OLG München: Objektive Auslegung von Genussscheinbedingungen
OLG München, Urteil vom 12.01.2012 - 23 U 2737/11
leitsätze
1. Genusscheinbedingungen sind objektiv auszulegen. Ausgangspunkt dieser nicht am Willen der konkreten Vertragsparteien zu orientierenden Auslegung ist der Wortlaut einer Klausel.
2. Führt die objektive Auslegung der Genusscheinbedingungen auch unter Berücksichtigung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise nicht zu einem eindeutigen Ergebnis ist die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB anzuwenden.
sachverhalt
I. Die Kläger machen Rückzahlungsansprüche aus Genussscheinen mit einer Laufzeit bis zum 31.12.2009 geltend, die die W. AG 1998 ausgegeben hat, wobei die Rückzahlung zum Nennbetrag, vorbehaltlich der Verlustteilnahme, zum 30.06.2010 erfolgen sollte.
2Im Jahr 2003 erfolgte die Verschmelzung der W. AG auf die als ... firmierende Beklagte. Im Zuge weiterer Verschmelzungen änderte die Beklagte ihre Firma in die nunmehrige Bezeichnung ...
Die Genussscheinbedingungen (Anlage K 4) enthalten unter anderem folgende Regelungen:
„§ 1 Ausgabe der Genussscheine
(1) Die W. AG, ..., begibt aufgrund Ermächtigung der Hauptversammlung von 18.03.1994 und im Einvernehmen mit dem Aufsichtsrat Genussscheine gemäß § 10 Abs. 5 KWG im Gesamtnennbetrag von DM 75.000.000,00. [...]
[...]
§ 2 Ausschüttung auf die Genussscheine
(1) Die Genussscheine gewähren einen dem Gewinnanteil der Aktionäre vorgehenden jährlichen Ausschüttungsanspruch in Höhe des nachfolgend zu ermittelnden Zinssatzes bezogen auf den Nennbetrag. Der Zinssatz entspricht dem jeweiligen DM-6-Monats-Libor zuzüglich 90 Basis-Punkten.
[...]
§ 4 Laufzeit der Genussscheine
Sofern von dem Kündigungsrecht gemäß § 5 kein Gebrauch gemacht wird, endet die Laufzeit am 31.12.2009. Die Genussscheine werden am 30.06.2010 - vorbehaltlich der Bestimmung des § 6 dieser Bedingungen - zum Nennbetrag zurückgezahlt. [...]
§ 6 Verlustteilnahme
Wird ein Bilanzverlust ausgewiesen oder das Grundkapital der W. zur Deckung von Verlusten herabgesetzt, so vermindert sich der Rückzahlungsanspruch jedes Genussscheininhabers. Bei einem Bilanzverlust vermindert sich der Rückzahlungsanspruch jedes Genussscheininhabers in demselben Verhältnis, in dem das in der Bilanz ausgewiesene Eigenkapital (ohne nachrangige Verbindlichkeiten) durch Tilgung des Bilanzverlustes gemindert wird.
§ 7 Wiederauffüllung des Rückzahlungsanspruchs
Während der Laufzeit der Genussscheine ist nach einer Teilnahme der Genussscheininhaber am Bilanzverlust gemäß § 6 in den Folgejahren vorrangig vor der Ausschüttung gemäß § 2 sowie der Dotierung von Rücklagen und vor der Ausschüttung auf das Aktienkapital zunächst das um die Abschreibung verringerte Genussrechtskapital wieder auf den Nennbetrag aufzufüllen.
§ 8 Nachrangigkeit
Die Genussscheine gehen allen anderen nicht nachrangigen Gläubigern der W. nach. Im Falle des Konkurses oder der Liquidation der W. werden die Genussscheine nach allen anderen nicht nachrangigen Gläubigern und vorrangig vor den Aktionären bedient."
Die Kläger verlangen jeweils ca. 17,54 % des Nennwerts der Genussscheine. Sie akzeptieren, dass sich das Genussscheinkapital im Jahr 2008 um 70,91 % gemindert hat. Sie sind jedoch der Ansicht, dass sich das Genussscheinkapital im Jahr 2009 nur um ca. 39,7 % gemindert habe, da der vorgetragene Bilanzverlust des Geschäftsjahres 2008 das Eigenkapital im Geschäftsjahr 2009 weder unmittelbar noch mittelbar mindere.
Das Landgericht, auf dessen tatsächlichen Feststellungen gemäß § 540 ZPO Bezug genommen wird, hat die Klage abgewiesen, weil das Genussscheinkapital durch die Bilanzverluste in den Geschäftsjahren 2008 und 2009 aufgebraucht wurde. Werde ein Bilanzverlust ausgewiesen, so vermindere sich der Rückzahlungsanspruch jedes Genussscheininhabers nach § 6 der Genussscheinbedingungen in demselben Verhältnis, in dem das in der Bilanz ausgewiesene Eigenkapital ohne nachrangige Verbindlichkeiten durch Tilgung des Bilanzverlustes gemindert werde. Diese Regelung in § 6 der Genussscheinbedingungen sei Vertraginhalt geworden, es handele sich nicht um eine überraschende Klausel im Sinne des § 305c Abs. 1 BGB. Der Verwender der Klausel habe sich an einem Begriff orientiert, der durch § 268 Abs. 1 Satz 2 HGB und § 158 Abs. 1 AktG vorgegeben sei. Die gebotene objektive Auslegung des Be-griffs „Bilanzverlust" führe dazu, dass im Geschäftsjahr 2009 nicht nur der Jahresfehlbetrag, sondern auch der Verlustvortrag aus dem Geschäftsjahr 2008 zu berücksichtigen ist. Ein anderes Auslegungsergebnis ergebe sich auch nicht aus der Verwendung des Begriffs der „Tilgung des Bilanzverlustes". Die Klausel in § 6 der Genussscheinbedingungen halte schließlich der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB stand.
Dagegen wendet sich die Berufung der Kläger, die ihre erstinstanzlichen Zahlungsanträge weiterverfolgen und beantragen,
das Urteil des Landgericht München I vom 16.06.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen,
an den Kläger zu 1) 452.650,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2010 zu zahlen,
an den Kläger zu 2) 45.265,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2010 zu zahlen,
an den Kläger zu 3) 13.579,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2010 zu zahlen,
an den Kläger zu 4) und die Klägerin zu 5) als Mitgläubiger 18.106,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2010 zu zahlen,
an den Kläger zu 6) 13.579,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2010 zu zahlen,
an die Klägerin zu 7) 286.527,45 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2010 zu zahlen,
an den Kläger zu 8) 185.586,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2010 zu zahlen,
an die Klägerin zu 9) und die Klägerin zu 10) als Mitgläubiger 64.007,71 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2010 zu zahlen,
an den Kläger zu 11) 45.265,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2010 zu zahlen,
an den Kläger zu 12) 9.053,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2010 zu zahlen.
Die Kläger rügen, das Landgericht habe verkannt, dass gemäß § 6 Satz 2 der Genussscheinbedingungen die entscheidende Tatbestandsvoraussetzung für den Umfang der Herabsetzung der Rückzahlungsansprüche der Genussscheininhaber die Minderung des Eigenkapitals sei. Eine tatsächliche Minderung des Eigenkapitals habe im maßgeblichen Geschäftsjahr jedoch nur in der Höhe des um den Verlustvortrag aus dem Vorjahr bereinigten Bilanzverlustes (T€ 1.660.120) stattgefunden. Nur dieser hätte zur Ermittlung der Verlustbeteiligung ins Verhältnis zum Eigenkapital (T€ 4.183.613) gesetzt werden dürfen. Das Landgericht habe ferner verkannt, dass die wiederholte Berücksichtigung des Verlustvortrags zu einer gesetzes- und wesenswidrigen Schlechterstellung der Genussscheininhaber gegenüber den Aktionären führt und AGB-rechtlich unzulässig sei.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angegriffene Urteil und wendet vorsorglich ein, dass bei der Berechnung weder das Genussscheinkapital noch die vom SoFFin 2009 übernommene stille Einlage in Höhe von 1 Mrd. € eigenkapitalerhöhend zu berücksichtigen sei. Die Argumentation der Kläger führe im Ergebnis dazu, dass es bei der Berechnung der Verlustteilnahme - entgegen dem eindeutigen Wortlaut des § 6 der Genussscheinbedingungen - nicht auf den Bilanzverlust, sondern auf den Jahresfehlbetrag ankomme. Die Kläger übersähen, dass mit der vermeintlichen Benachteiligung gegenüber den Aktionären eine Bevorzugung der Genussscheininhaber korrespondiere, da in Jahren, in denen ein Jahresfehlbetrag erzielt werde und durch Auflösung anderer Eigenkapitalpositionen noch ein Bilanzgewinn ausgewiesen werden könne, der Jahresfehlbetrag im Ergebnis ausschließlich von den Aktionären getragen werde. Die von den Klägern erhobenen AGB-rechtlichen Einwendungen scheiterten bereits an der Unanwendbarkeit des AGB-Rechts, denn bei den Genussscheinbedingungen handle es sich nicht um einseitig gestellte Vertragsbedingungen. Jedenfalls sei die streitgegenständliche Klausel als Leistungsbeschreibung einer Hauptleistungspflicht der Inhaltskontrolle entzogen, der sie im Übrigen auch standhalte.
Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
aus den gründen
II. Die zulässige Berufung hat in der Sache überwiegend Erfolg.
Die Kläger, an deren Eigenschaft als Inhaber der Genussscheine mit der WKN ... aufgrund der vorgelegten Bankbescheinigungen nach Ansicht des Landgerichts kein Zweifel bestand, haben nach § 4 Satz 2 i.V.m. § 6 Satz 2 der Genussscheinbedingungen jeweils Anspruch auf Rückzahlung von 13,92 % des Nennbetrags der Genussscheine.
1. Dass die Voraussetzung für eine Minderung der Rückzahlungsansprüche der Kläger vorliegen, ist zwischen den Parteien unstreitig. Da die Beklagte sowohl 2008 als auch 2009 unstreitig einen Bilanzverlust auswies, mindern sich nach § 6 Satz 2 der Genussscheinbedingungen die Rückzahlungsansprüche der Kläger in beiden Jahren jeweils in dem Verhältnis, in dem das „in der Bilanz ausgewiesene Eigenkapital (ohne nachrangige Verbindlichkeiten) durch den Bilanzverlust gemindert wird."
Diese Klausel wurde Vertragsinhalt, da die Vorschrift des § 305 Abs. 2 BGB unbeschadet der generellen Anwendbarkeit AGB-rechtlicher Vorschriften (s.u. 4.1.) auf die Emission von Wertpapieren nicht angewendet werden kann (BGHZ 163, 311 ff; MünchKommAktG - Habersack, 3. Aufl., § 221, Rn. 256) und die Klausel bei der gebotenen kundenfreundlichen Auslegung (s.u. 4.) für den typischerweise zu erwartenden Durchschnittskunden nicht überraschend ist.
Die Parteien gehen zu Recht übereinstimmend davon aus, dass bei dieser Berechnung einerseits auf den Bilanzverlust vor dem Abzug des zu berechnenden Verlustanteils der Genussscheininhaber abzustellen ist und andererseits auf das Eigenkapital vor Verlustzuweisung.
2. Das Landgericht geht zutreffend davon aus, dass die Genussscheinbedingungen objektiv auszulegen sind. Dies stellt auch die Beklagte, die argumentiert, bei den Genussscheinbedingungen handle es nicht um Allgemeine Geschäftsbedingungen, nicht in Frage.
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH gelten für die Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen nicht die Regeln der §§ 133, 157 BGB, sondern der Grundsatz der objektiven Auslegung. Sie sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (BGHZ 102, 384, 389 f.; Palandt - Grüneberg, BGB, 71. Aufl., § 305c, Rn. 16, jeweils m.w.N.).
Bei der Auslegung von Genussscheinbedingungen können individuelle Besonderheiten in der Person des einzelnen Inhabers im Hinblick auf das Interesse der Verkehrsfähigkeit der Kapitalmarktpapiere und der Funktionsfähigkeit des Wertpapierhandels erst recht keine Berücksichtigung finden (MünchKommAktG - Habersack, 3. Aufl., § 221, Rn. 258). Darauf weist die Beklagte unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 30.06.2009 (XI ZR 364/08, WM 2009, 1500, juris Tz. 20), zu Recht hin. Ausgangspunkt der gebotenen objektiven, nicht am Willen der konkreten Vertragsparteien zu orientierenden Auslegung ist der Wortlaut einer Klausel. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragsparteien beachtet werden muss (BGH, Urteil vom 30.06.2009, a.a.O; Beschluss vom 23.01.2006, II ZR 186/04, DStR 2007, 539, juris Tz. 4).
3. Soweit in § 6 der Genussscheinbedingungen darauf abgestellt wird, dass das Eigenkapital (dazu s.u. 5.) „durch Tilgung des Bilanzverlustes gemindert wird", führt diese objektive Auslegung jedoch zu keinem eindeutigen Ergebnis.
3.1. Der Senat folgt dem Landgericht insoweit, als der in § 6 der Genussscheinbedingungen verwendete Begriff „Bilanzverlust" grundsätzlich so zu verstehen ist, wie er in § 158 AktG verwendet wird. Dabei kann dahinstehen, ob juristische Begriffe „in der Regel" entsprechend ihrer juristischen Bedeutung zu verstehen sind (Palandt - Grüneberg, BGB, 71. Aufl., § 305c, Rn. 16 unter Berufung auf BGHZ 5, 365, 367) oder ob der juristische Bedeutungsgehalt „nicht notwendigerweise" maßgebend ist (Habersack, AG 2009, 801, 805; Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 11. Aufl., § 305c BGB, Rn. 83). Da sich für den Begriff des Bilanzverlustes kein von § 158 AktG abweichender allgemeiner Sprachgebrauch feststellen lässt, ist auch nach der letztgenannten Ansicht für die Bestimmung des Klauselinhalts grundsätzlich das Verständnis des Begriffs zugrunde zu legen, wie er in § 158 AktG verwendet wird. Danach ist Bilanzgewinn/Bilanzverlust der Saldo aus Jahresüberschuss/Jahresfehl-betrag und den in § 158 Abs. 1 Satz Nr. 1 bis 4 AktG aufgeführten Posten, d.h. insbesondere des Verlustvortrags nach § 158 Abs. 1 Satz1 Nr. 1 AktG.
Bei der Auslegung ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass bei der Berechnung nach § 6 Satz 2 der Genussscheinbedingungen - abweichend vom Verständnis im aktien- und handelsrechtlichen Sinn - der Bilanzverlust vor dem Abzug des Verlustanteils der Genussrechtsinhaber gemeint ist, da dieser ja gerade berechnet werden soll (Habersack, AG 2009, S. 801, 806; Mülbert, FS für Hüffer, S. 679, 685). Der von Habersack (a.a.O.) vertretenen Ansicht, man könne kaum davon ausgehen, dass die Beteiligung am „Bilanzverlust" auch auf Vorjahresverluste zurückgehende Verlustvorträge umfasse, vermag der Senat nicht generell zu folgen.
3.2. Zu Recht rügen die Berufungsführer, dass das Landgericht bei der Auslegung des § 6 Satz 2 der Genussscheinbedingungen maßgeblich auf den Begriff des Bilanzverlustes abgestellt hat, ohne sich vertiefter damit auseinanderzusetzen, dass sich der Rückzahlungsanspruch in dem Verhältnis vermindert, in dem das Eigenkapital „durch Tilgung des Bilanzverlustes gemindert wird". Die Parteien gehen zu Recht übereinstimmend davon aus, dass „Tilgung" nicht im Sinne des § 362 BGB verstanden werden kann, sondern eine Eigenkapitalminderung gemeint ist.
Da es gemindert „wird" heißt, was sprachlich einen noch nicht abgeschlossenen Vorgang bezeichnet (vgl. BGH, Beschluss vom 23.01.2006, II ZR 186/04, DStR 2007, 539 ff., juris Tz. 5), der Verlustvortrag jedoch den Bilanzverlust des Vorjahres ausweist, um den das Eigenkapital bereits im Vorjahr gemindert wurde, ist diese Formulierung im Sinne der Kläger dahingehend zu verstehen, dass der Verlustvortrag nicht nochmals bei der Minderung der Rückzahlungsansprüche der Genussscheininhaber zu berücksichtigen ist. Der Einwand der Beklagten, die sprachliche Argumentationsführung der Kläger sei im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit des Wertpapierhandels zu kompliziert und der verwendete Indikativ („gemindert wird") beschreibe als solcher grammatikalisch lediglich ein tatsächliches Geschehen und weise keinen Zeitbezug auf, blendet aus, dass das Verb im Präsens steht und damit einen gegenwärtigen Vorgang beschreibt. Die Ansicht der Beklagten, die Regelung besage nur, dass der Bilanzverlust zu einer Reduzierung des Eigenkapitals geführt haben muss, ist mit dem eindeutigen Wortlaut nicht vereinbar.
3.3. Aus § 1 der Genussscheinbedingungen ergibt sich, dass es sich um „Genussscheine gemäß § 10 Abs. 5 KWG" handelt. In § 10 KWG sind die Anforderungen an die Eigenmittelausstattung von Finanzinstituten geregelt; nach dessen Abs. 5 Nr. 1 kann Genussrechtskapital dem haftenden Eigenkapital nur dann zugerechnet werden, wenn die Genussrechtsgläubiger uneingeschränkt am Verlust teilnehmen. Die aufsichtsrechtlich gebotene umfassende Verlustbeteiligung ist zwar bei der Auslegung der Genussscheinbedingungen zu berücksichtigen, hier aber nicht ausschlaggebend, da der Verlustbegriff im KWG nicht eindeutig ist, so dass es nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 KWG ausreicht, wenn die Genussrechtsgläubiger uneingeschränkt am laufenden Verlust (Jahresfehlbetrag) oder dem Bilanzverlust teilnehmen (Kokemoor, WM 2011, 337, 338). In der Praxis sind dementsprechend zwei unterschiedliche Gestaltungsvarianten anzutreffen: die Beteiligung am Bilanzverlust und die Beteiligung am laufenden Verlust (Mülbert, Festschrift für Hüffer, S. 679, 681 und 691).
3.4. § 7 der Genussscheinbedingungen, wonach nach einem Bilanzverlust gemäß § 6 in den Folgejahren ... zunächst das um die Abschreibung verringerte Genussrechtskapital wieder auf den Nennbetrag aufzufüllen ist, spricht vom Wortlaut zwar eher dafür, dass nach einem Bilanzverlust im Folgejahr der Verlustvortrag, der auch dann auszuweisen ist, wenn er zwischenzeitlich durch Zuschüsse der Gesellschafter ausgeglichen ist (Schmidt/Lutter - Kleindiek, AktG, 2. Aufl., § 158, Rn. 4), bei der Berechnung nach § 6 Satz 2 der Genussscheinbedingungen nicht zu berücksichtigen ist; eindeutig ist dies wegen des Begriffs „Bilanzverlust" jedoch nicht.
3.5. Während in anderen Klauseln ausdrücklich an den Jahresfehlbetrag angeknüpft wird, stellt die streitgegenständliche Klausel auf den Bilanzverlust ab, ohne zu regeln, dass der Verlustvortrag außer Betracht bleibt. Dies spricht aus den unter Ziffer 3.1. dargelegten Gründen dagegen, den Verlustvortrag unberücksichtigt zu lassen und hier im Jahr 2009 im Ergebnis doch auf den Jahresfehlbetrag abzustellen.
Andererseits argumentiert die Beklagte selbst, die in den als Anlage B 1 vorgelegten Rahmenbedingungen in Ziffer 9 vorgesehene Verlustteilnahme, an denen sich die Westfälische Hypothekenbank AG bei den streitgegenständlichen Bedingungen orientiert habe, sei nicht zuletzt gewählt worden, um den Genussschein am Kapitalmarkt attraktiver zu machen. Während ein in einem Jahr erlittener Jahresfehlbetrag unveränderlich feststehe und nicht mehr durch bilanzielle Ausgleichsmaßnahmen vermieden werden könne, könne ein Bilanzverlust demgegenüber je nach Höhe des Jahresfehlbetrages durch die Auflösung von Rücklagen und anderen Sonderposten trotz eines Jahresfehlbetrages vermieden werden. War die Möglichkeit, eine Verlustteilnahme der Genussscheininhaber zu vermeiden, wesentliches Motiv für die Ausgestaltung der Genussscheinbedingungen, erscheint es unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise durchaus gerechtfertigt, den Verlustvortrag unberücksichtigt zu lassen, auch wenn dies - anders als in anderen Klauseln - nicht ausdrücklich geregelt ist.
3.6. Inhalt und Begriff des Genussrechts sind gesetzlich nicht näher geregelt. Da die Vertragsparteien bei seiner Ausgestaltung im Einzelnen daher weitgehend frei sind (BGHZ 119, 305, 309, juris Tz. 9), führen Vergleiche mit der Stellung von Aktionären bei der Abwägung der Interessen nicht weiter.
Genussscheininhaber sind durch die in § 2 der Bedingungen geregelten festen Ausschüttungen und die Wiederauffüllung des Genussscheinkapitals nach § 7 der Genussscheinbedingungen in gewisser Weise privilegiert, haben aber keine Aktionärsrechte. Soweit die Beklagte darauf abstellt, die Wiederauffüllung des Genussscheinkapitals stelle einen Ausgleich für die Verlustteilnahme dar, ist dies zwar generell zutreffend, im Einzelfall allerdings - wie der streitgegenständliche Fall zeigt - nicht zwingend.
3.7. Je nachdem, ob man bei der Auslegung stärker auf den Begriff „Bilanzverlust" oder auf die Formulierung „ durch Tilgung ... gemindert wird", abstellt, führt die Auslegung somit zu dem Ergebnis, dass auch der Verlustvortrag des Vorjahres zu berücksichtigen ist oder nicht. Anhaltspunkte dafür, welchem Element die größere Bedeutung zukommen soll, enthält die Klausel auch bei Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise nicht.
4. Die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB führt zu dem Auslegungsergebnis, dass der Verlustvortrag aus dem Vorjahr bei der Berechnung der Minderung des Genussscheinkapitals nicht zu berücksichtigen ist.
4.1. Die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB ist jedenfalls entsprechend anwendbar.
4.1.1. In zeitlicher Hinsicht gelten gemäß Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB die §§ 305 ff. seit dem 01.01.2003, da es sich bei dem schuldrechtlichen Verhältnis zwischen Aktiengesellschaft und Genussrechtsinhaber um ein Dauerschuldverhältnis handelt (MünchKommAktG - Habersack, 3. Aufl., § 221 Rn. 87 m.w.N.).
4.1.2. Nach der „Klöckner"-Entscheidung des BGH vom 05.10.1992 (II ZR 192/91, BGHZ 119, 305, 312, juris Tz. 13) sind Genussscheinbedingungen als allgemeine Geschäftsbedingungen anzusehen. Von der Bereichsausnahme des § 310 Abs. 4 BGB werden Verträge über die Gewährung von Genussrechten nicht umfasst, da sie keine gesellschaftsrechtlich geprägten Mitgliedschaftsrechte sind, sondern sich in einem bestimmten geldwerten Anspruch erschöpfen und darin ihr Charakter als schuldrechtliches Gläubigerrecht zum Ausdruck kommt. Soweit sie aktienähnlich ausgestaltet sind, unterliegen sie auch einer an aktienrechtlichen Normen und Grundsätzen ausgerichteten Inhaltskontrolle.
4.1.3. Die Einwände der Beklagten gegen die auch in der Literatur vertretene herrschende Meinung (Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 11. Aufl. § 305 Rn 70 ff.; Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 221 Rn. 35; KölnerKomm AktG - Lutter, 2. Aufl., Rn. 221; Mülbert, Festsschrift für Hüffer, S. 679, 680), dass Genussscheinbedingungen einer AGB-rechtlichen Kontrolle unterliegen, sind im Ergebnis nicht durchgreifend.
Auch Habersack, auf dessen Kommentierung (MünchkommAktG, 3. Aufl., § 221, Rn. 255) sich die Beklagte vor allem stützt, hält bei der in der Praxis verbreiteten mittelbaren Platzierung im Allgemeinen und der Festübernahme der Wertpapiere durch die Emissionsbanken im Besonderen, bei der es häufig zu einem Aushandeln der Bedingungen zwischen dem Emittenten und den Emissionsbanken kommt, eine analoge Anwendung des AGB-Rechts für erwägenswert, auch wenn er Zweifel dahingehend äußert, ob die analoge Anwendung der Vorschriften über die Inhaltskontrolle auf Anleihe- und Genussrechtsbedingungen in der Sache geboten und zweckmäßig ist.
Hier geht es jedoch zunächst nicht um die Anwendbarkeit der §§ 307 ff. BGB, sondern um die Regelung des § 305c Abs. 2 BGB, wonach Zweifel bei der Auslegung zu Lasten des Verwenders gehen. Diese Unklarheitenregel ist auch nach Ansicht Habersacks bei der Auslegung von Genussscheinbedingungen zu beachten (MünchkommAktG, 3. Aufl., § 221, Rn. 258 a.E.). Habersack beruft sich dabei auf BGH, ZIP 2006, S. 2171. Der dem dort veröffentlichten Beschluss vorausgegangene Beschluss des BGH vom 23.01.2006 (II ZR 186/04, DStR 2007, 539) geht von der grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 5 AGBG a.F. aus.
Die Unklarheitenregel gilt im Übrigen auch für kollektiv ausgehandelte und behördlich empfohlene oder genehmigte AGB und kann auf Einzelvertragbedingungen, die vom wirtschaftlich und intellektuell Überlegenen entworfen worden sind, analog angewendet werden (Palandt - Grüneberg, BGB, 71. Aufl. § 305c, Rn. 15).
Eine (zumindest entsprechende) Anwendung des § 305c Abs. 2 BGB ist auch im Interesse der Funktionsfähigkeit des Wertpapierhandels und des Anlegerschutzes geboten. Anderenfalls käme es zu Wertungswidersprüchen. Da sich in der Finanzkrise gezeigt hat, dass vielen Anlegern die Risiken von sogenannten strukturierten Anleihen nicht hinreichend verständlich waren, weil sie anhand der Anleihebedingungen nicht nachvollziehen konnten, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang sich das Leistungsversprechen des Emittenten vermindert, hat dies der Gesetzgeber im Jahr 2009 nämlich zum Anlass genommen - unabhängig von der Geltung des AGB-Rechts - in § 3 SchVG ein spezielles Transparenzgebot zu normieren (BT-Drs. 16/12814, S. 13). Die von der Beklagten zitierte Auffassung, die Anwendung des Transparenzgebotes auf immer komplizierte Anleihebedingungen sei problematisch, ist somit überholt.
Nach Ansicht Habersacks lässt das SchVG im Übrigen erkennen, dass insoweit Raum für die Transparenz- und Inhaltskontrolle nach dem allgemeinen AGB-Recht bleibt, als der Emittent von der in §§ 5 ff. SchVG vorgesehenen Möglichkeit keinen Gebrauch macht (MünchkommAktG, 3. Aufl., § 221, Rn. 255 a.E.).
Ob die Anleger professionell beraten wurden und der Vermittler den Inhalt der Bedingungen erläutern konnte, kann bei der gebotenen objektiven Auslegung keine Rolle spielen.
4.2. Nach § 305c Abs. 2 BGB ist in Zweifelsfällen die "kundenfeindlichste" Auslegung geboten, wenn diese zur Unwirksamkeit der Klausel führt und damit für den Kunden im Ergebnis am günstigsten ist. Dies gilt nicht nur im Verbandsprozess, sondern auch im Individualprozess (BGH, Teilurteil vom 29.04.2008, KZR 2/07, BGHZ 176, 244, Tz. 19; Urteil vom 28.10.2009, VIII ZR 320/07, NJW 2010, 993, 994, Tz. 25). Erst wenn sich die Klausel nach jeder in Betracht kommenden Auslegung als wirksam erweist, kommt die dem Kunden günstigste Auslegung zum Tragen.
4.3. Die - hier von der Beklagten vertretene - kundenfeindlichste Auslegung des § 6 der Genussscheinbedingungen hält der Inhaltskontrolle des § 307 BGB aus den vom Landgericht dargelegten Erwägungen stand, so dass letztlich offenbleiben kann, ob der Einwand der Beklagten durchgreift, dass die Regelung in Satz § 6 Satz 2 der Genussscheinbedingungen zu dem einer Inhaltskontrolle entzogenen Hauptleistungsinhalt gehört, was im Hinblick auf die höchstrichterliche Rechtsprechung (BGHZ 119, 305, 315, juris Tz. 17) zweifelhaft ist.
Entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht gibt es kein gesetzliches Leitbild für Genussrechte. Bei seiner Ausgestaltung im Einzelnen sind die Vertragsparteien daher weitgehend frei (BGHZ 119, 305, 309, juris Tz. 9). Die Anknüpfung bei der Verlustbeteiligung an den Bilanzverlust findet sich in verschiedenen Klauseln und ist grundsätzlich nicht zu beanstanden. Der Gesetzgeber hat in § 10 Abs. 5 KWG den entsprechenden Gestaltungsspielraum eröffnet.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass bei der streitgegenständlichen Klausel der Verlustvortrag nicht ausgenommen ist, was zu einer mehrfachen Reduzierung des Genussscheinkapitals führt. Insoweit folgt der Senat der auch von Mülbert vertretenen Auffassung (Festschrift für Hüffer, S. 679, 689 ff., 692), dass die Nichtausklammerung von Verlustvorträgen keine vertragszweckgefährdende Einschränkung wesentlicher Rechte von Genussrechtsinhabern nach § 307 Abs. 2 Nr. BGB ist. Abgesehen davon, dass die Anknüpfung an den Bilanzverlust gegenüber einer Anknüpfung an den Jahrsfehlbetrag für die Genussscheininhaber auch Vorteile haben kann (s.o. 3.5.) führt auch die in § 7 der Genussscheinbedingungen vorgesehene Wiederauffüllungsklausel zu einem gewissen Ausgleich, auch wenn sie nicht in jeder Konstellation zu Tragen kommt und die Genussscheininhaber hinsichtlich der Laufzeit keine Dispositionsfreiheit haben.
4.4. Es kommt somit die kundenfreundlichste Auslegung zum Tragen, d.h. maßgebend ist der Bilanzverlust ohne den Verlustvortrag.
5. § 6 Satz 2 der Genussscheinbedingungen stellt weiter auf das „in der Bilanz ausgewiesene Eigenkapital (ohne nachrangige Verbindlichkeiten)" ab.
5.1. Auch insoweit ist nach Ansicht des Senats aus den oben unter Ziffer 3.1. dargelegten Erwägungen grundsätzlich auf das handelsbilanzrechtliche Verständnis des Begriffs abzustellen, denn auch für den Begriff des Eigenkapitals lässt sich kein von § 266 HGB i.V.m. der RechkredV abweichender allgemeiner Sprachgebrauch feststellen. Soweit die Kläger argumentieren, bei Genussscheinen, die auf der Grundlage des KWG emittiert wurden, sei der im KWG zugrunde gelegte Eigenkapitalbegriff maßgeblich, bleibt schon offen, was sie darunter genau verstehen, vermutlich das haftende Eigenkapital im Sinn des § 2 Satz 2 KWG, das sich aus Kern- und Ergänzungskapital zusammensetzt. Da § 6 Satz 2 der Genussscheinbedingungen auf das in der Bilanz ausgewiesene Eigenkapital abstellt und anders als z.B. in § 7 der als Anlage K 15 vorgelegten Genussscheinbedingungen nicht auf § 10 KWG Bezug genommen wird, ist das handelsbilanzrechtliche Verständnis maßgebend.
Für die Berechnung nach § 6 der Genussscheinbedingungen ist jedoch das Eigenkapital vor Verlustzuweisung maßgebend. Davon gehen im Grundsatz auch die Parteien übereinstimmend aus.
5.2. Von den Parteien unterschiedlich beurteilt wird jedoch die Bedeutung des Klammerzusatzes „(ohne nachrangige Verbindlichkeiten)". Die Argumentation der Beklagten, auch dieser Begriff sei nach handels-/bilanzrechtlichen Kriterien zu bestimmen und nicht im bankaufsichtsrechtlichen Sinn zu verstehen, ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass insbesondere Einlagen stiller Gesellschafter unter bestimmten Voraussetzungen als Eigenkapital auszuweisen sind. Da grundsätzlich nach § 266 Abs. 3 lit. C HGB Verbindlichkeiten als solche und nicht als Eigenkapital (§ 266 Abs. 3 lit. A HGB) auszuweisen sind, ist der Klageseite einzuräumen, dass es zunächst widersprüchlich erscheint, wenn als Eigenkapital (und nicht als Verbindlichkeiten) ausgewiesene nachrangige Verbindlichkeiten bei der Berechnung nach § 6 der Genussscheinbedingungen nicht berücksichtigt werden sollen. Für die bilanzielle Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital kommt es jedoch nicht darauf an, ob durch die Hingabe des Kapitals schuldrechtliche Ansprüche des Leistenden gegen das empfangende Unternehmen begründet werden, sondern ob das hingegebene Kapital als primärer Risikoträger fungiert. Ein Kriterium für die Zuordnung eines Passivpostens zum Eigenkapital ist die Nachrangigkeit des gewährten Kapitals (Küting/Kessler, BB 1994, 2103, 2104 f.). Darauf weisen auch die Kläger zu Recht in ihrem Schriftsatz vom 16.12.2011 hin (Seite 15 oben), setzen aber andererseits fälschlicherweise „nachrangige Verbindlichkeiten" mit Fremdkapital nach § 266 Abs. 3 lit. C Ziffer 8. („sonstige Verbindlichkeiten") gleich (Seite 14 und 15 unten).
Auch für den Ausweis von Einlagen stiller Gesellschafter in der Bilanz, der gesetzlich nicht geregelt ist, kommt es darauf an, wie die stille Beteiligung im Einzelnen ausgestaltet ist. Bei der typischen stillen Gesellschaft entsprechend den dispositiven Regelungen der §§ 230 ff. HGB sind die Einlagen grundsätzlich als Fremdkapital anzusehen und als „sonstige Verbindlichkeiten" (§ 266 Abs. 3 lit. C. Ziffer 8 HGB) auszuweisen. Sofern die stille Beteiligung aber dem Eigenkapital funktionell ähnelt, ist das Kapital nach dem Eigenkapital als Sonderposten „Kapital des stillen Gesellschafters" auszuweisen (MünchKommHGB - Reiner/Haußer, 2. Aufl., § 266, Rn. 95). Ein solcher Ausweis kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die Rückzahlung allein durch Kündigung des Unternehmens möglich ist und das Kapital somit auf Dauer überlassen wird, wenn volle Verlustbeteiligung vereinbart ist und wenn im Übrigen die Rückzahlung nur nachrangig im Insolvenz- oder Liquidationsfall erfolgen darf (Reiner/Haußer a.a.O; Beck'scher Bilanz-Kommentar, 4. Aufl, § 247 Rn. 233 f. und § 266 Rn. 187).
Auch § 10 Abs. 5a KWG lässt dann die Behandlung wie Eigenkapital zu, sogar wenn die stille Einlage nur längerfristig, aber für mindestens fünf Jahre zur Verfügung steht (Beck'scher Bilanz-Kommentar, 4. Aufl, § 266 Rn. 187). Entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht, macht der Klammerzusatz in § 6 Satz 2 der Genussscheinbedingungen jedoch aus den dargelegten Gründen auch bei einer handelsbilanzrechtlichen Betrachtungsweise Sinn. Andere Argumente, die dafür sprächen, von einem bankaufsichtsrechtlichen Verständnis auszugehen, haben die Kläger auch in zweiter Instanz nicht vorgetragen. Die Klausel selbst enthält dafür keine Anhaltspunkte.
5.3. Zum 30.12.2008 betrug das maßgebliche Eigenkapital vor Verlustzuweisung nach den Feststellungen des Landgerichts unstreitig € 3.981.818.000.-. Diese Feststellung, die von der Beklagten insbesondere im Hinblick auf die Berücksichtigung des Genussrechtskapitals nicht mit Hilfe eines Tatbestandsberichtigungsantrags angegriffen wurden, hat der Senat nach § 529 ZPO seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Im Jahr 2008 haben sich somit die Rückzahlungsansprüche der Kläger unstreitig jeweils um 70,91 % auf 29,09 % der Nennbeträge vermindert. Die Beklagte hat zwar in ihrer Klageerwiderung vom 17.02.2011 (Seite 21, Bl. 47 d.A.) ausgeführt, dass man das Genussscheinkapital, das sie bei ihrer Berechnung eigenkapitalerhöhend berücksichtigt hat, eigentlich bei der Ermittlung des maßgeblichen Eigenkapitals außer Acht lassen müsste und im Schriftsatz vom 14.04.2011 (Seite 4, Bl. 90 d.A.) nochmals darauf Bezug genommen, darin liegt jedoch kein Bestreiten der von ihr selbst gewählten Berechnungsgrundlage des maßgeblichen Eigenkapitals zum 31.12.2008. Jedenfalls bezieht sich der Tatbestandsberichtigungsantrag der Beklagten vom 27.08.2011 (Bl. 144 d.A.) nicht auf diesen Punkt.
5.4. Zum 30.12.2009 betrug das Eigenkapital der Beklagten vor der Verlustzuweisung nach den Feststellungen des Landgerichts unstreitig € 4.183.613.000.-. Hinsichtlich der Berücksichtigung des Genussscheinkapitals wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen. Im Schriftsatz vom 14.04.2011 hat die Beklagte nochmals hervorgehoben, dass das Eigenkapital vor Verlustzuweisung unstreitig € 4.183.613.000.-. betrug (Seite 4, Bl. 90) und dass sie das der Berechnung der Verlustteilnahme zugrunde gelegte Eigenkapital nach allgemeinen handelsrechtlichen Grundsätzen richtig ermittelt hat (Seite 9, Bl. 95 d.A.).
Das in der Bilanz zum 31.12.2009 ausgewiesene Eigenkapital umfasst auch die vom SoFFin 2009 übernommene stille Beteiligung (Anlage B 4, S. 69, Position 10. a) aa)). Die Rückzahlung dieser stillen Einlage in Höhe von € 1.000.000.000.- durfte im Insolvenz- oder Liquidationsfall nur nachrangig erfolgen. Der entsprechenden Behauptung der Beklagten im Schriftsatz vom 13.04.2011 (Seite 11, Bl. 97 d.A) ist die Klageseite nicht entgegengetreten. Im Schriftsatz vom 16.04.2011 (Seite 2, Bl. 105 d.A.) hat sie lediglich ausgeführt, die stille Einlage sei als Eigenkapital und nicht als Fremdkapital ausgewiesen; dies steht der Annahme einer Nachrangigkeit jedoch nicht entgegen, sondern setzt sie vielmehr voraus (s.o. 5.2.).
Für die Berechnung nach § 6 Satz 2 der Genussscheinbedingungen ist somit zum 31.12.2009 von einem Eigenkapital vor Verlustzuweisung in Höhe € 3.183.613.000.- auszugehen. Die Feststellungen des Landgerichts stehen der Herausrechnung der stillen Einlage nicht entgegen, da nur die Höhe des Eigenkapitals festgestellt wurde, nicht aber die Höhe des für die Berechnung maßgeblichen Eigenkapitals.
Bei einem Bilanzverlust vor Entnahme in Höhe von € 1.660.120.000.- und einem Eigenkapital von € 3.183.613.000.- minderten sich die Rückzahlungsansprüche der Kläger im Jahr 2009 um weitere 52,15 %.
Ihnen stehen somit jeweils 13,92 % (29,09 % mal 47,85 %) des Nennbetrags der Genussscheine zu, wobei dieser Betrag nach § 4 Satz 3 der Genussscheinbedingungen ab dem 01.01.2010 in Höhe des nach § 2 der Genussscheinbedingungen ermittelten Zinssatzes zu verzinsen ist. Dieser beträgt nach der als Anlage K 9 vorgelegten Berechnung, der die Beklagte nicht entgegengetreten ist, 1,8930 % d.h. für 180 Tage effektiv 0,9465 %.
Die Ansprüche der Kläger berechnen sich folgendermaßen:
Kläger zu
Nennbetrag DM
Nennbetrag €
13,92%
0,9465%
Summe
1
5.000.000,00
2.556.459,41 €
355.859,15 €
3.368,21 €
359.227,36 €
2
500.000,00
255.645,94 €
35.585,91 €
336,82 €
35.922,74 €
3
150.000,00
76.693,78 €
10.675,77 €
101,05 €
10.776,82 €
4 und 5
200.000,00
102.258,38 €
14.234,37 €
134,73 €
14.369,09 €
6
150.000,00
76.693,78 €
10.675,77 €
101,05 €
10.776,82 €
7
3.165.000,00
1.618.238,80 €
225.258,84 €
2.132,07 €
227.390,92 €
8
2.050.000,00
1.048.148,36 €
145.902,25 €
1.380,96 €
147.283,22 €
9 und 10
707.000,00
361.483,36 €
50.318,48 €
476,26 €
50.794,75 €
11
500.000,00
255.645,94 €
35.585,91 €
336,82 €
35.922,74 €
12
100.000,00
51.129,19 €
7.117,18 €
67,36 €
7.184,55 €
6. Der Zinsanspruch ab 01.07.2010 ergibt sich aus § 286 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB, wobei der Verzugszinssatz bezüglich der Klägerin zu 7) nach § 288 Abs. 2 BGB acht und im Übrigen nach § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz beträgt.
7. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 100, 708 Nr. 10, 711 und 543 Abs. 2 ZPO. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Grundsatzfragen sind durch das Urteil vom 05.10.1992 (BGHZ 119, 305 ff.) geklärt. Hier geht es allein um die Auslegung der Genussrechtsbedingungen der Beklagten.