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Wirtschaftsrecht
30.04.2014
Wirtschaftsrecht
LG Frankfurt a. M.: Nichtigkeit der Abberufung eines Vorstandsmitglieds der Commerzbank

LG Frankfurt a. M., Urteil vom 22.4.2014 - 3-05 O 8/14


Amtlicher Leitsatz


Eine von Aufsichtsrat nach der Satzung zulässig beschlossene Verkleinerung des Vorstandes stellt für das einzelne Vorstandsmitglied während seiner laufenden Bestellungsperiode keinen wichtigen Grund zur Abberufung i.S.d. § 84 Abs. 3 AktG dar, selbst wenn im Übrigen im Laufe dieser Periode ein beträchtlicher Personalabbau bei der Gesellschaft erfolgen soll.


§ 84 Abs 3 AktG


Sachverhalt


Der Kläger war seit dem 1.6.2006 als Vorstandsmitglied der Beklagten, zuletzt zu einem Bruttomonatsgehalt von ca. EUR xxxxx , tätig; die organschaftliche Bestellung war im Jahre 2011 bis 31.5.2017 vom Aufsichtsrat verlängert worden.


Die Beklagte plant einen erheblichen Personalabbau. Von den ca. 30.000 Vollzeitstellen in Deutschland sollen bis Ende 2016 knapp 3000 Stellen abgebaut werden, konzernweit ist ein Abbau von ca. 5200 Stellen geplant. Die Beklagte hat hierzu mit dem Gesamtbetriebsrat am 19.6.2013 eine Gesamt-Betriebsvereinbarung abgeschlossen. Wegen der Einzelheiten hierzu wird auf die zur Akte gereicht der Gesamt-Betriebsvereinbarung (Anlage B1 Sonderband Anlagen) verwiesen. Die Beklagte hat einen Aufsichtsrat der nach den Vorschriften des Mitbestimmungsgesetzes besetzt ist. Nach der Satzung der Beklagten (§ 6 Abs. 2) obliegt es dem Aufsichtsrat, über die Größe des Vorstandes zu befinden


Der Vorstand der Beklagten bestand bislang aus neun Personen. Auf der Tagesordnung der Aufsichtsratssitzung vom 7.8.2013 war u .a. auch eine Beschlussfassung über die Abberufung des Klägers - neben einem weiteren Vorstandsmitglied - vom Vorstandsamt vorgesehen, wurde aber noch vor Beginn der Sitzung von der Tagesordnung genommen, da beabsichtigt war, eine einvernehmliche Lösung zu finden. In der Folgezeit kam es zu mehreren Gesprächen zwischen den Parteien über die Aufhebung des Vorstandsamtes des Klägers, die ergebnislos waren.


In der Aufsichtsratssitzung am 14.10.2013 wurde über eine Abberufung des Klägers abgestimmt, die Abstimmung endete 10:10, wobei die Stimmen der Arbeitnehmer sich gegen die Abberufung aussprachen. Das anschließend durchgeführte Vermittlungsverfahren nach § 31 Abs. 3 und 5 MitbestG blieb erfolglos.


In der Aufsichtsratssitzung vom 6.11.2013 wurde die Abberufung des Klägers erneut zur Abstimmung gestellt. Der erste Abstimmungsgang endete erneut 10:10. Daraufhin stellte der Aufsichtsratsvorsitzende in derselben Sitzung gemäß § 31 Abs. 4 und 5 MitbestG die Abberufung des Klägers nochmals zur Abstimmung unter Hinweis, dass er sein Zweitstimmrecht einsetzen werde. Unter Berücksichtigung des Zweitstimmrechts des Aufsichtsratsvorsitzenden endete die Abstimmung mit 11 Ja gegen 10 Nein-Stimmen für die Abberufung des Klägers, wobei der Aufsichtsratsvorsitzende mit beiden Stimmen für eine Abberufung stimmte. Der Aufsichtsratsvorsitzende stellte daraufhin fest, dass aufgrund seines Zweitstimmrechts die Abberufung des Klägers wirksam beschlossen worden sei und verkündete den Beschluss. Wegen der Einzelheiten wird auf den in Ablichtung vorgelegten Auszug des Protokolls dieser Aufsichtsratssitzung (Anlage B11, Sonderband Anlagen) verwiesen.


Im Anschluss an diese Beschlussfassung überreichte der Aufsichtsratsvorsitzende dem Kläger während einer kurzen Sitzungsunterbrechung ein Schreiben von ihm vom 6.11.2013 indem dem Kläger der Widerruf seiner Bestellung zum Mitglied des Vorstandes mitgeteilt wurde und der Aufsichtsrat beschlossen habe, den Kläger vom 15.11.2013 an von der Verpflichtung zur Tätigkeit für die Bank freizustellen. Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Schreibens wird auf die zu Akte gereichte Ablichtung dieses Schreibens (Anlage K3, Sonderband Anlagen) Bezug genommen. Eine Kündigung des schuldrechtlichen Anstellungsvertrages erfolgte nicht.


Der Kläger ist der Auffassung, dass die Abberufung rechtswidrig erfolgt sei. Die Abberufung sei formal unwirksam, grob willkürlich und verstoße gegen Treu und Glauben. Ein wichtiger Grund liege nicht vor. Die Verkleinerung des Vorstandes beruhe auf einer Idee des Vorstandsvorsitzenden B, der den Aufsichtsratsvorsitzenden insoweit unter Druck gesetzt habe. Zwar sei in der Vergangenheit über eine Verkleinerung des Vorstandes auch innerhalb des Vorstandes gesprochen worden, doch hätte dies u. a. darauf beruht, dass zwei Vorstandsmitglieder sich überlegt hatten vorzeitig auszuscheiden, bzw. bald auslaufende Verträge nicht verlängert werden sollten. Dem Kläger sei eine entsprechende Entschließung des Aufsichtsrats nicht bekannt. Die erfolglosen Gespräche über eine einvernehmliche Aufhebung seien gescheitert, weil dabei einseitig die Interessen eines Minderheitsaktionärs, der B, berücksichtigt worden seien. Bei Aushändigung des Schreibens vom 6.11.2013 sei kein Nachweis der Beschlussfassung oder eine Bevollmächtigung des Aufsichtsratsvorsitzenden zur Vornahme dieser Abberufung übergeben worden.


Die Abberufung leide bereits daher an formalen Fehlern. Zudem sei eine etwaige Abberufung verfristet erfolgt. Auch bei der Frage der Abberufung aus wichtigem Grund gem. § 84 Abs. 3 AktG sei die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB entsprechend heranzuziehen. Spätestens am 7.8.2013 habe der Aufsichtsrat jedoch die ausreichende Gewissheit etwaiger betriebsbedingter Abberufungsgründe gehabt, seit diesem Zeitpunkt sei daher die Ausschlussfrist entsprechend § 626 Abs. 2 BGB gelaufen. Jedenfalls sei eine Abberufung aus Gründen, die bereits seit Monaten dem Aufsichtsrat bekannt sein, als verwirkt anzusehen. Zudem sei die Abberufung willkürlich erfolgt. In der beabsichtigten Verkleinerung des Vorstandes läge kein wichtiger Grund i.S. von § 84 Abs. 3 AktG. Dies heble vielmehr dem Schutzgedanken des § 84 AktG aus, dass der Vorstand unabhängig sei. Die Zulassung eines derartigen Grundes gebe dem Aufsichtsrat jederzeit die Möglichkeit, auch während der Laufzeit der Bestellung ein Vorstandsmitglied abzuberufen. Andere wichtige Gründe für eine Abberufung lägen nicht vor. Zudem sei die Auswahl des Antragstellers willkürlich. Bis auf zwei Ausnahmen hätten - insoweit unstreitig - die anderen Vorstandsmitglieder kürzere Vertragslaufzeiten als der Kläger gehabt. Zudem habe der Kläger für die von ihm betreuten Segmente erfolgreich gearbeitet, was der Aufsichtsratsvorsitzend ihm gegenüber auch zum Ausdruck gebracht habe. Der Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers sei gegeben, da der Abberufung schon aus formellen Gründen keinen Bestand habe. Wegen der Einzelheiten der Klagevorbringens wird auf die Klageschriftschrift vom 29.11.2013 (Bl. 2 ff d. A.) und die ergänzenden Schriftsätze vom 14.2.2014 (Bl. 79 ff d. A.) und 14.4.2014 (Bl. 121 ff d. A..) Bezug genommen.


Der Kläger beantragt,


1.) festzustellen, dass die Abberufung des Klägers zum Vorstandmitglied vom 6.11.2013 nichtig ist;


hilfsweise


die Abberufung des Klägers zum Vorstandmitglied vom 6.11.2013 für unwirksam zu erklären;


2.) die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Bedingungen gemäß dem Anstellungsvertrag vom 12.8.2011 als Vorstandsmitglied bis zum 31.5.2017 tatsächlich zu beschäftigen.


Die Beklagte beantragt,


die Klage abzuweisen.


Die Beklagte ist der Auffassung, dass ein wichtiger Grund für die Abberufung des Klägers durch die vom Aufsichtsrat beschlossene Verkleinerung des Vorstandes und dem bei der Beklagten stattfindenden allgemeinen Personalabbau vorliege. Zudem sei die Verkleinerung des Vorstandes auch ohnehin sinnvoll, um die Effizienz und Arbeitsfähig zu erhöhen. In einer Aufsichtsratssitzung vom 7.8.2013 habe der Aufsichtsrat der Beklagten beschlossen, den Vorstand auf sieben Mitglieder zu verkleinern, was auch angesichts des geschrumpften Geschäftsvolumens der Beklagten geboten gewesen sei und zudem auf einer Initiative des Vorstandes beruhe, die auch vom Kläger getragen worden sei. Zudem habe ein Formfehler nicht vorgelegen und werde vom Kläger auch nicht hinreichend dargelegt. Der Abberufungsbeschluss des Aufsichtsrats sei formell ordnungsgemäß zustande gekommen. Die Abberufung sei mit der erforderlichen Mehrheit nach § 31 MitbestG erfolgt. Es komme auch nicht darauf an, dass dem Abberufungsschreiben nicht der entsprechende Beschluss des Aufsichtsrates beigefügt war. Dem Kläger sei bereits zuvor der vorgesehene Beschlussvorschlag bekannt gewesen. Die Abberufung eines Vorstandsmitgliedes erfolge durch die entsprechende Willenserklärung gegenüber diesem Vorstandsmitglied wozu der Aufsichtsratsvorsitzende hier gemäß § 14 Abs. 9 der Satzung der Beklagten Vertretungsmacht gehabt habe. Zudem habe der Kläger nicht unverzüglich die Abberufungserklärung analog § 174 BGB zurückgewiesen. Die Abberufung sei auch nicht verfristet. Eine Frist für die Abberufung aus wichtigem Grund gebe es nicht. Auch eine Verwirkung sei nicht eingetreten. Wenn sich der Aufsichtsrat bemühe eine einvernehmliche Lösung mit dem Vorstandsmitglied zu finden, könne es beim Scheitern der Gespräche nicht zu einer Verwirkung führen. Die einvernehmliche Lösung sei am Kläger gescheitert, der darauf bestanden habe, dass eine Anrechnung künftiger Bezüge entgegen § 615 BGB nicht erfolgen solle. Die beschlossene Verkleinerung des Vorstandes stelle zudem einen wichtigen Grund dar. Dies beruhe auf einer nachvollziehbaren sachlichen Erwägung, da der Personalabbau bei der Beklagten sich auf alle Ebenen erstrecken müsse. Zudem sei angesichts des Alters des Klägers von 47 Jahren die Abberufung auch nicht unzumutbar, zumal die vom Klägern betreuten Segmente überdies zurückgefahren würden und problemlos auf andere Vorstandmitglieder übertragen werden könnten. Der geltend gemachte Weiterbeschäftigungsanspruch bestehe angesichts der gesetzlichen Regelung des § 84 Abs. 3 S. 4 AktG über die Wirksamkeit einer Abberufung nicht. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten wird auf die Klageerwiderung der Beklagten vom 16.1.2014 (Bl. 34 ff d. A.) und die ergänzenden Schriftsätze vom 13.3.2014 (Bl. 106 ff d. A.) und 17.4.2014 Bezug genommen.


Aus den Gründen


Die Klage ist hinsichtlich des Feststellungsbegehrens auf Nichtigkeit für den Aufsichtsratsbeschluss vom 6.11.2013 begründet; im Übrigen ist sie zur Zeit unbegründet.


Auf den Antrag des Klägers war die Nichtigkeit des Aufsichtsratsbeschluss über die Abberufung des Klägers aus dem Vorstand der Beklagten vom 6.11.2013 festzustellen, woraus sich die Unwirksamkeit der Abberufung ergibt.


Die Beklagte war nicht gem. § 84 Abs. 3 AktG zum Widerruf der Bestellung berechtigt. Der Widerruf der Bestellung setzt das Vorliegen eines wichtigen Grundes voraus.


Ein solcher wichtiger Grund liegt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht in der beabsichtigten Personalreduzierung der der damit einhergehenden Verkleinerung des Vorstandes der Beklagten.


Ein wichtiger Grund, aus dem der Aufsichtsrat ein Vorstandsmitglied gem. § 84 Absatz 3 AktG abberufen kann, liegt nach ganz herrschender Meinung (vgl. Fleischer in Spindler/Stilz, AktG. 2. Aufl., § 84 Rn 100 mwN) - die die Kammer teilt - dann vor, wenn die Fortsetzung des Organverhältnisses bis zum Ende der regulären Amtszeit des Vorstandsmitglieds für die Gesellschaft auf Grund von bestimmten Umständen, wie sie in S. 2 der Vorschrift als Beispiels- oder Unterfälle aufgeführt sind, unzumutbar ist (BGH NZG 2007, 189, OLG Stuttgart NZG 2002, 971). Auf ein Verschulden des Vorstandsmitglieds kommt es nicht entscheidend an. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls gegeneinander abzuwägen.


Das Gesetz will auf diese Weise die Leitungsautonomie des Vorstands institutionell absichern. Der Aufsichtsrat sollte dem Vorstand die Unternehmensleitung nicht durch Androhung freier Abberufung „aus den Händen winden" und ihn „zu seinem ausführenden Organ" machen können (vgl. BGH NJW 1961, 1306; Fleischer aaO Rn 99, ders. DStR 2006, 1507 mwN).


Unter dieser Prämisse ist zwar nicht auszuschließen, dass Gründe die nicht in der Person des Abberufenen liegen, sondern nur sog. betriebsbedingte Gründe darstellen, eine Abberufung ggf. rechtfertigen könnten, doch ist ergibt sich daraus, dass in diesen Fällen eine besondere Zurückhaltung geboten ist, und derartige „betriebsbedingte" Gründe eine Abberufung nur rechtfertigen können, wenn der Gesellschaft aus betrieblichen d. h. wirtschaftlichen Gründen ein Festhalten an der Bestellungsentscheidung bis zum Ablauf der Bestellungsperiode nicht zumutbar wäre (BGH NJW-RR 2007, 389 sowie zur Kasuistik mit Rechtsprechungsnachweisen vgl. Tschöpe/Wortmann NZG 2009, 161; Fleischer aaO).


Dies ist hier aber nicht erkennbar. Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass die Belassung des Klägers im Vorstandsamt zu schweren wirtschaftlichen Nachteilen für sie führt, geschweige denn aus wirtschaftlichen Gründen unzumutbar wäre. Allein dass allgemein ein erheblicher Personalabbau bei der Beklagten und eine Verschlankung des Vorstandes (so ausdrücklich auch, trotz im Übrigen großzügiger Annahme von betriebsbedingten Gründen als wichtigem Grund, Thüsing in Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts § 5 Rn 10) sowie einer Umstrukturierung der Geschäftsfelder mit Abbau von bestimmten Segmenten erfolgen soll, rechtfertigt nicht die Abberufung des Klägers aus wichtigen Grund vor Ablauf der Bestellungszeit und damit die Beseitigung des dargelegten Schutzes den § 84 AktG für den Kläger als bestelltem Vorstandsmitglied, dem unstreitig persönliche Versäumnisses in der Amtsführung nicht vorgeworfen werden.


Warum der Beklagten aus wirtschaftlichen Gründen es unzumutbar sein soll, nicht an der Bestellungsentscheidung des Klägers in den Vorstand bis zum Ablauf der Bestellung am 31.5.2017 festzuhalten, ist nicht erkennbar.


Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass nach der Satzung der Beklagten der Aufsichtsrat berechtigt ist, eine Verkleinerung des Vorstandes vorzunehmen und die bislang vom Kläger erbrachten Funktionen auf andere Vorstandsmitglieder zu übertragen. Diese Ermächtigung besagt nur, dass der Aufsichtsrat die Kompetenz hat, die Anzahl der Vorstände zu bestimmen und danach seine Bestellungsentscheidungen auszurichten. Diese an den Aufsichtsrat durch die Satzung übertragene Befugnis gibt jedoch dem Aufsichtsrat keine Berechtigung entgegen der gesetzlichen Regelung ohne wichtigen Grund eine bereits erfolgte Bestellung zu beseitigen. Vielmehr ist diese Befugnis dahin zu verstehen, dass bei Ausscheiden eines Vorstandsmitglieds, der Vorstand dann durch Verzicht auf Neuberufung verkleinert werden kann. Würde man allein schon eine nach der Satzung zulässige Entscheidung des Aufsichtsrats den Vorstand zu verkleinern als wichtigen Grund für eine Abberufung nach § 83 Abs. 3 AktG genügen lassen, so liefe der Schutz des Vorstandes für die ihm obliegenden eigenverantwortlichen Leitung leer, da es dann der Aufsichtsrat immer in der Hand hätte, durch eine entsprechende Beschlussfassung über die Verkleinerung des Vorstandes einen wichtigen Grund für die Abberufung einzelner Vorstandsmitglieder zu schaffen, d. h. die von § 76 AktG geforderte Unabhängigkeit des Vorstandes (vgl. Weber in Hölters, AktG, 2. Aufl., § 84 Rn 69 mwN) wäre nicht mehr gegeben. Es ist schon fraglich, ob bei einer Entscheidung des Aufsichtsrats über die Verkleinerung des Vorstandes während bestehender Bestellungszeiten aller Vorstandsmitgliede dies sofort eine Rechtswirkung hat, d.h. hier eine sog. Überbesetzung des Vorstands ab diesem Zeitpunkt vorliegt, oder ob diese Entscheidung nicht erst dann Rechtswirkung entfaltet mit Ablauf der noch offenen kürzesten Bestellungsfrist von Vorstandsmitgliedern, d.h. die (zuerst) auslaufenden Vorstandsbestellungen dürften nicht verlängert oder neu besetzt werden, bis die nunmehr nach der Entscheidung des Aufsichtsrats festgelegte Anzahl der Vorstandsmitglieder erreicht ist. Aber selbst wenn man sofort ab der Entscheidung des Aufsichtsrats über die Verkleinerung des Vorstandes eine sog. Überbesetzung des Vorstandes annehmen wollte, rechtfertigt dies im vorliegenden Fall nicht, eine Abberufung des Klägers aus - einem vom Aufsichtsrat dann selbst geschaffenen - wichtigem Grund (so wohl ohne nähere Differenzierung Weber aaO § 76 Rn 65; Oltmanns in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 4.Aufl., AktG § 76 Rn 20). Hier ist vielmehr mit der überwiegenden Meinung im Schrifttum (Mertens/Cahn in Kölner Komm, AktG, 3. Aufl., § 76 Rn 109; Kort in Großkomm AktG, 4. Auf., § 76 Rn 198; Fleischer in Spindler/Stilz, aaO § 76 Rn 114) darauf abzustellen, dass hier dann auch eine Kündigung des Anstellungsvertrages aus wichtigem Grund möglich sein muss, was unstreitig vorliegend nicht gegeben ist.


Unbegründet ist die Klage jedoch derzeit, soweit der Kläger begehrt, dass die Beklagte zu ihn unveränderten Bedingungen gemäß dem Anstellungsvertrag vom 12.8.2011 als Vorstandsmitglied bis zum 31.5.2017 tatsächlich zu beschäftigen.


Diesem Anspruch des Klägers steht entgegen, dass nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 84 Ab. 3 S. 4 AktG der Widerruf der der Bestellung zum Vorstand wirksam ist, bis seine Unwirksamkeit rechtskräftig festgestellt ist. Nur die rechtskräftige Feststellung der Unwirksamkeit führt zum Wiederaufleben des Organverhältnisses. Die Organstellung des Abberufenen endet damit zunächst mit Zugang der Widerrufserklärung oder Eintritt des für das Wirksamwerden des Widerrufs festgelegten Zeitpunkts, auch wenn ein wichtiger Grund nicht vorgelegen haben sollte (vgl. Weber aaO, Rn 79 mwN) und erst mit Rechtskraft der Entscheidung über die Unwirksamkeit, bzw. Nichtigkeit der Abberufung rückt der Abberufene ohne weiteres wieder in seine Position als Vorstandsmitglied ein. Der geltend gemachte Beschäftigungsanspruch des Klägers und damit auch dessen Fälligkeit besteht daher erst mit rechtskräftiger Feststellung über eine Unwirksamkeit der Abberufung. Ob dem Kläger dieser Beschäftigungsanspruch zusteht, stand aber zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor der Kammer nicht fest. Die Kammer kann ihrer Entscheidung nur den Prozessstoff zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zugrunde legen (vgl. BGH MDR 1996, 30; Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl. § 300 Rn 3). Zu diesem Zeitpunkt stand aber nicht rechtskräftig fest, dass die Abberufung des Klägers aus wichtigem Grund nicht wirksam ist. Dies ist erst gegeben, wenn die insoweit stattgebende Entscheidung dieses Urteils in Rechtskraft erwächst.


Soweit vertreten wird, dass bei formalen Fehlern bei der Abberufungsentscheidung diese Rechtsfolgen nicht eintreten (vgl. Fleischer aaO Rn 130 mwN) hat die Kammer bereits im einstweiligen Verfügungsverfahren des Klägers gegen die Beklagten gegen die Abberufung (LG Frankfurt/Main - 3-05 O 239/13 -) dies geprüft - und in ihrem von Kläger auch nicht angegriffenen den Antrag zurückweisenden Urteil vom 17.12.2013 hierzu Folgendes ausgeführt:


 „Ob der Ausschluss des einstweiligen Verfügungsverfahrens - wie die Beklagte meint - auch für formelle Mängel der Abberufung zu gelten hat (so Schürnbrandt aaO), kann letztlich dahingestellt bleiben, da der Kläger keine derartigen formellen Mängel aufgezeigt hat. Es ist nicht ersichtlich und wird vom Kläger auch nicht näher dargelegt, dass der Aufsichtsrat der Beklagten in der Sitzung vom 6.11.2013 in formell fehlerhafter Weise den Abberufungsbeschluss gefasst hat.


Auch die Mitteilung der Abberufung an den Kläger durch das Schreiben vom 6.11.2013 führt zu keinem formellen Fehler. Unabhängig davon, dass dem Kläger schon im Vorfeld der Aufsichtsratssitzung bekannt war, welche Beschlussfassung hinsichtlich seiner Abberufung zur Entscheidung anstand, brauchte bei der Mitteilung an den Kläger über die Abberufung dieser Beschluss ihm nicht übergeben zu werden. Hierzu besteht keine Verpflichtung, zumal der Beschluss keine Gründe enthalten muss (vgl. Fleischer aaO Rn 124, Reichard aaO). Der Kläger behauptet selbst nicht, dass ihn nicht in entsprechender Anwendung des § 626 Abs. 2 Satz 3 BGB die Gründe auf ein Verlangen von ihm nicht mitgeteilt worden wären. Es genügte für den ordnungsgemäßen Zugang der Abberufungsentscheidung beim Kläger, dass ihm das Schreiben des Aufsichtsratsvorsitzenden vom 6.11.2013 übergeben wurde, da sich hieraus die in der Abberufungsentscheidung des Aufsichtsrats enthaltende Willenserklärung über seine Abberufung ergibt. Hierzu war der Aufsichtsratsvorsitzende auch ermächtigt, da diesem nach § 14 Abs. 9 der Satzung der Beklagten obliegt, die Willenserklärungen des Aufsichtsrats (nach außen gegenüber dem Erklärungsempfänger) abzugeben."


Es besteht auch im vorliegenden Rechtsstreit keine Veranlassung von dieser Ansicht abzuweichen.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO; wobei die Kammer das Begehren des Klägers hinsichtlich der beiden Haupanträge, über die eine Entscheidung erging, gleich gewichtet hat.


Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit, die nur die (Hälfte der) vom Kläger verauslagten Gerichtskosten betrifft, hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 ZPO.

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