EuG: Nichtigerklärung der Eintragung der Marke „La Mafia se sienta a la mesa“ als Unionsmarke
EuG, Urteil vom 15.3.2018 – T 1/17 , La Mafia Franchises, SL / Amt der Europäischen Union für geistigen Eigentum (EUIPO)
ECLI:EU:T:2018:146
Volltext: BB-ONLINE BBL2018-705-1
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Vorgeschichte des Rechtsstreits
Am 30. November 2006 meldete die La Honorable Hermandad, SL, deren Rechtsnachfolgerin die Klägerin, die La Mafia Franchises, SL, ist, nach der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EG] Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke [ABl. 2009, L 78, S. 1] in geänderter Fassung, diese wiederum ersetzt durch die Verordnung [EU] 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke [ABl. 2017, L 154, S. 1]) beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eine Unionsmarke an.
Bei der Marke, deren Eintragung beantragt wurde, handelt es sich um die folgende Bildmarke:
Die Marke wurde für folgende Waren und Dienstleistungen der Klassen 25, 35 und 43 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:
– Klasse 25: „Schuhwaren (ausgenommen orthopädische), Bekleidungstücke, T‑Shirts, Mützen“;
– Klasse 35: „Beratung bei der Organisation und Führung von Unternehmen; Hilfe bei der Geschäftsführung; Beratung in Fragen der Geschäftsführung; Beratungsdienste in Fragen der Geschäftsführung; Unterstützung beim Betrieb von Franchiseunternehmen; Werbung; Franchisevergabe in Bezug auf die Verpflegung von Gästen und den Betrieb von Café‑Restaurants“;
– Klasse 43: „Verpflegung von Gästen, Betrieb von Bars, Cafeterien, Café‑Restaurants“.
Die Anmeldung wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 24/2007 vom 11. Juni 2007 veröffentlicht. Die angegriffene Marke wurde am 20. Dezember 2007 unter der Nr. 5510921 eingetragen.
Am 23. Juli 2015 stellte die Italienische Republik beim EUIPO einen Antrag auf Nichtigerklärung der angegriffenen Marke für sämtliche Waren und Dienstleistungen, für die diese eingetragen worden war.
Dieser Antrag wurde auf den in Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung 2017/1001) genannten Nichtigkeitsgrund gestützt. Die Italienische Republik machte im Wesentlichen geltend, dass die angegriffene Marke gegen die öffentliche Ordnung und gegen die guten Sitten verstoße, weil sich das Wortelement „Mafia“ auf eine kriminelle Organisation beziehe und weil dessen Benutzung in dieser Marke, die im Hinblick auf die Bezeichnung der Restaurantkette der Klägerin stattfinde, nicht nur ausgesprochen negative Gefühle hervorrufe, sondern auch dazu führe, das positive Erscheinungsbild der italienischen Gastronomie zu „verfälschen“ und die negative Bedeutung dieses Elements zu verharmlosen.
Mit Entscheidung vom 3. März 2016 gab die Nichtigkeitsabteilung dem Antrag auf Nichtigerklärung statt.
Am 29. April 2016 legte die Klägerin gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung Beschwerde ein.
Mit Entscheidung vom 27. Oktober 2016 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) bestätigte die Erste Beschwerdekammer des EUIPO, dass die angegriffene Marke gegen die öffentliche Ordnung verstoße, und wies die Beschwerde zurück.
Die Beschwerdekammer stellte zunächst klar, dass die Frage, ob die angegriffene Marke gegen die öffentliche Ordnung verstoße, anhand der Auffassung der maßgeblichen Verkehrskreise in der Europäischen Union oder eines Teils derselben zu beantworten sei, da eine Eintragung einer Unionsmarke zu löschen sei, wenn ein Nichtigkeitsgrund auch nur in einem Teil der Union vorliege.
Anschließend stellte die Beschwerdekammer fest, dass das Wortelement „La Mafia“ angesichts seiner Größe und seiner Positionierung in der angegriffenen Marke diese Marke dominiere. Die Mafia sei eine kriminelle Organisation, die von der italienischen Regierung mit Hilfe spezieller Rechtsvorschriften und Anwendungsmaßnahmen bekämpft werde. Darüber hinaus sei die Bekämpfung der organisierten Kriminalität auch eines der wichtigsten Ziele der Einrichtungen der Europäischen Union. In Sachen, in denen gegen die Grundsätze und die Grundwerte der europäischen Gesellschaft verstoßen werde, sei das EUIPO zur Aufrechterhaltung eines strikten Standpunkts verpflichtet, so dass es die Eintragung jeder Unionsmarke wegen eines Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung zu verweigern habe, wenn sie den Gedanken auslösen könne, dass sie der Unterstützung einer kriminellen Organisation diene oder ihr nutze. Am Ende dieser Prüfung stellte die Beschwerdekammer zum einen fest, dass die angegriffene Marke die unter dem Namen Mafia bekannte kriminelle Organisation offenkundig fördere, und zum anderen, dass die Wortelemente der angegriffenen Marke insgesamt eine Botschaft von Geselligkeit zum Ausdruck brächten und das Wortelement „Mafia“ verharmlosten, womit sie dem von diesem Element vermittelten Ernst nicht gerecht würden.
Schließlich bestätigte die Beschwerdekammer, dass die angegriffene Marke nicht vom EUIPO geschützt werden dürfe, und dass diese Feststellung weder dadurch beeinflusst werden könne, dass das Wortelement „Mafia“ häufig in der Literatur und im Kino verwendet worden sei, noch dadurch, dass andere Unionsmarken, die ebendieses Element enthielten, vom EUIPO eingetragen worden seien.
Anträge der Verfahrensbeteiligten
Die Klägerin beantragt,
– die angefochtene Entscheidung aufzuheben;
– die angegriffene Marke für gültig zu erklären;
– dem EUIPO die Kosten aufzuerlegen.
Das EUIPO und die Italienische Republik beantragen,
– die Klage abzuweisen;
– der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.
Rechtliche Würdigung
Zur Zulässigkeit der erstmals vor dem Gericht vorgetragenen Argumente
15 Das EUIPO hält die Anlagen A.7, A.8 und A.9 der Klageschrift sowie die Bilder und Links, die in den Rn. 44, 46 und 54 der Klageschrift enthalten sind und die auf Internetseiten verweisen, für unzulässig. Diese Beweise seien nämlich in keiner Phase des Verfahrens vor dem EUIPO vorgelegt worden.
16 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es in Anbetracht des in Art. 65 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 72 der Verordnung 2017/1001) vorgesehenen Gegenstands der Klage nicht Aufgabe des Gerichts ist, im Rahmen einer solchen Klage den Sachverhalt im Licht erstmals bei ihm eingereichter Unterlagen zu prüfen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 24. November 2005, Sadas/HABM – LTJ Diffusion [ARTHUR ET FELICIE], T‑346/04, EU:T:2005:420, Rn. 19, und vom 9. Februar 2017, International Gaming Projects/EUIPO – adp Gauselmann [TRIPLE EVOLUTION], T‑82/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:66, Rn. 16).
17 Im vorliegenden Fall sind die oben in Rn. 15 genannten Beweise – wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat – erstmals im Rahmen der Klage vor dem Gericht eingereicht worden. Diese Beweise sind daher als unzulässig zurückzuweisen, ohne dass ihre Beweiskraft geprüft zu werden braucht.
Zur Begründetheit
18 Zur Stützung ihrer Klage beruft sich die Klägerin auf einen einzigen Klagegrund, mit dem sie einen Verstoß gegen Art. 52 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 59 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2017/1001) in Verbindung mit deren Art. 7 Abs. 1 Buchst. f rügt.
19 Die Klägerin macht zunächst geltend, dass weder die unter dem Namen „Mafia“ bekannte Organisation noch ihre Mitglieder in der Liste im Anhang des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (ABl. 2001, L 344, S. 93) aufgeführt seien, auf den sich die Prüfungsleitlinien des EUIPO zwecks Veranschaulichung des Verbots der Eintragung von gegen die öffentliche Ordnung im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 verstoßenden Unionsmarken bezögen.
20 Nach der Praxis des EUIPO und der Rechtsprechung sei eine Unionsmarke als Ganzes zu prüfen. Dass die angegriffene Marke auf das Wortelement „Mafia“ verweise, reiche nicht zur Annahme, der Durchschnittsverbraucher verstehe sie dahin, dass sie diese kriminelle Organisation fördere oder unterstütze. Die übrigen Elemente, aus denen diese Marke bestehe, implizierten vielmehr, dass sie als eine Art Parodie oder Bezugnahme auf die Filme der Saga „Der Pate“ aufgefasst werde.
21 Überdies seien die von der angegriffenen Marke erfassten Waren und Dienstleistungen keine „kommunizierenden“ Dienstleistungen, d. h. Dienstleistungen, deren Verwendungszweck darin liege, anderen eine Botschaft zu überbringen. Folglich sei die angegriffene Marke nicht mit dem Ziel eingetragen worden, zu beleidigen, Anstoß zu erregen oder zu bedrohen. Die breite Öffentlichkeit verstehe vielmehr, dass die angegriffene Marke eingetragen worden sei, um eine Restaurantkette zu bezeichnen, deren Konzept nicht auf eine kriminelle Organisation, sondern auf die Filme der Saga „Der Pate“ – und insbesondere auf die Werte der Familie und der Kameradschaft – Bezug nehme, die diese Filme zeigten.
22 Schließlich sei eine große Anzahl von Unionsmarken und italienischen Marken, die den Begriff „Mafia“ enthielten, vorschriftsmäßig und rechtswirksam eingetragen worden. Zwecks Veranschaulichung nennt die Klägerin u. a. zwei Entscheidungen der Beschwerdekammer des EUIPO, die ihr zufolge Ähnlichkeiten mit der vorliegenden Rechtssache aufweisen, nämlich die Entscheidung vom 13. Januar 2012 in der Sache R 1224/2011-4 betreffend die Anmeldung der Unionsmarke MAFIA II und die Entscheidung vom 7. Mai 2015 in der Sache R 2822/2014-5 betreffend die Anmeldung der Unionsmarke CONTRA-BANDO.
23 Das EUIPO und die Italienische Republik treten allen diesen Argumenten entgegen.
24 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. f in Verbindung mit Art. 52 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 Marken, die gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstoßen, für nichtig erklärt werden.
25 Das diesem absoluten Eintragungshindernis zugrunde liegende Allgemeininteresse besteht darin, die Eintragung von Zeichen zu verhindern, deren Benutzung im Gebiet der Union gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstoßen würde (Urteile vom 20. September 2011, Couture Tech/HABM [Darstellung des sowjetischen Staatswappens], T‑232/10, EU:T:2011:498, Rn. 29, und vom 26. September 2014, Brainlab/HABM [Curve], T‑266/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:836, Rn. 13). Der Eintragung einer Marke als Unionsmarke steht dieses absolute Eintragungshindernis insbesondere dann entgegen, wenn das Zeichen zutiefst beleidigend ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Oktober 2011, PAKI Logistics/HABM [PAKI], T‑526/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2011:564, Rn. 12).
26 Bei der Beurteilung des in Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 vorgesehenen Eintragungshindernisses kann weder auf die Wahrnehmung des Teils der maßgeblichen Verkehrskreise abgestellt werden, der unempfindlich ist, noch auf die Wahrnehmung des Teils dieser Kreise, der besonders leicht Anstoß nimmt, sondern es müssen die Kriterien einer vernünftigen Person mit durchschnittlicher Empfindlichkeits- und Toleranzschwelle zugrunde gelegt werden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. Oktober 2011, PAKI, T‑526/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2011:564, Rn. 12, vom 9. März 2012, Cortés del Valle López/HABM [¡Que buenu ye! HIJOPUTA], T‑417/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:120, Rn. 21, und vom 14. November 2013, Efag Trade Mark Company/HABM [FICKEN LIQUORS], T‑54/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:593, Rn. 21).
27 Des Weiteren können die maßgeblichen Verkehrskreise für die Prüfung des in Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 vorgesehenen Eintragungshindernisses nicht auf die Verkehrskreise begrenzt werden, an die sich die Waren und Dienstleistungen, auf die sich die Anmeldung bezieht, unmittelbar richten. Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass die von diesem Eintragungshindernis erfassten Zeichen nicht nur bei den Verkehrskreisen, an die sich die von dem Zeichen erfassten Waren und Dienstleistungen richten, sondern auch bei anderen Personen Anstoß erregen, die dem Zeichen, ohne an den genannten Waren und Dienstleistungen interessiert zu sein, im Alltag zufällig begegnen (vgl. Urteile vom 14. November 2013, Efag Trade Mark Company/HABM [FICKEN], T‑52/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:596, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 26. September 2014, Curve, T‑266/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:836, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).
28 Es ist auch darauf hinzuweisen, dass sich die maßgeblichen Verkehrskreise in der Union definitionsgemäß im Gebiet eines Mitgliedstaats befinden, und dass die Zeichen, die als gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstoßend angesehen werden können, insbesondere aus sprachlichen, historischen, sozialen und kulturellen Gründen nicht in allen Mitgliedstaaten die gleichen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. September 2011, Darstellung des sowjetischen Staatswappens, T‑232/10, EU:T:2011:498, Rn. 31 bis 33).
29 Daraus folgt, dass für die Anwendung des absoluten Eintragungshindernisses gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 sowohl auf die allen Mitgliedstaaten gemeinsamen Umstände abzustellen ist, als auch auf die besonderen Umstände in den einzelnen Mitgliedstaaten, die einen Einfluss auf die Wahrnehmung der maßgeblichen Verkehrskreise im Gebiet dieser Staaten haben können (Urteil vom 20. September 2011, Darstellung des sowjetischen Staatswappens, T‑232/10, EU:T:2011:498, Rn. 34).
30 Im vorliegenden Fall ist erstens, wie es die Beschwerdekammer in Rn. 24 der angefochtenen Entscheidung getan hat, darauf hinzuweisen, dass die angegriffene Marke ein komplexes Zeichen ist, das aus einem schwarzen Hintergrund in Form eines Quadrats besteht, in dem sich die Wortelemente „La Mafia“ und „se sienta a la mesa“ in weißer Schrift befinden. Im Hintergrund hinzugefügt ist die Darstellung einer roten Rose.
31 Das Wortelement „La Mafia“ hebt sich sowohl aufgrund des von ihm eingenommenen Raumes als auch aufgrund seiner zentralen Position in der angegriffenen Marke von den übrigen Elementen ab. Somit kommt dem anderen Wortelement „se sienta a la mesa“ eine zweitrangige Bedeutung zu, weil es unter dem Wortelement „La Mafia“ platziert ist und in deutlich kleineren Buchstaben erscheint. Dasselbe gilt für die rote Rose im Hintergrund des Wortelements „La Mafia“.
32 Daher hat die Beschwerdekammer in Rn. 25 der angefochtenen Entscheidung fehlerfrei festgestellt, dass das Wortelement „La Mafia“ in der angegriffenen Marke dominierend sei.
33 Zweitens ist zunächst das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, wonach die Mafia nicht unter den terroristischen Vereinigungen genannt sei, die im Gemeinsamen Standpunkt 2001/931 aufgezählt seien, auf den sich die Prüfungsleitlinien des EUIPO bezögen (Teil B, Abschnitt 4).
34 Wie sich aus Art. 1 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 ergibt, sind in der in seinem Anhang enthaltenen Liste nur die Personen, Vereinigungen und Körperschaften genannt, die an terroristischen Handlungen beteiligt sind. Ziel dieser Liste ist nicht die Aufzählung der Personen, Vereinigungen und Körperschaften, die an anderen Arten krimineller Tätigkeiten beteiligt sind. Wird in einer Anmeldemarke auf diese verwiesen, so kann dies ebenfalls die Anwendung des in Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 vorgesehenen absoluten Eintragungshindernisses rechtfertigen. Im Übrigen ist schon aus dem Wortlaut der auf den Gemeinsamen Standpunkt 2001/931 Bezug nehmenden Passage der Prüfungsleitlinien des EUIPO ersichtlich, dass das EUIPO hervorheben wollte, dass die von den Leitlinien zwecks Veranschaulichung des absoluten Eintragungshindernisses im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 angeführten Beispiele nicht abschließend sind.
35 Das Wortelement „La Mafia“ wird weltweit als Hinweis auf eine kriminelle Organisation verstanden, die ihre Ursprünge in Italien hat und deren Tätigkeiten sich über die Italienische Republik hinaus auf andere Staaten, insbesondere solche in der Union, ausgebreitet haben. Im Übrigen ist bekannt, dass diese kriminelle Organisation, wie die Beschwerdekammer in Rn. 26 der angefochtenen Entscheidung festgestellt hat, zur Ausführung ihrer Tätigkeiten auf Einschüchterung, körperliche Gewalt und Mord zurückgreift, wobei zu diesen Tätigkeiten u. a. der illegale Drogenhandel, der illegale Waffenhandel, die Geldwäsche und die Korruption gehören.
36 Das Gericht ist der Ansicht, dass derartige kriminelle Tätigkeiten gegen die Grundrechte der Union verstoßen, insbesondere gegen die Werte der Achtung der Menschenwürde und der Freiheit, wie sie in Art. 2 EUV und in den Art. 2, 3 und 6 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vorgesehen sind. Diese Werte sind unteilbar und bilden das geistig-religiöse und sittliche Erbe der Union. Zudem stellen die organisierte Kriminalität und die oben in Rn. 35 genannten Tätigkeiten allesamt Bereiche besonders schwerer Kriminalität dar, die eine grenzüberschreitende Dimension aufweisen und in denen gemäß Art. 83 AEUV ein Tätigwerden des Unionsgesetzgebers vorgesehen ist. Wie das EUIPO und die Italienische Republik hervorheben, werden zur Bekämpfung der Mafia zahlreiche Anstrengungen unternommen und erhebliche Ressourcen aufgewendet, und zwar nicht nur von der italienischen Regierung, sondern auch auf Ebene der Union, da die organisierte Kriminalität eine ernsthafte Bedrohung für die Sicherheit im gesamten Unionsgebiet darstellt.
37 Schließlich wird das Wortelement „La Mafia“ in Italien als äußerst negativ wahrgenommen, da diese kriminelle Organisation die Sicherheit dieses Mitgliedstaats schwerwiegend beeinträchtigt. Die Bedeutung, die die Bekämpfung der Mafia in Italien aufweist, wird anhand der vom EUIPO und von der Italienischen Republik ins Treffen geführten repressiven Bestimmungen in diesem Mitgliedstaat deutlich, die insbesondere die Zugehörigkeit zu dieser Organisation oder deren Unterstützung betreffen. Die Bedeutung, die der Bekämpfung der Mafia in Italien zukommt, wird zudem dadurch verstärkt, dass es dort zahlreiche öffentliche Einrichtungen, deren Aufgabe speziell die Verfolgung und die Ahndung der illegalen Tätigkeiten der Mafia ist, sowie private Vereinigungen gibt, die sich der Opfer dieser Organisation annehmen.
38 Folglich hat die Beschwerdekammer zu Recht angenommen, dass das Wortelement „La Mafia“ der angegriffenen Marke die angesprochenen Verkehrskreise offenkundig an den Namen einer kriminellen Organisation denken lässt, die für besonders schwerwiegende Verstöße gegen die öffentliche Ordnung verantwortlich ist.
39 Drittens macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, die einschlägigen Verkehrskreise würden in der angegriffenen Marke keinerlei Aufwertung der kriminellen Tätigkeit der Mafia erblicken, da Letztere Anlass zu zahlreichen Fiktionen sowohl in Büchern als auch in Filmen gegeben habe. Die Eintragung der angegriffenen Marke ziele nicht darauf ab, Anstoß zu erregen oder zu beleidigen, weil die von ihr erfassten Waren und Dienstleistungen nicht dazu bestimmt seien, anderen eine Botschaft zu überbringen, sondern nur dazu, die Kino‑Saga „Der Pate“ in Erinnerung zu rufen. Das Konzept ihrer Restaurants sei thematisch angelegt und mit dieser Saga verbunden und die angegriffene Marke habe in Spanien Bekanntheit erlangt.
40 Insoweit ist zunächst zu betonen, dass ein Zeichen, das besonders anstößig oder beleidigend ist, als Verstoß gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten anzusehen ist, unabhängig davon, für welche Waren und Dienstleistungen es angemeldet worden ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Oktober 2011, PAKI, T‑526/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2011:564, Rn. 15). Zudem geht aus einer Gesamtschau der verschiedenen Unterabsätze von Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 7 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001) hervor, dass sich diese auf Eigenschaften beziehen, die die angemeldete Marke selbst besitzt, und nicht auf Umstände, die das Verhalten des Anmelders betreffen (Urteile vom 9. April 2003, Durferrit/HABM – Kolene [NU-TRIDE], T‑224/01, EU:T:2003:107, Rn. 76, und vom 13. September 2005, Sportwetten/HABM – Intertops Sportwetten [INTERTOPS], T‑140/02, EU:T:2005:312, Rn. 28).
41 Somit hat zum einen der Umstand, dass die Anmeldung der angegriffenen Marke nicht darauf abgezielt habe, Anstoß zu erregen oder zu beleidigen, sondern nur darauf, die Kino-Saga „Der Pate“ in Erinnerung zu rufen, keinen Einfluss auf die negative Wahrnehmung dieser Marke durch die einschlägigen Verkehrskreise. Im Übrigen ruft kein Element der angegriffenen Marke diese Saga unmittelbar in Erinnerung.
42 Zum anderen handelt es sich bei der von der angegriffenen Marke erworbenen Bekanntheit und dem thematisch angelegten Konzept der Restaurants der Klägerin, die bzw. das mit der Kino-Saga „Der Pate“ in Zusammenhang steht, nicht um Eigenschaften, die die angegriffene Marke selbst besitzt, weshalb sie für die Beurteilung, ob die angegriffene Marke gegen die öffentliche Ordnung verstößt, unerheblich sind.
43 Ferner ist es üblich, dass Fiktionen in Literatur oder Kino durch die Verwendung oder Inszenierung der Themen, die sie anschneiden, beim Publikum oder bei einem Teil des Publikums Anstoß erregen oder dieses bzw. diesen beleidigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. November 2013, FICKEN LIQUORS, T‑54/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:593, Rn. 33). Die Tatsache, dass es zahlreiche Bücher und Filme gibt, die sich auf die Mafia beziehen, ist daher in keiner Weise geeignet, die Wahrnehmung der von dieser Organisation begangenen Straftaten zu verändern.
44 Schließlich kann, wie das EUIPO in seiner Klagebeantwortung im Wesentlichen hervorhebt, die in der angegriffenen Marke vorhandene rote Rose von einem großen Teil der einschlägigen Verkehrskreise als Symbol der Liebe oder der Eintracht aufgefasst werden, was im Gegensatz zur Gewalt steht, die für die Tätigkeiten der Mafia typisch ist.
45 Dieser Gegensatz wird durch den Satz „se sienta a la mesa“ in der angegriffenen Marke verstärkt. Dieser Satz bedeutet nämlich im Spanischen „setzt sich zu Tisch“ und kann von einem großen Teil der dieser Sprache mächtigen Verkehrskreise als Hinweis auf das Teilen einer Mahlzeit verstanden werden. Die Mafia mit Vorstellungen von Geselligkeit und Entspannung zu verknüpfen, die vom Teilen einer Mahlzeit vermittelt werden, trägt somit zur Verharmlosung der rechtswidrigen Tätigkeiten dieser kriminellen Organisation bei.
46 Daher ist die Verknüpfung des Wortelements „La Mafia“ mit den übrigen Elementen der angegriffenen Marke, wie das EUIPO und die Italienische Republik hervorheben, geeignet, ein insgesamt positives Bild der Tätigkeiten der Mafia zu vermitteln und auf diese Weise die kriminellen Tätigkeiten dieser Organisation zu verharmlosen.
47 Nach alledem ergibt sich, dass die angegriffene Marke insgesamt betrachtet auf eine kriminelle Organisation verweist, ein insgesamt positives Abbild dieser Organisation gibt und somit die schwerwiegenden Verstöße dieser Organisation gegen die oben in Rn. 36 genannten Grundwerte der Union verharmlost. Die angegriffene Marke ist folglich geeignet, nicht nur bei den Opfern dieser kriminellen Organisation und ihren Familien, sondern bei jeder Person im Unionsgebiet, die mit dieser Marke konfrontiert wird und über eine durchschnittliche Empfindlichkeits- und Toleranzschwelle verfügt, Anstoß zu erregen oder diese zu beleidigen.
48 Daher hat die Beschwerdekammer fehlerfrei festgestellt, dass die angegriffene Marke im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 gegen die öffentliche Ordnung verstößt, und folglich bestätigt, dass diese Marke gemäß Art. 52 Abs. 1 Buchst. a dieser Verordnung für nichtig zu erklären ist.
49 Diese Schlussfolgerung wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Klägerin auf mehrere Unionswortmarken mit dem Wortelement „Mafia“ sowie auf die Entscheidungen MAFIA II und CONTRA‑BANDO Bezug nimmt, um den Nachweis zu erbringen, dass die angegriffene Marke nicht gegen die öffentliche Ordnung verstoße. Nach ständiger Rechtsprechung sind die Entscheidungen der Beschwerdekammern des EUIPO über die Eintragung eines Zeichens als Unionsmarke gemäß der Verordnung Nr. 207/2009 nämlich gebundene Entscheidungen und keine Ermessensentscheidungen. Die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidungen ist daher allein auf der Grundlage dieser Verordnung und nicht auf der Grundlage einer vorherigen Entscheidungspraxis zu beurteilen (Urteile vom 26. April 2007, Alcon/HABM, C‑412/05 P, EU:C:2007:252, Rn. 65, vom 24. November 2005, ARTHUR ET FELICIE, T‑346/04, EU:T:2005:420, Rn. 71, und vom 6. April 2017, Nanu-Nana Joachim Hoepp/EUIPO – Fink [NANA FINK], T‑39/16, EU:T:2017:263, Rn. 84). Daraus folgt, dass weder die von der Klägerin angeführten Entscheidungen des EUIPO noch der Umstand, dass das EUIPO von der angegriffenen Marke verschiedene, ebenfalls das Wortelement „Mafia“ enthaltende Marken eingetragen hat, die angefochtene Entscheidung in Frage stellen können.
50 Das Gleiche gilt für den von der Klägerin hervorgehobenen Umstand, dass mehrere Marken mit dem Wortelement „Mafia“ in Italien eingetragen worden seien. Die Unionsregelung für Marken ist nämlich ein autonomes System, das aus einer Gesamtheit von Vorschriften besteht und Zielsetzungen verfolgt, die ihm eigen sind, und dessen Anwendung von jedem nationalen System unabhängig ist. Dementsprechend darf die Eintragungsfähigkeit eines Zeichens als Unionsmarke nur auf der Grundlage der einschlägigen Regelung beurteilt werden. Das EUIPO und gegebenenfalls der Unionsrichter sind daher an auf der Ebene der Mitgliedstaaten ergangene Entscheidungen, auch wenn sie diese berücksichtigen können, selbst dann nicht gebunden, wenn diese Entscheidungen gemäß einer unionsweit harmonisierten nationalen Regelung erlassen worden sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. November 2013, FICKEN LIQUORS, T‑54/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:593, Rn. 46, vom 15. Juli 2015, Australian Gold/HABM – Effect Management & Holding [HOT], T‑611/13, EU:T:2015:492, Rn. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 27. Juni 2017, Jiménez Gasalla/EUIPO [B2B SOLUTIONS], T‑685/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:438, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung). Daraus folgt, das weder das EUIPO noch der Unionsrichter an nationale Entscheidungen über die Eintragung wie die von der Klägerin ins Treffen geführten gebunden sind, so dass sich insoweit eine weitere Prüfung erübrigt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. Februar 2015, Compagnie des montres Longines, Francillon/HABM – Cheng [B], T‑505/12, EU:T:2015:95, Rn. 86 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 27. Juni 2017, B2B SOLUTIONS, T‑685/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:438, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).
51 Daraus folgt, dass die Klage als unbegründet abzuweisen ist, ohne dass es einer Entscheidung über die – von der Italienischen Republik eingewandte – Unzulässigkeit der Klage insgesamt bzw. einer Entscheidung über die – vom EUIPO eingewandte – Unzulässigkeit des zweiten Antrags, der die Feststellung der Gültigkeit der angegriffenen Marke betrifft, bedarf.