BGH: Notar, Beurkundung eines Treuhänderwechsels, Geschäftswert, Verschlechterungsverbot
BGH, Beschluss vom 26.1.2023 – III ZB 9/22
ECLI:DE:BGH:2023:260123BIIIZB9.22.0
Volltext: BB-Online BBL2023-578-4
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Amtliche Leitsätze
a) Zur Bestimmung des Geschäftswerts der notariellen Beurkundung eines Treuhänderwechsels.
b) Das Verschlechterungsverbot in Notarkostensachen steht einer Erhöhung der Wertansätze nicht schlechthin entgegen.
GNotKG § 86, § 99 Abs. 2, § 109 Abs. 1, § 127 bis § 130
Sachverhalt
I.
Die Beteiligten streiten über die Richtigkeit einer notariellen Kostenberechnung.
1. Am 17. Dezember 2009 beurkundete der Notar V. N. einen mehrfach gestuften Treuhandvertrag. Danach sollte unter anderem die später unter D. L. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (im Folgenden: D. L. l) firmierende Gesellschaft für die Beteiligte zu 1 treuhänderisch die Geschäftsanteile an der S. GmbH erwerben und halten. In dem Vertrag waren die Einzelheiten der Verpflichtungen des Treuhänders geregelt. Die S. GmbH wiederum sollte treuhänderisch die Geschäftsanteile an einer weiteren Gesellschaft für 27.500 € erwerben und halten, welche ebenfalls treuhänderisch die Geschäftsanteile an der I. GmbH (Zielgesellschaft) für 20.500.000 € erwerben und halten sollte. Die Urkunde enthielt die Feststellung, dass es sich um ein einheitliches Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten handele.
Am 21. Januar 2015 beurkundete die zu 2 beteiligte Notarin (fortan Notarin) einen dreiseitigen Vertrag zwischen der Beteiligten zu 1 als Treugeberin, der D. L. und der W. GmbH. Danach übernahm die letztgenannte Gesellschaft mit Wirkung zum 1. Januar 2015 an der Stelle von D. L. die Treuhänderschaft an der S. GmbH zu den bislang geltenden Bedingungen (§ 2 des Vertrags). D. L. übertrug den von ihr gehaltenen Geschäftsanteil auf die W. GmbH (§ 1 des Vertrags). Für die Treuhandtätigkeit vereinbarten diese und die Beteiligte zu 1 ein jährliches Honorar von 4.000 € (§ 3 des Vertrags)
Für die Beurkundung, zu deren Zeitpunkt die S. GmbH ein Eigenkapital (§ 266 Abs. 3 HGB) in Höhe von 39.591,26 € auswies, stellte die Notarin der Beteiligten zu 1 mit Kostenberechnung vom 5. März 2015 unter Zugrundelegung eines Geschäftswerts von 55.000 € (2 x 27.500 € "für die Beendigung des einen Treuhandvertrags und den Neubeginn des anderen Treuhandvertrags") insgesamt 772,31 € in Rechnung, die die Beteiligte zu 1 bezahlte. Diese Berechnung änderte die Notarin durch eine Kostenberechnung vom 20. Mai 2015, in der sie einen Geschäftswert von 41.000.000 € (2 x 20.500.000 €) zugrunde legte, wobei sich die Gebühren danach unter Anrechnung des bereits gezahlten Betrags auf 68.325,04 € beliefen.
3. Die Beteiligte zu 1 hat beim Landgericht den Antrag gestellt, die Kostenberechnung vom 20. Mai 2015 aufzuheben und die Kostenberechnung vom 5. März 2015 unter Berücksichtigung eines Geschäftswerts von 39.591,26 € neu festzusetzen. Zuvor hatte bereits die Notarin beantragt, ihre Kostenberechnung vom 20. Mai 2015 zu bestätigen. Das Landgericht hat die Kostenberechnung auf 53.294,15 € - unter Anrechnung der bereits gezahlten Gebühren von 772,31 € auf 52.521,84 € - herabgesetzt. Dabei hat es (nur) einen Beurkundungsgegenstand gemäß § 109 Abs. 1 GNotKG und dessen Wert mit 20.500.000 € (Wert der Zielgesellschaft) angenommen. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 hat das Kammergericht den Beschluss des Landgerichts abgeändert und die Kostenberechnung der Notarin auf 680,68 € herabgesetzt. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Notarin die Wiederherstellung der Entscheidung des Landgerichts.
Aus den Gründen
II.
6 Das Kammergericht hat in Übereinstimmung mit dem Landgericht angenommen, dass der in § 2 der Urkunde der Notarin vereinbarte Wechsel der Treuhandstellung ein einheitliches Verpflichtungsgeschäft darstelle, bei dem der vereinbarte Eintritt des einen untrennbar mit dem Austritt des anderen Treuhänders verbunden sei, so dass die Erklärungen nur als ein einheitliches Rechtsverhältnis angesehen werden könnten. Die in § 1 des Vertrages beurkundete Abtretung des Geschäftsanteils von dem alten auf den neuen Treuhänder habe der Erfüllung dieses einheitlichen Verpflichtungsgeschäfts gedient (vgl. § 109 Abs. 1 Satz 2 GNotKG), so dass es sich auch insoweit nicht um einen gesonderten Beurkundungstatbestand gehandelt habe.
7 Der Geschäftswert des einen Beurkundungstatbestandes habe sich entgegen der Ansicht des Landgerichts jedoch nicht auf 20.500.000 €, sondern auf lediglich 20.000 € belaufen (5 x 4.000 €). Denn bei im Rahmen von Treuhandverhältnissen übertragenen GmbH-Geschäftsanteilen sei nicht auf den Wert dieser Anteile abzustellen. Vielmehr sei § 99 Abs. 2 GNotKG anzuwenden. Danach sei das für die Treuhändertätigkeit vereinbarte Honorar für fünf Jahre anzusetzen. III.
8 Die Rechtsbeschwerde ist aufgrund der Zulassung durch das Kammergericht nach § 129 Abs. 2, § 130 Abs. 3 Satz 1 GNotKG, § 70 Abs. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen gemäß § 130 Abs. 3 Satz 1 GNotKG, § 71 FamFG zulässig. In der Sache ist sie jedoch im Wesentlichen unbegründet. Das Kammergericht hat den Geschäftswert des am 21. Januar 2015 von der Notarin beurkundeten Vertrags rechtsfehlerfrei allein nach dem fünffachen Betrag der im Vertrag vereinbarten Jahresvergütung bestimmt und der Kosten(neu)berechnung - der Bindung an den Antrag der Beteiligten zu 1 Rechnung tragend - zutreffend einen Geschäftswert von 39.591,26 € zugrunde gelegt. Die dagegen von der Rechtsbeschwerde erhobenen Bedenken greifen nicht durch. Das Rechtsmittel hat lediglich insoweit Erfolg, als mit ihm ein etwas höherer Ansatz einer angefallenen Vollzugsgebühr erstrebt wird.
9 1. Nach § 86 Abs. 1 GNotKG ist Beurkundungsgegenstand das Rechtsverhältnis, auf das sich die Erklärungen beziehen. Mehrere Rechtsverhältnisse sind gemäß Absatz 2 dieser Vorschrift verschiedene Beurkundungstatbestände, deren Werte nach § 35 Abs. 1 GNotKG zusammenzurechnen sind, soweit in § 109 GNotKG nichts anderes bestimmt ist. § 109 GNotKG enthält mithin eine Ausnahme zu dem Grundsatz des § 86 GNotKG, nach welchem jedes Rechtsverhältnis als eigenständiger Gegenstand zu behandeln und zu bewerten ist (Diehn in Korintenberg, GNotKG, 22. Aufl., § 109 Rn. 1; Bachmayer in BeckOK Kostenrecht, Stand: 1. Oktober 2022, § 109 GNotKG, vor Rn. 1 und Rn. 3 f). Nach § 109 Abs. 1 Satz 1 GNotKG, in dem von der Rechtsprechung unter der Geltung der Kostenordnung entwickelte Überlegungen, unter welchen Voraussetzungen es sich bei der Beurkundung mehrerer Erklärungen um denselben Gegenstand handelt, ausdrücklich normiert worden sind (vgl. Entwurf der Bundesregierung eines Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts, BT-Drucks. 17/11471 [neu], S. 186; Bachmayer aaO Rn. 1 f; Diehn aaO Rn. 16), liegt derselbe Beurkundungsgegenstand vor, wenn Rechtsverhältnisse zueinander in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen und das andere Rechtsverhältnis unmittelbar dem Zweck des einen Rechtsverhältnisses dient. Nach § 109 Abs. 1 Satz 2 GNotKG ist ein solches Abhängigkeitsverhältnis nur gegeben, wenn das andere Rechtsverhältnis der Erfüllung, Sicherung oder sonstigen Durchführung des einen Rechtsverhältnisses dient. In diesen Fällen bestimmt sich nach Absatz 1 Satz 5 der Geschäftswert lediglich nach dem Wert des Rechtsverhältnisses (Hauptgeschäft), zu dessen Erfüllung, Sicherung oder sonstiger Durchführung die anderen Rechtsverhältnisse dienen.
10 Eine trennscharfe Abgrenzung ist abstrakt-generell allerdings mitunter schwierig (BT-Drucks. 17/11471 [neu] aaO). Erforderlich ist eine normative Betrachtung (Diehn aaO Rn. 17).
11 2. Diese führt hier zu dem Ergebnis, dass die fremdnützige Geschäftsbesorgung in Gestalt der Fortführung der Treuhandtätigkeit ab dem 1. Januar 2015 durch die W. GmbH nach Ausscheiden der D. L. als Hauptgeschäft anzusehen und die Übertragung des Geschäftsanteils auf jene Gesellschaft (nur) als Durchführungsgeschäft im Sinne des § 109 Abs. 1 Satz 2 und 5 GNotKG einzuordnen ist. Den an der Beurkundung des Vertrages vom 21. Januar 2015 Beteiligten kam es entscheidend darauf an, dass die Treuhandtätigkeit über den 31. Dezember 2014 hinaus fortgeführt wird, und zwar entsprechend den Regelungen, die bezüglich der D. L. in dem von Notar N. beurkundeten Vertrag vom 17. Dezember 2009 vereinbart worden waren. Mit einer bloßen Abtretung und Übernahme des Geschäftsanteils durch einen neuen Rechtsträger wäre ihnen - insbesondere der Beteiligten zu 1 - nicht gedient gewesen. Daher bilden den Kern des notariellen Vertrages vom 21. Januar 2015 die rechtsgeschäftlichen Erklärungen der Urkundsbeteiligten zur Fortführung der Treuhandtätigkeit durch die W. GmbH, wie sie vor allem in § 2 des Vertrages ihren Niederschlag gefunden haben, während die in § 1 des Vertrages geregelte Übertragung des Geschäftsanteils (nur) das Treugut betrifft, welches die W. GmbH erhalten muss, um die von ihr im Vertrag übernommene Treuhandtätigkeit erbringen zu können. Die Übertragung des Geschäftsanteils dient infolgedessen allein der Durchführung "des einen Rechtsverhältnisses" im Sinne des § 109 Abs. 1 Satz 2 GNotKG, nämlich der Fortführung der Treuhandtätigkeit durch die W. GmbH nach Ausscheiden der D. GmbH, und bleibt somit nach § 109 Abs. 1 Satz 5 GNotKG bei der Bestimmung des Geschäftswerts unberücksichtigt. Dieser bestimmt sich hier daher ausschließlich gemäß § 99 Abs. 2 GNotKG nach dem fünffachen Betrag der in § 3 des Vertrages vereinbarten Jahresvergütung und beläuft sich somit auf 20.000 €.
12 3. Der Ansicht der Rechtsbeschwerde, dass sich nach dem Verständnis des Kammergerichts der nach § 99 Abs. 2 GNotKG zu ermittelnde Geschäftswert auf 0 € beliefe und in der Folge auch die Beurkundungsgebühr 0 € betrüge, hätte sich die W. GmbH für ihre treuhänderische Tätigkeit keine Vergütung ausbedungen, kann nicht beigetreten werden. Sind (laufende) Bezüge nicht vereinbart worden, ist § 36 Abs. 1 GNotKG anwendbar (Uhl in Toussaint, Kostenrecht, 52. Aufl., § 99 GNotKG Rn. 11 mwN), der normiert, dass der Geschäftswert dann nach billigem Ermessen zu bestimmen ist. Bestehen keine genügenden Anhaltspunkte für eine Bestimmung des Werts, ist gemäß § 36 Abs. 3 GNotKG von einem Geschäftswert von 5.000 € auszugehen. Zu der Situation, dass die Beurkundung eines Treuhänderwechsels kostenfrei erfolgen müsste, kann es infolgedessen nicht kommen.
13 Soweit die Rechtsbeschwerde weiter meint, eine gebührenrechtliche Gleichbehandlung des vorliegenden Falles, in dem über die Vereinbarung einer Vergütung hinaus noch eine Übertragung der Geschäftsanteile beurkundet wurde, mit dem (gedachten) Fall, in dem die D. L. Treuhänderin geblieben wäre, sich jedoch für die Zukunft eine Vergütung hätte versprechen lassen, sei "nicht länger gerechtfertigt", verkennt sie, dass es bezweckte Folge der (Ausnahme-)Vorschrift des § 109 GNotKG ist, wenn unter ihren (engen) Voraussetzungen nur eines von mehreren zusammenhängenden Rechtsgeschäften wertmäßig berücksichtigungsfähig ist. Der Gesetzgeber hat diese Norm geschaffen, um in den von ihr erfassten Fällen unverhältnismäßig hohe Gegenstandswerte zu vermeiden (vgl. Bachmayer aaO Rn. 3 f).
14 4. Der Rechtsbeschwerde ist jedoch insoweit zu folgen, als sie geltend macht, dass für die "Fertigung der Liste der Gesellschafter mit Bescheinigung" eine Vollzugsgebühr gemäß KV GNotKG Nr. 22110 in Höhe von 0,5 x 145 € = 72,50 € netto (= 86,28 € brutto) und nicht lediglich in Höhe von 0,3 x 145 € = 43,50 € netto (= 51,77 € brutto) in Ansatz zu bringen ist, weil die Gebühr für das zugrunde liegende Beurkundungsverfahren 2,0 beträgt und deswegen die in KV GNotKG Nrn. 22111 und 22113 enthaltenen Bestimmungen nicht einschlägig sind. Die Kostenberechnung der Notarin vom 5. März 2015 in der Fassung vom 20. Mai 2015 ist daher nicht auf 680,68 €, sondern auf 715,19 € herabzusetzen.
15 Dem steht das von der Beteiligten zu 1 angeführte Verschlechterungsverbot nicht entgegen, weil dieses eine Erhöhung der Wertansätze nicht schlechthin verbietet (vgl. OLG Hamm, JurBüro 1992, 343, 345; LG Osnabrück, JurBüro 1996, 208, 209; LG Düsseldorf MittBayNot 2016, 548; LG Halle (Saale), Beschluss vom 5. September 2017 - 4 OH 21/16, juris Rn. 11; Uhl in Toussaint, Kostenrecht, 52. Aufl., § 128 GNotKG Rn. 16 f; Waldner in Rohs/Wedewer, GNotKG, Stand: November 2021, §§ 127 bis 130, Rn. 55; Wudy in LK-GNotKG, 3. Aufl., § 128 Rn. 106) und der Betrag von 715,19 € weder die Summe der angefochtenen Kostenberechnung noch - sollte es darauf ankommen - die Gebührenhöhe, die das Landgericht für zutreffend gehalten hat, übersteigt. IV.
16 Die Kostenentscheidung folgt aus § 130 Abs. 3 Satz 1 GNotKG in Verbindung mit § 84 FamFG. Einer Wertfestsetzung für das Rechtsbeschwerdeverfahren bedarf es nicht, weil hierfür gemäß Nr. 19120 KV GNotKG eine Festgebühr anfällt.