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Wirtschaftsrecht
09.11.2023
Wirtschaftsrecht
BGH: Nötiger Vortrag des Unternehmers für Bemessung der Sicherheitshöhe

BGH, Urteil vom 17.8.2023 – VII ZR 228/22

ECLI:DE:BGH:2023:170823UVIIZR228.22.0

Volltext: BB-Online BBL2023-2626-3

unter www.betriebs-berater.de

Amtliche Leitsätze

Im Fall einer Kündigung eines Bauvertrags gemäß § 650f Abs. 5 BGB reicht grundsätzlich der schlüssige Vortrag des Unternehmers zur Höhe der Vergütung gemäß § 650f Abs. 5 Satz 2 BGB aus, um hiernach die Höhe einer geforderten Sicherheit gemäß § 650f Abs. 1 BGB zu bemessen.

Ein Abzug bei der Höhe der Sicherheit unter Anwendung von § 287 Abs. 2 ZPO kommt nicht in Betracht.

(Bestätigung von BGH, Urteil vom 6. März 2014 – VII ZR 349/12, BGHZ 200, 274)

BGB § 650f; ZPO § 287 Abs. 2

Sachverhalt

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Stellung einer Sicherheit für eine Werklohnforderung. Mit der Widerklage verlangt die Beklagte Schadensersatz.

Die Beklagte ist Eigentümerin eines Grundstücks in B.   . Im Jahr 2020 plante sie, das Grundstück zu teilen. Auf einem Teil sollte die B.   gGmbH, eine mit der Beklagten verbundene Gesellschaft, mit öffentlichen Fördermitteln eine "interkulturelle Kindertagesstätte" bauen lassen. Auf dem anderen Teil wollte die Beklagte ein Gemeindezentrum errichten. Mit Letzterem beauftragte sie die Klägerin mit Vertrag vom 26./27. September 2020. Nach Ziffer 2 des Vertrags (Auftragssumme) umfasst er als Los 1 den Rohbau mit einer Vergütung von 1.339.000 € (netto) und als Los 2 das Herrichten, den Ausbau, die technische Ausrüstung, die Ausstattung und die Außenanlagen mit einer Vergütung von 3.401.000 € (netto), insgesamt einer Vergütung von 4.740.000 € (netto).

Unter Ziffer 3.2 (Ausführungszeiträume/Zahlungsplan) heißt es in Ziffer 3.2.2:

"Der vorläufige Ausführungszeitraum ... beträgt für das Los 1 (...) ca. 7 Monate ... .

Der vorläufige Ausführungszeitraum ... beträgt für das Los 2 (...) ca. 11 Monate ... Die Ausführung des Los 2 steht unter dem Vorbehalt zur Sicherstellung der Finanzierungsmittel.

Sollten vom Auftraggeber keine Finanzierungsmittel rechtzeitig bereitgestellt werden, wird die Ausführung unterbrochen und die Arbeit ruht, solange bis die Finanzierungsmittel zur Verfügung stehen. Der Auftragnehmer stellt den Auftraggeber von Schadensersatzansprüchen aus Arbeitsunterbrechungen infolge fehlender Bereitstellung von Finanzierungsmitteln frei."

Die Beklagte hatte mit der Betreuung des Vorhabens den Architekten R.                 beauftragt. Im September/Oktober 2020 begann die Klägerin mit den Arbeiten und stellte der Beklagten sukzessive prozentuale Abschläge auf ihre Vergütung in Rechnung, worauf die Beklagte insgesamt Zahlungen in Höhe von 1.333.424 € leistete.

Im Dezember 2020 stellte die Klägerin auf dem anderen Teil des Grundstücks, auf dem die Kindertagesstätte errichtet werden soll, eine Bodenplatte aus Stahlbeton her, die nicht Gegenstand des Bauvertrags mit der Beklagten war.

Erstmals mit Schreiben vom 4. März 2021 forderte die Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung auf, ihr eine Sicherheit gemäß § 650f BGB in Höhe von rund 4,671 Mio. € (einschließlich Umsatzsteuer) zu leisten. Nach erfolglosem Ablauf der Frist und weiteren Fristsetzungen sowie einer Erhöhung ihrer Sicherheitenforderung auf rund 5,021 Mio. € stellte die Klägerin ihre Leistungen ein.

Am 29. April 2021 hat sie die vorliegende, auf eine (Teil-)Sicherheitsleistung von 2,0 Mio. € gerichtete Klage eingereicht. Im Rahmen ihrer am4. August 2021 der Klägerin zugestellten Klageerwiderung hat die Beklagte die Kündigung des Bauvertrags aus wichtigem Grund erklärt. Mit Schreiben vom selben Tag hat auch die Klägerin die Kündigung des Bauvertrags gemäß § 650f Abs. 5 BGB erklärt. In der Folgezeit hat sie eine Abrechnung ihres Vergütungsanspruchs unter Berücksichtigung der nunmehr erklärten Kündigungen vorgelegt.

Die Beklagte hat gemeint, ihr stehe ein Anspruch auf Zahlung von 327.250 € gegen die Klägerin als Schadensersatz zu, da die Klägerin die Bodenplatte zu Unrecht auf dem Grundstück der Beklagten errichtet habe. Ein Rückbau erfordere einschließlich Umsatzsteuer diesen Betrag. In Höhe von erstrangigen 300.000 € hat die Beklagte mit diesem Anspruch hilfsweise die Aufrechnung gegenüber dem Sicherungsanspruch der Klägerin erklärt, wegen des restlichen Betrags von 27.250 € hat sie Widerklage gegen die Klägerin erhoben.

Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung der weitergehenden Klage zur Leistung einer Sicherheit in Höhe von 1.240.407,54 € verurteilt und die Widerklage abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht lediglich die Höhe der zu leistenden Sicherheit auf einen Betrag von 1.072.919,52 € (offenbarer Schreibfehler, richtig: 1.072.818,52 €) ermäßigt und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin die Klageabweisung und die Verurteilung der Klägerin auf die Widerklage.

Aus den Gründen

10        Die Revision der Beklagten ist unbegründet.

 

I.

11        Das Berufungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin auf Sicherheitsleistung für ihre Vergütung aus dem Bauvertrag mit der Beklagten in Höhe von 1.072.818,52 € gemäß § 650f Abs. 1 Satz 1 BGB für begründet erachtet. Wenn im Rahmen einer Sicherungsklage gemäß § 650f Abs. 1 BGB die Höhe der Unternehmervergütung zwischen den Parteien umstritten sei, so sei es zulässig und in aller Regel auch geboten, dass das Gericht die Sicherheitsleistung, zu der es den Besteller verurteile, in freier Überzeugung gemäß § 287 Abs. 2 ZPO festsetze. Das führe zu der Verurteilung in dieser Höhe.

 

12        Die vereinbarte Vergütung der Klägerin aus dem Bauvertrag belaufe sich auf 4,74 Mio. € (netto). Die Beklagte habe die Klägerin von vornherein sowohl mit dem Los 1 als auch mit dem Los 2 beauftragt, so dass sich dieser Betrag errechne. In Ziffer 3.2.2 des Bauvertrags werde lediglich die Ausführung der Leistungen des Loses 2, nicht aber die Beauftragung als solche unter einen Finanzierungsvorbehalt gestellt.

 

13        Der Vergütungsanspruch der Klägerin aus diesem Bauvertrag sei auf die "große Kündigungsvergütung" abgesenkt (§ 650f Abs. 5 Satz 2 BGB), da die Klägerin mit ihrem Schreiben vom 4. August 2021 den Vertrag wirksam gemäß § 650f Abs. 5 Satz 1 BGB gekündigt habe. Demgegenüber sei der Anspruch nicht darüber hinaus auf die "kleine Kündigungsvergütung" gemäß § 648a Abs. 5 BGB abgesenkt. Dazu hätte die Beklagte den Bauvertrag wirksam aus wichtigem Grund gekündigt haben müssen. Davon sei nicht auszugehen. Insbesondere aus der Tatsache, dass die Klägerin eine Bodenplatte aus Stahlbeton auf dem Teil des Grundstücks der Beklagten hergestellt hat, auf dem die Kindertagesstätte errichtet werden soll, lasse sich kein wichtiger Kündigungsgrund zugunsten der Beklagten herleiten. Die Beklagte trage selbst vor, dass die B.   gGmbH diesen Bau errichten sollte. Die Klägerin ihrerseits trage vor, vom Geschäftsführer der B.   gGmbH, Herrn M.       , am 8. Dezember 2020 mündlich beauftragt worden zu sein, als dieser wie auch der Architekt der Beklagten bei einer Besprechung telefonisch zugeschaltet gewesen sei. Diesem Vortrag sei die Beklagte nicht entgegengetreten, sondern habe sich darauf beschränkt darauf hinzuweisen, dass der Geschäftsführer der B.   gGmbH derzeit erkrankt und das Vorbringen der Klägerin für sie daher derzeit unaufklärbar sei. Damit habe sie das Vorbringen der Klägerin nicht in ausreichender Form bestritten. Schließlich habe die Beklagte jedenfalls am 4. August 2021 aus der Problematik um die Bodenplatte keinen Grund für ihre außerordentliche Vertragskündigung mehr herleiten können. Dies sei nur binnen angemessener Frist möglich gewesen, nachdem sie von diesem Umstand Kenntnis erlangt hatte (§ 648a Abs. 3, § 314 Abs. 3 BGB), was die Beklagte nicht eingehalten habe. Der Geschäftsführer der Beklagten habe unstreitig noch im Dezember 2020 von dem nur schwer nicht zu bemerkenden Vorgang Kenntnis erlangt, dass die Klägerin dabei war, auf dem Grundstück der Beklagten auf einer Fläche von rund47 x 12 Metern eine Bodenplatte zu betonieren.

 

14        Grundlage für die Ermittlung des durch die Beklagte zu besichernden Vergütungsanspruchs der Klägerin sei die Forderungsberechnung der Klägerin in den Anlagen BE 1 und BE 4. Diese Abrechnung sei in ihrer Gesamtheit schlüssig, was nicht heißen solle, dass sie nicht in Einzelheiten Fehler enthalten könne. Insbesondere seien erbrachte Leistungen und nicht erbrachte Leistungen nunmehr anhand einer tatsächlichen Mengenermittlung (wenngleich nur überschlägig) voneinander abgegrenzt. Unschädlich sei auch, dass die Klägerin keine Angaben zu ihrem anderweitigen Erwerb gemacht habe, weil dies für die schlüssige Darlegung ihrer "großen Kündigungsvergütung" nicht erforderlich sei. Aus dem vorläufigen Blickwinkel des Sicherungsprozesses unter Berücksichtigung der andauernden Baukonjunktur und des großen Umfangs der kündigungsbedingt entfallenen Leistungen sei es aber hinreichend wahrscheinlich, dass es für die Klägerin und ihre Nachunternehmer umfangreiche anderweitige Einsatzmöglichkeiten für ihr freigesetztes Personal gegeben habe und die Klägerin deshalb noch eine signifikante Minderung ihrer Kündigungsvergütung wegen anderweitigen Erwerbs werde hinnehmen müssen, die das Gericht mit 20 % der "spitz abgerechneten Vergütung" der nicht erbrachten Leistungen, also mit 437.025,62 € (netto) ansetze.

 

15        Für diejenigen Positionen, die die Klägerin nicht spitz abrechne, sondern für die sie eine Pauschale von 10 % in Ansatz bringe, erachte das Gericht den von der Klägerin mit 10 % angesetzten Endbetrag für hinreichend wahrscheinlich.

 

16        Darüber hinaus sei die Kündigungsvergütung der Klägerin wegen des von ihr geltend gemachten Nachtrags 1 in freier richterlicher Überzeugung um weitere 52.060 € (netto) zu erhöhen. Die Durchsetzbarkeit erscheine insoweit hinreichend wahrscheinlich, weil die Beklagte den Nachtrag nach Abrechnung an die Klägerin bezahlt habe. Möge auch der Architekt nicht von der Beklagten bevollmächtigt gewesen sein, spreche Vieles dafür, dass in dieser Zahlung die Genehmigung des Nachtrags durch die Beklagte gelegen habe.

 

17        Der von der Beklagten als Zeuge benannte Sachverständige F.    sei nicht über die umstrittene Höhe der Kündigungsvergütung zu vernehmen gewesen. Zwar stände dies gemäß § 287 Abs. 1 und 2 ZPO im Ermessen des Gerichts. Wegen der Eilbedürftigkeit des Sicherungsprozesses und der Notwendigkeit, den Streitstoff möglichst übersichtlich zu halten, komme dies aber in aller Regel nicht in Betracht. Dabei sei hier insbesondere zu beachten, dass Herr F.     tatsächlich kein Zeuge gewesen sei, sondern der Sachverständige einer Partei. Über die Höhe einer Unternehmervergütung Beweis zu erheben, indem ausschließlich der Sachverständige einer Partei vernommen werde, sei aber selbst im Vergütungsprozess in der Regel untunlich. Deshalb wäre es entgegen der Ansicht der Beklagten kein gangbarer Weg gewesen, im Termin den präsenten Sachverständigen F.     zu vernehmen, um einen verwertbaren Sachverständigenbeweis über die Vergütungshöhe zu erzeugen. Vielmehr hätte ein anderer gerichtlicher Sachverständiger beauftragt werden müssen, wodurch der Sicherungsprozess in nicht hinnehmbarer Weise verzögert worden wäre.

 

18        Die Kündigungsvergütung der Klägerin sei nicht dadurch gemindert, dass die Beklagte mit einer Gegenforderung über 300.000 € wirksam die Aufrechnung erklärt habe. Dieser Gegenanspruch bestehe nicht. Er ergebe sich weder aus § 823 Abs. 1 BGB noch aus einer anderen Rechtsgrundlage. Die Klägerin sei tatsächlich nicht unberechtigt vorgegangen, sondern nachdem sie der Geschäftsführer der B.    gGmbH beauftragt hatte, was durch die Beklagte - wie bereits oben und schon vom Landgericht dargelegt - nicht in hinreichender Form bestritten worden sei. Auf den Umstand, dass diese Gegenforderung zudem gemäß § 650f Abs. 1 Satz 4 BGB außer Betracht zu bleiben habe, komme es folglich nicht an.

 

19        Die Widerklage habe das Landgericht zu Recht als unbegründet abgewiesen, weil der mit ihr verfolgte Anspruch der Beklagten auf Schadensersatz wegen Errichtung der Bodenplatte aus den obigen Gründen aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt existiere.

 

II.

20        Das hält der rechtlichen Nachprüfung, soweit zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist, im Ergebnis stand.

 

21        1. Revisionsrechtlich bedenkenfrei geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Parteien einen unbedingten Vertrag über die Lose 1 und 2 abgeschlossen haben. Ohne Erfolg rügt die Revision die Auslegung des Berufungsgerichts, wonach der Auftragsumfang von vornherein die Lose 1 und 2 mit einer Gesamtvergütung von 4,74 Mio. € (netto) umfasst.

 

22        Die Auslegung von Willenserklärungen ist grundsätzlich Angelegenheit des Tatrichters. Sie ist revisionsrechtlich nur dahingehend überprüfbar, ob Verstöße gegen gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, sonstige Erfahrungssätze oder Denkgesetze vorliegen oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht, insbesondere nicht alle vorgetragenen wesentlichen Umstände berücksichtigt sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 27. April 2023 - VII ZR 144/22 Rn. 35 m.w.N., BauR 2023, 1383).

 

23        Derartige Auslegungsfehler zeigt die Revision nicht auf. Insbesondere erweist sich die Auslegung auch nach beiden Seiten hin als interessengerecht. Sie führt entgegen der Auffassung der Revision nicht dazu, dass ein etwaiges dauerhaftes Ausbleiben der Finanzierungsmittel die nicht interessengerecht zu beantwortende Frage aufwerfe, ob in diesem Fall die Klägerin auf unbestimmte Zeit verpflichtet sein würde, die Erfüllung des Vertrags in Bezug auf die Arbeiten des Loses 2 zu unterlassen, die Beklagte aber gleichwohl verpflichtet sein würde, den hierauf entfallenden Werklohn an sie zu entrichten. Zum einen würde ein entsprechender Vergütungsanspruch der Klägerin mangels Abnahme nicht fällig und jedenfalls der Beklagten stünde die Möglichkeit einer Kündigung gemäß § 648 BGB offen. Zum anderen kann jedenfalls dem Wortlaut der Ziffer 3.2.2 des Vertrags nicht entnommen werden, dass ein dauerhaftes Ausbleiben der Finanzierungsmittel in Betracht gezogen worden ist und mit den dortigen Absätzen 2 und 3 geregelt werden sollte.

 

24        2. Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass dem Sicherungsanspruch nicht mehr die ursprüngliche vertragliche Vergütung, sondern unter Berücksichtigung der unstreitig erfolgten Kündigungserklärungen eine Vergütung gemäß § 650f Abs. 5 Satz 2 BGB zugrunde zu legen ist.

 

25        a) Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist nicht die Höhe der Vergütung zum Zeitpunkt des ersten Sicherungsverlangens - hier also vor den Kündigungserklärungen - entscheidend. Vielmehr ist nach allgemeinen Grundsätzen auch die Entwicklung bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatrichter zu berücksichtigen (vgl. Ingenstau/Korbion/Joussen, VOB Teile A und B, 22. Auflage, Anhang 1 Rn. 277; a.A. KG, Beschluss vom 3. Dezember 2015 - 27 U 105/15, NZBau 2016, 568 Rn. 17 f.). Aus dem Urteil des Senats vom 6. März 2014 (VII ZR 349/12 Rn. 24, BGHZ 200, 274) ergibt sich nichts anderes.

 

26        b) Eine wirksame Kündigung durch die Beklagte gemäß § 648a Abs. 1 BGB mit der Folge, dass nur noch eine Sicherheit für eine Vergütung gemäß § 648a Abs. 5 BGB verlangt werden könnte, kann - wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat - nicht festgestellt werden.

 

27        Soweit die Revision sich gegen die Auffassung des Berufungsgerichts wendet, die Beklagte habe den Vortrag der Klägerin, sie sei vom Geschäftsführer der B.    gGmbH mit der Errichtung der Bodenplatte der Kindertagesstätte beauftragt worden, nicht ausreichend bestritten, kommt es hierauf bereits nicht entscheidend an: Die Revision greift nicht die weitere Feststellung und selbstständige Begründung des Berufungsgerichts an, eine auf die Errichtung der Bodenplatte durch die Klägerin gestützte Kündigung sei jedenfalls nicht in angemessener Frist erfolgt.

 

28        Soweit die Revision weitere Umstände im Zusammenhang mit von dem Architekten vollmachtlos beauftragten Nachträgen, auch in Verbindung mit behaupteten Mängeln, als wichtige Gründe für eine Kündigung geltend macht, zeigt sie keinen zu berücksichtigenden Vortrag der Beklagten in der Berufungsinstanz hierzu auf.

 

29        c) Die Kündigungserklärung der Klägerin gemäß § 650f Abs. 5 Satz 1 Fall 2 BGB hat keinen Einfluss auf den Anspruch auf Sicherheit gemäß § 650f Abs. 1 BGB dem Grunde nach, der (weiterhin) der Sicherung des Anspruchs auf die vereinbarte und nicht gezahlte Vergütung dient.

 

30        3. Auf dieser Grundlage erweist sich die Höhe der Sicherheit, zu deren Leistung das Berufungsgericht die Beklagte verurteilt hat, im Ergebnis nicht zu ihren Lasten als rechtsfehlerhaft.

 

31        a) Allerdings hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft angenommen, es sei, wenn im Rahmen einer Sicherungsklage gemäß § 650f Abs. 1 BGB die Höhe der Unternehmervergütung zwischen den Parteien umstritten sei, zulässig und in aller Regel auch geboten, dass das Gericht die Sicherheitsleistung, zu der es den Besteller verurteile, in freier Überzeugung gemäß § 287 Abs. 2 ZPO festsetze. Ein Abzug bei der Höhe der Sicherheit unter Anwendung von § 287 Abs. 2 ZPO kommt nicht in Betracht.

 

32        Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht allein deshalb vor, weil eine Aufklärung der Forderungshöhe vor dem Hintergrund des eine Eilbedürftigkeit begründenden Sicherungsinteresses des Unternehmers zu für ihn unverhältnismäßigen Schwierigkeiten führte. Es fehlt bereits an der tatbestandlichen Notwendigkeit, dass entscheidungserhebliche Tatsachen zwischen den Parteien streitig sind. Denn nach der Rechtsprechung des Senats reicht es für den Fall einer Kündigung des Vertrags aus, dass der hieran angepasste Vortrag des Unternehmers zur Höhe der Vergütung schlüssig ist, um hiernach die Höhe der geforderten Sicherung zu bemessen (vgl. BGH, Urteil vom 6. März 2014 - VII ZR 349/12 Rn. 20, 26 ff., BGHZ 200, 274). Einen - streitigen - Abzug von der schlüssig dargelegten Vergütungsforderung ausnahmsweise nach Maßgabe von § 286 ZPO festzustellen, ohne dass damit der Rechtsstreit verzögert wird (vgl. BGH, Urteil vom 6. März 2014- VII ZR 349/12 Rn. 29, BGHZ 200, 274), bleibt unberührt; für die Anwendung von § 287 Abs. 2 ZPO ist kein Raum.

 

33        Der Bezugspunkt des Berufungsgerichts, wonach es auf die Wahrscheinlichkeit der vollständigen Durchsetzung der Vergütungsforderung des Unternehmers im Vergütungsprozess ankomme, ist unzutreffend. Zum einen ist die Klage auf Sicherheitsleistung gemäß § 650f BGB kein besonderes Verfahren ähnlich einem Arrest- oder einstweiligen Verfügungsverfahren, in dem es allein auf eine Glaubhaftmachung ankommt. Zum anderen knüpft die Bemessung der Höhe der Sicherheit materiell-rechtlich zwar an die Vergütung an. Jedoch ist in bestimmten Fällen, in denen nicht feststeht, ob oder in welcher Höhe sich die Vergütung verringert hat, die Höhe der Sicherheit unbeschadet dieser möglichen Änderung zu bemessen. Der Senat hat bereits entschieden, dass und warum dies aus § 650f BGB folgt (BGH, Urteil vom 6. März 2014 - VII ZR 349/12 Rn. 26-30, BGHZ 200, 274).

 

34        Dieser Rechtsfehler des Berufungsgerichts wirkt sich im Ergebnis jedoch nicht zu Lasten der Beklagten aus. Das ergibt sich aus den folgenden Gründen.

 

35        b) Ohne Rechtsfehler nimmt das Berufungsgericht an, dass der Vortrag der Klägerin für die Berechnung ihrer Vergütung gemäß § 650f Abs. 5 Satz 2 BGB schlüssig ist.

 

36        aa) Ohne Erfolg rügt die Revision hierzu, dass es das Berufungsgericht selbst für möglich gehalten habe, dass die Abrechnung gemäß der Anlagen BE 1 und 4 in Einzelheiten Fehler enthalten könne. Es ist nicht ersichtlich, dass das Berufungsgericht hiermit etwas anderes als die inhaltliche Unrichtigkeit einzelner Berechnungsgrundlagen, mithin die Begründetheit der Forderung, gemeint hätte; dies lässt jedoch die Schlüssigkeit des Vortrags unberührt. Gleiches gilt, wenn sich die von der Klägerin behaupteten Mengenangaben zur Abgrenzung von erbrachten und nicht erbrachten Leistungen als unzutreffend erweisen sollten, weil die Klägerin diese nur überschlägig ermittelt hat.

 

37        bb) Das Vorbringen der Klägerin zur Berechnung ihrer Vergütung ist entgegen der Auffassung der Revision auch nicht deshalb unschlüssig, weil die Klägerin keine Angaben zu einem anderweitigen Erwerb im Sinne von § 650f Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 Fall 2 BGB gemacht hat.

 

38        Darlegungs- und beweisbelastet für einen derartigen anderweitigen Erwerb ist der Besteller. Allerdings können an die Substantiiertheit seiner Darlegung je nach den Umständen des Einzelfalls keine besonderen Anforderungen gestellt werden, wenn es sich um Tatsachen aus dem alleinigen Wahrnehmungsbereich des Unternehmers handelt. Diesen kann dann eine sekundäre Darlegungslast treffen, deren Umfang sich einerseits nach der Intensität des Sachvortrags der beweisbelasteten Partei richtet und die andererseits ihre Grenzen in der Zumutbarkeit der den Prozessgegner treffenden Offenbarungspflicht findet. Ob mit dem Parteivortrag der sekundären Darlegungslast genügt ist, hat das Tatsachengericht im Einzelfall zu beurteilen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Januar 2015- VII ZR 6/14 Rn. 28 f., BauR 2015, 660 = NZBau 2015, 226; Beschluss vom 15. März 2023 - VII ZR 150/22 Rn. 41 f., BauR 2023, 1379).

 

39        Dass die Klägerin eine derartige sekundäre Darlegungslast getroffen hat, wird von der Revision nicht geltend gemacht. Sie käme ohnehin nur für anderweitigen Erwerb hinsichtlich nicht erbrachter Leistungen in Betracht, die die Klägerin durch Nachunternehmer erbringen lassen wollte, da sie - worauf die Revisionserwiderung zutreffend hinweist - für die Arbeiten, die sie selbst erbringen wollte, in ihrer Berechnung gemäß Anlage BE 1 von Ansätzen für nicht erbrachte Leistungen abgesehen hat. Nur in diesem Rahmen stellte sich dann - entgegen den nicht differenzierenden Ausführungen des Berufungsgerichts - allenfalls die Frage, ob durch die Kündigung freigewordenes Personal der Klägerin deshalb anderweitigen Erwerb erzielt hat. Keine Frage anderweitigen Erwerbs im Verhältnis zur Beklagten ist es demgegenüber, ob die bereits beauftragten Nachunternehmer aufgrund der ihnen gegenüber von der Klägerin erklärten Kündigungen anderweitigen Erwerb erzielt haben. Diese Frage beeinflusst die Höhe der ersparten Aufwendungen der Klägerin in Form der von ihr nicht mehr in vollem Umfang an die Nachunternehmer zu zahlenden Vergütung (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 1999 - VII ZR 399/97, BGHZ 140, 365, juris Rn. 38).

 

40        Damit ist die von den Anlagen BE 1 und BE 4 ausgehende Berechnung des Berufungsgerichts nicht zum Nachteil der Beklagten rechtsfehlerhaft.

 

41        c) Im Ergebnis erfolglos rügt die Revision einen Verstoß gegen § 286 ZPO, Art. 103 Abs. 1 GG dadurch, dass das Berufungsgericht den Zeugen F.    nicht zu der angeblichen Höhe des Vergütungsanspruchs beziehungsweise zu den insoweit maßgeblichen Positionen vernommen hat.

 

42        Das Berufungsgericht hat sein Vorgehen unter anderem damit begründet, dass der Zeuge zu Sachverständigenfragen gehört werden sollte, die auch bei dessen Vernehmung nicht ohne Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens entschieden werden könnten, was zu einer Verzögerung des Rechtsstreits führe. Damit liegen die Voraussetzungen vor, bei denen die Höhe der Sicherheit nach einer Kündigung - ausgehend von der ursprünglichen Vergütung - in der vom Unternehmer schlüssig dargelegten Höhe seines ihm nunmehr zustehenden Vergütungsanspruchs zu bemessen ist: Die tatsächlichen Voraussetzungen der schlüssig dargelegten Vergütungshöhe waren streitig und deren Klärung hätte zu einer Verzögerung bei der Durchsetzung des Sicherungsanspruchs geführt (vgl. BGH, Urteil vom 6. März 2014 - VII ZR 349/12 Rn. 29, BGHZ 200, 274).

 

43        Damit hat es sich nicht zu Lasten der Beklagten ausgewirkt, dass das Berufungsgericht sich im Ansatz rechtsfehlerhaft (vgl. oben Rn. 31 ff.) für befugt gehalten hat, nach seinem Ermessen die Beweisaufnahme nicht durchzuführen.

 

44        d) Ebenfalls hat sich die fehlerhafte Annahme eines Schätzungsermessens hinsichtlich der Positionen der Berechnung in der Anlage BE 4, in denen die Klägerin eine Pauschale von 10 % angesetzt hat, nicht zum Nachteil der Beklagten ausgewirkt. Denn hierbei handelt es sich ausschließlich um Leistungen, für die die Klägerin die beabsichtigten Beauftragungen von Nachunternehmern noch nicht getätigt hatte. Sie lässt sich deshalb bei ihrer auf diese Positionen entfallenden Vergütung jeweils den vollen Betrag abzüglich eines Generalunternehmerzuschlags von 10 % als ersparte Aufwendungen abziehen. Damit hat sie ihren Anspruch - was nach den obigen Grundsätzen ausreichend und maßgebend ist - schlüssig dargelegt.

 

45        e) Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die von der Beklagten erklärte Aufrechnung eines erstrangigen Teils in Höhe von 300.000 € einer angeblichen Schadensersatzforderung keine Auswirkung auf die Höhe der geschuldeten Sicherheit hat. Zugunsten der Beklagten hat das Berufungsgericht ihre Erklärung stillschweigend dahin ausgelegt, dass sich die Aufrechnung gegen den Vergütungsanspruch richtet, weil eine Aufrechnung gegen den Klageanspruch von vornherein mangels Gleichartigkeit erfolglos wäre, § 387 BGB. Zu Recht hat es unter Hinweis auf § 650f Abs. 1 Satz 4 BGB angenommen, dass eine solche Gegenforderung gleichwohl bei der Berechnung der Vergütung unberücksichtigt bleibt. Die Vorschrift erfasst nach ihrem Sinn auch eine bereits erklärte Aufrechnung (vgl. BeckOK BGB/Voit, Stand 1. November 2022, § 650f Rn. 10 m.w.N.). Es muss daher nicht entschieden werden, ob die Gegenforderung - wie das Berufungsgericht zudem angenommen hat - mangels ausreichenden Bestreitens der Beklagten zur Beauftragung der Klägerin bereits aufgrund des unstreitigen Sachverhalts nicht besteht.

 

46        f) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht allerdings bei der Berechnung des zu sichernden Vergütungsanspruchs der Klägerin einen Betrag von 52.060 € (zuzüglich Umsatzsteuer) für den Nachtrag 1 berücksichtigt.

 

47        Der Senat hat mit Versäumnisurteil vom 20. Oktober 2022 (VII ZR 154/21, BGHZ 234, 371), das im Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts noch nicht veröffentlicht war, entschieden, dass auch Ansprüche nach § 2 Abs. 5 oder 6 VOB/B in Verbindung mit § 1 Abs. 3 oder Abs. 4 Satz 1 VOB/B solche auf Zahlung einer "auch in Zusatzaufträgen vereinbarten Vergütung" im Sinne von § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. sind. Dies gilt auch, wenn die in diesen Bestimmungen vorgesehene Vereinbarung über den neuen Preis beziehungsweise über die besondere Vergütung nicht zustande kommt. Das Gericht muss in diesen Fällen für den Anspruch auf Stellung einer Sicherheit gemäß § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. feststellen, ob der Rechtsgrund für einen zusätzlichen Vergütungsanspruch nach § 2 Abs. 5 oder 6 VOB/B gegeben ist, während hinsichtlich der Höhe des Vergütungsanspruchs ein schlüssiger Vortrag des Auftragnehmers ausreicht. Gleiches gilt im Rahmen des insoweit gleichlautenden § 650f Abs. 1 Satz 1 BGB und auch im Hinblick auf etwaige Ansprüche nach § 650c Abs. 1 und 2 BGB (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 20. Oktober 2022 - VII ZR 154/21 Rn. 23, BGHZ 234, 371).

 

48        Nach diesen Maßstäben kann der mit dem Nachtrag 1 abgerechnete Betrag als Vergütung für Leistungen, die im Vertrag nicht vereinbart waren, mit der Begründung des Berufungsgerichts nicht für die Höhe der Sicherheitsleistung berücksichtigt werden. Das Berufungsgericht hat nicht - wie notwendig - festgestellt, dass der Klägerin diese Vergütung dem Grunde nach zusteht. Es hat vielmehr im Wege einer Schätzung die Wahrscheinlichkeit ausreichen lassen, dass ein solcher Anspruch durchgesetzt werden könne.

 

49        Das Berufungsurteil stellt sich jedoch in dieser Höhe aus anderen Gründen als richtig dar, § 561 ZPO. Auch ohne Berücksichtigung dieses Betrags erweist sich die Verurteilung des Beklagten zur Leistung einer Sicherheit in der vom Berufungsgericht ausgeurteilten Höhe als zutreffend. Denn das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft unter Anwendung von § 287 Abs. 2 ZPO von der maßgeblichen schlüssigen Darlegung der Vergütung einen Betrag von 437.025,62 € abgezogen, der den zu Unrecht berücksichtigten Betrag übersteigt.

 

50        3. Die Abweisung der Widerklage ist ebenfalls rechtsfehlerfrei. Diese ist bereits nach dem eigenen Vortrag der Beklagten unbegründet, so dass auch hier offenbleiben kann, ob die Angriffe der Revision gegen die Feststellungen des Berufungsgerichts betreffend die Berechtigung der Klägerin zur Errichtung der Bodenplatte (s.o. Rn. 27 f.) durchgreifen. Wie bereits das Landgericht ausgeführt hat, kommt als Anspruchsgrundlage allenfalls ein Schadensersatzanspruch der Beklagten wegen einer Eigentumsverletzung gemäß § 823 Abs. 1 BGB in Betracht. Dieser betrüge weniger als 300.000 €, da nach dem Vorbringen der Beklagten für einen Rückbau einschließlich Umsatzsteuer 327.250 € erforderlich wären, mithin ohne Umsatzsteuer nur 275.000 € (§ 249 Abs. 2 Satz 2 BGB). Mit der Widerklage ist aber nur ein 300.000 € übersteigender Betrag geltend gemacht worden.

 

III.

51        Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

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