließlich) der an diesem Insolvenzverfahren noch beteiligten Gläubiger", um "eingezogene Beträge im Rahmen einer weiteren Verteilung an die Gläubiger" auszuschütten.
16 a) Mit der durch die rechtskräftige Bestätigung des Insolvenzplans gemäß § 254 Abs. 1 InsO wirksam gewordenen Abtretung der streitigen Forderung an den Kläger als Treuhänder sowie mit Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 258 InsO) am 12. Juni 2017 verlor der Kläger sein Prozessführungsrecht als Insolvenzverwalter, welches auf ihn persönlich - als Treuhandzessionar - übergegangen ist. Der fiduziarische Charakter der Abtretung und die im Insolvenzplan vorgesehene Nachtragsverteilung ändern daran nichts (BGH, Urteil vom 7. Januar 2008 - II ZR 283/06, BGHZ 175, 86 Rn. 9 f. mwN).
17 Als Forderungsinhaber ist der Kläger prozessführungsbefugt (BGH, Urteil vom 7. Januar 2008 - II ZR 283/06, BGHZ 175, 86 Rn. 10; Urteil vom 3. April 2014 - IX ZR 201/13, ZIP 2014, 1032 Rn. 11, 18 mwN). Es liegt eine Inkassozession und keine bloße Einziehungsermächtigung vor. Ob eine Inkassozessionoder eine Einziehungsermächtigung vorliegt, ist im Wege der Auslegung zu bestimmen. Im Streitfall legt bereits der eindeutige Wortlaut des Insolvenzplans, demzufolge die Forderung zur treuhänderischen Einziehung abgetreten wird, eine Inkassozession nahe. Auch nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Inhalt des Geschäfts, nach dem der Kläger zum Abzug seiner Kosten und anschließenden Verwendung der Gelder nach den Regeln des Insolvenzplans und nicht zugunsten der abtretenden Schuldnerin beauftragt war, war den Vertragspartnern ersichtlich daran gelegen, die Forderung als Vollrecht zu übertragen. Da Zweck der Vereinbarung die erleichterte prozessuale Durchsetzbarkeit der Forderung ist, ist von einer Forderungsabtretung auszugehen (vgl. BGH, Urteil vom 3. April 2014 - IX ZR 201/13, ZIP 2014, 1032 Rn. 11). Bei einer Einziehungsermächtigung ist ein Rechtsschutzbedürfnis für die Einklagung der fremden Forderung im eigenen Namen erforderlich, während der Inkassozessionar als Vollrechtsinhaber berechtigt ist, die abgetretene Forderung ungeachtet eines eigenen schutzwürdigen Interesses in eigener Person einzuklagen. Eine Beschränkung der abgetretenen Forderungen auf die durch die D&O Versicherung gedeckten Ansprüche enthält die Abtretung hingegen gerade nicht. Die Treuhandabrede beschränkt das Vollrecht des Klägers nicht.
18 b) Der Kläger ist selbst Partei und nicht Prozessstandschafter der Schuldnerin.
19 Grundsätzlich ist zwischen der Klage eines Insolvenzverwalters als Partei kraft Amtes, einer Klage aus eigenem Recht (auch als Zessionar) oder in gewillkürter Prozessstandschaft für die Schuldnerin zu unterscheiden (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 1980 - IVa ZR 38/80, BGHZ 78, 1, 7). Die Parteibezeichnung ist jedoch auslegungsfähig und kann bei ersichtlicher Unrichtigkeit von Amts wegen berichtigt werden (BGH, Urteil vom 7. Januar 2008 - II ZR 283/06, BGHZ 175, 86 Rn. 11 mwN). So liegt der Fall hier.
20 Der Kläger ist in seiner Eigenschaft als Zessionar nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens in den bereits vor dem Berufungsgericht anhängigen Rechtsstreit eingetreten. Mit Insolvenzaufhebung fällt die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis und damit auch die Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters grundsätzlich insgesamt fort und die eigene Verwaltungsbefugnis der Schuldnerin lebt grundsätzlich wieder auf (§ 259 Abs. 1 Satz 1 InsO; BGH, Urteil vom 7. Juli 2008 - II ZR 26/07, ZIP 2008, 2094 Rn. 9). Diese erstreckt sich aber nicht auf Gegenstände, die der Schuldnerin nicht mehr gehören, weil sie während der Insolvenz durch wirksame Verfügung des Insolvenzverwalters aus ihrem Vermögen ausgeschieden sind. Verwaltungs- und prozessführungsbefugt wird vielmehr der neue Forderungsinhaber und nicht die Schuldnerin (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juni 1992 - II ZR 88/91, ZIP 1992, 1152, 1153).
21 Soweit der Kläger in dem Rechtsstreit zunächst weiterhin "als Insolvenzverwalter" und auf Hinweis des Berufungsgerichts als "gewillkürter Prozessstandschafter der Schuldnerin" aufgetreten ist, ist das eine unschädliche Falschbezeichnung, die an seiner wahren Berechtigung und Parteistellung als Treuhandzessionar nichts ändert. Zur Begründung der Klage hat sich der Kläger auf die in dem Insolvenzplan bestimmte Treuhandzession gestützt. Dementsprechend ist das Rubrum zu berichtigen. Dass der Kläger damit für die Prozesskosten und Gegenansprüche persönlich haftet und ggf. auf einen Erstattungsanspruch gegen die Schuldnerin (§ 670 BGB) angewiesen ist, entspricht der ausdrücklichen Regelung im Insolvenzplan.
22 c) Der Kläger hat auch ein Rechtsschutzbedürfnis, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat.
23 Das Berufungsgericht hat in erster Linie darauf abgestellt, dass der Insolvenzplan zwar vorsehe, dass die Ansprüche gegen die Geschäftsführer insoweit nicht weiterzuverfolgen sind, als sie nicht durch die D&O Versicherung gedeckt sind. Ob und in welcher Höhe der Versicherer aber tatsächlich für die Forderung einzustehen habe, stehe nicht fest, zumal die Streithelferin wegen der Klausel "maximal für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres" in Höhe der Versicherungssumme von 2,5 Mio. € für die Versicherungsjahre 2011 und 2012 einstandspflichtig sein könne. Diese grundsätzlich dem Tatrichter vorbehaltene und in der Revisionsinstanz nur eingeschränkt überprüfbare Auslegung (vgl. BGH, Urteil vom 30. Januar 2020 - VII ZR 33/19, WM 2020, 1125 Rn. 33 mwN) ist nicht zu beanstanden. Bei Leistungsklagen ergibt sich ein Rechtsschutzbedürfnis regelmäßig schon aus der Nichterfüllung des behaupteten materiellen Anspruchs, dessen Vorliegen für die Prüfung des Interesses an seiner gerichtlichen Durchsetzung zu unterstellen ist (BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012 - III ZR 266/11, BGHZ 195, 174 Rn. 51 mwN). Erst nach einem rechtskräftigen Urteil im Prozess mit der Streithelferin steht fest in welcher Höhe diese letztendlich für die gegen den Beklagten geltend gemachten Ansprüche haftet.
24 2. Es bedurfte keines Gesellschafterbeschlusses zur Verfolgung der Ansprüche gegen den Beklagten gemäß § 46 Nr. 8 GmbHG. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist ein Gesellschafterbeschluss nach § 46 Nr. 8 GmbHG für eine Klageerhebung nicht mehr erforderlich (BGH, Urteil vom 18. Juni 2013 - II ZR 86/11, BGHZ 197, 304 mwN). In der Insolvenz wird dieses Recht vom Insolvenzverwalter ausgeübt, dessen Entschließung in der Klageerhebung zu sehen ist (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 1992 - II ZR 23/91, WM 1992, 691, 693 zur KO). Da der Insolvenzverwalter zur Klageerhebung keines Gesellschafterbeschlusses bedurfte, bedarf es eines solchen auch zur Fortführung der Klage nach der Abtretung der Ansprüche an ihn während des Verfahrens nicht.
25 3. Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision nicht stand, soweit der Beklagte zur Zahlung von mehr als 788.114,91 € nebst Zinsen verurteilt wurde.
26 a) Die Verurteilung des Beklagten hinsichtlich der Zahlungen an die V. Bank eG in Höhe von 2.498.663,61 € hält den Angriffen der Revision nicht stand. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht die Sicherung der V. Bank eG durch eine erstrangige Grundschuld an einem zur Masse gehörenden Grundstück in den Sollsaldo übersteigender Höhe nebst weiterer Sicherheiten deswegen für unerheblich erachtet, weil die Kreditlinie zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wieder ausgeschöpft wurde und die Sicherheiten daher nicht für die Masse verwertet werden konnten. Für die Annahme eines Aktiventauschs kommt es nicht darauf an, ob die zugeführten Aktiva zur Zeit der Insolvenzeröffnung noch im Vermögen der Schuldnerin vorhanden sind (BGH, Urteil vom 18. November 2014 - II ZR 231/13, BGHZ 203, 218 Rn. 11 mwN; Urteil vom 4. Juli 2017 - II ZR 319/15, ZIP 2017, 1619 Rn. 18).
27 aa) Der erst in zweiter Instanz gehaltene Vortrag zur Besicherung der Ansprüche der V. Bank eG ist der Entscheidung zugrunde zu legen, ohne dass es auf die in diesem Zusammenhang vom Beklagten erhobene Gehörsrüge ankommt.
28 (1) § 531 Abs. 2 ZPO ist auf Tatsachen, die erstmals im Berufungsrechtszug vorgetragen und unstreitig werden, nicht anwendbar. Die Vorschriften über die Behandlung verspäteter Angriffs- und Verteidigungsmittel betreffen nur streitiges und daher beweisbedürftiges Vorbringen. Unstreitig gewordener Sachvortrag fällt nicht unter diese Bestimmungen (BGH, Urteil vom 18. November 2004 - IX ZR 229/03, BGHZ 161, 138, 142 mwN). Der Umstand, dass weitere Feststellungen in Bezug auf andere Zahlungen erforderlich werden, führt nicht dazu, dass der Vortrag insgesamt nicht zuzulassen ist. § 531 Abs. 2 ZPO stellt nicht darauf ab, ob der Rechtsstreit durch die Berücksichtigung des neuen Vortrags verzögert wird. Neuer unstreitiger Tatsachenvortrag ist in der Berufungsinstanz selbst dann zuzulassen, wenn dies dazu führt, dass vor einer Sachentscheidung eine Beweisaufnahme erforderlich wird (BGH, Urteil vom 16. Oktober 2008 - IX ZR 135/07, WM 2008, 2307 Rn. 22).
29 (2) So liegt der Fall hier. Der Kläger hat nicht die Sicherung selbst, sondern lediglich bestritten, dass durch die Einzahlungen Sicherheiten zugunsten der Gläubiger frei geworden sind, da Zahlungsvorgänge in Höhe von 5,4 Mio. € streitgegenständlich seien. Selbst wenn der Kläger damit das Bestehen der Sicherheiten bestritten haben sollte, wäre dieses Bestreiten gemäß § 138 Abs. 1 ZPO unbeachtlich, da, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, das Bestehen der Sicherheiten aus dem vom Kläger aufgestellten Insolvenzplan hervorgeht und das Bestreiten daher dem sicheren Wissen des Klägers widerspräche. Dass durch die jeweilige Zahlung Sicherheiten frei geworden sind, hat der Kläger nicht substantiiert bestritten. Dies hätte Vortrag zu Verbindlichkeiten der Schuldnerin erfordert, welche die Sicherheiten übersteigen. Der bloße Verweis auf die Summe der Zahlungen lässt außer Acht, dass Kontobewegungen in beide Richtungen erfolgten und sich der Kontostand stets im Soll zwischen 200.000 € und 500.000 € bewegte.
30 bb) Die Haftung des Beklagten nach § 64 Satz 1 GmbHG für Zahlungen seit dem 1. September 2011 an die V. Bank eG durch Gutschriften auf dem dort geführten debitorischen Konto ist jeweils durch Freiwerden von Sicherheiten der V. Bank eG zugunsten der Masse in gleicher Höhe entfallen.
31 (1) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Einzug von Forderungen einer insolvenzreifen GmbH auf ein debitorisches Konto grundsätzlich eine masseschmälernde Zahlung im Sinne von § 64 Satz 1 GmbHG ist, weil dadurch das Aktivvermögen der Gesellschaft zu Gunsten der Bank geschmälert wird (BGH, Urteil vom 23. Juni 2015 - II ZR 366/13, BGHZ 206, 52 Rn. 11; Urteil vom 3. Juni 2014 - II ZR 100/13, ZIP 2014, 1523 Rn. 16; Urteil vom 26. März 2007 - II ZR 310/05, ZIP 2007, 1006 Rn. 12; Urteil vom 29. November 1999 - II ZR 273/98, BGHZ 143, 184, 187 f.; Urteil vom 11. Februar 2020 - II ZR 427/18, ZIP 2020, 666 Rn. 15). Der auf das debitorische Konto eingezahlte Betrag wird aufgrund der Kontokorrentabrede mit dem Sollsaldo bzw. mit dem Kreditrückzahlungsanspruch der Bank verrechnet und damit mit Gesellschaftsmitteln an einen Gläubiger, hier die Bank, gezahlt. Insoweit liegt der Fall im Ergebnis nicht anders als wenn die GmbH mit Barmitteln, die von einem ihrer Schuldner in ihre Kasse gelangt sind, einen Gläubiger durch Barzahlung befriedigt.
32 (2) Eine masseschmälernde Zahlung scheidet hingegen aus, soweit infolge der Verminderung des Sollsaldos durch die Einziehung und Verrechnung einer Forderung Sicherheiten zugunsten der Masse frei geworden sind.
33 Die Ersatzpflicht des Organs für Zahlungen nach Insolvenzreife gemäß § 64 Satz 1 GmbHG entfällt, soweit die durch die Zahlung verursachte Schmälerung der Masse in einem unmittelbaren Zusammenhang mit ihr ausgeglichen wird (BGH, Urteil vom 18. November 2014 - II ZR 231/13, BGHZ 203, 218 Rn. 9 mwN). Wenn eine Zahlung an einen absonderungsberechtigten, durch eine Gesellschaftssicherheit besicherten Gläubiger geleistet wird, liegt ein Aktiventausch vor, soweit infolge der Zahlung die Gesellschaftssicherheit frei wird und der Verwertung zugunsten aller Gläubiger zur Verfügung steht. Bei einem solchen Aktiventausch entfällt im wirtschaftlichen Ergebnis eine masseschädliche Zahlung (BGH, Urteil vom 23. Juni 2015 - II ZR 366/13, BGHZ 206, 52 Rn. 26; Urteil vom 18. November 2014 - II ZR 231/13, BGHZ 203, 218 Rn. 9). Wegen des nach § 49 InsO bestehenden Rechts des Sicherungsnehmers auf abgesonderte Befriedigung aus der Grundschuld steht die Sicherheit der Gläubigergesamtheit nicht als freie Masse zur gleichmäßigen Befriedigung zur Verfügung (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 2015 - II ZR 68/14, ZIP 2016, 364 Rn. 25). Übersteigt die Sicherheit den Sollsaldo, bewirkt eine Zahlung an den Sicherungsnehmer einen Aktiventausch, soweit infolge dieses Vorgangs die Sicherheit frei wird und in das zur gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger bestimmte Vermögen der Gesellschaft gelangt. Dies gilt aufgrund der zwischen Gläubiger und Schuldner bestehenden Sicherungsabrede auch für Grundschulden, da durch die Verringerung des Sollsaldos in der Regel ein werthaltiger Freigabeanspruch zur Masse gelangt, der das Absonderungsrecht des Gläubigers beschränkt. Wegen der unmittelbar eintretenden Beschränkung des Absonderungsrechts ist für den Massezufluss unerheblich, dass der Freigabeanspruch selbst nur ein schuldrechtlicher Anspruch ist (aA Casper in Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, 2. Aufl., § 64 Rn. 113; Casper, ZIP 2016, 793, 801 f.).
34 Dagegen ist es nicht erforderlich, dass der Gegenstand des Massezuflusses auch bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch vorhanden ist. Maßgeblich für die Bewertung ist der Zeitpunkt, in dem die Masseverkürzung durch einen Massezufluss ausgeglichen wird, nicht der Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung. Die Masseverkürzung ist ausgeglichen und die Haftung des Organs für die masseverkürzende Leistung entfällt, sobald und soweit ein ausgleichender Wert endgültig in das Gesellschaftsvermögen gelangt ist (BGH, Urteil vom 18. November 2014 - II ZR 231/13, BGHZ 203, 218 Rn. 11 mwN; Urteil vom 4. Juli 2017 - II ZR 319/15, ZIP 2017, 1619 Rn. 18).
35 (3) Infolge der Gutschriften auf dem debitorischen Konto der V. Bank eG wurde nach der zwischen V. Bank eG und Schuldnerin getroffenen Sicherungsabrede die Sicherheit in Höhe des Zahlungseinganges zur Verwertung durch die Gläubiger frei. Dass die Kreditlinie im Folgenden durch Zahlungen der Schuldnerin wieder ausgeschöpft wurde, kann zu einem eigenen Erstattungsanspruch gemäß § 64 Satz 1 GmbHG führen (BGH, Urteil vom 18. November 2014 - II ZR 231/13, BGHZ 203, 218 Rn. 11). Der zunächst erfolgte Ausgleich der zuvor erfolgten Masseverkürzung bleibt davon jedoch unberührt.
36 cc) Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist insoweit auch nicht aus anderen Gründen richtig, § 561 ZPO. Das Berufungsgericht hat zwar Feststellungen zu den Zahlungen der Schuldnerin von dem besicherten debitorischen Konto bei der V. Bank eG getroffen. Auf diese Zahlungen hat der Kläger jedoch seine Forderungen bisher nicht gestützt, sodass über sie nicht entschieden werden kann, § 308 ZPO. Dem Kläger ist Gelegenheit zu geben, dies nachzuholen (vgl. BGH, Urteil vom 26. März 2007 - II ZR 310/05, ZIP 2007, 1006 Rn. 11).
37 b) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht angenommen, bei dem am 6. September 2011 vom im Haben geführten Konto bei der U. Bank AG auf das Konto bei der V. Bank eG überwiesenen Betrag in Höhe von 250.000 € liege eine erstattungspflichtige Zahlung im Sinne von § 64 Satz 1 GmbHG vor. Es handelt sich vielmehr um einen Aktiventausch, da durch die Zahlung an die V. Bank eG für diese bestellte Sicherheiten in entsprechender Höhe frei und zugunsten der Masse verwertbar geworden sind, so dass eine Haftung des Beklagten entfällt.
38 c) Zutreffend und von der Revision nicht angegriffen hat das Berufungsgericht die Verurteilung des Beklagten hinsichtlich der über das Konto der C. bank AG abgewickelten Zahlungen auch auf solche Zahlungen gestützt, die der Kläger seiner Klage zunächst nicht zugrunde gelegt hat. Das Berufungsgericht hat dem Kläger damit nichts zugesprochen, was dieser nicht geltend gemacht hat (§ 308 Abs. 1 ZPO).
39 Bei diesem Konto, das zeitweise im Soll und zeitweise im Haben geführt worden ist, hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung Zahlungen zugrunde gelegt, deren Erstattung der Kläger zunächst in geringerer Höhe oder nicht geltend gemacht hat. Da sich der Kläger jedoch auf den Hinweis des Gerichts, die Zahlungen seien untereinander austauschbar, nicht gegenteilig geäußert hat, ist davon auszugehen, dass er sich die ihm günstige Annahme des Berufungsgerichts, die Entscheidung könne auch auf die weiteren Auszahlungen gestützt werden, zu eigen gemacht hat.
40 d) Nicht den Angriffen der Revision stand hält dagegen die Verurteilung des Klägers hinsichtlich weiterer Zahlungen von den Konten der C. bank AG und der U. Bank AG in Höhe von 1.641.253,55 €, da insoweit nicht auszuschließen ist, dass wegen eines Eigentumsvorbehaltes ein bloßer Aktiventausch vorliegt. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht noch ausgeführt, ein Ausgleich der Masseschmälerung komme nur in Betracht, wenn die kompensierende Gegenleistung sich im Zeitpunkt der Zahlung nicht bereits im Vermögen der Gesellschaft befunden hat. Von Rechtsfehlern beeinflusst ist hingegen der Schluss, dies gelte auch für Lieferungen unter Eigentumsvorbehalt. Da das Berufungsgericht, von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig, keine hinreichenden Feststellungen zur Vereinbarung eines Eigentumsvorbehaltes getroffen hat, ist dieser revisionsrechtlich zu unterstellen und die Verurteilung hinsichtlich der diesen Einwand betreffenden Zahlungen aufzuheben.
41 aa) Ob ein Aktiventausch nur in Betracht kommt, wenn sich der Gegenwert zum Zeitpunkt der Zahlung nicht ohnehin bereits in der Masse befunden hat, oder ob auch eine Vorleistung des Vertragspartners eine spätere Auszahlung kompensieren kann, ist im Schrifttum und in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten.
42 Im Schrifttum wird vertreten, die Reihenfolge von Leistung und tatsächlich erlangter Gegenleistung habe keine Bedeutung. Der wirtschaftliche Zusammenhang lasse sich auch dann bejahen, wenn die kompensierende Leistung bereits vor der masseschmälernden Zahlung erfolgt sei (MünchKommGmbHG/H.-F. Müller, 3. Aufl., § 64 Rn. 149e; Kolmann in Saenger/Inhester, GmbHG, 4. Aufl., § 64 Rn. 38; Altmeppen, NZG 2016, 521, 522; Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, 9. Aufl., § 64 Rn. 21; Baumert, NZG 2016, 379, 380 f.; Kordes, NZG 2017, 1140, 1141; Casper, ZIP 2016, 793, 796; Casper in Ulmer/ Habersack/Löbbe, GmbHG, 2. Aufl., § 64 Rn. 103; Gehrlein, ZHR 181 [2017], 482, 509 f.). Werde der wirtschaftliche Zusammenhang bei solchen Zahlungen ausgeblendet, führe dies zu willkürlichen Ergebnissen, insbesondere wenn die Zahlung nur kurz nach Eingang der Ware erfolge (MünchKommGmbHG/H.-F. Müller, 3. Aufl., § 64 Rn. 149e; Casper, ZIP 2016, 793, 796; Kordes, NZG 2017, 1140, 1141). Ob die Kompensation der Masse kurz vor oder kurz nach der Auszahlung erfolge, sei unerheblich, solange der unmittelbare Zusammenhang gegeben und der Zufluss werthaltig sei (Casper, ZIP 2016, 793, 796). Auch seien aus Gläubigersicht Vorleistungen des Insolvenzschuldners deutlich ungünstiger, weil sie die Masse zusätzlich mit dem Risiko der Uneinbringlichkeit der Gegenforderung belasteten. Es bestehe überhaupt kein Anlass, den Geschäftsleiter ausgerechnet in diesem Fall zu privilegieren und ihm sogar einen Anreiz zu bieten, in der Krise vorzuleisten (MünchKommGmbHG/H.-F. Müller, 3. Aufl., § 64 Rn. 149e; Kolmann in Saenger/Inhester, GmbHG, 3. Aufl., § 64 Rn. 38). Es gehe nicht um die Frage, ob die bezahlte Forderung später Insolvenzforderung wäre, sondern ob ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Zahlung des Schuldners festzustellen sei (Baumert, NZG 2016, 379, 380 f.; Gehrlein, ZHR 181 [2017], 482, 509 f.). Anderenfalls komme es zu Unstimmigkeiten mit dem Bargeschäftsprivileg bei Insolvenzanfechtungen. Es sei nicht einzusehen, einen Gläubiger, der vor Insolvenzreife geleistet und nach Insolvenzreife innerhalb des Bargeschäftszeitraums die Gegenleistung erhalte, schlechter zu stellen, als einen Gläubiger, der erst nach Insolvenzreife leiste und die Gegenleistung erhalte, wenn die Leistung des Vertragspartners vor Eintritt der Insolvenzreife erbracht wurde (Gehrlein, ZHR 181 [2017], 482, 510). Schließlich sei aus praktischen Erwägungen eine weitere Verkomplizierung abzulehnen wie sie eine Zeitraumabgrenzung mit sich bringe, da bereits jetzt die Aufarbeitung von Zahlungen für einen Erstattungsprozess extrem aufwändig sei (Kordes, NZG 2017, 1140, 1141).
43 Nach anderer Ansicht können Leistungen, die bereits Bestandteil der Masse geworden sind, nicht mehr in einem Aktiventausch berücksichtigt werden (OLG München, ZIP 2017, 1368, 1370; OLG Düsseldorf, NZG 1999, 1066, 1068; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl., § 64 Rn. 19; Haas in Baumbach/Hueck, GmbHG, 22. Aufl., § 64 Rn. 71b; Arnold in Henssler/Strohn, GesR, 4. Aufl., § 64 GmbHG Rn. 20; MünchHdbGesR VII/Born, 6. Aufl., § 110 Rn. 21a; Born, GmbH-Recht, 2. Aufl., Rn. 2250; Hüffer/Koch, AktG, 14. Aufl., § 92 Rn. 42; BeckOGK HGB/Könen, Stand: 1. Juli 2020, § 130a Rn. 75; Heidel/Oltmanns, AktienR, 5. Aufl., § 92 AktG Rn. 13; Sander, Festschrift Bergmann, 2018, S. 583, 600 ff.; Brinkmann, Festschrift Bergmann, 2018, S. 93, 97; Berbuer, NZI 2018, 919, 924 f.; Bitter/Baschnagel, ZInsO 2018, 557, 586; Lind, DB 2018, 1003, 1006; Bitter, KTS 2016, 455, 497 f.; Haneke, NZI 2015, 499, 500 f.; Habersack/Foerster, ZHR 178 [2014], 387, 411 ff.). Der Zweck des Zahlungsverbots bestehe darin, die verteilungsfähige Vermögensmasse der insolvenzreifen Gesellschaft im Interesse der Gesamtheit ihrer Gläubiger zu erhalten. Die Saldierung beim Aktiventausch solle es den Geschäftsleitern nicht ermöglichen, in der Krise nach ihrem Belieben Altforderungen zu bedienen (OLG München, ZIP 2017, 1368, 1370 f.; Haas in Baumbach/Hueck, GmbHG, 22. Aufl., § 64 Rn. 71b; Bitter/Baschnagel, ZInsO 2018, 557, 586). Nach Eintritt der Insolvenzreife sei die bevorzugte Befriedigung einzelner Gesellschaftsgläubiger (vorbehaltlich der Pflichtmäßigkeitsprüfung nach § 64 Satz 2 GmbHG) grundsätzlich untersagt (Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl., § 64 Rn. 19; vgl. OLG Düsseldorf, NZG 1999, 1066, 1068). Dem liege der Gedanke zugrunde, dass beim Aktiventausch dasjenige nicht berücksichtigt werden könne, was insolvenzrechtlich nicht Gegenstand der Aufrechnung sein könnte. Denn derjenige, welcher ein Insolvenzrisiko im Verhältnis zum (späteren) Insolvenzschuldner eingehe - hier durch Vorleistung - müsse die sich daraus ergebenden Folgen in der Insolvenz seines Vertragspartners grundsätzlich tragen (Bitter, KTS 2016, 455, 497; Habersack/Foerster, ZHR 178 [2014], 387, 413 f.). Eine über den konkreten Einzelvorgang hinausgehende Sicht sei im Hinblick auf den Zahlungsbegriff nicht veranlasst, sondern werde im Rahmen des § 64 Satz 2 GmbHG eröffnet(V. Sander, Festschrift Bergmann, 2018, S. 583, 600 ff.).
44 bb) Der Senat schließt sich der zuletzt genannten Auffassung an. Zahlungen aus dem Vermögen einer insolvenzreifen Gesellschaft können grundsätzlich nicht durch Vorleistungen des Zahlungsempfängers kompensiert werden.
45 Dies ergibt sich aus Sinn und Zweck von § 64 Satz 1 GmbHG. Ziel der Vorschrift ist es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, Masseverkürzungen im Vorfeld des Insolvenzverfahrens zu verhindern bzw. für den Fall, dass der Geschäftsführer dieser Massesicherungspflicht nicht nachkommt, sicherzustellen, dass das Gesellschaftsvermögen wieder aufgefüllt wird, damit es im Insolvenzverfahren zur ranggerechten und gleichmäßigen Befriedigung aller Gesellschaftsgläubiger zur Verfügung steht (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 15. März 2016 - II ZR 119/14, ZIP 2016, 821 Rn. 15 mwN). Der Geschäftsführer muss nach Eintritt der Insolvenzreife nicht nur Insolvenzantrag stellen (§ 15a InsO), sondern im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger die noch verbliebene Masse erhalten (BGH, Urteil vom 4. Juli 2017 - II ZR 319/15, ZIP 2017, 1619 Rn. 10). Zur Masse gehören auch Vorleistungen, die in das Vermögen der Gesellschaft gelangen. Ebenso wie ein als Vorleistung dem Konto der Gesellschaft gutgeschriebener Betrag in deren Vermögen zu verbleiben hat, um nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur ranggerechten und gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger zur Verfügung zu stehen (vgl. BGH, Urteil vom 31. März 2003 - II ZR 150/02, ZIP 2003, 1005, 1006; Urteil vom 5. Mai 2008 - II ZR 38/07, ZIP 2008, 1229 Rn. 10), hat auch eine nicht in einer Geldzahlung bestehende Vorleistung im Vermögen der Gesellschaft zu verbleiben. Die Bezahlung einer solchen Vorleistung ist kein Ausgleich für eine Masseschmälerung, sondern schmälert die Masse, was mit § 64 GmbHG gerade verhindert werden soll.
46 Aus Sicht der Masse führt dies zu systemgerechten und gerade nicht zu zufälligen oder gar willkürlichen Ergebnissen gegenüber dem Wegfall der Erstattungspflicht, wenn der Geschäftsführer zuerst eine Zahlung leistet und in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang eine gleichwertige Gegenleistung in die Masse gelangt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 18. November 2014 - II ZR 231/14, BGHZ 203, 218 Rn. 9 f.). In diesem Fall liegt in der Zahlung zwar auch eine Masseschmälerung, die aber durch die Gegenleistung ausgeglichen wird, so dass der Zweck von § 64 GmbHG ebenso erreicht wird wie durch eine Erstattungsleistung des Geschäftsführers oder dadurch, dass der weggegebene Vermögenswert auf andere Weise, etwa aufgrund einer Insolvenzanfechtung, wieder in die Masse gelangt. Dagegen liegt bei der Bezahlung einer Vorleistung die Masseschmälerung erst in der Auszahlung. Der vorangegangene Massezufluss durch die Vorleistung ist wegen der dem Geschäftsführer obliegenden Massesicherungspflicht kein vorweggenommener Ausgleich für den weggegebenen Vermögenswert. Ob dies auch bei Zug um Zug abgewickelten Leistungen gilt, bei denen der Geschäftsführer unabhängig von der Reihenfolge der Leistungserbringung nicht die Möglichkeit hat, die Leistung des Vertragspartners für die Masse zu sichern, ohne seine eigene Leistung zu erbringen, kann hier offenbleiben.
47 Dieser Sichtweise kann auch nicht entgegengehalten werden, dass sie Anreize für den Geschäftsführer bietet, in Vorleistung zu gehen, was für die Masse ungünstiger sei. Der Wegfall der Erstattungspflicht bei einer ausgleichenden Gegenleistung nach einer Zahlung im Sinne des § 64 Satz 1 GmbHG hat nicht den Zweck, eine weitere Teilnahme der Schuldnerin am Geschäftsverkehr zu ermöglichen. Ab Insolvenzreife darf der Geschäftsführer - abgesehen von der Ausnahme nach § 64 Satz 2 GmbHG - keine Zahlungen mehr leisten, sondern hat Insolvenzantrag zu stellen. Die Gesellschaft soll, jedenfalls unter der Verantwortung der bisherigen Geschäftsleitung, gerade nicht weiter am Geschäftsverkehr teilnehmen. Mit dem Masseausgleich werden dem Geschäftsführer daher keine Handlungsbefugnisse gegeben (BGH, Urteil vom 4. Juli 2017 - II ZR 319/15, ZIP 2017, 1619 Rn. 15). Nach Eintritt der Insolvenzreife ist - vorbehaltlich der Pflichtmäßigkeitsprüfung gemäß § 64 Satz 2 GmbHG, der die Möglichkeit einer über den konkreten Einzelfallvorgang hinausgehenden Sicht eröffnet (Sander, Festschrift Bergmann, 2018, S. 583, 601; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl., § 64 Rn. 19) - die bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger der Gesellschaft unter Zurückstellung der Interessen anderer Gesellschaftsgläubiger grundsätzlich durch § 64 Satz 1 GmbHG untersagt (BGH, Urteil vom 19. November 2019 - II ZR 233/18, ZIP 2020, 318 Rn. 15 mwN). Mit dem Wegfall der Erstattungspflicht nach Wiederauffüllung durch eine gleichwertige Gegenleistung wird lediglich berücksichtigt, dass der Zweck von § 64 Satz 1 GmbHG, die Masse zu erhalten, auch ohne Erstattung durch den Geschäftsführer erreicht ist. Eine Anreizwirkung für Vorleistungen scheidet auch deshalb aus, weil es der Geschäftsführer nicht sicher in der Hand hat, dass der Geschäftspartner die Gegenleistung tatsächlich erbringt.
48 Schließlich kommt es auch nicht zu Unstimmigkeiten mit dem Bargeschäftsprivileg bei Insolvenzanfechtung. Aus dem Vorliegen eines Bargeschäfts kann nicht auf das Entfallen der Haftung gemäß § 64 Satz 1 GmbHG geschlossen werden. Die insolvenzrechtliche Anfechtungsfestigkeit ändert nichts daran, dass der Nachteil der Masse durch den Geschäftsführer auszugleichen ist. Auch wenn sowohl das Anfechtungsrecht als auch § 64 Satz 1 GmbHG u.a. der Erhaltung der Aktivmasse dienen, haben ihre Ausnahmen eine unterschiedliche Zweckrichtung. Während die Regeln des Bargeschäfts in § 142 InsO dem Schutz des Geschäftsgegners und der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs dienen, bezwecken die Regeln zum Aktiventausch lediglich die Vermeidung einer Überkompensation (BGH, Urteil vom 4. Juli 2017 - II ZR 319/15, ZIP 2017, 1619 Rn. 12 ff.). Der Geschäftsführer einer insolvenzreifen Gesellschaft, der die Zahlung eines vorleistenden Gläubigers einzieht, haftet diesem aus § 15a InsO i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB. Dieser Haftung kann er sich nicht durch Erfüllung der Gegenforderung zu Lasten der Gläubigergesamtheit entziehen (vgl. Habersack/Foerster, ZHR 178 [2014], 387, 413 f.).
49 cc) Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht demgegenüber angenommen, an dieser Beurteilung ändere sich nichts, wenn die Warenlieferungen unter Eigentumsvorbehalt erfolgt seien. Dabei hat das Berufungsgericht verkannt, dass die Bezahlung einer unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Ware zu einem Aktiventausch führt, wenn das Eigentum durch die Zahlung in das Gesellschaftsvermögen gelangt und werthaltig ist.
50 Eine Lieferung unter Eigentumsvorbehalt führt in der Insolvenz zu einem Aussonderungsrecht gemäß § 47 InsO an der mit dem Vorbehaltseigentum belasteten Sache (BGH, Urteil vom 27. März 2008 - IX ZR 220/05, BGHZ 176, 86 Rn. 28). Regelmäßig führt erst die Bezahlung der Forderung des Vorbehaltsverkäufers zu einem Eigentumsübergang auf die Gesellschaft, zu einem Entfallen des Aussonderungsrechtes und damit zu einer Verwertbarkeit des Vertragsgegenstandes zugunsten der Gläubigergesamtheit (Haas in Baumbach/Hueck, GmbHG, 22. Aufl., § 64 Rn. 71b; Lind, DB 2018, 1003, 1006; Heidel/Oltmanns, AktienR, 5. Aufl., § 92 AktG Rn. 13).
51 dd) Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist insoweit auch nicht aus anderen Gründen richtig, § 561 ZPO. Das Berufungsgericht hat, von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig, nicht festgestellt, welche der Lieferungen unter Eigentumsvorbehalt erfolgten und welche nicht. Zwar hat das Berufungsgericht bei mehreren Lieferungen ausgeführt, die Lieferung sei unter Eigentumsvorbehalt erfolgt (u.a. Positionen 340, 346, 347, 351). Daraus folgt jedoch nicht, dass alle anderen Lieferungen nicht unter Eigentumsvorbehalt standen. Den Parteien und der Streithelferin ist insoweit Gelegenheit zu weiterem Vortrag zu geben. Aufzuheben ist daher die Verurteilung des Klägers wegen aller Zahlungen, hinsichtlich derer in der Spalte Bemerkungen auf den Gliederungspunkt (2.2.h.aa) verwiesen wird, auch soweit dies mit der Bemerkung "w.v." geschieht, sowie die Positionen 715, 716 und 772 beim Konto der C. bank AG. Dies betrifft insgesamt einen Betrag in Höhe von 1.641.253,55 €.
52 f) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht Verschulden des Beklagten angenommen. Der Beklagte hat die gegen ihn streitende Vermutung, dass die Insolvenzreife erkennbar war, nicht widerlegt.
53 Nach § 64 Satz 2 GmbHG wird das Verschulden des Geschäftsführers vermutet, wenn er trotz objektiv bestehender Insolvenzreife Zahlungen leistet. Dem Geschäftsführer, der die Vermutung schuldhaften Verhaltens zu widerlegen hat, obliegt es, die Gründe vorzutragen und zu erläutern, die ihn gehindert haben, eine tatsächlich bestehende Insolvenzreife der Gesellschaft zu erkennen. Bei der Bewertung dieses Vorbringens ist zu berücksichtigen, dass der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung für eine Organisation sorgen muss, die ihm die zur Wahrnehmung seiner Pflichten erforderliche Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft jederzeit ermöglicht (BGH, Versäumnisurteil vom 19. Juni 2012 - II ZR 243/11, ZIP 2012, 1557 Rn. 13 mwN; Urteil vom 6. November 2018 - II ZR 11/17, BGHZ 220, 162 Rn. 14 mwN). Der Geschäftsführer ist verpflichtet, die wirtschaftliche Lage des Unternehmens laufend zu beobachten. Bei Anzeichen einer Krise hat er sich durch Aufstellung eines Vermögensstatus einen Überblick über den Vermögensstand zu verschaffen. Greift er dazu auf externen Sachverstand zurück, kann ihn eine Fortführungsempfehlung nur entschuldigen, wenn er sich unter umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einer unabhängigen, für die zu klärenden Fragestellungen fachlich qualifizierten Person hat beraten lassen. Die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters gebietet es zudem, das Prüfergebnis einer Plausibilitätskontrolle zu unterziehen (BGH, Beschluss vom 24. September 2019 - II ZR 248/17, ZIP 2020, 1239 Rn. 16, 21 mwN).
54 Diesen Anforderungen an die Darlegung von Entschuldigungsgründen genügt das allgemeine Vorbringen des Beklagten nicht, wonach die Schuldnerin "ständig" von derselben Steuerberatungskanzlei beraten worden sei, der Steuerberater "stets Zugriff auf sämtliche die Liquidität des Unternehmens betreffenden Unterlagen gehabt" habe und ihm, dem Beklagten, "stets" klar mitgeteilt worden sei, dass kein Grund für einen Insolvenzantrag bestehe. Weder ist damit eine Auskunft vorgetragen, die einer Plausibilitätsprüfung unterzogen werden konnte, noch ist nach diesem Vortrag durch den Beklagten ein Auftrag zur Prüfung der Liquiditätslage und Insolvenzreife der Schuldnerin auf vollständiger Tatsachengrundlage erteilt worden, wie das Berufungsgericht zu Recht festgestellt hat.
55 III. Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben, soweit der Beklagte zur Erstattung von Zahlungen in Höhe von insgesamt 4.389.917,16 € verurteilt wurde, nämlich den Einzahlungen auf das bei der V. Bank eG geführte Konto in Höhe von 2.498.663,61 € sowie der Zahlung vom im Haben geführten Konto bei der U. Bank AG auf das Konto bei der V. Bank eG von 250.000 € und von Zahlungen für erhaltene Vorleistungen in Höhe von weiteren 1.641.253,55 € vom Konto bei der U. Bank AG und der C. bank AG (§ 562 Abs. 1 ZPO). Im Übrigen, hinsichtlich Zahlungen in Höhe von 788.114,91 € nebst Zinsen von den Konten der U. Bank AG und der C. bank AG, mit denen keine möglicherweise unter Eigentumsvorbehalt erfolgte Lieferung in wirtschaftlichem Zusammenhang steht, ist die Revision zurückzuweisen.
56 1. Hinsichtlich der Erstattung von Zahlungen an die V. Bank eG durch Einzahlung auf das debitorische, aber ausreichend besicherte Konto in Höhe von 2.498.663,61 € sowie für die Zahlung vom 6. September 2011 in Höhe von 250.000 € vom Konto bei der U. Bank AG auf das Konto bei der V. Bank eG ist die Sache, da sie noch nicht zur Endentscheidung reif ist, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
57 Dem Kläger ist Gelegenheit zu geben, die Klage umzustellen und damit die bisherige Prozessführung auszuwerten (BGH, Urteil vom 30. April 1984 - II ZR 293/83, BGHZ 91, 132, 135). Dabei wird sich das Berufungsgericht ggf. auch mit dem Einwand des Beklagten zu befassen haben, die Zahlungen seien teilweise privilegiert.
58 Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass entgegen den Ausführungen der Revision für die Bestimmung eines unmittelbaren Zusammenhangs beim Aktiventausch nicht aus Gründen der Praktikabilität pauschalierend ein Zusammenhang bei einem Zeitraum von maximal 30 Tagen zwischen den Buchungen angenommen werden kann. Der Senat hat wiederholt ausgeführt, dass der die Erstattungspflicht auslösende Vorgang in der Schmälerung der Masse durch die einzelne Zahlung besteht, weshalb nicht jeder beliebige weitere Massezufluss als Ausgleich dieser Masseschmälerung zu berücksichtigen ist. Vielmehr ist ein unmittelbarer wirtschaftlicher, nicht notwendig zeitlicher Zusammenhang mit der Zahlung erforderlich, damit der Massezufluss der an und für sich erstattungspflichtigen Masseschmälerung zugeordnet werden kann. Auf eine Zuordnung nach wirtschaftlicher Betrachtung zur einzelnen masseschmälernden Zahlung kann nicht verzichtet werden, da der Ersatzanspruch nicht auf Erstattung eines Quotenschadens gerichtet ist (BGH, Urteil vom 18. November 2014 - II ZR 231/13, BGHZ 203, 218 Rn. 10 mwN; Urteil vom 4. Juli 2017 - II ZR 319/15, ZIP 2017, 1619 Rn. 11; Urteil vom 11. Februar 2020 - II ZR 427/18, ZIP 2020, 666 Rn. 32).
59 2. Soweit das Berufungsurteil im Hinblick auf Zahlungen von den Konten der C. bank AG und der U. Bank AG in Höhe von weiteren 1.641.253,55 € wegen der fehlenden Feststellungen zum Bestehen eines Eigentumsvorbehaltes aufgehoben wird, ist die Sache ebenfalls, da sie noch nicht zur Endentscheidung reif ist, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
60 Das Berufungsgericht wird insoweit Feststellungen dazu zu treffen haben, ob die Zahlungen durch einen zur Masse gelangten werthaltigen Gegenstand ausgeglichen wurden. Dies ist der Fall, wenn durch die Zahlung - und nicht bereits durch Verarbeitung nach § 950 BGB - das Eigentum an der Sache zur Masse gelangt und werthaltig ist. Dem Beklagten muss gemäß § 139 Abs. 2 ZPO Gelegenheit gegeben werden, hierzu vorzutragen.