BGH: Nichtigkeit eines Vertrags wegen sittenwidriger Kollusion
BGH, Urteil vom 28.1.2014 - II ZR 371/12
Amtlicher Leitsatz
Ein Vertrag ist wegen sittenwidriger Kollusion nichtig, wenn ein von den Voraussetzungen des § 181 BGB befreiter Bevollmächtigter seine Vollmacht missbraucht, um mit sich als Geschäftsgegner ein Geschäft zum Nachteil des Vertretenen abzuschließen. Ein solcher Fall liegt auch vor, wenn der Vertreter einen arglosen Untervertreter einschaltet oder er aufgrund seiner Vertretungsmacht einen weiteren, arglosen (Mit)-Vertreter zu dem Geschäft veranlasst und so das Insichgeschäft verschleiert.
§ 138 BGB, § 164 BGB, § 181 BGB
Sachverhalt
Die Klägerin ist mit einem Geschäftsanteil in Höhe von 6.200 € an der Beklagten zu 1, einer GmbH, beteiligt. Weitere Gesellschafter waren Ende 2008 der Beklagte zu 3, ihr mittlerweile geschiedener Ehemann, mit zwei Geschäftsanteilen von 12.350 € und 250 € (= zusammen 12.600 €) und die Q. AG, eine schweizerische Gesellschaft des Kantons Zug, mit einem Geschäftsanteil von ebenfalls 6.200 €. Die Q. AG ist, wie das Berufungsgericht in einem rechtskräftigen Teilurteil festgestellt hat, jedenfalls ein von der Beklagten zu 1 abhängiges Unternehmen, möglicherweise auch eine 100%ige Tochtergesellschaft, so dass es sich insoweit um eigene Anteile der Beklagten zu 1 handelt, aus denen Mitverwaltungsrechte nicht herzuleiten sind. Geschäftsführer der Beklagten zu 1 war der Beklagte zu 3.
Im November 2008 trennte sich der Beklagte zu 3 von der Klägerin. Mit notariell beurkundetem Geschäftsanteilskauf- und Abtretungsvertrag vom 5. Dezember 2008 übertrug der Beklagte zu 3 seine Geschäftsanteile an der Beklagten zu 1 auf die Q. AG.
Am 9. Februar 2009 hielt die Klägerin unter Verzicht auf sämtliche Frist- und Formerfordernisse eine Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 1 ab, in der sie den Beklagten zu 3 als Geschäftsführer abberief, die fristlose Kündigung seines Dienstvertrags beschloss und sich zur neuen Geschäftsführerin bestellte. Mit Schreiben vom 23. Februar 2009 informierte die Klägerin als neue Geschäftsführerin der Beklagten zu 1 den Beklagten zu 3 wie auch den Verwaltungsrat R. der Q. AG über die Abberufung des Beklagten zu 3 und forderte beide auf, keine Rechtsgeschäfte mehr vorzunehmen, insbesondere Anteilsübertragungen zu unterlassen.
Am 3. März 2009 schloss die Q. AG einen Geschäftsanteilskauf- und Abtretungsvertrag zur Übertragung ihrer Geschäftsanteile an der Beklagten zu 1 auf die Beklagte zu 2, eine Schwester des Beklagten zu 3. Dabei wurden sowohl die Beklagte zu 2 als auch die Q. AG von Rechtsanwältin M. vertreten, die in derselben Rechtsanwaltskanzlei wie der Beklagte zu 3 tätig war, der ebenfalls Rechtsanwalt ist. Soweit sie die Q. AG vertrat, handelte sie aufgrund einer von dem Verwaltungsrat R. der Q. AG am 21. Januar 2009 dem Beklagten zu 3, Rechtsanwältin M. und einem weiteren in der Kanzlei des Beklagten zu 3 tätigen Rechtsanwalt erteilten Vollmacht, die deutschem Recht unterliegen sollte. Die Bevollmächtigten waren von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit und konnten im gleichen Umfang Untervollmachten erteilen. Von der Beklagten zu 2 wurde Rechtsanwältin M. am 3. März 2009 per Telefax eine privatschriftliche Vollmacht erteilt.
Die Klägerin hat beantragt festzustellen, dass die Beklagte zu 2 nicht Gesellschafterin der GmbH geworden sei, sondern die Q. AG weiterhin neben der Klägerin Gesellschafter sei. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision der Klägerin.
Aus den Gründen
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Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
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I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Zwar möge der zeitliche Zusammenhang dafür sprechen, dass der Beklagte zu 3, obgleich er weder Gesellschafter noch Geschäftsführer war, mit der Anteilsübereignung an seine Schwester, die Beklagte zu 2, seinen Einfluss auf die Beklagte zu 1 und deren Tochtergesellschaft habe wahren wollen, so dass unterstellt werden könne, dass das Geschäft auf Veranlassung des Beklagten zu 3 zustande gekommen sei. Daraus folge aber weder ein vorsätzlich die Klägerin schädigendes Verhalten des Verwaltungsrats R. der Q. AG noch der Beklagten zu 2. Die Generalvollmacht des Verwaltungsrats R. , auf Grund derer Rechtsanwältin M. vor dem Notar aufgetreten sei, stamme vom 21. Januar 2009, also aus der Zeit vor der Gesellschafterversammlung vom 9. Februar 2009. Zwar habe die Klägerin mit Schreiben vom 23. Februar 2009 die Abberufung des Beklagten zu 3 als Geschäftsführer der Beklagten zu 1 mitgeteilt. Für ihre Behauptung, dass es danach zu einem Kontakt zwischen dem Verwaltungsrat R. und dem Beklagten zu 3 gekommen sei, bei dem der Verwaltungsrat R. von dem Beklagten zu 3 dahingehend beeinflusst worden sei, die dem Beklagten zu 3 und Rechtsanwältin M. erteilte Vollmacht nicht zu widerrufen, habe die Klägerin keinen Beweis angeboten. Gleiches gelte für ihre Behauptung, die Beklagte zu 2 habe in Schädigungsabsicht gehandelt.
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Dass die Klägerin ihre Annahme einer Kollusion bzw. Sittenwidrigkeit daher im Wesentlichen auf ein Handeln des Beklagten zu 3 stütze, welcher seine ahnungslose Mitarbeiterin Rechtsanwältin M. gezielt als Werkzeug zur Durchsetzung seiner persönlichen Interessen eingesetzt habe, indem er sie angewiesen habe, den im Wesentlichen von ihm selbst entworfenen Anteilsabtretungsvertrag beurkunden zu lassen, führe - die Richtigkeit dieses Vortrags unterstellt - nicht zu einer Unwirksamkeit der Anteilsübertragung zwischen der Q. AG und der Beklagten zu 2. Die Klägerin habe die Bösgläubigkeit der Vollmachtgeber R. und der Beklagten zu 2 nicht unter Beweis gestellt. Daher komme weder eine Anwendung von § 166 Abs. 1 BGB noch von § 166 Abs. 2 BGB in Betracht. Eine Zurechnung der möglichen Bösgläubigkeit des Beklagten zu 3 analog § 166 Abs. 2 BGB komme nicht in Frage. Rechtsanwältin M. habe aufgrund ihrer unmittelbar von dem Verwaltungsrat R. und der Beklagten zu 2 erteilten Vollmachten gehandelt. Der Beklagte zu 3 habe weder als Zwischenvertreter gehandelt noch sei er von Rechtsanwältin M. vertreten worden, sondern sei ein an dem Rechtsgeschäft nicht beteiligter Dritter. Die Zurechnung seines möglicherweise bösgläubigen Wissens oder Willens komme daher nicht in Betracht.
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II. Das Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft die Sittenwidrigkeit des Geschäftsanteilskaufvertrags bzw. der Geschäftsanteilsabtretung verneint und den Beklagten zu 3 als unbeteiligten Dritten angesehen, weil Rechtsanwältin M. aufgrund der ihr unmittelbar von dem Verwaltungsrat R. und der Beklagten zu 2 erteilten Vollmachten gehandelt habe. Nach dem Vortrag der Klägerin hat der Beklagte zu 3 den Anteilsabtretungsvertrag nicht nur entworfen, sondern Rechtsanwältin M. auch veranlasst, von der durch die Q. AG erteilten Vollmacht Gebrauch zu machen. Auch die Vollmacht seiner Schwester, der Beklagten zu 2, soll der Beklagte zu 3 besorgt haben, seine Schwester als Erwerberin nur vorgeschoben haben und auch auf ihrer Seite den Erwerb veranlasst haben. Wird dieser Vortrag der Klägerin - wie revisionsrechtlich geboten - als zutreffend unterstellt, sind Geschäftsanteilskaufvertrag und Geschäftsanteilsübertragung wegen Sittenwidrigkeit nichtig.
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1. Wenn ein Vertreter kollusiv mit dem Vertragsgegner zum Nachteil des Vertretenen ein Geschäft abschließt, verstößt das Geschäft wegen einer sittenwidrigen Kollusion gegen die guten Sitten und ist nichtig (§ 138 BGB; vgl. BGH, Urteil vom 17. Mai 1988 - VI ZR 233/87, NJW 1989, 26 f.; Urteil vom 14. Juni 2000 - VIII ZR 218/99, NJW 2000, 2896, 2697). Aus diesem Grund ist auch ein Vertrag nichtig, wenn ein von den Voraussetzungen des § 181 BGB befreiter Bevollmächtigter seine Vollmacht missbraucht, um mit sich als Geschäftsgegner ein Geschäft zum Nachteil des Vertretenen abzuschließen (BGH, Urteil vom 25. Februar 2002 - II ZR 374/00, ZIP 2002, 753; Urteil vom 13. September 2011 - VI ZR 229/09, ZIP 2011, 2005 Rn. 9). Ein Fall einer sittenwidrigen Kollusion liegt auch vor, wenn der Vertreter nicht selbst handelt, sondern einen arglosen Untervertreter einschaltet oder er aufgrund seiner Vertretungsmacht einen weiteren, arglosen (Mit)-Vertreter zu dem Geschäft veranlasst und so das Insichgeschäft verschleiert.
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2. Ein solcher Fall des kollusiven Zusammenwirkens liegt nach dem revisionsrechtlich zu unterstellenden Vortrag der Klägerin vor. Danach hat der Beklagte zu 3 Rechtsanwältin M. veranlasst, von ihrer Vollmacht für die Q. AG mit dem Verkauf an die Schwester des Beklagten zu 3 Gebrauch zu machen. Wenn Rechtsanwältin M. nicht selbst bösgläubig war, wie das Berufungsgericht angenommen hat, musste aus ihrer Sicht das Ansinnen des Beklagten zu 3 der Q. AG als formeller Inhaberin der Geschäftsanteile zuzurechnen sein, wozu in erster Linie die dem Beklagten zu 3 erteilte Vollmacht vom 21. Januar 2009 in Frage kommt. Der Beklagte zu 3 hat damit seine von der Q. AG erteilte Vollmacht missbraucht. Die Klägerin als einzige stimmberechtigte Gesellschafterin und als Geschäftsführerin der Beklagten zu 1 hatte sowohl den Verwaltungsrat der abhängigen Q. AG als auch den Beklagten zu 3 ausdrücklich angewiesen, Anteilsveräußerungen zu unterlassen. Dass eine Veräußerung der Anteile nicht im Interesse der Q. AG bzw. deren Muttergesellschaft war, war dem Beklagten zu 3 damit bekannt.
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Auch auf der Erwerberseite hat der Beklagte zu 3 gehandelt. Rechtsanwältin M. wurde der Auftrag, für die Beklagte zu 2 zu handeln, nach dem Vortrag der Klägerin vom Beklagten zu 3 erteilt, der dabei offensichtlich für seine Schwester handelte, die sich schon aus diesem Grund die Kenntnis des Beklagten zu 3 von seinem Vollmachtsmissbrauch zurechnen lassen muss. Ein Fall des bewussten Missbrauchs liegt aber auch vor, wenn der Auftrag an Rechtsanwältin M. wie die später erteilte schriftliche Vollmacht zwar von der arglosen Beklagten zu 2 erteilt wurde, sie aber vom Beklagten zu 3 als dem wirtschaftlichen Erwerber ohne eigenes Erwerbsinteresse nur vorgeschoben war und in seinem Auftrag handelte. Ein schützenswertes Vertrauen auf den Bestand der Vertretungsmacht konnte dann auf Erwerberseite nicht entstehen.
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3. Der Senat kann offenlassen, ob die Veräußerung von eigenen Geschäftsanteilen einer GmbH in die Vertretungskompetenz des Geschäftsführers fällt oder es dazu zusätzlich eines Gesellschafterbeschlusses bedarf (offen gelassen bei BGH, Urteil vom 22. September 2003 - II ZR 74/01, ZIP 2003, 2116). Denn auch dann käme es auf dieselbe sittenwidrige Kollusion an. Im vorliegenden Fall hat nicht die Beklagte zu 1 eigene Geschäftsanteile veräußert, sondern ihre Tochtergesellschaft, die Q. AG, hat Anteile an ihrer Muttergesellschaft veräußert, die dieser als eigene zuzurechnen sind. Selbst wenn eine solche Geschäftsanteilsveräußerung und -abtretung der Zustimmung der Gesellschafterversammlung der Muttergesellschaft bedürfte, wären auf die Veräußerung durch den organschaftlichen oder rechtsgeschäftlichen Vertreter der Tochtergesellschaft die Regeln über die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts wegen einer sittenwidrigen Kollusion bzw. den Missbrauch der Vertretungsmacht anzuwenden. Die Klägerin als einzige stimmberechtigte Gesellschafterin und Geschäftsführerin der Beklagten zu 1 hat die Veräußerung der Anteile ausdrücklich untersagt. Da nach dem revisionsrechtlich zu unterstellenden Vortrag der Beklagte zu 3 als rechtsgeschäftlicher Vertreter die arglose Rechtsanwältin M. weisungswidrig mit der Veräußerung beauftragt haben soll, kommt es auf das Erfordernis eines Gesellschafterbeschlusses nicht an.
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III. Das Berufungsurteil ist aufzuheben, damit das Berufungsgericht die noch erforderlichen Feststellungen treffen kann.
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Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass auch dann, wenn die Beklagte zu 2 nicht vom Beklagten zu 3 vorgeschoben wurde, sondern ein eigenes Erwerbsinteresse hatte, eine Unwirksamkeit der Anteilsübertragung nach den Grundsätzen des Missbrauchs der Vertretungsmacht in Frage kommt. Ein Missbrauch kann auch vorliegen, wenn der Vertreter von seiner Vertretungsmacht in verdächtiger Weise Gebrauch macht und sich dem anderen Vertragsteil der begründete Verdacht eines Treueverstoßes aufdrängen musste (BGH, Urteil vom 25. März 1968 - II ZR 208/64, BGHZ 50, 112, 114; Urteil vom 31. Januar 1991 - VII ZR 291/88, BGHZ 113, 315, 320; Urteil vom 2. Juli 2007 - II ZR 111/05, ZIP 2007, 1942 Rn. 69; Urteil vom 1. Februar 2012 - VIII ZR 307/10, WM 2012, 2020 Rn. 21). Die Klägerin hat vorgetragen, dass sich im Hinblick auf die zeitliche Abfolge, die ungewöhnlichen Umstände des Geschäfts, insbesondere die Eile und eine nicht nennenswerte Gegenleistung der Beklagten zu 2 für die Übertragung der Anteile, sowie die Kenntnis der Beklagten zu 2 von der Trennung und der damit verbundenen Auseinandersetzung der Eheleute der Verdacht eines Treueverstoßes des Beklagten zu 3 aufdrängen musste.